Urteil des HessVGH vom 08.01.1990

VGH Kassel: beiladung, naturschutz, genehmigung, beteiligter, ersatzaufforstung, verkehr, hessen, behörde, abgabe, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TE 2779/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 65 Abs 1 VwGO, § 65 Abs
2 VwGO, § 2 Abs 6a FStrG,
§ 5 Abs 1 FStrG
(Beiladung - Rodungsgenehmigungsverfahren)
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die in einer Waldrodungsgenehmigung des
Beklagten enthaltene Ersatzaufforstung. Sie ist Eigentümerin des entlang der B ...
gelegenen Waldgrundstücks Gemarkung O, Flur ..., Flurstück ... Mit Schreiben vom
21.07.1987 teilte die Klägerin dem Hessischen Straßenbauamt F mit, daß der
Magistrat dem Verkauf eines städtischen Waldstreifens von ca. ... qm für die
Verbreiterung der B ... zugestimmt habe. Alle anfallenden Kosten, die aufgrund der
Grundstücksabtretung entstünden, seien von der Bundesrepublik Deutschland zu
übernehmen. Eine Durchschrift dieses Schreibens ging am 22.07.1987 bei dem
Hessischen Forstamt K mit der bitte um Abgabe einer Stellungnahme ein.
Mit Bescheid vom 08.10.1987 erteilte das Hessische Forstamt K der Klägerin die
Genehmigung zur Waldrodung in dem angegebenen Umfange. In dem Bescheid ist
weiter folgendes ausgeführt:
"Die Genehmigung zur Waldumwandlung ist bis zum 30.10.1989 befristet und
ergeht unter der Auflage der mindestens flächengleichen Ersatzaufforstung durch
die Stadt K, spätestens binnen einem Jahr. Gegebenenfalls ist die Zahlung einer
Walderhaltungsabgabe nach den gültigen Richtlinien zu zahlen".
Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 28.10.1987 Widerspruch erhoben, der mit
Widerspruchsbescheid der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz in D --
jetzt Regierungspräsidium D -- zurückgewiesen wurde. Die Klägerin hat den im
Streit befindlichen Grundstücksstreifen der Straßenbauverwaltung überlassen, die
dann in den Monaten Oktober bis Dezember 1987 die vorgesehenen
Baumaßnahmen (Verbesserung der Übersichtlichkeit der Straßenführung und der
Sicherheit des Zweiradverkehrs) durchgeführt und die neu befestigten
Randstreifen entlang der B ... sofort dem Verkehr übergeben hat.
Am 12.04.1988 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht F Klage erhoben und
mit Schriftsatz vom 07.11.1988 die Beiladung der Bundesrepublik Deutschland
beantragt. Der Beklagte hat gegen die Beiladung keine Bedenken geäußert.
Mit Beschluß vom 27.07.1989 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Klägerin
abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für eine
notwendige oder einfache Beiladung seien nicht erfüllt. Der angefochtene Bescheid
sei zu einem Zeitpunkt ergangen, als die Klägerin alleine Eigentümerin und
Besitzerin der betroffenen Waldfläche gewesen sei. Zwar sei die Bundesrepublik
Deutschland nunmehr gemäß § 2 Abs. 6a FStrG Trägerin der Straßenbaulast des
im Streit befindlichen Waldstreifens, jedoch werde mit der Entscheidung des
Verwaltungsgerichts über die von der Klägerin anhängig gemachte Klage in keiner
Weise in die Rechte der Bundesrepublik als Straßenbaulastträgerin eingegriffen.
Eine einheitliche Entscheidung zwischen den Beteiligten und dem Bund sei auch
nicht aus Rechtsgründen geboten, weil Waldumwandlungsanträge verschiedener
Waldbesitzer unterschiedlich zu bewerten seien. Auch eine einfache Beiladung sei
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Waldbesitzer unterschiedlich zu bewerten seien. Auch eine einfache Beiladung sei
nicht geboten, weil die Bundesrepublik durch die Entscheidung des Gerichts nicht
in ihren Rechten betroffen werde.
Gegen diesen Beschluß haben die Klägerin am 17.08.1989 und die Bundesrepublik
Deutschland am 28.08.1989 Beschwerde eingelegt. Die Bundesrepublik
Deutschland trägt vor, die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung seien
erfüllt. Da sie gegenüber der Klägerin verpflichtet sei, diese von allen Nachteilen
freizustellen, die ihr durch die Veräußerung des von der Straßenbaumaßnahme
erforderlichen Geländestreifens entstünden, würde hierzu auch eine
Walderhaltungsabgabe gehören, falls diese von der Klägerin an das Land errichtet
werden müßte. Die vom Land Hessen festgesetzte Walderhaltungsabgabe von
10,-- DM/qm übersteige den Wert des Grundstücks, der nur 7,-- DM/qm betrage.
Die Klägerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß die
Bundesrepublik die Baumaßnahme in der Zeit von Oktober bis Dezember 1987
durchgeführt und den befestigten Randstreifen dem Verkehr übergeben habe. Im
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides sei der Bund bereits Besitzer
und Träger der Straßenbaulast der betroffenen Fläche gewesen. Im übrigen
schließt sie sich dem Vorbringen des Bundes an.
II.
Die Beschwerden sind zulässig. Ein Beteiligter kann gegen die Ablehnung einer von
ihm beantragten Beiladung Beschwerde einlegen. Dasselbe gilt für den im Sinne
von § 65 Abs. 1 VwGO betroffenen Dritten, dessen Beiladung ein Beteiligter
beantragt hat (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl., § 65 Rdnr. 26; Redeker-von Oertzen,
VwGO, 9. Aufl., § 65 Rdnr. 18).
Die Beschwerden sind auch begründet, denn das Verwaltungsgericht hat es zu
Unrecht abgelehnt, die Bundesrepublik Deutschland zum Verfahren beizuladen.
Die Beiladung der Bundesrepublik zum Verfahren ist gemäß § 65 Abs. 2 VwGO
notwendig, weil die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Zwar ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die im Streit
befindliche Umwandlungsfläche durch Widmung nach § 2 Abs. 6a Satz 1 FernStrG
die Eigenschaft einer Bundesstraße erhalten hat und der Bund damit gemäß § 5
Abs. 1 FernStrG Träger der Straßenbaulast geworden ist; der vom
Verwaltungsgericht hieraus gezogenen rechtlichen Folgerung, daß mit der
Entscheidung in dem anhängigen Verfahren in keiner Weise in die Rechte des
Bundes als Straßenbaulastträger eingegriffen werde, vermag der Senat jedoch
nicht zu folgen. Da sich die Rodungsgenehmigung, um deren Rechtmäßigkeit die
Beteiligten streiten, im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides der
früheren Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz D vom 10.03.1988 auf ein
Gelände erstreckte, das sich in der Straßenbaulastträgerschaft des Bundes
befand, hat dies zur Folge, daß sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts
unmittelbar auch auf den Bund auswirkt. Lehnt das Verwaltungsgericht das
Verpflichtungsbegehren der Klägerin auf eine uneingeschränkte
Rodungsgenehmigung ab, dann fehlt es an einer rechtswirksamen
Rodungsgenehmigung. Die vom Bund ausgeführten Straßenbaumaßnahmen und
die Wahrnehmung der Straßenbaulast stünden dann im Widerspruch zu den
Vorschriften des HForstG. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß der Träger
der Straßenbaulast, in dessen Aufgabenbereich durch die zu erwartende
Entscheidung eingegriffen wird, durch eine notwendige Beiladung an diesem
Rechtsstreit zu beteiligen ist, wenn seine Prozeßbeteiligung nicht bereits
anderweitig, etwa durch die die Straßenbaulast wahrnehmende Behörde,
gewährleistet ist (BVerwG, Urteil vom 15.04.1977, BVerwGE 52, 227 (231); Urteil
vom 15.01.1982, NJW 1982, 1546 (1547)). Da die Klägerin die Straßenbaulast des
Bundes hier nicht wahrnimmt, bedarf es der Prozeßbeteiligung des Bundes durch
seine Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.