Urteil des HessVGH vom 02.12.2002
VGH Kassel: besondere härte, gewöhnlicher aufenthalt, aufenthaltserlaubnis, eltern, örtliche zuständigkeit, ausreise, assistenzarzt, arbeitsmarkt, aufenthaltsbewilligung, erwerbstätigkeit
1
2
3
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UE 1893/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 16 Abs 1 AuslG 1990
(Recht auf Wiederkehr - gewöhnlicher Aufenthalt vor
Ausreise)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils
des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. November 2000 verpflichtet,
dem Kläger unter Aufhebung des ausländerbehördlichen Bescheids vom 21. Juli
1997 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom
30. Oktober 1998 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AuslG zu erteilen.
Die Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung hinsichtlich der
festgesetzten Kosten abzuwenden, sofern nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1976 in Ankara geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste
erstmals am 18. Juni 1981 gemeinsam mit seiner Mutter im Wege der
Familienzusammenführung zu seinem Vater ein, der damals als Assistenzarzt in
einem Krankenhaus in D. beschäftigt war. Sein Vater besaß eine
Aufenthaltserlaubnis und zuletzt eine bis Ende Februar 1991 gültige
unbeschränkte Arbeitserlaubnis (§ 2 AEVO) für eine berufliche Tätigkeit jeder Art in
Verbindung mit der Berufserlaubnis gemäß § 10 BÄO. Seine Mutter verfügte über
eine bis Juni 1986 gültige Aufenthaltserlaubnis und stellte im März 1987 einen
Asylantrag, den sie während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zurücknahm.
Der Kläger besuchte von 1983 bis 1987 die Grundschule und im Schuljahr 1987/88
die 5. Klasse eines Gymnasiums in D. . Am 5. August 1988 kehrte er mit seiner
Familie in die Türkei zurück. Dort besuchte er die Deutsche Schule in Istanbul, an
der er am 31. Mai 1995 das Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife erlangte. Am
3. Oktober 1995 reiste er erneut nach Deutschland ein, um an der Universität in F.
ein Studium der Politologie, Geschichte und Volkswirtschaft aufzunehmen. Er
besaß ein für diesen Zweck ausgestelltes Visum, dem die Beklagte zugestimmt
hatte. In der Folgezeit erhielt er eine zunächst bis 3. Oktober 1997 befristete
Aufenthaltsbewilligung, die in der Folgezeit mehrmals verlängert wurde und zuletzt
bis 26. November 2002 galt. Auf den Verlängerungsantrag vom 16. September
2002 hin besitzt der Kläger jetzt eine Fiktionsbescheinigung nach
§ 69 Abs. 3 AuslG.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1996 beantragte der Kläger die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis zur Wiederkehr nach § 16 AuslG. Die Beklagte lehnte diesen
Antrag nach vorheriger Anhörung des Klägers mit Verfügung vom 21. Juli 1997 ab,
da der Kläger zwar durch den Besuch der Deutschen Schule in Istanbul ein hohes
Maß an Integration vorzuweisen, zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Juli 1988 aber
4
5
6
7
Maß an Integration vorzuweisen, zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Juli 1988 aber
keine rechtlich gesicherte Aussicht auf einen Daueraufenthalt erworben habe;
denn sein damaliger Aufenthaltsgrund sei die familiäre Lebensgemeinschaft mit
seiner Mutter gewesen, die hier lediglich ein Asylverfahren durchgeführt habe.
Außerdem sei der Antrag auf Wiederkehrerlaubnis nicht spätestens fünf Jahre nach
der Ausreise gestellt worden, sondern erst fast acht Jahre nach der Ausreise, als
sich der Kläger schon sieben Monate zu Studienzwecken im Bundesgebiet
aufgehalten habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos, ebenso
die anschließend erhobene Klage.
Der erkennende Senat hat nach Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 14. November 2000 die Beklagte mit Urteil vom 28. Mai
2001
(- 12 UE 187/01 -; EZAR 026 Nr. 3 = InfAuslR 2001, 326 = ESVGH 51, 200)
verpflichtet, dem Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden
Behördenentscheidungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AuslG zu erteilen.
Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger habe von Juni 1981 bis Juli 1988
rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet gehabt. Er sei als
Kind vor Vollendung seines 16. Lebensjahres von der Aufenthaltserlaubnispflicht
befreit gewesen, sein Vater habe damals eine Aufenthaltserlaubnis und eine
Arbeitserlaubnis für die Tätigkeit als Assistenzarzt bis Ende Februar 1991
besessen, und die Mutter habe bis Juni 1986 über eine Aufenthaltserlaubnis zum
Zwecke der Familienzusammenführung verfügt. Damit sei der Aufenthalt des
Klägers nicht nur rechtmäßig, sondern auch auf eine gewisse Dauer angelegt
gewesen. Die Sicherung seines Lebensunterhalts stehe vor allem aufgrund einer
Verpflichtungserklärung seiner Eltern fest. Soweit der Kläger die übrigen
Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 AuslG nicht erfülle, liege eine besondere Härte
im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 1 AuslG vor. Der Kläger genüge den Anforderungen
an die materielle Integrationsfähigkeit eines Wiederkehrers in einem so hohen
Maße, dass es nicht vertretbar sei, ihn wegen der verhältnismäßig geringfügigen
Nichterfüllung formeller Voraussetzungen von der Wiedereinreise auszuschließen.
Das der Behörde im Fall einer besonderen Härte eingeräumte Ermessen sei beim
Kläger auf Null reduziert. Die Beklagte habe keine Gesichtspunkte vorgebracht, die
gegen die Wiederkehrerlaubnis sprechen könnten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Berufungsurteil mit Urteil vom 19. März
2002 (- 1 C 19.01 -, EZAR 026 Nr. 4 = InfAuslR 2002, 394 = AuAS 2002, 230)
aufgehoben und die Sache zu anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Verpflichtungsurteil des
Senats werde dem rechtlichen Maßstab für die Erteilung einer Wiederkehrerlaubnis
nicht in vollem Umfang gerecht; im Übrigen seien die tatsächlichen
Voraussetzungen hierfür nicht ausreichend geklärt. Die tatsächlichen
Feststellungen des Senats trügen nicht die Auffassung, dass der Lebensunterhalt
des Klägers gesichert sei. Zudem habe der Senat zu Unrecht eine Reduzierung
des der Beklagten eingeräumten Ermessens auf Null angenommen. Allerdings sei
eine besondere Härte jedenfalls nicht ausgeschlossen. Schließlich scheitere das
Begehren des Klägers nicht an einem etwaigen entgegenstehenden
Versagungsgrund und auch nicht an dem Verbot, dem Inhaber einer
Aufenthaltsbewilligung eine Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf eines Jahres seit der
Ausreise zu erteilen.
Nach Zurückverweisung der Sache verfolgt der Kläger sein Verpflichtungsbegehren
weiter. Er legt zunächst eine notariell beglaubigte Erklärung seiner Mutter vom 23.
Juli 2002 vor, wonach sich diese verpflichtet, Unterhalts- und Aufenthaltskosten
sowie sämtliche sonstige Kosten für den Kläger für mindestens fünf Jahre während
seines Aufenthalts in Deutschland zu tragen. Außerdem trägt er auf die
richterliche Aufklärungsverfügung vom 9. Juli 2002 unter Vorlage entsprechender
Belege vor, sein Vater habe am 30. Juni 1972 an der Universität Istanbul
promoviert und sei am 18. März 1981 bei der Berufsgenossenschafts-Unfallklinik
D. auf unbestimmte Zeit unter Vertrag genommen worden. Nach Beendigung
dieser Tätigkeit Ende März 1982 sei er vom 1. April bis 30. September 1982 als
Assistenzarzt im Kreiskrankenhaus N. beschäftigt gewesen. Vom 1. Oktober 1982
bis Ende Juni 1983 sei er unverschuldet arbeitslos gewesen und habe während
dieser Zeit Arbeitslosengeld bezogen. Vom 1. Juli 1983 bis 31. März 1986 habe er
als Assistenzarzt in dem Evangelischen Krankenhaus in D. gearbeitet. Danach sei
er wieder arbeitslos gemeldet gewesen und habe vom 1. April 1986 bis 31. März
1987 Arbeitslosengeld bezogen. Ab 1. April 1986 sei seinem, des Klägers, Vater
eine auf fünf Jahre befristete unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt worden. Am
8
9
10
11
12
13
eine auf fünf Jahre befristete unbeschränkte Arbeitserlaubnis erteilt worden. Am
24. September 1986 habe dieser die Facharztprüfung im Fach Anästhesiologie
abgelegt und am 31. Oktober 1986 das Sportärztediplom erworben. Am 8.
Dezember 1986 sei ihm die Genehmigung zum Führen seines ausländischen
akademischen Grades erteilt worden. Danach habe ihm das Regierungspräsidium
die Berufserlaubnis und das Ordnungsamt die Aufenthaltserlaubnis nicht
verlängert, wobei die Rechtslage aufgrund des ARB 1/80 damals verkannt worden
sei. Hiergegen habe er geklagt und in der Zwischenzeit dann jeweils eine um drei
Monate verlängerte Aufenthaltserlaubnis erhalten. Während des Verfahrens sei er
1987, da sein Vater in der Türkei schwer an Prostatakrebs erkrankt gewesen sei, in
die Türkei gefahren, um seinen Vater operieren zu lassen. Nach der Operation
habe ihm das Generalkonsulat in Istanbul kein Einreisevisum erteilt. 1988 sei dann
seine Frau mit den beiden Kindern, darunter der Kläger, in die Türkei gefolgt. Zum
Nachweis der damaligen Lebens- und Berufsplanung seines Vaters legt der Kläger
eine schriftliche Erklärung des Vaters vom 15. November 2002 vor
und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am
Main vom 14. November 2000 zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des
ausländerbehördlichen Bescheids vom 21. Juli 1997 und des
Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 30. Oktober
1998 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Wiederkehr zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, bei dem Voraufenthalt des Klägers handele es sich nicht um
einen gewöhnlichen, auf Dauer angelegten und verfestigten rechtmäßigen
Aufenthalt, da dies bei aufenthaltserlaubnisfrei im Bundesgebiet lebenden
Minderjährigen in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus ihrer Eltern zu bestimmen
sei. Die Eltern des Klägers hätten aber nicht die Voraussetzungen für den
Rechtsanspruch auf unbefristete Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis erfüllt.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf habe in dem Beschluss vom 10. November
1986 festgestellt, der Vater des Klägers habe versichert, er strebe einen
Aufenthalt noch bis zum 31. Juli 1986 an, damit seine Kinder das Schuljahr
abschließen könnten. Das Verwaltungsgericht habe ausdrücklich hervorgehoben,
dass der alleinige Aufenthaltszweck des Vaters des Klägers die Durchführung der
Ausbildung zum Facharzt gewesen sei. Auch die vorgelegten Zeugnisse und
Bescheinigungen bestätigten diesen alleinigen Aufenthaltszweck. Wie lange sich
der Vater des Klägers nach der Wiedereinreise in das Bundesgebiet 1988 hier
aufgehalten habe, sei zwar unklar, es sei aber naheliegend, dass er das
Bundesgebiet bereits im Zeitpunkt seiner Ausreise 1987 dauerhaft verlassen
habe. Der Vater des Klägers habe während seines Aufenthalts im Bundesgebiet
keine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erlangt; deshalb könne sich der
Kläger nicht auf Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 berufen. Es sei nicht ausreichend
belegt und glaubhaft gemacht, dass der Vater des Klägers dem regulären
Arbeitsmarkt in Deutschland angehört habe. Dieses Tatbestandsmerkmal besitze
eine eigenständige Bedeutung und diene der Ausgrenzung von
Beschäftigungsverhältnissen türkischer Staatsangehöriger, die bei objektiver
Betrachtung primär Aus-, Fort- oder Weiterbildungs- und Nichterwerbszwecken
dienten, bei denen sich also die berufliche Situation in Ausgestaltung und
Bezahlung objektiv von der anderer bei dem selben Arbeitgeber und in der selben
Branche beschäftigter Personen unterscheide.
In der mündlichen Verhandlung hat sich der Vertreter der Beklagten insbesondere
da- rauf berufen, dass der Vater des Klägers sich nur vorübergehend zu
Ausbildungszwecken in Deutschland aufgehalten habe und unter keinen
Umständen mit einem Daueraufenthalt habe rechnen dürfen. Als Angehöriger
eines Entwicklungslandes sei er vielmehr verpflichtet gewesen, nach Beendigung
seiner Ausbildung in seine Heimat zurückzukehren, um dort als Arzt tätig zu sein.
Bisher sei nicht berücksichtigt worden, dass der Vater des Klägers der
Genehmigung nach der Bundesärzteordnung bedurft habe und nicht damit habe
rechnen können, diese für eine weitere Tätigkeit in Deutschland zu erhalten.
Schließlich sei der Vater des Klägers durch seine endgültige Rückkehr in die Türkei
aus dem Arbeitsmarkt in Deutschland ausgeschieden und habe deshalb keine
Rechte nach dem ARB 1/80 erwerben können. Im Übrigen seien keine
Überweisungsträger zum Beleg dafür vorgelegt worden, dass der Vater des
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Überweisungsträger zum Beleg dafür vorgelegt worden, dass der Vater des
Klägers eine Vergütung für seine Tätigkeiten als Assistenzarzt bezogen habe.
Der Senat hat eine Abschrift des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf
vom 10. November 1986 (8 L 1715/96) beigezogen und Auskünfte des
Arbeitsamts D. , des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge,
des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und der Stadt D. eingeholt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten
und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug
genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet, denn dieser erfüllt die
Voraussetzungen für die Wiederkehrerlaubnis nach § 16 AuslG nach Maßgabe der
bereits in dem Senatsurteil vom 28. Mai 2001 getroffenen Feststellungen und
unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts in
dem zurückverweisenden Urteil vom 19. März 2002 (a.a.O.) in dem Sinne, dass
sich das der Beklagten obliegende Ermessen auf Null reduziert.
Der Kläger erfüllt zwar nicht die Voraussetzungen für die Wiederkehrerlaubnis nach
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 (achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt und sechsjähriger
Schulbesuch) und Nr. 3 AuslG (Antragstellung vor Ablauf von 5 Jahren nach der
Ausreise), er hat
aber mit seinem Begehren Erfolg, weil eine besondere Härte vorliegt und die
Ausländerbehörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt hat
und anders als durch Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von diesem Ermessen
keinen fehlerfreien Gebrauch machen kann (§ 16 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Aufgrund
der Bindungswirkung des Revisionsurteils (§ 144 Abs. 6 VwGO) steht für den
erkennenden Senat fest, dass der Aufenthaltsgenehmigung weder das Verbot des
§ 8 Abs. 2 AuslG (unerlaubte Einreise) noch die Sperre des § 28 Abs. 3 AuslG
(Ausschluss der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an eine
Aufenthaltsbewilligung) entgegenstehen und dass eine besondere Härte im Sinne
von § 16 Abs. 2 Satz 1 AuslG bejaht werden kann, falls sich herausstellt, dass der
Kläger in den Jahren 1981 bis 1988 einen gewöhnlichen Aufenthalt im
Bundesgebiet hatte. Nach der Revisionsentscheidung sind lediglich noch die
ausreichende Unterhaltssicherung (1.) und der gewöhnliche Voraufenthalt (2.)
aufzuklären, die besondere Härte (3.) endgültig festzustellen und die
Ermessensausübung der Beklagten zu überprüfen (4.).
1. Der Lebensunterhalt des Klägers ist aufgrund der Verpflichtung seiner Mutter für
die Dauer von fünf Jahren gesichert (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 AuslG). Für die Sicherung
des Lebensunterhalts durch eine Unterhaltsverpflichtung eines Dritten für die
Dauer von fünf Jahren kommt es im Rahmen der Verpflichtungsklage auf den
Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an, wie aufgrund der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.) gemäß § 144 Abs. 6 VwGO
feststeht (vgl. auch BVerwG, 22.02.1995 - 1 C 11.94 -, BVerwGE 98, 31 = EZAR
024 Nr. 4). Die Erklärung entspricht auch den sonstigen Anforderungen des § 84
AuslG; insbesondere hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen, dass die
Mutter des Klägers über die nötigen Mittel zur Sicherung des Unterhalts des
Klägers verfügt. Derartige Bedenken hatten sich auch nicht gegenüber der
Verpflichtungserklärung der Eltern des Klägers vom 3. August 1995 ergeben, die
weiterhin Grundlage für die Aufenthaltsbewilligung zu Studienzwecken bildet und
als solche von der Beklagten anerkannt ist.
2. Nach Überzeugung des Senats hatte der Kläger während seines früheren
Aufenthalts in Deutschland bis zu seiner Ausreise im Jahre 1988 hier auch seinen
gewöhnlichen Aufenthalt, wobei diese Frage für den damals
aufenthaltserlaubnisfrei bei seinen Eltern im Bundesgebiet lebenden
minderjährigen Kläger in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus seiner Eltern zu
beantworten ist (BVerwG, 19.03.2002, a.a.O.).
a) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 16 Abs. 1 AuslG ist mit Rücksicht
auf den Zweck der Wiederkehrerlaubnis und auf die besonderen Bedingungen des
Aufenthalts für Minderjährige vor und nach Inkrafttreten des neuen
Ausländergesetzes zu Beginn des Jahres 1991 dahin auszulegen, dass der
wiederkehrwillige junge Ausländer vor seiner Ausreise über ein Aufenthaltsrecht
23
24
25
26
27
wiederkehrwillige junge Ausländer vor seiner Ausreise über ein Aufenthaltsrecht
verfügt haben muss, das seiner Art nach zukunftsoffen angelegt war und nach den
persönlichen Umständen und den Verhältnissen der Eltern eine geeignete
Grundlage für den Minderjährigen bot, seinen Willen, nicht nur vorübergehend in
Deutschland zu bleiben, auch verwirklichen zu können.
Ob es sich bei dem Voraufenthalt eines wiederkehrwilligen Ausländers um einen
gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 16 Abs. 1 AuslG gehandelt hat, der zu
Beginn der Vorschrift zusätzlich zu dem mehrjährigen rechtmäßigen Aufenthalt
und dem mehrjährigen Schulbesuch gefordert wird und damit auch Bestandteil der
Voraussetzungen des
§ 16 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ist, ist anhand des jeweiligen Aufenthaltstitels und der Art,
des Zwecks und der Dauer des Aufenthalts zu beurteilen. Dabei ist zugrunde zu
legen, dass unter einem gewöhnlichen Aufenthalt allgemein der Ort verstanden
wird, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die ein nicht nur
vorübergehendes Verweilen erkennen lassen (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Für
die Wiederkehrerlaubnis eines jungen Ausländers ist zudem zu berücksichtigen,
dass ein Minderjähriger nur in absoluten Ausnahmefällen die Voraussetzungen für
die unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§§ 24, 26 Abs. 1 Satz 1 AuslG) oder die
Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG) erfüllen kann, also im Zeitpunkt der Ausreise
nur sehr selten bereits über ein Daueraufenthaltsrecht oder eine sichere Aussicht
hierauf verfügen wird. Eine derartige Aufenthaltsposition kann allenfalls bei den
Eltern des Minderjährigen angenommen werden. Dies gilt auch für
Aufenthaltszeiten vor dem 1. Januar 1991. Hätte der Gesetzgeber den Besitz eines
Daueraufenthaltstitels bei dem Jugendlichen selbst oder bei dessen Elternteil
verlangen wollen, hätte eine entsprechende ausdrückliche Voraussetzung normiert
werden können und müssen (wie etwa in § 4 Abs. 3 StAG). Dies ist
bezeichnenderweise nicht einmal für Rentner geschehen (§ 16 Abs. 5 AuslG),
obwohl diese eher eine Aufenthaltsberechtigung oder eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis erwerben konnten und können als Kinder und Jugendliche.
Kann danach als Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts nicht der Besitz
eines bestimmten Aufenthaltstitels verlangt werden, kommt zumindest das
Erfordernis einer begründeten Aussicht auf einen Daueraufenthalt in Betracht. Das
Bundesverwaltungsgericht hat zur Bestätigung seiner Rechtsauffassung, der
Ausländer müsse vor der Ausreise bereits eine rechtlich gesicherte Aussicht auf
einen Daueraufenthalt gehabt haben und eine Aufenthaltsgestattung oder
Aufenthaltsbewilligung genügten hierfür nicht, auf die Begründung des
Gesetzentwurfs (BT-Drs. 11/6321, S. 59) und auch auf Nr. 16.1.0.1 AuslG-VwV
hingewiesen, wonach nur diejenigen Ausländer begünstigt werden sollten, die
aufgrund ihres früheren rechtmäßigen Aufenthalts die Möglichkeit einer
aufenthaltsrechtlichen Verfestigung im Bundesgebiet hatten (Daueraufenthalt).
Hier kommt zumindest klarer als sonst zum Ausdruck, dass es sich gerade bei der
hier allein in Rede stehenden Personengruppe der Kinder und Jugendlichen nur um
die Aussicht auf einen Daueraufenthalt handeln kann und nicht um den Besitz
eines derartigen Dauertitels; sonst müsste die Vorschrift insgesamt mangels
Berechtigter weitgehend leer laufen. Genauere Kriterien für die Ermittlung des
gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 16 AuslG hat das
Bundesverwaltungsgericht nicht entwickelt, insbesondere hat es sich nicht dazu
geäußert, ob insoweit andere Voraussetzungen gelten als nach § 30 Abs. 3 SGB I.
Zur Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts ist zunächst darauf
hinzuweisen, dass der Gesetzgeber diesen Begriff, abgesehen von der
allgemeinen Definition des § 30 Abs. 3 SGB I, in ganz unterschiedlichen
Zusammenhängen benutzt und offenbar jeweils im Blick auf den Gesetzeszweck
gegenüber der erwähnten Legaldefinition abgewandelt auslegt und anwendet.
Nach der Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, die einen auch im sonstigen
Verwaltungsrecht gültigen Grundsatz zum Ausdruck bringt, treten die
tatsächlichen Verhältnisse noch stärker als beim Wohnsitz in den Mittelpunkt der
Beurteilung (Kopp, VwVfG, 6. Aufl., 1996, § 3 Rdnr. 17 ff.; Mrozynski, SGB I, 2. Aufl.,
1995, § 30 Rdnr. 19, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., 1998, Rdnr. 21 f.). Mit
dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach dieser Definition ist die
Regelmäßigkeit des Aufenthalts verbunden; der Aufenthalt an dem jeweiligen Ort
darf also nicht nur vorübergehend erfolgen, wobei die Absicht genügt, sich an dem
Ort bis auf Weiteres aufzuhalten. Merkmale wie Sesshaftigkeit oder Endgültigkeit
sind danach nicht erforderlich. Von besonderer praktischer Bedeutung ist die
Notwendigkeit einer Prognose aufgrund der Aufenthaltsumstände. Gegen die
28
29
Notwendigkeit einer Prognose aufgrund der Aufenthaltsumstände. Gegen die
Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit können subjektive Gesichtspunkte sprechen.
Bei einem Nichtsesshaften kann oft davon ausgegangen werden, dass er nicht zu
bleiben beabsichtigt; er hat dann keinen gewöhnlichen, wohl aber mehrere
tatsächliche Aufenthalte (vgl. § 97 Abs. 1 BSHG). Es können aber auch objektive
Gesichtspunkte gegen den gewöhnlichen Aufenthalt sprechen, so etwa dann, wenn
die Person an dem gewünschten Ort nicht verbleiben darf (Mrozynski, a.a.O., § 30
Rdnr. 20). Bei Ausländern setzt die Befristung einer Aufenthaltserlaubnis allein
noch keinen Endpunkt; an einem gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers fehlt es
aber nach der Rechtsprechung dann, wenn sich aus der Würdigung des Einzelfalls
ergibt, dass die Befristung zugleich eine Entscheidung über das Ende des
Aufenthalts enthält, wenn es also an der "Zukunftsoffenheit" fehlt (Mrozynski,
a.a.O., § 30 Rdnr. 20 m.w.N.). Auf der Grundlage der erwähnten Legaldefinition
haben sich für einzelne Rechtsbereiche des öffentlichen Rechts spezielle
Definitionen herausgebildet, die sich an der jeweiligen Funktion der Norm
orientieren.
Dies wird vor allem im Sozialhilfe- und Sozialversicherungsrecht deutlich. So
betont der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Fall einer
Obdachlosenhilfeempfängerin, dass zur Begründung eines gewöhnlichen
Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt zwar nicht erforderlich ist,
andererseits sich der Betroffene an einem Ort bis auf Weiteres im Sinne eines
zukunftsoffenen Verbleibs aufhalten und dort den Mittelpunkt seiner
Lebensbeziehungen haben muss (25.01.2001 - 12 B 99.512 -, FEVS 52, 373). Für
den Bereich der Jugendhilfe hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
demzufolge angenommen, dass auch am Ort einer Justizvollzugsanstalt ein für die
örtliche Zuständigkeit maßgeblicher gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden
kann (19.04.2000 - 12 ZB 98.2862 -, ZfJ 2000, 393 = DAVorm 2000, 417). Ein
Hilfeempfänger kann seinen gewöhnlichen Aufenthalt durch den Zuzug an einen
bestimmten Ort auch dann begründen, wenn die Aufnahme in die Anstalt erst
später erfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, 11.05.2000 - 12 A 10908/99 -, FEVS 53, 41 =
ZfSH/SGB 2002, 409). Verlässt eine Frau ihren bisherigen Wohnort und wird sie am
Zuzugsort in einem Frauenhaus aufgenommen, so begründet sie damit
regelmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dieser Einrichtung (OVG Hamburg,
18.07.2001 - 4 Bf 301/99 -, FEVS 53, 213 = ZfSH/SGB 2001, 562). Hält sich ein
Hilfeempfänger bis zu der beabsichtigten, aber noch nicht möglichen Aufnahme in
einer Einrichtung in beengtem Wohnverhältnis im Haushalt des Bruders etwa
sechs Wochen auf, so hat er dort mit Aufnahme in den Haushalt den gewöhnlichen
Aufenthalt begründet, da die Aufenthaltsdauer weder von vornherein geplant noch
deren Ende absehbar war (OVG Rheinland-Pfalz, 17.08.2000 - 12 A 10912/99 -,
FEVS 53, 171). Dies gilt auch für einen Hilfesuchenden, der sich etwa drei Monate
lang nur deshalb im Haushalt von Verwandten aufhält, um die Zeit bis zur
verzögerten Fertigstellung des von ihm zu beziehenden Seniorenwohnheims zu
überbrücken (OVG Rheinland-Pfalz, 30.06.2000 - 12 A 10423/00 -, FEVS 53, 91).
Ob ein Hilfesuchender, der den Ort seines bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts
verlassen hat, an einem anderen Ort schon einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt
begründet hat, ist in erster Linie nach seinen objektiven Lebensumständen und
einem zeitlichen Element zu bestimmen; erst in zweiter Linie können auch
subjektive Vorstellungen des Hilfesuchenden berücksichtigt werden (OVG
Lüneburg, 12.04.2000 - 4 L 4035/99 -, FEVS 52, 26 = NDV-RD 2000, 73). Für
Jugendhilfeleistungen wird angenommen, dass ein junger Volljähriger seinen
gewöhnlichen Aufenthalt in einer Jugendhilfeeinrichtung begründet hat, wenn er
schon vor Beginn der Jugendhilfeleistung bei keinem der getrennt lebenden, nicht
mehr personensorgeberechtigten Elternteile gewohnt hat (BVerwG, 22.11.2001 - 5
C 42.01 -, BVerwGE 115, 251 = NVwZ 2002, 857 = FEVS 53, 193).
Im Ausbildungsförderungsrecht wird angenommen, dass ein anerkannter
Konventionsflüchtling nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt im Inland berechtigt
ist, obwohl er eine befristete Aufenthaltserlaubnis besitzt (BVerwG, 27.09.1995 -
11 C 1.95 -, BVerwGE 99, 254 = EZAR 522 Nr. 1 = NVwZ 1996, 1104). Für das
Kinder- und das Erziehungsgeld hat die Tatbestandsvoraussetzung des
gewöhnlichen Aufenthalts dadurch an Bedeutung verloren, dass der Gesetzgeber
angesichts einer uneinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung durch
Gesetzesänderungen zusätzlich den Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zur Voraussetzung gemacht hat (vgl. § 1 Abs. 3
Satz 1 BKGG; § 1 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 BErzGG). Hinsichtlich des notwendigen
gewöhnlichen Aufenthalts ist von Bedeutung, dass Erziehungsgeld an das Kind
eines in Deutschland lebenden türkischen Arbeitnehmers dann nicht zu zahlen ist,
wenn dieses in der Türkei lebt und die Mutter dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt
30
31
32
wenn dieses in der Türkei lebt und die Mutter dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt
hat (BSG, 29.01.2002 - B 10/14 EG 8/99 R -, EZAR 455 Nr. 13 = Breithaupt 2002,
645 = SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 27).
Für das Schulrecht wird angenommen, dass die Kinder bosnischer
Bürgerkriegsflüchtlinge ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben und
daher aufgrund des jeweiligen Landesrechts schulpflichtig sind (Bay. VGH,
23.07.2002 - 7 B 01.2384 -). Ein Seemann hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im
Sinne des Krankenversicherungsrechts in dem Land, in dem er sich in seiner
fahrfreien Zeit aufhält (BSG, 07.02.2002 - B 12 KR 1/01 R - Zfs 2002, 149).
Heimatlose Ausländer (displaced persons), die eine Auswanderung in ein
bestimmtes Land zu einem bestimmten Zeitpunkt konkret beabsichtigten, hatten
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland auch in der Zeit der Vorbereitung der
Auswanderung bis zum Ablauf des letzten Tages vor der Auswanderung (BSG,
03.04.2001 - B 4 RA 90/00 R -, SozR 3 - 1200 § 30 Nr. 21). Ein jüdischer Immigrant
hat auch dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer bestimmten Stadt, wenn er
sich nicht damit abfindet, sich dort bis auf Weiteres aufgrund einer staatlichen
Zuweisung aufhalten zu müssen (BVerwG, 24.01.2000 - 5 B 211/99 -, FEVS 51,
389). Spätaussiedler können auch in einem Übergangswohnheim einen
gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn sie sich dort bis auf Weiteres aufhalten
(BVerwG, 23.10.2001 - 5 C 3.00 -, NVwZ-RR 2002, 284 = FEVS 53, 200 = NDV-RD
2002, 21). Ein Asylbewerber hat während des Asylverfahrens seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der ihm zugewiesenen Gemeinschaftsunterkunft (Bay. VGH,
25.10.2001 - 12 B 00.2321 -, FEVS 53, 127). Nimmt der Asylbewerber entgegen
einer ihm auferlegten asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsbeschränkung seinen
Aufenthalt im Bezirk einer anderen Ausländerbehörde, dann hat er dort in der
Regel keinen deren örtliche Zuständigkeit begründenden gewöhnlichen Aufenthalt
(OVG Berlin, 23.10.2000 - 8 S 21.00 -, NVwZ-Beil. 2001, 21 = InfAuslR 2001, 165 =
AuAS 2001, 92). Verlässt ein Asylbewerber den im zugewiesenen
Aufenthaltsbereich, so kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen
Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht
und sodann unter Berücksichtigung der ausländerrechtlichen Verhältnisse davon
auszugehen ist, dass der Ausländer nicht nur vorübergehend an diesem Ort
bleiben kann (OVG Greifswald, 10.04.2000 - 3 M 132/99 -).
Außerdem ist auf § 4 Abs. 3 StAG hinzuweisen, wonach ein in Deutschland
geborenes Kind kraft ius soli die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, wenn ein
ausländischer Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig im Inland lebt und entweder
einer Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis besitzt und wenn außerdem dieser Aufenthalt ein
gewöhnlicher Aufenthalt war. Sowohl der Besitz eines verfestigten Aufenthaltstitels
als auch der über mindestens acht Jahre rechtmäßig andauernde Aufenthalt in
Deutschland lassen eigentlich in aller Regel keine andere Bewertung zu, als dass
der Ausländer sich damit auf ein nicht nur vorübergehendes Leben in Deutschland
eingerichtet hat und eine rechtlich begründete Aussicht auf Verwirklichung dieses
Willens besitzt (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht,
3. Aufl., 2001, § 3 StAG Rdnr. 20, 52, 75). Da die Erfordernisse des achtjährigen
rechtmäßigen Aufenthalts und des Besitzes eines der beiden verfestigten
Aufenthaltstitel in aller Regel zusammenfallen, könnte ein gewöhnlicher Aufenthalt
in Deutschland nur dann verneint werden, wenn der Ausländer trotz des rechtlich
gesicherten Daueraufenthalts durch Aufenthaltsberechtigung oder unbefristete
Aufenthaltserlaubnis einen weiteren Lebensmittelpunkt im Ausland über diese Zeit
hin aufrecht erhalten hätte. Dies aber erscheint im Allgemeinen so gut wie
ausgeschlossen, da jedes nicht nur vorübergehende Verlassen des Bundesgebiets
grundsätzlich die Aufenthaltsgenehmigung zum Erlöschen bringt, zumindest aber
ein sechs Monate oder mehr währender Auslandsaufenthalt zum Erlöschen der
Aufenthaltsgenehmigung führt, falls die Ausländerbehörde keine längere Frist
gewährt hat (§ 44 Abs. 1 AuslG; vgl. auch Nr. 44.1.2 u. 44.1.2 AuslG-VwV). Ähnlich
verhält es sich mit dem Einbürgerungsanspruch des § 85 Abs. 1 AuslG, der
ebenfalls einen achtjährigen rechtmäßigen (und) gewöhnlichen Aufenthalt im
Inland voraussetzt (vgl. dazu auch die teilweise Modifizierung des Begriffs durch §
89 AuslG). Wenn der Gesetzgeber gleichwohl einen gewöhnlichen Aufenthalt in
Deutschland für den Ius-soli-Erwerb der Staatsangehörigkeit und für die
Einbürgerung nach § 85 Abs. 1 AuslG neben einem achtjährigen rechtmäßigen
Daueraufenthalt und für die Wiederkehrerlaubnis außer dem achtjährigen
rechtmäßigen Inlandsaufenthalt verlangt, scheint er anzunehmen, dass es
Menschen ohne gewöhnlichen Aufenthalt an irgend einer Stelle gibt. Hierauf
kommt es indes im Ergebnis nicht an; denn eine derartige Fallgestaltung kann
33
34
kommt es indes im Ergebnis nicht an; denn eine derartige Fallgestaltung kann
allenfalls ausnahmsweise, nicht aber als typisch oder regelmäßig in Betracht
gezogen werden.
Im Rahmen der danach erforderlichen bereichsspezifischen Definition des
gewöhnlichen Aufenthalts für das Ausländerrecht und insbesondere für den
Rechtsanspruch junger Ausländer auf Wiederkehr ist zunächst, wie bereits oben
erwähnt, darauf abzustellen, dass das Gesetz den Besitz oder die gesicherte
Erwartung eines Daueraufenthaltstitels nicht ausdrücklich verlangt, und zwar auch
nicht für die Person der für die Bestimmung des Aufenthaltsorts eines
Minderjährigen maßgeblichen Eltern. Weder der Gesetzeswortlaut noch der
systematische Zusammenhang der Vorschriften über die Wiederkehr junger
Ausländer einerseits und älterer Arbeitnehmer andererseits in § 16 Abs. 1 und
Abs. 5 AuslG lassen erkennen, dass der später wiederkehrwillige Ausländer vor
seiner Ausreise einen bestimmten Aufenthaltstitel besessen haben muss.
Insbesondere kann daraus, dass zum Zwecke der Wiederkehr eine
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, nicht geschlossen werden, dass der Ausländer
bei seinem Voraufenthalt mindestens eine Aufenthaltserlaubnis und den Anspruch
auf deren Verfestigung besessen haben muss.
Eine solche Schlussfolgerung kann auch nicht aus den Übergangsvorschriften über
die Fortgeltung der vor dem 1. Januar 1991 bestehenden Aufenthaltstitel in § 94
AuslG gezogen werden. Dort ist lediglich die gesetzliche Überleitung der früheren
Aufenthaltsberechtigung, der befristeten und der unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis sowie der befristeten und unbefristeten Aufenthaltserlaubnis -
EG in das System der jetzt geltenden Aufenthaltstitel geregelt. Diesen
Überleitungsvorschriften kann nicht unmittelbar entnommen werden, dass ein
wiederkehrwilliger Ausländer bei dem Voraufenthalt über einen bestimmten
Aufenthaltstitel verfügt haben muss und dieser zumindest eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis gewesen sein muss. Gerade die Vorschriften über die
befristete Aufenthaltserlaubnis in § 94 Abs. 3 AuslG machen deutlich, dass die
Aufenthaltserlaubnis nach früherem Recht zu ganz verschiedenartigen
Aufenthaltszwecken erteilt worden ist, die nunmehr nicht nur durch die befristete
Aufenthaltserlaubnis, sondern auch durch die Aufenthaltsbewilligung und
Aufenthaltsbefugnis abgedeckt werden. Nur insoweit können also diese
Überleitungsvorschriften zur Feststellung herangezogen werden, über welchen
Aufenthaltstitel ein wiederkehrwilliger Ausländer vor seiner Ausreise verfügt haben
muss. Da der Aufenthalt der Eltern des Klägers nicht aus humanitären oder
politischen Gründen, sondern zum Zwecke der Erwerbstätigkeit und des familiären
Zusammenlebens erlaubt war, bleibt auch bei Heranziehung der Grundsätze des §
94 Abs. 3 AuslG die Frage offen, ob die Aufenthaltserlaubnis für einen seiner Natur
nach vorübergehenden Aufenthalt oder für einen sonstigen Zweck erteilt war.
Gerade bei Arbeitsaufenthalten ist auch bei Anwendung des neuen
Aufenthaltsrechts nicht vom Gesetzgeber zwingend vorgeschrieben, ob nur eine
Aufenthaltserlaubnis oder auch eine Aufenthaltsbewilligung in Betracht kommt. In
der Ermächtigungsnorm des § 10 Abs. 1 AuslG ist für den Aufenthalt zum Zwecke
einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit eine Aufenthaltsgenehmigung
vorgesehen, und in der Vorschrift über die Aufenthaltsbewilligung (§ 28 AuslG) ist
die Ausübung einer Erwerbstätigkeit jedenfalls nicht ausdrücklich als
Aufenthaltszweck erwähnt. Wie die Vorschriften der Arbeitsaufenthalteverordnung
belegen, kann für die Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit in
manchen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis und in anderen Fällen eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, ohne dass zwischen beiden Aufenthaltstiteln
streng je nach Dauer und Begrenztheit des Arbeitsaufenthalts unterschieden wird.
So wird für zeitlich begrenzte Arbeitsaufenthalte nach § 4 AAV Beschäftigten im
Schaustellergewerbe eine Aufenthaltsbewilligung bis zu einer
Gesamtgeltungsdauer von längstens neun Monaten jährlich erteilt, Lehrkräften
und Spezialitätenköchen aber eine Aufenthaltserlaubnis, auch wenn diese
ebenfalls auf neun Monate beschränkt sein sollte. Dagegen wird nach § 5 AAV für
sonstige Beschäftigungen eine Aufenthaltserlaubnis und nicht lediglich eine
Aufenthaltsbewilligung erteilt, obwohl im Bereich der Wissenschaft und
Hochschulen zeitliche Begrenzungen auf ein oder zwei Semester üblich sind und
auch Künstler und Artisten sehr oft nur für kurzfristige Engagements beschäftigt
werden und ein Aufenthaltsrecht benötigen. Bei alledem darf bei Beurteilung der
zunächst für die praktische Anwendung im Vordergrund stehende Voraufenthalte
in der Zeit vor Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes nicht außer Acht
gelassen werden, dass damals auch befristete Aufenthaltserlaubnisse für
Arbeitnehmer jedweder Art mehr oder weniger routinemäßig verlängert und in
vielen Fällen in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und in eine
35
36
37
vielen Fällen in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und in eine
Aufenthaltsberechtigung übergeleitet wurden, obwohl die Anwerbung
ausländischer Arbeitnehmer aus nicht der EG angehörenden Staaten seit
November 1973 eingestellt war und sich Deutschland nicht als Einwanderungsland
verstand. Für Arbeitnehmer aus Nicht-EG-Staaten war damit ein rechtlich
gesicherter Daueraufenthalt eigentlich grundsätzlich ausgeschlossen, andererseits
aber tatsächlich für viele Gruppen erreichbar, weil weiterhin der Zuzug neuer
Arbeitskräfte aufgrund teils weitgefasster Ausnahmeregelungen in großer Zahl
gestattet wurde und die Vorschriften über die unbefristete Aufenthaltserlaubnis
und die Aufenthaltsberechtigung eine schrittweise Verfestigung des Aufenthalts
auch von Erwerbspersonen zuließen.
Nach alledem ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in § 16 Abs. 1 AuslG mit
Rücksicht auf den Zweck der Wiederkehrerlaubnis und auf die besonderen
Bedingungen des Aufenthalts für Minderjährige vor und nach Inkrafttreten des
neuen Ausländergesetzes zu Beginn des Jahres 1991 wie folgt auszulegen: Der
wiederkehrwillige junge Ausländer muss vor seiner Ausreise über ein
zukunftsoffenes Aufenthaltsrecht verfügt habe, das nach seinen persönlichen
Umständen und den Verhältnissen der Eltern dafür geeignet war, dass er seinen
Willen, nicht nur vorübergehend in Deutschland zu bleiben, auch hätte
verwirklichen können. Für die danach maßgebliche rechtlich und tatsächlich
begründete Aussicht auf einen Daueraufenthalt kommt es im Wesentlichen auf
Dauer und Zweck des Aufenthalts der Eltern des Minderjährigen an. Aufgrund der
Rechtslage vor und nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes und der
tatsächlichen Umstände des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen in den
1980er und 1990er Jahren in Deutschland kann als Bestandteil eines gewöhnlichen
Aufenthalts in Deutschland nicht die unmittelbar rechtlich durchsetzbare
Anwartschaft auf einen Daueraufenthalt verstanden werden, weil nur wenige
Ausländer über einen derartigen Aufenthaltsanspruch verfügten und die Vorschrift
über die Wiederkehrerlaubnis für eine typischerweise in Arbeitnehmerfamilien
auftretende Situation zugeschnitten ist und nicht lediglich auf außergewöhnliche
Fallgestaltungen. Diese typische Situation war und ist aber dadurch
gekennzeichnet, dass im Familienverband lebende Minderjährige aufgrund der
Lebensplanung ihrer Eltern nach längerem Aufenthalt in Deutschland in ihren
Heimatstaat zurückkehren, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits über ein rechtlich
durchsetzbares Daueraufenthaltsrecht zu verfügen. Das Wiederkehrrecht ist auch
nicht so konstruiert, dass dem Wiederkehrer die Fortsetzung eines bereits
erreichten, dann aber unterbrochenen Daueraufenthaltsrechts ermöglicht werden
soll. Mit der Wiederkehrerlaubnis soll vielmehr die Möglichkeit eröffnet werden, eine
einmal begonnene Integration fortzusetzen, die oft gegen den Willen des
Minderjährigen unterbrochen war.
b) Sowohl die maßgeblichen objektiven Umstände und die subjektive Einstellung
der Eltern des Klägers als auch die damals geltende ausländerrechtliche Lage
rechtfertigen die Feststellung, dass der Kläger in den Jahren 1981 bis 1988
zusammen mit seinen Eltern seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland
hatte. Vollständige und aussagekräftige Unterlagen über Einzelheiten der
damaligen Behördenbescheide sind nicht mehr verfügbar; die zusätzlichen
Aufklärungsversuche des Senats sind ergebnislos geblieben. Aufgrund der noch
zur Verfügung stehenden Unterlagen und insbesondere der teilweise belegten und
teilweise sonst glaubhaft gemachten Angaben des Klägers steht zur Überzeugung
des Senats fest, dass der Aufenthalt der Familie des Klägers zunächst tatsächlich
und rechtlich bis auf Weiteres abgesichert war, obwohl es von 1986 an zu einer
weiteren Verlängerung der Aufenthaltsrechte nicht gekommen ist. Insoweit ist aber
nicht ohne Bedeutung, dass der Vater des Klägers damals schon über eine
unbeschränkte Arbeitserlaubnis für die Dauer von weiteren fünf Jahren verfügte;
denn dessen Berechtigung zur beruflichen Tätigkeit stellte für die Familie die
entscheidende rechtliche wie wirtschaftliche Grundlage für einen weiteren Verbleib
in Deutschland dar. Dagegen kommt es nicht darauf an, dass die Mutter des
Klägers zeitweilig auch ein Asylverfahren betrieben hat; denn die wichtigsten
Voraussetzungen für den Verbleib der gesamten Familie in Deutschland bildeten
die Erwerbstätigkeit des Vaters des Klägers und davon abgeleitet der Nachzug der
übrigen Familienmitglieder.
Die objektiven Umstände des Aufenthalts der Familie des Klägers deuten darauf
hin, dass die Familie zumindest auf längere Zeit in Deutschland verbleiben wollte,
wenn nicht sogar auf Dauer. Dafür sprechen vor allem die überzeugenden
Ausführungen des Vaters des Klägers in der schriftlichen Stellungnahme vom 15.
November 2002. Zu Unrecht meint die Beklagte, dem Vater des Klägers sei nur zu
38
39
40
November 2002. Zu Unrecht meint die Beklagte, dem Vater des Klägers sei nur zu
Ausbildungszwecken der Aufenthalt gestattet worden. Dieser hatte nämlich bereits
seit langem seine ärztliche Ausbildung abgeschlossen, war 1972 promoviert
worden und ohne jede Einschränkung seit 1984 als Assistenzarzt angestellt und
erwerbstätig. Er war in keiner Weise mit einem Studenten aus einem
Entwicklungsland vergleichbar, dessen Ausbildung in Deutschland durch
Zuwendungen seines Heimatstaats oder deutscher Stellen (mit-) finanziert wurde.
Die Eltern des Klägers und damit dieser selbst besaßen aufgrund des
innerstaatlichen Aufenthaltsrechts ebenso wenig einen rechtlich durchsetzbaren
Anspruch auf einen auf Lebenszeit angelegten Aufenthalt in Deutschland wie
andere Ausländer aus nicht der EG angehörenden Staaten. Es gab damals keine
Rechtsansprüche auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder eine
Aufenthaltsberechtigung (§§ 7, 8 AuslG 1965). Sie hätten vielmehr ebenso wie
andere Drittstaatsangehörige nur dann die Chance auf einen Daueraufenthalt
verwirklichen können, wenn sie die jeweiligen Voraussetzungen für eine
Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung nach Ermessen erfüllten. Theoretisch wie
praktisch bestand jedoch für den Vater des Klägers und dessen gesamte Familie
die Möglichkeit, den Aufenthalt über den Zeitpunkt der Ablegung der
Facharztprüfung hinaus fortzusetzen. Hierfür hätte er entsprechende berufs- und
aufenthaltsrechtliche Genehmigungen benötigt, diese wären aber durchaus
erreichbar gewesen, wie zahlreiche Beispiele ausländischer Ärzte aus der Türkei
und aus anderen Nicht-EU-Staaten belegen. Zudem hätte sich für ihn auch eine
Tätigkeit in anderen medizinischen Berufen angeboten, etwa in der
Pharmaindustrie, -wissenschaft oder -beratung. Soweit es die subjektive Seite des
Vaters des Klägers angeht, brauchte dessen Wille nicht auf einen Verbleib in
Deutschland auf Lebenszeit ausgerichtet zu sein, es genügte vielmehr die Absicht,
nicht nur vorübergehend weiter hier zu bleiben.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Vater des Klägers habe wohl von Anfang
an eine Rückkehr in die Türkei beabsichtigt, wird dies sowohl durch die erwähnte
Stellungnahme als auch durch die äußeren Umstände widerlegt. Tatsächlich hat
der Vater des Klägers auch nach bestandener Facharztprüfung die Verlängerung
der Aufenthalts- und Berufsausübungserlaubnis beantragt und ist gegenüber der
Ausländerbehörde sogar gerichtlich im Eilverfahren vorgegangen. Seine damals
während des Verfahrens vor dem VG Düsseldorf abgegebenen Erklärungen
beruhten allein auf der gerichtlich bestätigten Auffassung der Ausländerbehörde,
sein Aufenthalt könne auf keinen Fall verlängert werden. Sie sprechen nicht gegen
seine ursprüngliche Absicht, mit seiner Familie in Deutschland zu bleiben, sondern
sind Ausdruck seines Willens, sich nicht rechtsuntreu zu zeigen, sondern sich
letztlich der Rechtsauffassung der Ausländerbehörde zu beugen. Wenn die Familie
dann tatsächlich in die Türkei zurückgekehrt ist, so kann dies ohne Weiteres
nachvollziehbar darauf zurückgeführt werden, dass der Vater des Klägers zunächst
seinen kranken Vater in der Türkei versorgen musste, dann ein Visum zur
Rückkehr nach Deutschland nicht erhielt und sich allein durch die faktischen
Verhältnisse gezwungen sah, seine Karriere in Deutschland aufzugeben. Damit hat
sich nur bestätigt, dass die ursprüngliche Absicht des Vaters des Klägers und
seiner ganzen Familie auf ein möglichst dauerhaftes Leben in Deutschland
gerichtet war.
c) Ein gewöhnlicher Aufenthalt des Klägers im Sinne von § 16 Abs. 1 AuslG ist auch
daraus abzuleiten, dass der Kläger als Kind eines türkischen Arbeitnehmers in
Deutschland lebte, der unabhängig von seiner relativ unsicheren
aufenthaltsrechtlichen Position nach dem damals geltenden Ausländergesetz über
ein gesichertes assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügte.
Der Vater des Klägers gehörte aufgrund seiner Beschäftigung als Assistenzarzt
jedenfalls über längere Zeit dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland an und
konnte trotz Wechsels des Arbeitgebers jeweils die Verlängerung seiner Arbeits-
und seiner Aufenthaltserlaubnis aufgrund von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangen.
Die sich aus Art. 6 ARB 1/80 ergebenden aufenthaltsrechtlichen Positionen gingen
auch damals schon der Aufenthaltsrechtslage nach dem Ausländergesetz
ungeachtet dessen vor, dass Bedeutung und Umfang der Beschäftigungs- und
Aufenthaltsrechte aufgrund des ARB 1/80 erst später in der Rechtsprechung des
EuGH herausgearbeitet und auch von der deutschen Rechtsprechung anerkannt
worden sind. Der Vater des Klägers war während der Beschäftigung in den
Krankenhäusern in D. , N. und D. als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB
1/80 anzusehen, weil der gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff lediglich
verlangt, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach
dessen Weisungen Leistungen erbringt und dafür eine Vergütung als
41
dessen Weisungen Leistungen erbringt und dafür eine Vergütung als
Gegenleistung erhält (EuGH, 26.11.1998 - C - 1/97 -, EZAR 816 Nr. 1 = InfAuslR
1999, 6 - Birden; Nr. 2.2.1 Allgemeine Anwendungshinweise zum ARB 1/80 - AAH-
ARB 1/80). Entgegen der Auffassung der Beklagten steht es der Annahme einer
Arbeitnehmertätigkeit nicht entgegen, dass der Vater des Klägers damals als
Assistenzarzt beschäftigt war und erst Ende September 1986 seine Prüfung als
Facharzt für Anästhesiologie bestanden hat. Er hatte nämlich schon 1972 sein
ärztliches Examen abgelegt, und die Facharztprüfung schloss nur eine zusätzliche
Qualifizierung ab. Im Übrigen gehören auch Ausbildungs- und
Praktikantenverhältnisse zu dem Bereich der Arbeitnehmertätigkeit, sofern die
Gegenleistung nicht wirtschaftlich völlig bedeutungslos ist (BVerwG, 19.09.2000 - 1
C 13.00 -, EZAR 029 Nr. 14 = NVwZ 2001, 333; Hess. VGH, 12.01.1998 - 12 TG
4426/96 -, EZAR 029 Nr. 8 = InfAuslR 1998, 207; Nr. 2.8.7 AAH-ARB 1/80). Für die
Eigenschaft des Vaters des Klägers als Arbeitnehmer im Sinne der
Verfestigungsregeln des Art. 6 ARB 1/80 ist darüber hinaus ohne Bedeutung, dass
er nach der damaligen Rechtslage in Deutschland nicht unbedingt damit rechnen
konnte, als Arzt entweder im Angestelltenverhältnis in einem Krankenhaus oder
sonst beschäftigt oder als niedergelassener selbstständiger Arzt tätig werden zu
können. Selbst wenn nämlich ein türkischer Arbeitnehmer bei irgend einem
Unternehmen in Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat lediglich
vorübergehend beschäftigt wird, um anschließend eine Aufgabe in einem
Tochterunternehmen in der Türkei zu übernehmen, handelt es sich um eine
Arbeitnehmertätigkeit im gemeinschaftsrechtlichen Sinne (EuGH, 30.09.1997 - C -
36/96 -, EZAR 811 Nr. 35 = EuZW 1998, 538 - Günaydin). Zu Unrecht beruft sich
die Beklagte auch darauf, dass dem Tatbestandsmerkmal des regulären
Arbeitsmarktes in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 eine eigenständige Bedeutung zukomme
und der Vater des Klägers wegen seiner ungesicherten Zukunftsaussichten bei
seiner Beschäftigung als Assistenzarzt nicht dem regulären Arbeitsmarkt in
Deutschland angehört habe. Der Zugehörigkeit zum regulären deutschen
Arbeitsmarkt ist zwar insoweit eine eigenständige Bedeutung zuzumessen, als es
um die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses zum deutschen Arbeitsmarkt
geht. Deshalb ist für die Zugehörigkeit zum inländischen Arbeitsmarkt
entscheidend darauf abzustellen, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedsstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung
mit dessen Hoheitsgebiet aufweist (EuGH, 06.06.1995 - C - 434/93 -, a.a.O. -
Bozkurt; Hess. VGH, 11.11.1996 - 12 UE 1533/96 -, EZAR 029 Nr. 3). Bei dem
Vater des Klägers bestand danach kein Zweifel an seiner Zugehörigkeit zum
deutschen Arbeitsmarkt, da er als Assistenzarzt jeweils bei einem deutschen
Krankenhausträger angestellt und ausnahmslos im Inland beschäftigt war und den
Normen des deutschen Berufs-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts in gleicher
Weise unterlag wie andere angestellte Ärzte, die die deutsche oder die türkische
oder eine andere ausländische Staatsangehörigkeit besaßen. Insgesamt gesehen
kann eine ordnungsgemäße Beschäftigung des Vaters des Klägers im deutschen
Arbeitsmarkt nicht mit der Begründung bestritten werden, dass er aufgrund seiner
Tätigkeit als Assistenzarzt als türkischer Staatsangehöriger eine spätere
Beschäftigung oder Niederlassung als Arzt in Deutschland aus rechtlichen und
tatsächlichen Gründen nicht sicher erwarten konnte. Maßgeblich für die
Anwendung der Stufenregelungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ist allein, dass er in
der Zeit zwischen Mitte März 1981 und Ende März 1986 mehrere Jahre
ordnungsgemäß als Assistenzarzt und damit als Arbeitnehmer beschäftigt war.
Da der Vater des Klägers vom 18. März 1981 bis 31. März 1982 in dem
Krankenhaus in D. tätig war, konnte er damals die Verlängerung seiner
Aufenthaltserlaubnis und seiner Arbeitserlaubnis aufgrund von Art. 6 Abs. 1 1.
Spiegelstrich ARB 1/80 verlangen. Dem Erreichen der ersten Verfestigungsstufe
stand nicht entgegen, dass er zwar auf unbestimmte Zeit angestellt, aber eine
Probezeit von einem halben Jahr vereinbart war. Tatsächlich kam der Vater des
Klägers aber nicht in den Genuss dieser Verfestigungsregel, weil er seine
Beschäftigung nicht bei dem selben Arbeitgeber fortsetzte, sondern am 1. April
1982 für ein halbes Jahr als Assistenzarzt nach N. wechselte. Einen
assoziationsrechtlichen Anspruch auf Fortsetzung von Aufenthalt und
Beschäftigung erwarb er allerdings durch seine Tätigkeit als Assistenzarzt in D. , da
er dort bei ein und dem selben Arbeitgeber vom 1. Juli 1983 bis zum 31. März 1986
beschäftigt war und während dieser Tätigkeit über die gesamte Dauer von zwei
Jahren und neun Monaten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis besaß. Da er
vom 1. Oktober 1982 bis 30. Juni 1983 zwar keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat,
aber unfreiwillig arbeitslos und ordnungsgemäß als Arbeitsloser gemeldet war,
wurden durch diese Unterbrechung der Beschäftigung die zuvor erworbenen
Ansprüche nicht berührt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80). Da er auch in dem
42
43
44
Ansprüche nicht berührt (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB 1/80). Da er auch in dem
Zeitraum von April bis Dezember 1986 ordnungsgemäß arbeitslos gemeldet war,
war diese Unterbrechung ebenfalls unschädlich, zählt aber nicht als
Beschäftigungszeit. Da er damit insgesamt über vier Jahre (nämlich gut 51
Monate) als Arbeitnehmer beschäftigt war, konnte er damals nicht lediglich die
Verlängerung der Erlaubnisse zur Fortsetzung seiner Tätigkeit bei dem selben
Arbeitgeber verlangen, sondern hatte freien Zugang zu jeder von ihm gewählten
Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis (Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB
1/80). Hierfür wird nicht verlangt, dass er mindestens drei Jahre denselben
Arbeitgeber hatte, für die dritte Stufe genügt vielmehr eine
Gesamtbeschäftigungsdauer von vier Jahren. Damit hätte der Vater des Klägers
nach Beendigung seiner Tätigkeit Ende März 1986 seine Berufstätigkeit in
Deutschland fortsetzen können, wenn er einen Arbeitsplatz gefunden hätte. Dies
aber musste aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen allein daran scheitern,
dass die Ausländerbehörde ihm in Verkennung der Rechtslage die Verlängerung
der Aufenthaltserlaubnis versagte.
Obwohl der Vater des Klägers tatsächlich seinen Aufenthalt in Deutschland nicht
hat fortsetzen können, kann aus der dargestellten tatsächlichen Entwicklung
darauf geschlossen werden, dass er selbst und damit auch der Kläger über einen
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfügte. In rechtlicher Hinsicht ist es
hierfür unerheblich, dass die Ausländerbehörde ihm damals eine weitere
Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt hat und in dieser Auffassung jedenfalls im
Eilverfahren vom Verwaltungsgericht Düsseldorf bestätigt worden ist; denn dabei
ist zu Unrecht die assoziationsrechtliche Lage nicht berücksichtigt worden, wonach
der Vater des Klägers einen Rechtsanspruch auf Fortsetzung seiner Beschäftigung
und seines Aufenthalts in Deutschland besaß. Die tatsächliche Erfolglosigkeit
seines Aufenthaltsbegehrens kann jedenfalls nicht zur Begründung dafür
herangezogen werden, dass sein Wille, weiter in Deutschland zu arbeiten und zu
leben, aus Rechtsgründen keine Aussicht auf Erfolg hatte. Wäre die tatsächliche
assoziationsrechtliche Rechtslage berücksichtigt worden, hätte ihm nicht nur
entgegen der Auffassung der Ausländerbehörde und des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden müssen, sondern dann
hätte er auch aufgrund der ihm ohnehin bis Ende März 1991 erteilten
unbeschränkten Arbeitserlaubnis sehr wahrscheinlich einen entsprechenden
Arbeitsplatz finden können. Wie sich bereits aus dieser Arbeitserlaubnis
entnehmen lässt, hätte der Kläger für eine ärztliche Angestelltentätigkeit einer
Erlaubnis nach § 10 BÄO bedurft. Die Anwendung der Verfestigungsregeln des Art.
6 Abs. 1 ARB 1/80 befreit nicht von der Notwendigkeit nationaler
Berufsausübungserlaubnisse (OVG Nordrhein-Westfalen, 19.01.1998 - 17 B
1327/96 -). Türkische Staatsangehörige dürfen insoweit auch nicht besser gestellt
werden als die Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten (Art. 59 Zusatzprotokoll
zu dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei). Nachdem die Gleichwertigkeit des
von dem Vater des Klägers erreichten ärztlichen Berufsausbildungsabschlusses
ohnehin anerkannt war, hätte ihm die Weiterbeschäftigung nach § 10 BÄO aber
innerhalb der verschiedenen Verfestigungsstufen des Art. 6 Abs. 1 ARB ohne
weiteres erlaubt werden müssen, da dem Weiterbeschäftigungsanspruch
entgegenstehende Schranken des nationalen Rechts zurückzutreten haben
(Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Staatsangehöriger, 2. Aufl.,
1999, S. 101; EuGH, 07.05.1986 - Rs. 131/85 -, EUGHE 1986, 1573 = EZAR 821 Nr.
4 - Gül). Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass
dem Vater des Kläger damals jedenfalls auch die Möglichkeit offen stand, aufgrund
seiner medizinischen Vorbildung in jedem anderen Angestelltenverhältnis tätig zu
werden, für das eine Genehmigung nach § 3 oder § 10 BÄO nicht erforderlich war,
und zwar sowohl im Bereich der Wissenschaft als auch in Industrie und Handel.
d) Ein unmittelbares Aufenthaltsrecht lässt sich für den Kläger aus der
assoziationsrechtlichen Aufenthaltssituation des Vaters nicht ableiten. Art. 7 Satz
1 ARB 1/80 gewährt den Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt
eines Mitgliedstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers, denen der Zuzug
genehmigt worden ist, lediglich das Recht auf Ausübung einer Beschäftigung und
damit zusammenhängend auch ein Aufenthaltsrecht. Wer aber wie damals der
Kläger eine Beschäftigung noch nicht ausüben konnte und wollte, kann damit nicht
an der Sonderstellung des türkischen Arbeitnehmers partizipieren. Ein derartiges
Aufenthaltsrecht kann der Kläger auch nicht aus Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 ableiten,
weil dies den Abschluss einer Berufsausbildung in Deutschland voraussetzt und
der Kläger einen solchen Abschluss nicht aufzuweisen hatte.
e) Aufenthaltsrechtliche Folgen ergaben sich für den Kläger unter Umständen
44
45
46
47
e) Aufenthaltsrechtliche Folgen ergaben sich für den Kläger unter Umständen
daraus, dass nach Art. 9 ARB 1/80 türkische Kinder unter der Zugrundelegung der
selben Qualifikation wie die Kinder von Deutschen zum allgemeinen
Schulunterricht, zur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zugelassen
werden, wenn sie in Deutschland ordnungsgemäß bei ihren Eltern wohnen und
diese hier ordnungsgemäß beschäftigt sind oder waren.
Diese Bestimmung hat bisher in der aufenthaltsrechtlichen Rechtsprechung keine
große Rolle gespielt, und der Schutzbereich ist auch als sehr begrenzt anzusehen.
So lassen sich daraus keine Folgen für türkische Staatsangehörige im juristischen
Vorbereitungsdienst dergestalt ableiten, dass ihnen Unterhaltsgeld in Höhe der
Anwärterbezüge für Rechtsreferendare zu zahlen ist (OVG Nordrhein-Westfalen,
10.08.1995 - 6 A 195/94 -, NVwZ-RR 1996, 472). Allerdings ergibt sich hieraus
unter anderem ein Diskriminierungsverbot zu Gunsten türkischer Referendare (VG
Frankfurt am Main, 19.12.1996 - 9 G 3832/96 - NVwZ-RR 1997, 299). Art. 9 ARB
1/80 kann auch ebenso wenig wie Art. 7 ARB 1/80 als Grundlage für den
Familiennachzug eines türkischen Kindes herangezogen werden (OVG Nordrhein-
Westfalen, 03.04.2001 - 18 B 204/00 -, EZAR 029 Nr. 15 = NVwZ-RR 793).
Außerdem fehlt es an einem ordnungsgemäßen Aufenthalt, wenn der Aufenthalt
genehmigungsfrei ist, die Ausländerbehörde diesen aber bereits befristet hat und
im Anschluss daran die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für einen
Daueraufenthalt beantragt wird (VG Darmstadt, 30.07.1998 - 5 G 1086/97 -, AuAS
1998, 254 = Hess. VGRspr. 1999, 17).
Ungeachtet dieser Einschränkungen könnte jedoch das Kind türkischer Eltern unter
Umständen, wenn es wie der Kläger die sonstigen Voraussetzungen des Art. 9
Satz 1 ARB 1/80 erfüllt, nicht nur die Zulassung zum Schulunterricht, zur
Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung verlangen, sondern auch die
hierfür notwendige Aufenthaltsgewährung. Der Zusammenhang zwischen
Erwerbstätigkeit und Aufenthalt ist ein Grundthema des Gemeinschaftsrechts.
Obwohl die Kompetenzen der EWG ursprünglich im Wesentlichen auf wirtschaftliche
Betätigungsfreiheiten ausgerichtet waren und das Aufenthaltsrecht den
Mitgliedstaaten zur Regelung belassen wurde, haben sich die Verordnungen und
Richtlinien über Einreise, Aufenthalt und Aufenthaltsbeendigung von
Arbeitnehmern, Selbstständigen, Dienstleistungserbringern und anderen
Personengruppen von Beginn an nicht auf die Regelung des Zugangs zu
Erwerbstätigkeit, Beruf und Dienstleistung beschränkt, sondern zugleich den
notwendigen Aufenthalt gesichert (vgl. vor allem das geltende AufenthG/EWG und
die früheren Fassungen). Darüber hinaus ist auch der Aufenthalt von Rentnern und
nach der beruflichen Tätigkeit Verbleibeberechtigten gemeinschaftsrechtlich
normiert worden. Gerade die Entwicklung des Assoziationsrechts EWG/Türkei
verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und Aufenthalt,
da vor allem die Vorschriften der Art. 6 und 7 ARB 1/80 nur die Ausübung einer
Beschäftigung behandeln und gleichwohl daraus aufenthaltsrechtliche
Konsequenzen gezogen werden, weil der Zugang zum Arbeitsmarkt ohne die
Möglichkeit des Aufenthalts nicht wirksam gesichert werden kann und nach dem
gemeinschaftsrechtlichen Familienverständnis die Berufsausübung eines
Arbeitnehmers ohne ein Zusammenleben mit seinen Familienangehörigen als
praktisch unmöglich oder jedenfalls unverhältnismäßig beschränkt angesehen
wird. Nach alledem könnte angenommen werden, dass sich die Gewährleistung
des Art. 9 Satz 1 ARB 1/80 nicht auf die Inländergleichbehandlung in der Schul-
und Berufsausbildung beschränkt, sondern den danach begünstigten Kindern auch
den weiteren Aufenthalt in dem Mitgliedstaat sichern soll. Voraussetzung wäre nur,
dass sie ordnungsgemäß bei ihren Eltern wohnten, diese brauchten aber nicht
mehr als Arbeitnehmer beschäftigt zu sein. In diese Richtung weist auch das erst
kürzlich ergangene Urteil des EuGH in der Sache Baumbast (17.09.2002 - C -
413/99 -, EZAR 314 Nr. 9 zu der entsprechenden Vorschrift des Art. 12 VO/EWG Nr.
1612/86 für Kinder von Unionsbürgern). Letztlich spricht aber gegen diese
Auslegung das Erfordernis des ordnungsgemäßen Wohnens bei den Eltern, was ein
Aufenthaltsrecht gerade voraussetzt (Hess. VGH, 12.07.1997 - 12 UE 4436/96 -,
EZAR 022 Nr. 6; GK-Ausländerrecht, Art. 9 ARB Anm. IV).
f) Obwohl nach alledem der Vater des Klägers aufgrund seiner Beschäftigung ein
Recht auf Zulassung der weiteren Tätigkeit bei einem beliebigen Arbeitgeber und
auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu diesem Zweck erworben hatte
und der Kläger selbst zum Zwecke des Zusammenlebens mit ihm weiter in
Deutschland hätte leben dürfen, können weder der Vater des Klägers noch dieser
selbst hieraus unmittelbar Aufenthaltsrechte ableiten, nachdem sie Deutschland
verlassen haben. Die damalige supranationale Rechtsstellung des Klägers und
48
49
50
verlassen haben. Die damalige supranationale Rechtsstellung des Klägers und
seines Vaters ist für das Wiederkehrrecht des Klägers allerdings in der Weise von
Bedeutung, dass sich hieraus Schlüsse darauf ziehen lassen, dass der Kläger
damals über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verfügte. Das oben
aufgrund nationalen Rechts gefundene Ergebnis wird durch das damals vom Vater
des Klägers und seiner Familie erreichte verfestigte Aufenthaltsrecht bestätigt.
Gerade wenn die assoziationsrechtliche Grundlage ihres Aufenthalts mit in
Betracht gezogen wird, wird bekräftigt, dass ihre damals grundsätzlich bestehende
Absicht, in Deutschland länger zu verbleiben, aufgrund der assoziationsrechtlichen
Rechtslage sehr gute Chancen einer Verwirklichung hatte. Deshalb kann der
gewöhnliche Aufenthalt des Klägers auch unter diesem Gesichtspunkt nicht mit
der Begründung bestritten werden, der Aufenthaltswunsch des Klägers sei
rechtlich wenig aussichtsreich gewesen.
3. Zu Unrecht hat die Beklagte keinen Gebrauch davon gemacht, dass, soweit der
Kläger die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AuslG nicht erfüllt,
hiervon gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 AuslG zur Vermeidung einer besonderen Härte
abgewichen werden kann. Die nach Maßgabe der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Gesamtbetrachtung aller hierfür
erheblichen Einzelfallumstände (BVerwG, 30.05.1994 - 1 B 207.93 -, EZAR 026 Nr.
2 = NVwZ-RR 1994, 614; VG Baden-Württemberg, 15.07.1993 - 1 S 948/93 -,
InfAuslR 1993, 89; Hess. VGH, 27.05.1993 - 12 TH 2617/92 -, EZAR 024 Nr. 2 =
InfAuslR 1993, 323) ergibt nach Überzeugung des Senats, dass der Kläger dem
vom Gesetz ins Auge gefassten Typus des Wiederkehrers trotz Untererfüllung von
drei Voraussetzungen so nahe kommt, dass es sachlich ungerechtfertigt wäre,
ihm die Wiederkehr zu versagen (vgl. Nr. 16.2.1.0 Satz 3 AuslG-VwV). Er ist
insgesamt gesehen von deutschen Lebensverhältnissen geprägt, und die
Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen wird in seinem Fall durch Übererfüllung
anderer mehr als ausgeglichen (Nr. 16.2.1.1 Satz 2 AuslG-VwV).
Soweit sich der Kläger nur etwa sechs oder sieben statt acht Jahre rechtmäßig und
gewöhnlich im Bundesgebiet aufgehalten und hier nur fünf statt sechs Jahre die
Schule besucht hat, kann diese jeweils verhältnismäßig geringfügige
Unterschreitung der gesetzlichen Erfordernisse ohne Weiteres darauf
zurückgeführt werden, dass er aufgrund der besonderen beruflichen Situation
seines Vaters und der Lage seiner Mutter gezwungen war, Deutschland zu
verlassen. Hierfür maßgeblich ist nicht nur das geringe Maß der Untererfüllung der
gesetzlichen Voraussetzungen, die eine gewisse Integration in deutsche
Lebensverhältnisse anzeigen und belegen sollen, sondern auch und vor allem die
Tatsache, dass die in Deutschland mit Aufenthalt und Schulbesuch begonnene
Integration nach der Rückkehr in die Türkei dadurch fortgesetzt wurde, dass der
Kläger in Istanbul die dortige Deutsche Schule besuchte und damit nicht nur seine
deutschen Sprachkenntnisse vervollständigen konnte, sondern auch weiterhin mit
deutschem Kulturgut und deutscher Denk- und Lebensweise vertraut gemacht
wurde. Der Kläger hat nämlich an dieser Schule die deutsche Sprache nicht etwa
als Fremdsprache erlernt, sondern Deutsch in Fortsetzung seines Schulbesuchs in
Deutschland weiterhin im gesamten Unterricht verwenden können und müssen
und ist, wie er glaubhaft angegeben hat, auch durch den Umgang mit seinen
Familienangehörigen und mit seinen Mitschülern mit deutschen
Lebensverhältnissen weiterhin verbunden geblieben und weiter vertraut gemacht
worden. Schließlich wurde er von Anfang an der Klasse zugeteilt, in der sich
ausschließlich Kinder deutscher Eltern befanden. Unter diesen Umständen kann
der Besuch der Deutschen Schule in Istanbul im Blick auf das vom Gesetzgeber
als wesentlich erachtete Integrationsziel ohne weiteres der Fortsetzung des
Aufenthalts und des Schulbesuchs in Deutschland gleichgeachtet werden. Indem
der Kläger damit insgesamt zwölf Jahre deutsche Schulen besucht und diese
Ausbildung erfolgreich mit dem Abitur abgeschlossen hat, bestehen keinerlei
Bedenken dagegen, die Untererfüllung der Aufenthalts- und
Schulbesuchsvoraussetzungen als unschädlich anzusehen. Schließlich bestätigt
auch die Aufnahme eines Studiums in Deutschland seine durch den Voraufenthalt
begründete und später durch den Besuch einer deutschen Auslandsschule
verstärkte Bindung an deutsche Kultur und Lebensgewohnheiten.
Aus ähnlichen Gründen kann von der Einhaltung der fünfjährigen Antragsfrist nach
der Ausreise abgesehen werden; denn diese war allein auf die Vollendung der
Ausbildung des Klägers an der Deutschen Schule in Istanbul zurückzuführen. Die
Bestimmung der Fünf-Jahres-Frist verfolgt erkennbar den Zweck, die
Aufrechterhaltung der Verbindung zu Deutschland trotz eines längeren
Auslandsaufenthalts sicherzustellen und die Vertrautheit mit deutschen
51
52
53
Auslandsaufenthalts sicherzustellen und die Vertrautheit mit deutschen
Lebensverhältnissen nicht zu beeinträchtigen. Diese Gefahr bestand für den Kläger
nicht, obwohl er den Wiederkehrantrag nicht schon im Sommer 1993, sondern erst
nach seiner Wiedereinreise als Student im Anschluss an die Ablegung seines
Abiturs im Jahre 1995 gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten oblag
es dem Kläger nicht, den Antrag auf Erteilung einer Wiederkehrerlaubnis schon
während seines Schulbesuchs in Istanbul zu stellen, zumal der Antrag allein ohne
die alsbaldige Einreise die Wiederkehr nicht gewährleistet hätte. Der Kläger durfte
vielmehr seine dort begonnene Ausbildung abschließen, weil dies dem
gesetzlichen Ziel der stärkeren Integration in Deutschland eher dienlich war als
eine Unterbrechung der dortigen Ausbildung und eine Fortsetzung der
Schulausbildung in Deutschland. Sowohl die Ausländerbehörde und das
Regierungspräsidium als auch das Verwaltungsgericht haben bei ihren
Beurteilungen außer Acht gelassen, dass die Ablegung des Abiturs an einer
deutschen Auslandsschule rechtlich in vollem Umfang einem inländischen Abitur
gleichsteht, der Kläger damit als "Bildungsinländer" behandelt wird (Renner, ZAR
2000, 195) und an dieser Art von Schulausbildung nicht nur ein persönliches
Interesse des Klägers, sondern auch ein ganz erhebliches öffentliches Interesse
besteht. Gerade im Zuge der Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und
Wirtschaft liegt es auch im öffentlichen Interesse, interkulturelle Kompetenzen
nicht zu verhindern, sondern möglichst wirksam zu fördern. Zu Gunsten des
Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass er einen ganz wesentlichen Teil seiner
Kindheit in Deutschland verbracht hat, dass sein Vater durch seine damalige
Beschäftigung als Arzt in Deutschland und seine spätere (teilweise) Tätigkeit für
ein deutsches Unternehmen im Ausland eine ganz besonders enge Verbindung zu
Deutschland aufweist und es auch im deutschen Interesse liegt, wenn diese
Verbundenheit mit Deutschland an den Kläger weitergegeben und gefestigt wird.
Nach alledem ist der Kläger von deutschen Lebensverhältnissen annähernd so
geprägt, als wenn er seine gesamte Kindheit und Schulausbildung in Deutschland
verbracht hätte. Das im Vordergrund stehende Ziel des Wiederkehrers, eine
einmal unterbrochene Integration in deutsche Lebensverhältnisse nach einem
Auslandsaufenthalt im Kindesalter in Deutschland aufzunehmen und fortzusetzen
(dazu Hailbronner, Ausländerrecht, § 16 AuslG Rdnr. 18), kann bei dem Kläger
ohne Weiteres erreicht werden. Es würde dem Gesetzeszweck nicht gerecht, den
Kläger nur deswegen schlechter zu stellen, weil er seinen Schulbesuch und
Aufenthalt in Deutschland nicht fortgesetzt und dann seine in Istanbul begonnene
Ausbildung nicht zum Zwecke der Wiederkehr nach Deutschland unterbrochen hat.
Indem er im Familienverband in die Türkei zurückgekehrt ist und dort seine
Schulausbildung mit Erfolg beendet und auf diese Weise einen einer inländischen
Ausbildung vollkommen gleichwertigen qualifizierten Bildungsabschluss erreicht
hat, hat er materiell gesehen weitaus bessere Voraussetzungen für eine
Wiedereingliederung in Deutschland geschaffen als ein anderer Ausländer, der
während des Auslandsaufenthalts keine besonderen Beziehungen zu Deutschland
mehr gepflegt und unterhalten hat und dennoch bei Einhaltung der formellen
Fristen einen Rechtsanspruch auf Wiederkehr besitzt. Es erschiene dem Senat
grob ungerecht, einerseits die Erfüllung formeller Fristen für einen Rechtsanspruch
genügen zu lassen und andererseits weit überdurchschnittliche Integrationserfolge
im Rahmen der Härteklausel als für eine Ermessensausübung nicht ausreichend
anzusehen.
4. Ist nach alledem sowohl der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers vor seiner
Rückkehr in die Türkei festzustellen als auch eine besondere Härte zu bejahen, so
könnte dem Kläger die Wiederkehrerlaubnis nur aufgrund von
Ermessenserwägungen verweigert werden (vgl. § 16 Abs. 2 AuslG), die einer
rechtlichen Überprüfung standhalten. Derartige Ermessenserwägungen hat die
Beklagte weder während des Verwaltungsverfahrens noch im ersten oder im
zweiten Teil des Berufungsverfahrens angestellt. Ihre Ausführungen bewegen sich
insgesamt auf der Ebene der von ihr bestrittenen Tatbestandsvoraussetzungen
des gewöhnlichen Aufenthalts und der außergewöhnlichen Härte. Insofern kann sie
aus Rechtsgründen keinen Erfolg haben. Darüber hinausgehende
Ermessenserwägungen, die gegen die Erteilung der Wiederkehrerlaubnis an den
Kläger sprechen könnten, sind nicht vorgebracht. Angesichts der hervorragenden
Integrationsvoraussetzungen, die der Kläger nach seinem langjährigen
Voraufenthalt in Deutschland und seinem Abitur an einer deutschen
Auslandsschule aufweist, sind derartige Erwägungen auch schwer denkbar,
jedenfalls nicht erkennbar.
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens und die vorläufige
53 Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 154, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO
sowie auf § 132 Abs. 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.