Urteil des HessVGH vom 21.11.1997
VGH Kassel: hessen, eingriff in grundrechte, abschluss eines staatsvertrags, leistungserbringer, erlass, verwaltungsabkommen, jugend, energie, hauptsache, zusammenarbeit
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 TG 3521/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 12 Abs 1 GG, Art 103
Abs 2 Verf HE, § 1 Abs 1
RettDG HE, § 9 Abs 1
RettDG HE, § 13 RettDG HE
(Übertragung bestimmter Teile der Luftrettung auf ein
anderes Bundesland; Genehmigung zur Erbringung
rettungsdienstlicher Leistungen - Versagungsgrund der
Funktionsgefährdung des Rettungsdienstes)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die
beantragte Wiedererteilung einer Genehmigung zur Durchführung spezieller
Sekundärtransporte mit Hubschraubern zugunsten der Antragstellerin, die seit
1986 aufgrund entsprechender Erlaubnisse gleichartige Leistungen im
Rettungsdienstwesen im Lande Hessen erbracht hat. Genehmigungen zur
Durchführung spezieller Sekundärtransporte mit Hubschraubern in Hessen wurden
ihr und drei weiteren Rettungsdienstunternehmen zuletzt für die Zeit vom 1. Juli
1993 bis 30. Juni 1997 erteilt. Der im August 1996 gestellte Antrag der
Antragstellerin auf Verlängerung der erteilten Genehmigung über den 30. Juni
1997 hinaus wurde durch das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend,
Familie und Gesundheit mit Bescheid vom 25. März 1997 abgelehnt. Gegen diesen
Bescheid hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Gießen am 21. April
1997 Klage erhoben, die dort noch unter dem Aktenzeichen 7 E 607/97 anhängig
ist.
Nachdem ein von der Antragstellerin bei dem Ministerium mit Schreiben vom 6.
Mai 1997 gestellter Antrag auf Verlängerung ihrer Genehmigung bis zur
Entscheidung im Klageverfahren mit Schreiben vom 13. Mai 1997 abgelehnt
worden war, hat die Antragstellerin Mitte Juni 1997 Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung gestellt, den sie mit drohender Existenzvernichtung bei
Auslaufen der Genehmigung und der Auffassung begründet hat, die Versagung
der Genehmigung sei zu Unrecht auf § 13 Abs. 4 des Hessischen
Rettungsdienstgesetzes (HRDG) gestützt worden; zu ihren Gunsten sei § 13 Abs. 3
HRDG anzuwenden gewesen, der ihr und den übrigen bisherigen
Leistungserbringern Bestandsschutz gewähre.
Die Antragstellerin hat sinngemäß beantragt,
den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die ihr bis
zum 30. Juni 1997 befristet erteilte Genehmigung zur Durchführung spezieller
Sekundärtransporte mit Hubschraubern vorläufig bis zur Rechtskraft eines Urteils
im Hauptverfahren zu verlängern und die beantragte Genehmigung mit dieser
Maßgabe zu erteilen.
Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten und hat sich wie in dem
ablehnenden Bescheid auf die Ergebnisse einer wissenschaftlichen
Begleituntersuchung zur zentralen Disposition luft- und bodengebundener
Rettungsmittel für spezielle Sekundärtransporte in Hessen vom Juni 1995 und ein
weiteres Gutachten über die Einsätze in Rheinland-Pfalz unter Einbeziehung in
Hessen erhobener Daten vom Oktober 1996 bezogen. Diese Gutachten hätten
ergeben, dass die Vorhaltung von Sekundärhubschraubern ausschließlich für
Hessen weder fachlich noch wirtschaftlich sinnvoll sei und zur Optimierung der
Leistungsstruktur die Errichtung einer gemeinsamen Hubschrauberstation
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Leistungsstruktur die Errichtung einer gemeinsamen Hubschrauberstation
zusammen mit dem Bundesland Rheinland-Pfalz mit dem optimalen Standort M
geboten sei.
Das Verwaltungsgericht Gießen hat den Eilantrag mit Beschluss vom 14. Juli 1997,
auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgelehnt. Gegen diesen
Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde, die der Senat mit Beschluss
vom 2. Oktober 1997 - 11 TZ 2819/97 - zugelassen hat.
Im Laufe des Eilverfahrens hat am 1. Juli 1997 der in M stationierte
Rettungshubschrauber "Christoph 77" der beigeladenen ADAC-Luftrettung GmbH
seinen Dienst aufgenommen, der seitdem auch Sekundärflüge in Hessen
durchführt. Eine Genehmigung zur Durchführung derartiger Flüge in Hessen nach §
13 HRDG ist zur Zeit weder der Beigeladenen noch einem sonstigen
Leistungserbringer erteilt. Grundlage für die Stationierung des ADAC-
Hubschraubers in Mainz ist ein "Abkommen über die Zusammenarbeit in der
Luftrettung", das die Hessische Ministerin für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und
Gesundheit des Landes Hessen am 9. April 1997 und der Minister des Innern und
für Sport des Landes Rheinland-Pfalz am 21. April 1997 unterzeichnet haben und
in dem u. a. geregelt ist, dass das Land Rheinland-Pfalz im Klinikum der Universität
in M eine gemeinsame Hubschrauber- Station einrichtet und die Beigeladene mit
der Durchführung des Betriebes beauftragt (Art. 2 Abs. 1).
Dem Senat liegen die das Hauptsache-Verfahren betreffenden Gerichtsakten des
Verwaltungsgerichts Gießen mit dem Aktenzeichen 7 E 607/97 sowie zwei Leitz-
Ordner Behördenakten des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Jugend,
Familie und Gesundheit, davon einer die der Antragstellerin erteilten
Genehmigungen und Auflagen betreffend, vor.
Entscheidungsgründe
Die durch den Senatsbeschluss vom 2. Oktober 1997 zugelassene Beschwerde ist
teilweise begründet, denn zur Sicherung des der Antragstellerin zustehenden
Anspruchs auf fehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf Verlängerung der mit
Bescheid vom 28. Juni 1993 erteilten Genehmigung zur Durchführung spezieller
Sekundärtransporte mit Hubschraubern ist die aus dem Tenor ersichtliche
einstweilige Anordnung geboten (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angedeuteten
Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
unter dem Gesichtspunkt einer Vorwegnahme der Hauptsache teilt der Senat
nicht, soweit die Antragstellerin die Verlängerung ihrer inzwischen am 30. Juni 1997
ausgelaufenen Genehmigung begehrt. Wie § 13 Abs. 3 Hessisches
Rettungsdienstgesetz - HRDG - in der Fassung vom 5. April 1993 (GVBl. I S. 268)
zeigt, handelt es sich bei der Wiedererteilung einer Genehmigung nach § 13 HRDG
nicht um eine "Verlängerung" der alten Genehmigung, sondern um einen neuen
Verwaltungsakt, der die Rechtsverhältnisse für die jeweils nächsten vier Jahre (§ 13
Abs. 7 Satz 1 HRDG) neu regelt; die Tatsache, dass bereits früher eine
entsprechende Genehmigung vorlag, ist gemäß § 13 Abs. 3 HRDG lediglich ein
Kriterium im Rahmen der neuen Genehmigungsentscheidung. Deshalb ist das
Antragsbegehren, soweit es sich auf die "Verlängerung" der alten Genehmigung
beschränkt, nicht identisch mit dem auf Genehmigungserteilung gerichteten
Klagebegehren im Hauptsacheverfahren. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist
insoweit mit der beantragten einstweiligen Anordnung nicht verbunden, zumal es
sich bei der Fassung des Antrags nur um eine Anregung handelt (§ 88 VwGO), der
der Senat in dem aus dem Tenor ersichtlichen eingeschränkten Umfang folgt.
Soweit die Antragstellerin zusätzlich begehrt, "die beantragte Genehmigung mit
dieser Maßgabe zu erteilen", wäre mit einer antragsgemäßen Entscheidung eine
Vorwegnahme der Hauptsache verbunden, so dass der Antrag insoweit unzulässig
ist. Denn zur Gewährung effektiven einstweiligen Rechtsschutzes und zur
Vermeidung der von der Antragstellerin befürchteten Existenzvernichtung ist es
ausreichend, die inzwischen abgelaufene Genehmigung für einen begrenzten
Zeitraum wieder aufleben zu lassen, um der Antragstellerin mit der aus dem Tenor
ersichtlichen auflösend bedingten Regelung einstweilen die Möglichkeit eines
kostendeckenden Betriebs ihrer zur Durchführung von Sekundärtransporten bereit
gehaltenen Hubschrauber zu geben.
Mithin ist die Beschwerde zurückzuweisen, soweit das Verwaltungsgericht den
Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Erteilung einer (neuen)
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Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Erteilung einer (neuen)
Genehmigung abgelehnt hat.
Für die Erteilung der aus dem Tenor ersichtlichen einstweiligen Anordnung besteht
ein Anordnungsgrund, denn ohne den Erlass dieser Anordnung würde für die
Antragstellerin die Gefahr bestehen, dass durch Zeitablauf die Verwirklichung
eines möglichen Genehmigungsanspruchs für die nächsten vier Jahre vereitelt
würde, weil sie ohne einstweilige Erlaubnis der Durchführung von
Ambulanztransporten mit dem vorhandenen Fluggerät wahrscheinlich nicht in der
Lage wäre, dieses bis zum möglichen künftigen Erlass einer neuen Genehmigung
nach § 13 HRDG vorzuhalten. Die Antragstellerin hat durch ihren Vortrag,
insbesondere durch Vorlage einer Stellungnahme ihres Steuerberaters vom 17. Juli
1997 (Band II Bl. 446 GA) glaubhaft gemacht, dass allein der für spezielle
Sekundärtransporte bereit gehaltene zweimotorige Hubschrauber SA 365 am
gesamten Betriebsergebnis mit rund 40 % beteiligt ist. Dass dieser mit
medizinischer Spezialausrüstung versehene Hubschrauber anderweitig
kostendeckend eingesetzt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Dass die
wirtschaftliche Existenz eines vergleichsweise kleinen Unternehmens durch den
Ausfall einer derart bedeutenden Einnahmequelle ernsthaft gefährdet wird, liegt
auf der Hand.
Es liegt auch ein Anordnungsanspruch vor, denn für die Ablehnung des neuen
Genehmigungsantrags bestand bei Erlass des ablehnenden Bescheids vom 25.
März 1997 und besteht derzeit kein hinreichender Versagungsgrund, der dem aus
Art. 12 Abs. 1 GG abgeleiteten und durch § 13 Abs. 3 HRDG einfachgesetzlich
geregelten Genehmigungsanspruch der Antragstellerin entgegengesetzt werden
könnte. Soweit dies im Rahmen summarischer Überprüfung der Sach- und
Rechtslage beurteilt werden kann, ist der Antragstellerin die beantragte Erteilung
einer neuen Genehmigung zur Durchführung von speziellen Sekundärtransporten
mit Hubschraubern für die Zeit ab 1. Juli 1997 zu Unrecht versagt worden.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist der den Bestandsschutz für
sogenannte Altunternehmer hervorhebende § 13 Abs. 3 HRDG nicht etwa nur in
der Übergangszeit nach dem Inkrafttreten des HRDG anwendbar gewesen. Dies
zeigt zum einen die besondere Übergangsvorschrift in § 30 HRDG, die allerdings
für die Luftrettung nicht anwendbar ist, und zum anderen die
Entstehungsgeschichte des § 13 Abs. 3 HRDG, dessen Bedeutung in der amtlichen
Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung (LT-Drs. 12/7214, S. 43) wie
folgt dargestellt worden ist:
"Um im Hinblick auf die vorgegebene Zugangsbeschränkung eine
genehmigungsabhängige Bedarfsprüfung zu gewährleisten, wird über die
generellen Vorschriften zur Übermittlung und Fortschreibung des Bedarfs hinaus
eine zusätzliche Bedarfsuntersuchung für den Fall vorgesehen, dass eine
Genehmigung auf der Grundlage des vom Träger des Rettungsdienstes
festgestellten Bedarfs zu versagen ist. Dadurch soll vor allem sichergestellt
werden, dass im Vorfeld der Entscheidung der Genehmigungsbehörde eine
aktuelle Bedarfsermittlung durchgeführt wird und die Gesamtregelung des Abs. 4
wie die seitherige Vorschrift des § 13 Abs. 4 PBefG ausgelegt wird. Es bedarf damit
im Einzelfall des Nachweises einer konkreten Gefährdung der Funktionsfähigkeit
des Rettungsdienstes.
Im Sachzusammenhang wird den bereits beteiligten Leistungserbringern bei
der erneuten Erteilung von Genehmigungen ein Vorrang vor Neubewerbern
eingeräumt, wenn von einer seitherigen Genehmigung entsprechend den
Anforderungen des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Dadurch soll erreicht
werden, dass die Mitwirkung von bewährten Leistungserbringern erhalten bleibt
und die vor allem mit einem eventl. Wechsel verbundenen zusätzlichen
Anforderungen für neue Investitionen auch im Sinne des SGB V auf das
unabdingbar Notwendige begrenzt werden."
Die Antragstellerin bedarf zur Durchführung von Sekundärtransporten mit
Hubschraubern gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 HRDG der
Genehmigung und erfüllt die in § 13 Abs. 2 HRDG geregelten subjektiven
Genehmigungsvoraussetzungen. Ihr hätte die Genehmigung deshalb gemäß § 13
Abs. 4 HRDG nur versagt werden können, wenn aufgrund einer mindestens
dreimonatigen Untersuchung und Bewertung des Einsatzaufkommens eine
Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit des
Rettungsdienstes im Sinne von § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1, 2 und 4 HRDG zu
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Rettungsdienstes im Sinne von § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1, 2 und 4 HRDG zu
erwarten wäre. Bei den rechtstechnisch als Versagungsgrund ausgebildeten
Zulassungsvoraussetzungen des § 13 Abs. 4 HRDG handelt es sich um eine
objektive Berufszugangsvoraussetzung in Gestalt einer Bedürfnisprüfung (so
schon die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 28. August
1990, LT-Drs. 12/7214, S. 3 Mitte). Dieser Ausschlusstatbestand ist zwar wohl
keine Berufswahlregelung, da es ein profiliertes Berufsbild des
"Luftrettungsunternehmers" nicht gibt und durch die Versagung einer
Genehmigung für die Durchführung spezieller Sekundärtransporte mit
Hubschraubern die Betätigung als Luftverkehrsunternehmer nicht schlechthin in
Frage gestellt wird (vgl. hierzu Denninger, Rettungsdienst und Grundgesetz, DÖV
1987, 989 ff.). Als Berufsausübungsregelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2
GG stehen Einschränkungen der gewerblichen Betätigungsfreiheit im Rahmen der
Luftrettung jedoch unter Rechtssatzvorbehalt, in ihren wesentlichen Elementen
sogar unter Parlamentsvorbehalt (Denninger, a. a. O., S. 991; BVerwG, Urteil vom
3. November 1976 - VII C 60.74 -, BVerwGE 51, 235 (238 f.); und vom 27.
November 1981 - 7 C 57.79 -, BVerwGE 64, 238 (244 f.)). Mit § 13 Abs. 4 HRDG hat
der Gesetzgeber eine zulässige objektive Zugangsschranke zur Erbringung
rettungsdienstlicher Leistungen geschaffen, denn das Schutzgut, die
Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes im Sinne des § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1, 2
und 4 HRDG, ist ohne Zweifel ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.
Der Senat hat allerdings schon Zweifel, ob der dem Versagungsbescheid vom 25.
März 1997 zugrunde liegende Abschlussbericht "Landesweite Einsatzerfassung von
ärztlich begleiteten sowie luft- und bodengebunden durchgeführten
Verlegungstransporten in Rheinland-Pfalz" (Bl. 450 ff. der beigezogenen
Planungsakte Luftrettung des Antragsgegners), der von der RUN-Rettungswesen
und Notfallmedizin GmbH in Marburg für das Ministerium des Innern und für Sport
des Landes Rheinland-Pfalz erstellt worden ist, den formalen Anforderungen des §
13 Abs. 4 HRDG genügt. Zu dem in § 13 Abs. 4 Satz 2 HRDG vorgesehenen
Untersuchungsgegenstand "Kosten- und Ertragslage" enthält der Abschlussbericht
keine substantiierten Ausführungen, was auch daran liegen mag, dass der Bericht
im Auftrag eines anderen Bundeslandes erstellt worden ist. Dem Bericht lässt sich,
wie in dem angegriffenen Ablehnungsbescheid des Hessischen Ministeriums für
Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit vom 25. März 1997 zutreffend
festgestellt wird, (lediglich) entnehmen, dass nach Empfehlung der durch das
zuständige Ministerium des Landes Rheinland-Pfalz beauftragten Experten "zur
Optimierung der Leistungsstruktur eine gemeinsame Hubschrauberstation für
spezielle Sekundärtransporte eingerichtet werden soll" und "dass für einen
gemeinsamen Sekundärhubschrauber unter der Prämisse, dass in den
Aufgabenbereich für diesen Hubschrauber in begrenztem Umfang Aufgaben der
Primärrettung einbezogen werden, der Standort M (Klinikum der J -Universität) am
besten geeignet ist", wobei "die Aufgaben des Primärrettungsdienstes auf einen
definierten Teil des Rettungsdienstbereiches Bad Kreuznach zu beschränken" sind
(S. 65 des RUN-Abschlussberichts, B. 512 der Planungsakten). Der Betrieb eines in
Mainz stationierten Rettungshubschraubers für beide Einsatzarten in Rheinland-
Pfalz und für Sekundärtransporte in Hessen führt nach der Begründung des
angegriffenen Bescheids vom 25. März 1997 zu einer "fachlich und wirtschaftlich
optimalen Leistungserbringung im Bereich der speziellen Sekundärtransporte in
der Luftrettung". Damit ist indessen noch nicht gesagt, dass ein Beibehalten der
bisherigen Strukturen zu einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der
Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes führen würde, wie dies § 13 Abs. 4 Satz 1
HRDG verlangt. Dass eine bestimmte Konzeption höhere Kosten verursacht, führt
nicht ohne weiteres zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des
Rettungsdienstes.
Entscheidend für die Prognose, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren
voraussichtlich obsiegen wird, ist indessen zum derzeitigen Zeitpunkt die Art und
Weise, wie der Antragsgegner und das Land Rheinland-Pfalz die aus dem zitierten
Abschlussbericht gezogenen prognostischen Schlussfolgerungen rechtlich
umgesetzt haben. Bei dem am 9. bzw. 21. April 1997 durch die für das
Gesundheitswesen zuständigen Minister beider Bundesländer unterzeichneten
"Abkommen über die Zusammenarbeit in der Luftrettung" handelt es sich um ein
Verwaltungsabkommen in Gestalt des sogenannten Ressortabkommens (vgl.
Schmidt-Bleibtreu, Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl. 1995, Rdnr. 26 zu Art.
59). Diese Regelungsform reicht indessen nicht aus, um den damit verbundenen
Eingriff in Grundrechte der Antragstellerin und weiterer bisher in Hessen auf
gleichem Gebiet tätiger Leistungserbringer zu rechtfertigen. Denn zur Schaffung
der in Art. 2 Abs. 1 des Abkommens geregelten gemeinsamen Hubschrauber-
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der in Art. 2 Abs. 1 des Abkommens geregelten gemeinsamen Hubschrauber-
Station und der in Art. 3 Abs. 1 des Abkommens geregelten Vereinbarung des
anzuwendenden Rechts wäre ein Staatsvertrag notwendig gewesen, der in Hessen
der Zustimmung des Landtags bedurft hätte (Art. 103 Abs. 2 HV). Voraussetzung
wäre aber eine Änderung des HRDG, das in § 13 für die Erbringung von
Rettungsdienstleistungen in Hessen die Erteilung einer Genehmigung durch die
hessische Genehmigungsbehörde fordert und in § 20 dieser Behörde die Aufsicht
über die Leistungserbringer zuweist. Durch Verwaltungsabkommen können
lediglich Regelungen getroffen werden, die nur mit den Mitteln des
Verwaltungsrechts ohne Gesetz durchgeführt werden können (Schmidt-Bleibtreu,
a. a. O., Rdnr. 23 zu Art. 59 GG). Sowohl aus dem Grundgesetz wie aus der
Landesverfassung ergeben sich Grenzen für die sogenannte Selbstkoordinierung
der Länder durch Verwaltungsabkommen: Sie dürfen nicht wesentliche Teile der
Staatsgewalt eines Landes auf nicht der Landeshoheit unterstehender Organe
übertragen, insbesondere nicht die Funktion des Landesparlaments als Träger der
Gesetzgebung und der parlamentarischen Kontrolle über die Exekutive
beeinträchtigen und müssen - dies gilt auch für Staatsverträge - den zuständigen
Landesorganen nicht nur die Freiheit der Entscheidung über den Beitritt zum
Abkommen, sondern auch über die Fortdauer der Beteiligung des Landes an dem
Abkommen ermöglichen (Zinn-Stein, Verfassung des Landes Hessen, S. 50). Die
in Art. 103 Abs. 2 vorgesehene Zustimmung des Landtags zu Staatsverträgen hat
- wie vergleichbare Vorschriften in anderen Bundesländern - die Funktion, die
legislative Entscheidungsfreiheit zu wahren. Das Erfordernis der Zustimmung
schließt aus, dass die Regierung den Landtag als Gesetzgeber präjudiziert, indem
sie ihn vor die Wahl stellt, entweder ein ungewolltes Gesetz zu beschließen oder
das Land vertragsbrüchig werden zu lassen. Der Vollzug des Staatsvertrages ist
mithin nur gesichert, wenn das Parlament vorher seine Zustimmung erteilt, und
zwar in Gesetzesform, soweit dies landesverfassungsrechtlich nötig ist, um den
Inhalt des Staatsvertrages zu innerstaatlichem Recht zu machen (BVerwG, Urteil
vom 28. Mai 1980 - 7 A 2.79 -, BVerwGE 60, 163 (176)).
Soweit sich der Antragsgegner zur Stützung seiner gegenteiligen Auffassung auf
nachträglich eingeholte Stellungnahmen der Hessischen Staatskanzlei vom 18.
Juni 1997 (Band III Bl. 519 GA) sowie von Mitarbeitern des wissenschaftlichen
Dienstes des Landtags Rheinland-Pfalz und des Ministeriums der Justiz dieses
Landes vom 23. Juni 1997 (Band III Bl. 520 GA) bezieht, vermag der Senat lediglich
der von der Hessischen Staatskanzlei vertretenen Auffassung zu folgen, dass das
zwischen beiden Ländern geschlossene Abkommen über die Zusammenarbeit in
der Luftrettung nicht die Qualität eines Staatsvertrags hat. Soweit von rheinland-
pfälzischer Seite die Auffassung vertreten worden ist, es habe keines
Staatsvertrags zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz bedurft, mag das aufgrund
der in Rheinland-Pfalz geltenden Rechtslage zutreffen, sofern die dort getroffenen
gesetzlichen Bestimmungen eine Übertragung von Hoheitsrechten auf andere
Bundesländer durch Verwaltungsvorschriften zulassen sollten, was hier
dahinstehen kann. Nach hessischer Rechtslage reicht jedenfalls ein
Verwaltungsabkommen zur teilweisen Verlagerung der nach § 9 Abs. 1 Satz 1
HRDG dem Land obliegenden Aufgaben der Luftrettung in ein anderes Bundesland
mit der damit einhergehenden Folge einer Übertragung der Hoheitsaufgaben nach
§ 13 HRDG auf Behörden dieses anderen Bundeslandes nicht aus, weil der
Gesetzgeber mit den Regelungen in §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 13 ff., 20 HRDG ersichtlich
davon ausgegangen ist, dass die Luftrettung in Hessen grundsätzlich der
Genehmigung und Aufsicht hessischer Behörden unterliegt. Zwar schließt dies
nicht aus, dass im Einzelfall Rettungsflüge in Hessen - und dies gilt insbesondere
für sekundäre Rettungsflüge - auch durch Leistungserbringer durchgeführt werden
dürfen, die eine rettungsdienstliche Genehmigung in einem anderen Bundesland
erhalten haben. Insbesondere bei Interhospitaltransfers, die ihren Ausgangspunkt
außerhalb Hessens haben und nach Hessen führen, dürfte dies sogar die Regel
sein. Dies hat jedoch nichts mit der dem Gesetzgeber vorbehaltenen
Grundentscheidung zu tun, ob bestimmte Sparten des Rettungsdienstes und die
damit verbundenen Verwaltungszuständigkeiten ganz oder in wesentlichen Teilen
nur noch von Behörden und Institutionen wahrgenommen werden, die keiner
unmittelbaren Einflussnahme und parlamentarischen Kontrolle von Hessen aus
mehr unterliegen.
Die Übertragung von Aufgaben der Luftrettung auf das Land Rheinland- Pfalz durch
ein schlichtes Verwaltungsabkommen ist auch nicht durch § 9 Abs. 1 Satz 2 HRDG
gedeckt. Die grundsätzlich als Angelegenheit des Landes zu betrachtende
Aufgabe der Luftrettung kann nach dieser Vorschrift durch das zuständige
Ministerium im Benehmen mit dem Landesausschuss für den Rettungsdienst und
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Ministerium im Benehmen mit dem Landesausschuss für den Rettungsdienst und
im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Leistungsträger durch
Vereinbarungen ganz oder teilweise Dritten übertragen werden. Dies ist jedoch nur
möglich, wenn die Leistungserbringer nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und 3 HRDG hierzu
nicht bereit und in der Lage sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nach
dieser Vorschrift Aufgaben der Luftrettung, wie in Art. 2 Abs. 1 des Abkommens
geschehen, auch auf andere Bundesländer übertragen werden können, setzt dies
jedenfalls das Fehlen geeigneter sonstiger Leistungserbringer voraus. Hier standen
jedoch sogar mehrere geeignete Leistungserbringer zur Verfügung, die überdies
noch durch § 13 Abs. 3 HRDG privilegiert waren.
Der Senat sieht sich zu dem Hinweis veranlasst, dass die vorliegende, aufgrund
summarischer Prüfung ergangene Entscheidung den Antragsgegner nicht zur
Beibehaltung der im abgelaufenen Genehmigungszeitraum bestehenden
Strukturen in Bezug auf sekundäre Rettungsflüge mit Hubschraubern zwingt.
Sofern nicht durch Abschluss eines Staatsvertrags mit dem Land Rheinland-Pfalz
oder durch eine gesetzliche Ermächtigung zum Abschluss entsprechender
Verwaltungsabkommen die rechtlichen Voraussetzungen für die von dem
Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit
beabsichtigte Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Durchführung sekundärer
Rettungstransporte mit Hubschraubern nach Rheinland-Pfalz geschaffen werden,
ist jedenfalls eine Korrektur der bisherigen Strukturen dahin möglich, dass die Zahl
der in diesem Bereich tätig gewordenen vier Unternehmen reduziert wird. Der
Entscheidung, ob und in welchem Maße dies möglich ist, müsste eine erneute
Untersuchung nach § 13 Abs. 4 HRDG vorausgehen; bei dem
Untersuchungsauftrag müsste allerdings besonderer Wert auf Berücksichtigung
der nach § 13 Abs. 3 HRDG bestandsgeschützten Unternehmen und auf die
Untersuchung der Entwicklung der Kosten- und Ertragslage gelegt werden. Eine
etwaige Regelung durch Staatsvertrag müsste besonderen Wert darauf legen,
dass die herausgehobene Rechtsstellung der in Hessen bestandsgeschützten
Unternehmen (§ 13 Abs. 3 HRDG) im Genehmigungsverfahren, auch wenn es nicht
durch eine hessische Behörde durchgeführt wird, besondere Berücksichtigung
findet.
Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 155 Abs. 1 VwGO verhältnismäßig zu
teilen. Da die Antragstellerin nur eine vorläufige Beibehaltung ihrer alten
Rechtsstellung und nicht die angestrebte befristete Erteilung einer neuen
Genehmigung erreicht, erscheint es angebracht, beide Beteiligten gleichmäßig mit
Kosten zu belasten. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu
erstatten, da dies nicht der Billigkeit entspricht (§ 162 Abs. 3 VwGO); die
Beigeladene hat nämlich im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt und hat
dies ohne anwaltlichen Beistand auch nicht tun können (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO),
so dass sie sich durch ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren auch keinem
eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Zur Streitwertbemessung wird auf die Gründe des gleichzeitig ergehenden
Beschlusses in der Sache 11 TE 2864/97 verwiesen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.