Urteil des HessVGH vom 24.08.1994

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, vorläufiger rechtsschutz, gymnasium, aufschiebende wirkung, schule, elternrecht, verwaltungsakt, dringlichkeit, vollziehung, rechtswidrigkeit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
7. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 TG 2135/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 2 S 1 GG, § 12
Abs 4 SchulG HE, § 21 Abs
2 SchulG HE, § 21 Abs 3
SchulG HE, § 22 Abs 1 S 1
SchulG HE
(Schulrecht: zum Anspruch auf Einrichtung einer 5. Klasse
an einem Gymnasium und Aufnahme des Kindes in diese
Klasse, nachdem der Schulträger eine
Schulorganisationsänderung dergestalt beschlossen hatte,
daß die Klassen 5 und 6 zugunsten einer Förderstufe
aufgehoben werden; fehlende Dringlichkeit für eine
einstweilige Anordnung)
Gründe
Die Beschwerde, über die im Einverständnis der Beteiligten vom Berichterstatter
anstelle des Senats entschieden werden kann (analog § 87a Abs. 2 und 3 VwGO)
und mit der die Antragsteller sinngemäß begehren, unter Aufhebung des
angegriffenen Beschlusses den Antragsgegner zu 1) im Wege einer einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, vorläufig eine 5. Klasse am Gymnasium einzurichten,
und den Antragsgegner zu 2) auf demselben Wege zu verpflichten, der Tochter der
Antragsteller vorläufig die Teilnahme am Unterricht in der vorgenannten Klasse zu
gestatten, bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Erlaß der begehrten
einstweiligen Anordnungen nämlich im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Dem von den anwaltlich vertretenen Antragstellern beantragten Erlaß einstweiliger
Anordnungen steht nicht schon § 123 Abs. 5 VwGO entgegen, denn bei ihrem
Begehren handelt es sich nicht - auch nicht zum Teil - um einen Fall des § 80
VwGO. Ausweislich der in der Beschwerdeschrift formulierten Anträge und der
diesen beigegebenen Begründung zielt das vorläufige Rechtsschutzbegehren der
Antragsteller nämlich gerade nicht auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung eines gegen den Beschluß des Kreistags des vom 14. März 1994, soweit
dieser die jahrgangsweise Aufhebung der Klassen 5 und 6 am Gymnasium ab dem
Schuljahr 1994/95 bestimmt, eingelegten Rechtsbehelfs. Bei der vorgenannten
Organisationsänderung handelt es sich allerdings um einen Verwaltungsakt, gegen
den u. a. betroffene Eltern Widerspruch und Anfechtungsklage erheben können
(vgl. BVerwG, B. v. 25.10.1978 - 7 B 195.78 -, Buchholz 421 Nr. 62 = DVBl. 1979,
354; Hess. VGH, U. v. 23.6.1980 - VI OE 90/77 -, Be. v. 16.8.1983 - VI OE 10/80 - u.
v. 20.6.1988 - 6 N 1577/88 -, Ue. v. 1.2.1990 - 6 UE 2180/88 -, ESVGH 40, 205 =
NVwZ 1991, 189, u. v. 27.11.1992 - 7 UE 2206/90 -) und in bezug auf den,
nachdem durch weiteren Beschluß des Kreistags des vom 28. Juni 1994 die
sofortige Vollziehung angeordnet worden ist, vorläufiger Rechtsschutz nur nach §
80 Abs. 5 VwGO möglich ist. Die Antragsteller haben aber gegen den
Kreistagsbeschluß vom 14. März 1994 gar keinen Rechtsbehelf eingelegt, weil nach
ihrer Rechtsauffassung dieser Beschluß unwirksam ist und deshalb ohne weiteres
auf der Grundlage des Schulentwicklungsplans 1987/89 eine 5. Klasse am
Gymnasium einzurichten und ihre Tochter in diese aufzunehmen ist. Hieran halten
die anwaltlich vertretenen Antragsteller, auch nachdem sie spätestens durch den
angegriffenen Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 1994 über den - im
übrigen bereits am 29. Juni 1994 in der amtlich bekanntgemachten - Sachstand
vollständig informiert worden sind, im Beschwerdeverfahren weiterhin fest. Unter
diesen Umständen kann dem gesamten Vorbringen der Antragsteller auch im
Wege der Auslegung mit Blick auf §§ 86 Abs. 3 und 88 VwGO kein Widerspruch im
Sinne des § 69 VwGO gegen den Kreistagsbeschluß vom 14. März 1994
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Sinne des § 69 VwGO gegen den Kreistagsbeschluß vom 14. März 1994
entnommen werden, und demzufolge verbietet sich eine Ausdeutung ihres
vorläufigen Rechtsschutzbegehrens - sei es nur oder auch - als Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schon deshalb, weil es an einem
Rechtsbehelf mangelt, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden
könnte.
Ist danach vorläufiger Rechtsschutz, jedenfalls so wie ihn die Antragsteller
erstreben, nach § 123 VwGO statthaft, so vermögen sie dennoch nicht die
begehrte Verpflichtung der Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnungen zu
erreichen. Der Erlaß einer sogenannten Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1
Satz 1 VwGO scheidet schon deshalb aus, weil es den Antragstellern nicht darum
geht, ihre eigene Rechtsstellung vor solchen Gefährdungen zu schützen, die durch
eine Veränderung des bestehenden Zustands bewirkt werden, denn eine 5. Klasse
ist am Gymnasium ab dem Schuljahr 1994/95 nicht (mehr) eingerichtet und die
Tochter der Antragsteller ist in eine solche Klasse nicht aufgenommen. Die
Antragsteller wollen vielmehr gerade keine lediglich zustandssichernde, sondern
eine den gegenwärtigen Zustand für sie verbessernde Maßnahme erwirken.
Vorläufigen Rechtsschutz nach dem demzufolge allein in Betracht kommenden §
123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gewährt der beschließende Senat nur, wenn sowohl
überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache als auch die Dringlichkeit der
begehrten vorläufigen Maßnahme nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2
ZPO glaubhaft gemacht sind (vgl. Hess. VGH, Be. v. 22.8.1986 - 6 TG 2097/86 -, v.
5.11.1991 - 7 TG 2074/91 -, ESVGH 42, 119 = NVwZ-RR 1992, 361, u. v. 5.2.1993 -
7 TG 2479/92 -, NVwZ-RR 1993, 386; Finkelnburg/ Jank, Vorläufiger Rechtsschutz
im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, Rdnr. 181 und 1021). An beiden
Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall sowohl in bezug auf den
Antragsgegner zu 1) als auch den Antragsgegner zu 2).
Was das Hauptsachebegehren der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner
zu 1) angeht, so ist bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen und auch nur
gebotenen summarischen Überprüfung die Nichteinrichtung einer 5. Klasse am
Gymnasium ab dem Schuljahr 1994/95 rechtlich nicht zu beanstanden; schon gar
nicht haben die Antragsteller einen Anspruch auf Einrichtung einer solchen Klasse.
Zu Recht wenden sich die Antragsteller indes mit dem vorgenannten Begehren
gegen den Antragsgegner zu 1), dessen Passivlegitimation außer Zweifel steht.
Angesichts dennoch und wiederholt - zuletzt in der Beschwerdeerwiderung -
geäußerter diesbezüglicher Bedenken seitens des Antragsgegners zu 1) wird
darauf hingewiesen, daß nach § 144 Satz 1 des Hessischen Schulgesetzes -
HSchulG - der Schulträger verpflichtet ist, das dort näher bezeichnete
Schulangebot vorzuhalten. Gemäß § 138 Abs. 1 HSchulG ist Schulträger und
damit passiv legitimiert der Antragsgegner zu 1) als Landkreis, nicht hingegen
eines seiner Organe, also weder der Kreistag noch der Kreisausschuß. Letzterer
vertritt lediglich gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 HKO den Landkreis, und zwar auch in
gerichtlichen Verfahren und selbst dann, wenn das Begehren auf eine Maßnahme
abzielt, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Kreistags fällt (vgl. dazu Hess.
VGH, Be. v. 6.7.1983 - 6 TH 5023/83 -, NVwZ 1984, 113, u. v. 11.8.1983 - VI TG
2654/82 -, wo im Rubrum als Antragsgegner jeweils der Landkreis, vertreten durch
den Kreisausschuß, aufgeführt ist, obwohl Streitgegenstand die sofortige
Vollziehung einer Schulorganisationsmaßnahme des Kreistags war). Der Hinweis
des Antragsgegners zu 1) auf § 30 Nr. 15 HKO geht in diesem Zusammenhang
fehl, weil nach dieser Vorschrift lediglich die Entscheidung über die Führung eines
Rechtsstreits von größerer Bedeutung ausschließlich dem Kreistag obliegt, nicht
hingegen die Führung dieses oder eines anderen Rechtsstreits als solche. Von der
Passivlegitimation und von der Vertretung des Antragsgegners zu 1) im
gerichtlichen Verfahren scharf zu unterscheiden ist, welches Organ des
Antragsgegners zu 1) im Falle gerichtlicher Verpflichtung hierzu die betreffende
Maßnahme auszuführen hätte; dies bestimmt sich in der Tat nach den
einschlägigen gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, berührt indes die
Passivlegitimation des Antragsgegners zu 1) nicht.
Die Nichteinrichtung einer 5. Klasse am Gymnasium ab dem Schuljahr 1994/95
erscheint bei summarischer Überprüfung deshalb als rechtmäßig, weil sie dem
Kreistagsbeschluß vom 14. März 1994 Rechnung trägt, soweit er eben dies
bestimmt. Nachdem das Hessische Kultusministerium mit Erlaß vom 31. März
1994 u. a. der Aufhebung der Klasse 5 am Gymnasium zum 1. August 1994
gemäß § 146 Satz 2 HSchulG zugestimmt hat, ist die betreffende
Organisationsänderung wirksam und nach der Anordnung der sofortigen
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Organisationsänderung wirksam und nach der Anordnung der sofortigen
Vollziehung durch den Kreistagsbeschluß vom 28. Juni 1994 zudem vollziehbar mit
der Folge, daß - mangels Nichtigkeit oder Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung eines gegen die Organisationsänderung eingelegten Rechtsbehelfs -
jedenfalls bis zum Wirksamwerden einer erneuten Änderung auch der
Antragsgegner zu 1) selbst hieran gebunden ist (vgl. zu insoweit teilweise ähnlich
gelagerten Fallkonstellationen Hess. VGH, U. v. 28.5.1979 - VI OE 10/79 - und B. v.
16.8.1983 - VI OE 10/80 -).
Die vorgenannte Organisationsänderung, bei der es sich - wie weiter oben
dargelegt - um einen Verwaltungsakt handelt, leidet weder an einem absoluten
Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 44 Abs. 2 HVwVfG noch an einem besonders
schwerwiegenden und offenkundigen Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG. Die
Organisationsänderung ist demzufolge jedenfalls kein nichtiger Verwaltungsakt
und mithin auch nicht nach § 43 Abs. 3 HVwVfG unwirksam.
Soweit die Antragsteller eine Verletzung ihres elterlichen Erziehungsrechts
(Elternrechts) und des ihrer Ansicht nach daraus resultierenden Rechts auf Wahl
des weiterführenden Bildungsgangs ihrer Tochter nach der Grundschule geltend
machen, leidet die Organisationsänderung bei Zugrundelegung der bisher
ergangenen verfassungs- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht an
einem Fehler, so daß sich die Frage nach dessen Qualifizierung als besonders
schwerwiegend und offenkundig im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG erst gar nicht
stellt.
Die Organisationsänderung hat insbesondere nicht zur Folge, daß das vom
Antragsgegner zu 1) vorgehaltene Schulangebot den Anforderungen des § 144
Satz 1 HSchulG nicht mehr genügt. Nach dieser Vorschrift muß das Schulangebot
nämlich nur gewährleisten, daß "die Eltern den Bildungsgang ihres Kindes nach §
77 wählen können ...", und § 77 Abs. 1 Satz 1 HSchulG garantiert seinerseits
lediglich die Wahl des weiterführenden Bildungsgangs "nach dem Besuch der
Grundschule oder der Förderstufe". Damit wird an § 21 Abs. 2 und 3 HSchulG
angeknüpft, wonach die Jahrgangsstufen 5 und 6 (regelmäßig)
schulformübergreifend organisiert werden - und zwar als Förderstufe oder im
Rahmen einer integrierten Gesamtschule - und nur (ausnahmsweise)
schulformbezogen u. a. an Gymnasien angeboten werden können, und außerdem
an § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 HSchulG, wonach die Förderstufe als Bindeglied den
gemeinsamen Bildungsgang der Grundschule fortführt und die Entscheidung über
den weiteren Bildungsweg bis zum Ende der Jahrgangsstufe 6 offenhält. Eine
Verpflichtung des Schulträgers, die Jahrgangsstufen 5 und 6 nebeneinander sowohl
in Form der Förderstufe als auch schulformbezogen anzubieten, besteht mithin
nach dem Hessischen Schulgesetz gerade nicht.
Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und/oder Art.
55 Satz 1 HV, der inhaltlich der vorgenannten Grundgesetzbestimmung im
wesentlichen entspricht und deshalb gemäß Art. 142 GG fortgilt (Hess. StGH, U. v.
20.12.1971 - P.St. 608.637 -, ESVGH 22, 4 = StAnz. 1972, 112). Das in den
betreffenden Verfassungsnormen garantierte Elternrecht beinhaltet zwar die freie
Wahl zwischen den verschiedenen weiterführenden Bildungsgängen, die von Staats
wegen zur Verfügung gestellt werden, und dieses Wahlrecht darf auch nicht mehr
als notwendig begrenzt werden (vgl. BVerfG, U. v. 6.12.1972 - 1 BvR 230/70 u.
95/71 -, BVerfGE 34, 165; Hess. StGH, U. v. 25.11.1982 - P.St. 929 -, ESVGH 33, 6
= NVwZ 1984, 90). Das ausschließliche Angebot einer Förderstufe für die
Jahrgangsstufen 5 und 6 durch den Schulträger verletzt das Elternrecht aber
jedenfalls dann nicht, wenn die Eltern berechtigt bleiben, bereits nach der
Grundschule anstelle der Förderstufe für ihr Kind den weiterführenden
Bildungsgang an einer Ersatzschule in freier Trägerschaft oder an einer
schulformbezogenen staatlichen Schule außerhalb des Gebiets des Schulträgers
zu wählen (vgl. BVerfG, U. v. 6.12.1972 - 1 BvR 230/70 u. 95/71 -, a. a. O.). Durch
die Hinausschiebung des Wahlrechts im übrigen um zwei Jahre auf die Zeit nach
der Förderstufe wird also nicht in verfassungswidriger Weise in das Elternrecht
eingegriffen (Hess. StGH, Ue. v. 4.4.1984 - P.St. 1002 -, StAnz. 1984, 825, u. v.
11.2.1987 - P.St. 1036 -, StAnz. 1987, 562; Hess. VGH, B. v. 9.7.1986 - 6 NG
1038/86 -). Die hier relevante Organisationsänderung hält sich in dem vorstehend
abgesteckten verfassungsrechtlichen Rahmen. Namentlich sind die Antragsteller
von Rechts wegen nicht gehindert, ihre Tochter beispielsweise die 5. Klasse eines
Gymnasiums im Kreis oder im besuchen zu lassen.
Ob die Organisationsänderung mit § 146 Sätze 1 und 3 HSchulG in Einklang steht,
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Ob die Organisationsänderung mit § 146 Sätze 1 und 3 HSchulG in Einklang steht,
erscheint demgegenüber bei summarischer Überprüfung als durchaus zweifelhaft.
Nach diesen Vorschriften muß jede Organisationsänderung ihre Grundlage in
einem Schulentwicklungsplan haben, dem zugestimmt worden ist, und sie muß
mit ihm vereinbar sein. Die vom Kreistag des Antragsgegners zu 1) am 14. März
1994 beschlossene Organisationsänderung widerspricht dem
Schulentwicklungsplan 1987/89, steht hingegen mit dessen Fortschreibung 1994 in
Einklang. Dem fortgeschriebenen Schulentwicklungsplan hat das Hessische
Kultusministerium aber bisher jedenfalls nicht insgesamt zugestimmt, wenngleich
schon mit Presse-Information vom 21. März 1994 die Zustimmung gemäß § 145
Abs. 6 Satz 1 HSchulG für "alsbald" in Aussicht gestellt worden ist. Ob in der mit
Erlaß vom 31. März 1994 erteilten Zustimmung zu der Organisationsänderung
zugleich die Zustimmung zu dem betreffenden Teil des fortgeschriebenen
Schulentwicklungsplans erblickt werden kann, wie das Verwaltungsgericht
angenommen hat, läßt sich im hier vorliegenden summarischen Verfahren nicht
abschließend klären. Immerhin geht die vom Gesetzgeber gewollte
Verfahrenschronologie ersichtlich dahin, daß zunächst ein Schulentwicklungsplan
aufgestellt bzw. fortgeschrieben und diesem zugestimmt wird und erst danach
eine Organisationsänderung beschlossen und ihr zugestimmt wird (vgl.
insbesondere die Wendung "dem zugestimmt worden ist" in § 146 Satz 1
HSchulG). Auch läßt § 187 Abs. 3 Satz 2 HSchulG für den vorliegenden Fall wohl
keine Abweichung von der vorgeschriebenen verfahrensmäßigen Reihenfolge zu,
da die Vorschrift dann nicht eingreift, wenn ein wirksamer Schulentwicklungsplan -
wie hier der Schulentwicklungsplan 1987/89 - vorhanden ist. Nimmt man bei
alledem indes darauf Bedacht, daß die vom Hessischen Kultusministerium mit
Erlaß vom 31. März 1994 erteilte Zustimmung zu der Organisationsänderung bei
rein materieller Betrachtungsweise jedenfalls zweifelsfrei erkennen läßt, daß
insoweit Bedenken gegen den betreffenden Teil der zugrundeliegenden
Fortschreibung des Schulentwicklungsplans ebenfalls nicht bestehen, so liegt in
der hier geübten Verfahrensweise - selbst wenn sie sich im Falle einer rechtlichen
Überprüfung als rechtswidrig erweisen sollte - mindestens kein besonders
schwerwiegender und offenkundiger Fehler im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG.
Gleiches gilt im Ergebnis, soweit die Antragsteller geltend machen, verschiedene
zu beteiligende Gremien - namentlich Schulkonferenz und Personalrat des
Gymnasiums - hätten an der Organisationsänderung nicht ordnungsgemäß
mitgewirkt. Ausweislich der vom Antragsgegner zu 1) vorgelegten Behördenakten
hat dieser mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 den Schulleiter des
Gymnasiums gebeten, die Voten der oben genannten Schulgremien zu der laut
Kreistagsbeschluß vom 13. Dezember 1993 beabsichtigten
Organisationsänderung herbeizuführen, und haben sich die Schulkonferenz mit
Schreiben vom 16. Februar 1994 unter Bezugnahme auf ein früheres Schreiben
vom 9. Dezember 1993 und der Personalrat unter dem 28. Januar 1994 hierzu
geäußert. Ob dadurch dem Anhörungsrecht der Schulkonferenz nach § 130 Nr. 4
HSchulG und einem möglichen Mitwirkungsrecht des Personalrats nach § 81 Abs. 2
i. V. m. § 72 HPVG rechtsfehlerfrei Genüge getan ist, kann im vorliegenden
Verfahren ebenso offenbleiben wie die Frage, ob in diesem Zusammenhang etwa
unterlaufene Fehler schon gemäß oder analog § 44 Abs. 3 Nrn. 3 oder 4 HVwVfG
nicht die Nichtigkeit der Organisationsänderung zur Folge haben (vgl. hierzu Kopp,
VwVfG, 5. Aufl. 1991, § 44, Rdnr. 55). Denn unabhängig davon kann der
vorgenannten Bestimmung jedenfalls entnommen werden, daß mögliche Fehler im
Zusammenhang mit der Beteiligung von Schulkonferenz und Personalrat nicht
besonders schwerwiegend und offenkundig im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG sind.
Soweit schließlich die Antragsteller rügen, die Organisationsänderung sei nicht
rechtzeitig erfolgt, mangelt es bereits an einem dem Verwaltungsakt anhaftenden
rechtlichen Fehler. Fristen sind nämlich insoweit gesetzlich nicht normiert.
Insbesondere ist die in § 187 Abs. 2 HSchulG bestimmte Frist (31. Dezember
1993) hier nicht einschlägig, weil es sich beim Gymnasium - wie sich aus § 21 Abs.
3 HSchulG ergibt - nicht um eine Schule mit einer vom Hessischen Schulgesetz
abweichenden Organisation handelt. Möglicherweise durch Verwaltungsvorschriften
auch für Fallkonstellationen der vorliegenden Art bestimmten Fristen kommt
unmittelbare rechtliche Bedeutung dergestalt, daß ihre bloße Versäumung zur
Rechtswidrigkeit der Organisationsänderung führen könnte, nicht zu. Auch das
verfassungsrechtlich gewährleistete Elternrecht fordert nicht die Einhaltung einer
im vorliegenden Fall überschrittenen Frist für die fragliche Organisationsänderung.
Allerdings darf eine derartige Änderung nicht so spät erfolgen, daß die Eltern für ihr
Kind faktisch nicht mehr den weiterführenden Bildungsgang an einer Ersatzschule
in freier Trägerschaft oder an einer Schule außerhalb des Gebiets des Schulträgers
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in freier Trägerschaft oder an einer Schule außerhalb des Gebiets des Schulträgers
wählen können. Das gilt aber nur dann, wenn sich die Eltern auch nicht rechtzeitig
auf eine vom Schulträger erkennbar beabsichtigte Organisationsänderung haben
einstellen können. Vorliegend ist die Einführung der "flächendeckenden
Förderstufe" und die damit verbundene Aufhebung der Klassen 5 und 6 am
Gymnasium spätestens seit Oktober 1993 in den regionalen Medien erörtert
worden; an der diesbezüglichen Diskussion hat sich auch die Antragstellerin zu 1)
mit einem Leserbrief beteiligt, der in der vom 26. November 1993 veröffentlicht
worden ist. Ferner hat der Kreistag bereits am 13. Dezember 1993 Vorgaben im
Rahmen der Schulentwicklungsplanung beschlossen, zu denen ausdrücklich der
sukzessive Verzicht auf die Klassen 5 und 6 am Gymnasium beginnend ab dem
Schuljahr 1994/95 gehörte. Unter den obwaltenden Umständen mußten die
Antragsteller und die außerdem betroffenen Eltern zumindest ab Mitte Dezember
1993 mit der später erfolgten Organisationsänderung rechnen. Ihnen blieb mithin
ausreichend Zeit, durch vorsorgliche Anmeldung der jeweiligen Kinder an einem
auswärtigen Gymnasium die faktische Realisierung des verfassungsrechtlich
gewährleisteten Wahlrechts sicherzustellen.
Kann nach alledem eine Nichtigkeit der Organisationsänderung nicht festgestellt
werden und leidet sie demzufolge allenfalls an zur Rechtswidrigkeit führenden
Fehlern, so ist sie mit Blick auf § 43 Abs. 2 HVwVfG nach wie vor wirksam. Da
zudem ein Rechtsbehelf gegen die Organisationsänderung als solche - wie
eingangs dargelegt - von den Antragstellern nicht eingelegt ist und ein solcher
überdies angesichts der fortbestehenden Anordnung der sofortigen Vollziehung
keine aufschiebende Wirkung hätte (§ 80 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 VwGO), ist es
dem Antragsgegner zu 1) von Rechts wegen gar nicht möglich, dem Begehren der
Antragsteller auf Einrichtung einer 5. Klasse am Gymnasium zu entsprechen.
Die mithin - ungeachtet einer möglichen Rechtswidrigkeit der
Organisationsänderung - rechtlich nicht zu beanstandende Nichteinrichtung einer
5. Klasse am Gymnasium ab dem Schuljahr 1994/95 hat notwendigerweise zur
Folge, daß den Antragstellern - erst recht - kein Anspruch auf Einrichtung einer
solchen Klasse gegenüber dem Antragsgegner zu 1) zustehen kann. Ein Anspruch
auf Bereitstellung eines schulformbezogenen Angebots der Jahrgangsstufe 5 am
Gymnasium für das Schuljahr 1994/95 bestünde nur dann, wenn das Recht der
Antragsteller zur Bestimmung des individuellen Bildungswegs ihrer Tochter nach §
12 Abs. 4 HSchulG andernfalls nicht wirksam ausgeübt werden könnte (vgl. Hess.
VGH, B. v. 31.8.1988 - 6 TG 3233/88 -, NVwZ-RR 1989, 247, u. U. v. 1.2.1990 - 6
UE 2180/88 -, a. a. O.). Die Tochter der Antragsteller kann indessen den
gewünschten Bildungsweg beschreiten, der - wie weiter oben aufgezeigt - ohne
Verletzung des Elternrechts auch noch durch Wahl einer einem weiterführenden
Bildungsgang entsprechenden Schulform nach der Förderstufe bestimmt werden
kann.
Was das Hauptsachebegehren der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner
zu 2) betrifft, so ist bei summarischer Überprüfung rechtlich ebenfalls nicht zu
beanstanden, daß die Aufnahme der Tochter der Antragsteller in eine 5. Klasse
des Gymnasiums abgelehnt worden ist; ein Anspruch auf Aufnahme steht den
Antragstellern schon gar nicht zu.
§ 70 HSchulG, der die Voraussetzungen regelt, bei deren Vorliegen ein Anspruch
auf Aufnahme in eine Schule besteht, und diejenigen, die zu einer Ablehnung der
Aufnahme berechtigen, erfaßt die vorliegende Fallkonstellation jedenfalls nicht
unmittelbar. Die Vorschrift geht allerdings, wie sich insbesondere aus § 70 Abs. 1
Satz 3 HSchulG ergibt, von der vorhandenen Schulorganisation aus, setzt also
voraus, daß eine Aufnahme überhaupt nur erfolgen kann, wenn und soweit eine
Schule organisatorisch besteht. Am Gymnasium gibt es ab dem Schuljahr 1994/95
aufgrund der wirksamen und sofort vollziehbaren Organisationsänderung keine 5.
Klasse mehr; auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen wird verwiesen. Schon
deshalb ist die Ablehnung der Aufnahme der Tochter der Antragsteller in eine
solche Klasse durch den Bescheid des Gymnasiums vom 2. Mai 1994 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids des Staatlichen Schulamts für den vom 20.
Juli 1994 jedenfalls im Ergebnis zu Recht erfolgt; und aus demselben Grunde
besteht auch kein Anspruch auf Aufnahme in eine 5. Klasse gerade dieses
Gymnasiums gegenüber dem Antragsgegner zu 2).
Mangelt es nach alledem schon an überwiegenden Erfolgsaussichten in der
Hauptsache in bezug auf beide Antragsgegner, so ist darüber hinaus auch die
Dringlichkeit der begehrten vorläufigen Regelungen weder substantiiert dargetan
Dringlichkeit der begehrten vorläufigen Regelungen weder substantiiert dargetan
noch glaubhaft gemacht. Der insofern zu fordernde Regelungsgrund wäre nur
gegeben, wenn es unzumutbar erschiene, die Antragsteller auf den rechtskräftigen
Abschluß des Hauptsacheverfahrens zu verweisen (vgl. Hess. VGH, B. v. 5.11.1991
- 7 TG 2074/91 -, a. a. O.; Finkelnburg/ Jank, a. a. O., Rdnr. 177). Daran fehlt es im
vorliegenden Fall, weil die von den Antragstellern im Falle des Nichterlasses der
begehrten einstweiligen Anordnungen hinzunehmenden Folgen nicht so schwer
wiegen, daß die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird (vgl. hierzu auch Hess.
StGH, B. v. 30.4.1986 - P.St. 1043 e.V. -, StAnz. 1986, 1159, u. Hess. VGH, B. v.
9.7.1986 - 6 NG 1038/86 -). Selbst wenn die Tochter der Antragsteller nämlich
infolge der Dauer des Hauptsacheverfahrens sowohl die 5. als auch die 6.
Jahrgangsstufe in der Organisationsform der Förderstufe sollte besuchen müssen,
so hindert dies die Antragsteller nicht, ihre jetzt - durch die Wahl des Gymnasiums
- - getroffene Wahl des weiterführenden Bildungsgangs nach der Förderstufe ohne
Zeitverlust zu erneuern; dies gilt um so mehr, als nach § 77 Abs. 3 Satz 5 HSchulG
die Wahlentscheidung der Eltern grundsätzlich auch dann maßgebend ist, wenn ihr
die Klassenkonferenz widerspricht (vgl. Hess. VGH, Be. v. 18.9.1986 - 6 TG 2354/86
- u. v. 5.11.1991 - 7 TG 2074/91 -, a. a. O.). Selbst wenn die Antragsteller ihr vom
Elternrecht umfaßtes Recht auf Wahl des weiterführenden Bildungsgangs an einem
auswärtigen Gymnasium nicht mehr sollten realisieren können, ändert dies an der
aus Zumutbarkeitsgründen fehlenden Dringlichkeit nichts (vgl. Hess. VGH, B. v.
9.7.1986 - 6 NG 1038/86 -). Denn dies hätten sich die Antragsteller selbst
zuzuschreiben, weil sie in Kenntnis der schulentwicklungsplanerischen Absichten
des Antragsgegners zu 1) nicht die von ihnen vernünftigerweise zu erwartenden
Vorkehrungen getroffen haben; auch hierzu wird auf bereits weiter oben
angestellte Erwägungen verwiesen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.