Urteil des HessVGH vom 29.10.1991
VGH Kassel: satzung, sozialplan, öffentliches interesse, privates interesse, grundstück, eigentümer, rückwirkung, zeitung, gebäude, bürgerversammlung
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 1815/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 Abs 1 VwGO, § 47 Abs
2 VwGO, § 47 Abs 6 VwGO,
§ 245 Abs 7 BauGB, § 155a
Abs 5 BBauG
(Normenkontrollantrag gegen eine Sanierungssatzung
(Erforderlichkeit des Sanierungsverfahrens, Festsetzung
des Sanierungsgebiets, Erörterung, Sozialplan))
Tatbestand
Die Antragsteller wenden sich gegen die Satzung der Antragsgegnerin über die
förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes "Altstadt".
Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer des im förmlich festgelegten
Sanierungsgebiet liegenden Grundstücks Flur, Flurstück, H gasse in F. Der
Antragsteller zu 2 ist Eigentümer des ebenfalls im förmlich festgelegten
Sanierungsgebiet liegenden Grundstücks Flur Flurstück, E gasse in F.
Die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin faßte am 04.11.1971 den
Beschluß, die vorbereitenden Untersuchungen zur Ermittlung der
Beurteilungsgrundlagen für die Notwendigkeit der Stadtsanierung gemäß § 4 des
Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) einzuleiten. Der Beschluß wurde in der
"W Zeitung" vom 27.11.1971 öffentlich bekannt gemacht.
Das von der Antragsgegnerin beauftragte Architektenbüro Dr.-Ing. E S, B/, führte
im Laufe des Jahres 1972 eine örtliche Bestandsaufnahme durch, deren
Ergebnisse in 527 Einzelakten für jedes Anwesen im Untersuchungsbereich mit
Daten, Lageplänen, Grundrissen, Schnitten und Ansichten, einer elektronischen
Auswertung der Bestandsaufnahme, einer Kartierung in 21 Plänen im Maßstab
1:500 und einer fotografischen Bestandsaufnahme sowie im Gutachten über die
Ergebnisse der Bestandsaufnahme vom 17.04.1974 dargelegt und ausgewertet
wurden.
Am 16.03.1978 hielt die Antragsgegnerin eine erste Bürgerversammlung zur
Stadtsanierung ab.
Nachdem das Architektenbüro Dr.-Ing. S den Entwurf eines Rahmenplans für die
Stadtsanierung erstellt hatte, übersandte die Antragsgegnerin diesen Entwurf den
Trägern öffentlicher Belange mit Schreiben vom 25.07.1979 mit der Bitte,
Bedenken und Anregungen dazu mitzuteilen.
Am 12.09.1979 führte die Antragsgegnerin eine weitere Bürgerversammlung
durch, in der der Rahmenplan vorgestellt und in einzelnen Punkten erörtert wurde.
Am 12.08.1982 billigte die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin
den Rahmenplan mit der Maßgabe einer Erweiterung des förmlichen
Sanierungsgebietes und einzelner Änderungen. Ferner entschied sie über die
Bedenken und Anregungen der Träger öffentlicher Belange und aus der
Bürgerbeteiligung. Weiterhin faßte die Stadtverordnetenversammlung folgenden
Beschluß: Von einer förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes in der Altstadt
F werde abgesehen, weil zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit einer Aufnahme in
das Städtebauförderungsprogramm bestehe. Ungeachtet dessen solle die
Sanierung der Altstadt im Rahmen der gegebenen finanziellen Möglichkeiten durch
die Aufstellung von Bebauungsplänen nach dem BBauG, die gegebenenfalls später
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die Aufstellung von Bebauungsplänen nach dem BBauG, die gegebenenfalls später
in Bebauungspläne nach dem StBauFG umgewandelt würden, durchgeführt
werden.
Am 29.10.1984 wurde die Altstadtsanierung der Antragsgegnerin in das
Städtebauförderungsprogramm des Landes Hessen aufgenommen.
Am 31.01.1985 beschloß die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin
den Entwurf der "Satzung der Stadt F (Hessen) über die förmliche Festlegung des
Sanierungsgebietes 'Altstadt'" als Satzung. In § 1 Abs. 2 der Satzung werden die
Grundstücke, die das Sanierungsgebiet umfaßt, einzeln aufgeführt. Daneben
werden die Grenzen des Sanierungsgebietes in einem Plan dargestellt.
Der Regierungspräsident in D genehmigte die Satzung mit Verfügung vom
27.02.1985 mit einer Auflage. Satzung und Genehmigung sowie Hinweise auf die
§§ 15, 17, 18 und 23 StBauFG wurden in der "W Zeitung" vom 16.03.1985 öffentlich
bekanntgemacht.
Nachdem gegen die Sanierungssatzung mehrere Normenkontrollanträge -
darunter der vorliegende Normenkontrollantrag der Antragsteller - beim
Hessischen Verwaltungsgerichtshof gestellt worden waren, die u. a. mit einer
Verletzung des § 25 der Hessischen Gemeindeordnung - HGO - begründet worden
waren, beschloß die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin in ihrer
Sitzung am 25.09.1986 die Satzung über die förmliche Festlegung des
Sanierungsgebietes "Altstadt" erneut und mit Rückwirkung auf den 18.03.1985,
wobei u. a. die Stadträte, deren Mitwirkung bei der Beschlußfassung am
31.01.1985 in den Normenkontrollverfahren gerügt worden war, bei der Beratung
und Beschlußfassung nicht mitwirkten. Zugleich lehnte die
Stadtverordnetenversammlung in ihrer Sitzung am 25.09.1986 einen Antrag der
CDU-Fraktion ab, in die Sanierungssatzung einen § 1a einzufügen, mit dem die
Anwendung der §§ 6, 15 - 23, 41 Abs. 4 - 11 und § 42 StBauFG ausgeschlossen
werden sollte.
Die am 25.09.1986 beschlossene Sanierungssatzung wurde in der "W Zeitung"
vom 25.10.1986 öffentlich bekanntgemacht.
Die Antragsgegnerin legte danach dem Regierungspräsidenten in D die
Sanierungssatzung vom 25.09.1986 zur Genehmigung vor. Der
Regierungspräsident in D genehmigte die Sanierungssatzung vom 25.09.1986 mit
Verfügung vom 17.11.1986. Daraufhin wurde die Sanierungssatzung vom
25.09.1986 mit der Genehmigung des Regierungspräsidenten und den Hinweisen
auf die §§ 15, 17, 18 und 23 StBauFG in der "W Zeitung" vom 10.12.1986 erneut
bekanntgemacht. In dieser Bekanntmachung wurde aufgrund eines Druckfehlers
als Datum des Inkrafttretens anstelle des 18.03.1985 der 18.03.1986 genannt. Die
Antragsgegnerin wies mit einer weiteren Bekanntmachung in der "W Zeitung" am
20.12.1986 auf den Druckfehler hin und berichtigte das in der Bekanntmachung
vom 10.12.1986 genannte Datum des Inkrafttretens auf den 18.03.1985.
Am 06.09.1990 und - wegen einer möglichen Verletzung des § 25 HGO bei dieser
Beschlußfassung - erneut am 13.09.1990 beschloß die
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin einen zweiten Nachtrag zur
Sanierungssatzung, mit dem in einem § 1a die Anwendung der Vorschriften des 3.
Abschnitts (§§ 152 bis 156) des Baugesetzbuches - BauGB - sowie die
Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen werden. Im
Anzeigeverfahren hat der Regierungspräsident in D mit Verfügung vom 04.01.1991
gegenüber dieser Änderungssatzung die Verletzung von Rechtsvorschriften
geltend gemacht. Über den dagegen gerichteten Widerspruch der
Antragsgegnerin ist noch nicht entschieden.
Die Antragsteller haben 1985 einen Normenkontrollantrag gestellt, mit dem sie
sich zunächst gegen die am 31.01.1985 beschlossene Sanierungssatzung
wenden. Sie machen geltend, bei der Beratung und Beschlußfassung über die
Satzung sei § 25 HGO verletzt worden, weil die Stadtverordneten N, S und P
mitgewirkt hätten. Der Stadtverordnete N betreibe u. a. mit dem Rechtsanwalt und
Notar Sch eine Notarkanzlei in Form einer BGB-Gesellschaft. Die Sozietät sei
Mieterin des im Sanierungsgebiet befindlichen Hauses K straße (Flur Flurstück),
dessen Eigentümer der Notar Sch sei. Der Stadtverordnete S sei
vertretungsberechtigtes Mitglied des Vorstandes der O Versorgungs AG (OVAG),
die Eigentümerin des zum Teil im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücks L
straße (Flur Flurstück) sei. Der Stadtverordnete P sei Eigentümer eines unmittelbar
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straße (Flur Flurstück) sei. Der Stadtverordnete P sei Eigentümer eines unmittelbar
an das Sanierungsgebiet angrenzenden Grundstücks K straße (Flur Flurstück).
Diese Stadtverordneten hätten durch die angegriffene Sanierungssatzung
unmittelbar Vor- bzw. Nachteile schon allein durch die Abgrenzung des
Sanierungsgebiets und die Aufstellung der angegriffenen Satzung erlangt. Darüber
hinaus habe die Antragsgegnerin weitere Verfahrensfehler begangen. Im Rahmen
der Stellungnahme der Träger öffentlicher Belange habe die Antragsgegnerin nicht
die Stellungnahme der unmittelbar angrenzenden Gemeinden R und W eingeholt,
obwohl rechtliche und wirtschaftliche Interessen der genannten Gemeinden bei
Durchführung der Sanierung betroffen seien. Weiterhin habe die Antragsgegnerin
weder einen Sozialplan noch weitere befreiende Beschlüsse gemäß § 4 Abs. 2a
StBauFG gefaßt. Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, daß die Antragsgegnerin
nach den Bürgerversammlungen am 16.03.1978 und am 12.09.1979 bis zur
Beschlußfassung über die Sanierungssatzung weder eine Bürgerversammlung
durchgeführt noch sonst in geeigneter Weise den Stand der Planung mit den
Betroffenen erörtert habe, obwohl sich die Planung gegenüber dem Stand der
Jahre 1978 und 1979 erheblich geändert habe. Schließlich habe die
Antragsgegnerin die mit der Änderung des Städtebauförderungsgesetzes
gegebenen Möglichkeiten eines vereinfachten Verfahrens nicht zur Kenntnis
genommen, geschweige denn überprüft, ob und inwieweit ein solches Verfahren
angemessener sei. Darin liege ein Ermessensfehler, der zur materiellen
Unwirksamkeit der Sanierungssatzung führe.
Mit Schriftsätzen vom 25.09.1987 und 12.10.1988 haben die Antragsteller ihren
Normenkontrollantrag ergänzt und gegen die Sanierungssatzung vom 31.01.1985
"in der erneuten Fassung vom 25.09.1986" gerichtet. Sie beanstanden
insbesondere die Rückwirkung der Satzung.
Mit Schriftsatz vom 09.09.1991 haben die Antragsteller dann erklärt, daß sich der
Normenkontrollantrag gegen die Sanierungssatzung vom 25.09.1986 und die
Satzung der Antragsgegnerin vom 31.05.1985 richte.
Die Antragsteller beantragen nunmehr,
die Sanierungssatzung der Antragsgegnerin vom 25. September 1986 und die
Satzung der Antragsgegnerin vom 31. Januar 1985 für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie führt unter Bezugnahme auf ihre in den Normenkontrollverfahren 4 N 1123/85
und 4 N 1799/85 überreichten Schriftsätze aus, der Antrag sei unzulässig, soweit
er sich gegen die Sanierungssatzung insgesamt richte. Bezüglich der Grundstücke
der Antragsteller sei er zulässig, aber unbegründet. § 25 HGO sei nicht verletzt
worden. Im Falle des Stadtverordneten N fehle es an der Unmittelbarkeit eines
Vor- oder Nachteils, der ihm infolge der beschlossenen Satzung entstehen könnte.
Beim Stadtverordneten S lägen Tatsachen, die die Annahme einer Befangenheit
rechtfertigen könnten, nicht vor.
Der Vorwurf, sie habe ihr Ermessen fehlerhaft gebraucht und das vereinfachte
Verfahren übersehen, treffe nicht zu. Aufgrund ihrer eingehenden vorbereitenden
Untersuchungen habe sie eine Vielzahl städtebaulicher Mißtstände im Hinblick auf
die Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Funktionsfähigkeit des Gebietes
festgestellt. Insbesondere im Hinblick auf die Funktionsschwäche und die
Notwendigkeit von Entkernung, bodenordnenden Maßnahmen und zum Teil auch
Neubebauung habe keine Veranlassung bestanden, an der Erforderlichkeit des
besonderen Bodenrechtes des Städtebauförderungsgesetzes zu zweifeln. Das
Städtebauförderungsgesetz gehe auch in der Neufassung davon aus, daß in der
Regel das besondere Bodenrecht für die Durchführung der Sanierung erforderlich
sei. Besonderer Rechtfertigung bedürfe also nicht die Anwendung des Bodenrechts
des Städtebauförderungsgesetzes, sondern sein Ausschluß. Anhaltspunkte dafür,
daß etwa die Sanierung sich in der Durchführung einer Reihe von
Objektsanierungen erschöpfen würde, hätten nicht vorgelegen.
Alle maßgeblichen Träger öffentlicher Belange seien bereits vor der förmlichen
Festlegung beteiligt worden. Eine besondere Pflicht, alle umliegenden Gemeinden
formell zu beteiligen, bestehe nicht.
Im Zeitpunkt der Beschlußfassung könne eine konkrete Sozialplanung nicht
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Im Zeitpunkt der Beschlußfassung könne eine konkrete Sozialplanung nicht
vorliegen. Die Grundsätze für den Sozialplan seien in den Bericht über die
vorbereitenden Untersuchungen aufgenommen worden.
Welche Art der Bürgerbeteiligung sie, die Antragsgegnerin, wähle, sei ihre Sache.
Es liege auch in ihrer Entscheidungsbefugnis, wie oft und in welchen Zeiträumen
Bürgerversammlungen oder Veranstaltungen ähnlicher Art durchgeführt werden.
Insbesondere habe es keiner Bürgerversammlung mit dem Ziel der nochmaligen
Unterrichtung und Erörterung bedurft, weil sich an der Sanierungsbedürftigkeit des
Gebietes nichts Grundsätzliches geändert habe.
Folgende Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung
gewesen:
Ein Aktenordner der Antragsgegnerin betreffend das Verfahren über die
Aufstellung der Sanierungssatzung; ein gehefteter Band "Stadtentwicklungs-
Gutachten, Teil D, Sanierung-Bestandsaufnahme"; Schlüsselliste zur Auswertung
der Bestandsaufnahme durch EDV; 2 Hefter Einzelakten betreffend
Bestandsaufnahme für die Grundstücke der Antragsteller zu 1 und 2; der
Rahmenplan der Antragsgegnerin für die Altstadtsanierung (1 Band); 2 geheftete
Vorgänge betreffend die Hauptsatzung der Antragsgegnerin in verschiedenen
Fassungen sowie 3 weitere geheftete Vorgänge betreffend die Sanierungssatzung.
Ferner liegen vor die Gerichtsakten der Normenkontrollverfahren S ./. Stadt F, 4 N
1799/85 und G und B ./. Stadt F, 4 N 1123/85.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag der Antragsteller ist zulässig, soweit er sich gegen die
Geltung der Sanierungssatzung vom 25.09.1986 für die von ihr betroffenen
Grundstücke der Antragsteller richtet.
Die in der Erstreckung des Normenkontrollantrags auf die Satzung vom
25.09.1986 liegende Antragsänderung ist sachgerecht und daher - auch ohne
Einwilligung der Antragsgegnerin - in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 1
VwGO zulässig. Die Satzung vom 25.09.1986 ist inhaltlich mit der Satzung vom
31.01.1985 identisch, so daß der Streitstoff insoweit der gleiche bleibt.
Die Antragsteller wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen eine auf der
Grundlage des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) erlassene
Sanierungssatzung, deren Gültigkeit von dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 245 Abs. 7 BauGB überprüft werden kann.
Die Antragsteller sind antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann u. a.
jede natürliche Person, die durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen
Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat, den Antrag stellen. Der
Senat hat unter einem solchen Nachteil seit dem Beschluß vom 19.12.1969 - IV N
8/68 -, BRS 22 Nr. 31 die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen
verstanden. Darunter fallen absolute Rechte, subjektive öffentliche Rechte wie
Nachbarrechte, aber z. B. auch private Belange des Bürgers, die im
Bauleitplanverfahren nach § 1 Abs. 7 BBauG zu beachten waren (Beschluß des
Senats vom 26.06.1973 - IV N 1/72 -, BRS 27 Nr. 172). Das
Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 09.11.1979 - 4 N 1.78, 4 N 2.79, 4 N
3.79 und 4 N 4.79 -, BRS 35 Nr. 24) stellt hinsichtlich des Nachteils im Falle eines
Bebauungsplans darauf ab, ob der Antragsteller durch den Bebauungsplan oder
dessen Anwendung verletzend in einem Interesse betroffen wird bzw. in
absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß
oder den Inhalt dieses Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in
der Abwägung berücksichtigt werden müßte. Zu den rechtlich geschützten
Interessen bzw. zu den privaten Interessen, die bei der Abwägung berücksichtigt
werden müssen, gehört das Grundeigentum (Beschluß des Senats vom
13.12.1982 - IV N 14/77 - ESVGH 32, 106). Als Eigentümer von Grundstücken im
förmlich festgelegten Sanierungsgebiet haben die Antragsteller Nachteile zu
erwarten. Die Sanierungssatzung regelt zwar noch nicht, wie ein im
Sanierungsverfahren ergehender Bebauungsplan, die Nutzungsmöglichkeiten der
Grundstücke. Die Sanierungssatzung unterwirft aber im hier angeordneten
klassischen Sanierungsverfahren das Grundeigentum der Antragsteller einem
städtebaulichen Sonderbaurecht, das ihre Eigentümerbefugnisse erheblich stärker
einschränkt als das allgemeine Städtebaurecht des Bundesbaugesetzes bzw. des
Baugesetzbuchs, insbesondere durch die Genehmigungspflicht (§§ 15 StBauFG,
144 BauGB) und die sanierungsrechtlichen Entschädigungs- und
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144 BauGB) und die sanierungsrechtlichen Entschädigungs- und
Ausgleichsbetragsregelungen (§§ 23, 41, 42 StBauFG, 152 bis 156 BauGB).
Der Nachteil der Antragsteller erschöpft sich allerdings in der Betroffenheit ihrer
Grundstücke im festgelegten Sanierungsgebiet. Soweit sie darüber hinaus die
Nichtigkeit der Satzung für das ganze Sanierungsgebiet festgestellt haben wollen,
ist ihr Antrag unzulässig. Die Befugnis des Verwaltungsgerichtshofs, über einen
durch das Maß des Nachteils beschränkten Normenkontrollantrag hinaus im Falle
seiner Begründetheit bei planerischem Regelungszusammenhang eine Norm im
Ganzen für nichtig zu erklären, bleibt unberührt (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom
16.11.1976, IV N 3/75, in BRS 30 Nr. 22; auch Quaas/Müller, Normenkontrolle und
Bebauungsplan, 1986, Rdnr. 231).
Soweit der Normenkontrollantrag zulässig ist, ist er nicht begründet.
Rechtsgrundlage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Sanierungssatzung
vom 25.09.1986 sind grundsätzlich die bei ihrem Erlaß geltenden Bestimmungen
des Städtebauförderungsgesetzes - StBauFG - vom 21.07.1971 (BGBl. I S. 1125)
in der Neufassung vom 18.08.1976 (BGBl. I S. 2318), berichtigt am 20.12.1976
(BGBl. I S. 3617), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des
Städtebauförderungsgesetzes vom 05.11.1984 (BGBl. I S. 1321). Zwar gelten für
die Durchführung des Sanierungsverfahrens auch bei den vor dem 01.07.1987
eingeleiteten Sanierungsverfahren gemäß § 245 Abs. 1 BauGB vom Inkrafttreten
des Baugesetzbuchs am 01.07.1987 an die Vorschriften des Baugesetzbuchs über
städtebauliche Sanierungsmaßnahmen (§§ 136 ff. BauGB) mit der Maßgabe der in
§ 245 BauGB getroffenen Überleitungsvorschriften. Soweit unter der Geltung des
Städtebauförderungsgesetzes jedoch bereits Maßnahmen getroffen worden sind,
insbesondere eine Sanierungssatzung erlassen worden ist, bleiben die Vorschriften
des Städtebauförderungsgesetzes die maßgebliche Rechtsgrundlage (vgl. Ernst-
Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 245 Rdnr. 4).
Die Sanierungssatzung ist nicht wegen einer Verletzung von Form- oder
Verfahrensvorschriften unwirksam.
Soweit die Antragsteller rügen, im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher
Belange seien zu Unrecht die angrenzenden Gemeinden W und R nicht beteiligt
worden, haben sie nicht dargelegt, inwieweit der Aufgabenbereich dieser
Gemeinden durch die Sanierung berührt werden kann (§ 4 Abs. 4 Satz 1 StBauFG).
Die Frage kann jedoch dahinstehen. Denn wenn einzelne von der
Sanierungsplanung berührte Träger öffentlicher Belange im Verfahren zur
Aufstellung der Sanierungssatzung nicht beteiligt worden sind, ist ein solcher
Mangel unbeachtlich. Dies ergibt sich aus § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, der gemäß
der Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 1 BauGB auch auf Satzungen
anzuwenden ist, die vor dem 1. Juli 1987 bekanntgemacht worden sind. Die
Rechtslage entspricht insoweit der vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches
geltenden Rechtslage (§ 86 Abs. 1 Satz 2 StBauFG i.V.m. § 155b Abs. 1 Nr. 2
BBauG).
Zu Unrecht beanstanden die Antragsteller, daß im Zeitpunkt der Beschlußfassung
über die Sanierungssatzung ein Sozialplan noch nicht vorgelegen habe. Nach § 8
Abs. 1 und 2 StBauFG ist der Sozialplan erst nach der förmlichen Festlegung des
Sanierungsgebietes im Rahmen der Durchführung der Sanierung zu erstellen. Im
Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen soll die Gemeinde gemäß § 4 Abs. 2
Satz 2 StBauFG Grundsätze für den Sozialplan entwickeln, sobald und soweit dies
nach dem Stand der Vorbereitung der Sanierung möglich ist. Dem hat die
Antragsgegnerin entsprochen. Der von der Stadtverordnetenversammlung der
Antragsgegnerin am 12.08.1982 gebilligte Rahmenplan für die Altstadtsanierung
enthält unter Ziffer 5 (S. 105 f.) Grundsätze zum Sozialplan. Selbst wenn aber die
Grundsätze zum Sozialplan fehlen würden oder als nicht ausreichend angesehen
werden müßten, würde dies nicht zur Unwirksamkeit der Sanierungssatzung wegen
eines Verfahrensfehlers führen. Nach § 214 Abs. 1 BauGB ist nur eine Verletzung
der dort aufgeführten Verfahrens- und Formvorschriften beachtlich. Die Vorschrift
des § 4 Abs. 2 Satz 2 StBauFG, die den Bericht über die vorbereitenden
Untersuchungen, in den die Grundsätze für den Sozialplan aufgenommen werden
sollen, betrifft, und die im wesentlichen entsprechenden Vorschriften der §§ 141
Abs. 1 und 2, 143 Abs. 1 BauGB werden in § 214 Abs. 1 BauGB nicht aufgeführt.
Nach § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist eine Verletzung der Vorschriften über den
Erläuterungsbericht und die Begründung des Flächennutzungsplanes und der
Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und
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Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 und
Abs. 5, § 9 Abs. 8 und § 22 Abs. 11 BauGB beachtlich. Der Bericht über die
vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 StBauFG bzw. der
Bericht über die Gründe, die die förmliche Festlegung des sanierungsbedürftigen
Gebiets rechtfertigen (§ 143 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB), werden dort nicht
erwähnt. Der Bericht über die vorbereitenden Untersuchungen entspricht auch
nach seiner rechtlichen Bedeutung nicht dem Erläuterungsbericht zum
Flächennutzungsplan oder der Begründung des Bebauungsplans oder der
Entwürfe, die in § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB aufgeführt sind. Der Erläuterungsbericht
zum Flächennutzungsplan und die Begründung des Bebauungsplans sind diesen
Plänen beizufügen (§§ 5 Abs. 5, 9 Abs. 8 BauGB); sie sind bei der öffentlichen
Auslegung im Rahmen der förmlichen Bürgerbeteiligung zusammen mit den
Entwürfen der Pläne offenzulegen (§ 3 Abs. 2 BauGB). Diese rechtliche Bedeutung
kommt dem Bericht über die vorbereitenden Untersuchungen nicht zu. Mängel der
vorbereitenden Untersuchungen können sich daher zwar gegebenenfalls auf die
materielle Rechtmäßigkeit einer Sanierungssatzung auswirken. Das Fehlen des
Berichts - und damit auch der Grundsätze für den Sozialplan - stellt als solches
aber keinen beachtlichen Verfahrensfehler dar.
Auch insoweit entspricht die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des
Baugesetzbuches im Ergebnis der bis dahin geltenden Rechtslage (§ 86 Abs. 1
Satz 2 StBauFG i.V.m. § 155b Abs. 1 Nr. 3 und 4 BBauG).
Auch auf einen Mangel der Bürgerbeteiligung können sich die Antragsteller nicht
mit Erfolg berufen. Die Beteiligung und Mitwirkung der Betroffenen, die bei der
Vorbereitung und Durchführung der Sanierung stattfinden soll (§ 1 Abs. 4 Satz 4, §
4 Abs. 1 Satz 2 und § 9 StBauFG bzw. § 137 BauGB) entspricht nicht der
förmlichen Bürgerbeteiligung im Rahmen der Bauleitplanung nach § 3 Abs. 2
BauGB, sondern allenfalls der ebenfalls nicht förmlichen frühzeitigen
Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 17.12.1979,
BRS 35 Nr. 226). Demnach wäre ein eventueller Mangel der Betroffenenbeteiligung
gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht als Verfahrensfehler beachtlich.
Eine Verletzung des § 25 HGO bei der erneuten Beschlußfassung in der Sitzung
der Stadtverordnetenversammlung am 25.09.1986 ist von den Antragstellern
nicht gerügt worden. Anhaltspunkte für eine Verletzung dieser Vorschrift sind auch
nicht ersichtlich.
Sonstige Form- und Verfahrensvorschriften sind ebenfalls nicht verletzt.
Die Sanierungssatzung vom 25.09.1986 ist nicht wegen der Anordnung ihres
rückwirkenden Inkrafttretens am 18.03.1985 unwirksam. Die Sanierungssatzung
vom 25.09.1986 ist eine inhaltsgleiche Wiederholung der am 31.01.1985
beschlossenen Sanierungssatzung der Antragsgegnerin. Sie dient der Behebung
eines möglichen Verfahrensfehlers - Verletzung des § 25 HGO -, der
möglicherweise die Unwirksamkeit der Sanierungssatzung vom 31.01.1985 zur
Folge hat. Aus § 86 Abs. 1 Satz 2 StBauFG i.V.m. § 155a Abs. 5 BBauG ergibt sich
die Befugnis, eine an einem Form- oder Verfahrensfehler leidende Satzung durch
Behebung des Fehlers und Wiederholung des nachfolgenden Verfahrens zu heilen,
und insbesondere auch die Befugnis, die Satzung mit Rückwirkung auf den
Zeitpunkt in Kraft zu setzen, zu dem sie ohne den Verfahrensfehler frühestens
hätte wirksam werden können (vgl. zur im wesentlichen übereinstimmenden
Regelung in § 215 Abs. 3 BauGB Gaentzsch, a.a.O., § 215 Rdnr. 13 ff.; Bielenberg,
in: Ernst- Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Vorbemerkung vor §§ 214 bis 216, Rdnr. 18
ff.).
Die Vorschrift des § 155a Abs. 5 BBauG ist ebenso wie die entsprechende
Vorschrift des § 215 Abs. 3 BauGB verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl.
BVerwG, Urteil vom 05.12.1986 - 4 C 31.85 -, BRS 46 Nr. 13 = BVerwGE 75, 262).
Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, daß eine ungültige Norm
rückwirkend durch eine gültige Norm ersetzt werden darf, wenn das Vertrauen des
Bürgers auf die Ungültigkeit einer formell noch bestehenden Rechtsnorm nicht
schutzwürdig ist. Der durch das Rechtsstaatsprinzip im Interesse der
Rechtssicherheit gewährleistete Vertrauensschutz kommt vor allem dort nicht in
Frage, wo es kein Vertrauen geben kann oder wo es sachlich nicht schutzwürdig
wäre. Das Vertrauen ist dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger in dem
Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird,
mit dieser Regelung rechnen mußte (vgl. BVerfG, Beschluß vom 15.11.1967 - 2
BvL 7, 20, 22/64 -, BVerfGE 22, 330 (347 f.)). Ein Vertrauen auf die Ungültigkeit
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BvL 7, 20, 22/64 -, BVerfGE 22, 330 (347 f.)). Ein Vertrauen auf die Ungültigkeit
einer formell noch bestehenden Rechtsnorm wird in aller Regel nicht geschützt,
insbesondere wenn der Inhalt der Norm sachgerecht erscheint und ihr nur
Bedenken formeller Art entgegenstehen. Die Vorschrift des § 155a Abs. 5 BBauG
stellt sich nicht als generelle Heilungsvorschrift dar, sondern läßt nur die Heilung
durch Behebung des Fehlers zu. Die darin liegende Rückwirkung führt nicht zu
einem unzulässigen Eingriff in das schutzwürdige Vertrauen der Planbetroffenen;
sie will vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers gerade das von diesem
Personenkreis dem (fehlerhaften) Plan entgegengebrachte Vertrauen schützen
(BVerwG, Urteil vom 05.12.1986, a.a.O.).
Die Voraussetzungen für ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Sanierungssatzung
gemäß § 155a Abs. 5 BBauG sind erfüllt. Insbesondere ist die Satzung inhaltlich
unverändert beschlossen worden. Weder aus dem Vorbringen der Antragsteller
noch aus den dem Senat vorliegenden Unterlagen ergeben sich Anhaltspunkte
dafür, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse im Sanierungsgebiet in der Zeit
zwischen dem 31.01.1985 und dem 25.09.1986 in einer für die Beurteilung der
Sanierungsvoraussetzungen erheblichen Weise geändert haben könnten.
Veränderungen auf einzelnen Grundstücken im Sanierungsgebiet, etwa
Sanierungen einzelner Gebäude oder Wohnungen, sind insoweit nicht erheblich.
Daß sich im gesamten Sanierungsgebiet oder in größeren Teilgebieten die
Verhältnisse, mit denen die Antragsgegnerin das Vorhandensein städtebaulicher
Mißstände und das Erfordernis einer Sanierung begründet hat, in diesem Zeitraum
erheblich geändert hätten, haben auch die Antragsteller nicht vorgetragen.
Die Sanierungssatzung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 3 und 5 StBauFG für die förmliche
Festlegung des Sanierungsgebietes "Altstadt" haben vorgelegen. Das Gebiet der
Altstadt wies städtebauliche Mißstände auf, zu deren Behebung
Sanierungsmaßnahmen erforderlich waren. Die Antragsgegnerin hat das
Sanierungsgebiet ohne erkennbare Ermessensfehler räumlich abgegrenzt und
auch ermessensfehlerfrei von einer Ausgliederung der Grundstücke der
Antragsteller abgesehen.
Nach § 3 Abs. 2 StBauFG liegen städtebauliche Mißstände u. a. vor, wenn das
Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen
Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und
Arbeitsverhältnisse nicht entspricht oder in der Erfüllung der Aufgaben erheblich
beeinträchtigt ist, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen. § 3 Abs. 2
StBauFG führt beispielhaft Gesichtspunkte auf, die bei der Beurteilung des
Vorliegens von Mißständen insbesondere zu berücksichtigen sind. Auf dieser
Grundlage steht der Gemeinde ein Beurteilungsspielraum darüber zu, ob das
Gebiet sanierungsbedürftig ist (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 22.11.1976 - IV N
6/73 -, S. 34, 35 des amtlichen Umdrucks; BGH, Urteil vom 08.05.1980 - III ZR
27/77 -, BGHZ 77, 338 (343); OVG Bremen, Beschluß vom 26.11.1987 - 1 B 84/87
-, UPR 1988, 193 (194) m.w.N.). Denn die Feststellung eines städtebaulichen
Mißstandes setzt die Bewertung eines komplexen Sachverhalts unter Einschluß
prognostischer Elemente voraus. Insbesondere die Frage, ob eine
Funktionsschwäche gegeben ist (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 StBauFG), ist auch daran zu
messen, welche Funktion das Gebiet nach den Entwicklungszielen der Gemeinde
künftig erfüllen soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1984, DVBl. 1985, 115). Die
gerichtliche Überprüfung muß sich deshalb im wesentlichen darauf beschränken,
ob die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei die maßgeblichen Tatsachen und
Umstände ermittelt und diese ihrer Entscheidung über die förmliche
Gebietsfestlegung als Sanierungsgebiet zugrundegelegt hat (vgl. OVG Bremen,
a.a.O.; Bielenberg, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 142 Rdnr. 3).
Aus der Darlegung der positiven und negativen Sanierungsgründe in dem von der
Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin gebilligten Rahmenplan, die
ihrerseits auf der örtlichen Bestandsaufnahme und deren Auswertung im
Sanierungsgutachten vom 17.04.1974 (insbesondere "5. Die wichtigsten
Sanierungsgründe") aufbauen, ergibt sich, daß die Antragsgegnerin in rechtlich
nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das Gebiet der
Altstadt städtebauliche Mißstände aufweist, und zwar sowohl hinsichtlich der
Substanz (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StBauFG) als auch hinsichtlich der Funktionsfähigkeit
des Gebiets (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 StBauFG). Der Rahmenplan beruht auf einer
sorgfältigen Bestandsaufnahme, die erkennbar an den nach § 3 Abs. 3 StBauFG
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sorgfältigen Bestandsaufnahme, die erkennbar an den nach § 3 Abs. 3 StBauFG
insbesondere zu berücksichtigenden Gesichtspunkten für das Vorliegen
städtebaulicher Mißstände orientiert ist. Sowohl die Bestandsaufnahme als auch
ihre elektronische Auswertung und ihre Bewertung im Sanierungsgutachten und im
Rahmenplan weisen keine erkennbaren methodischen Mängel auf. Das Ergebnis
dieser Auswertung rechtfertigt die Beurteilung, daß städtebauliche Mißstände im
Bereich der Altstadt der Antragsgegnerin vorliegen. Der Schwerpunkt der
städtebaulichen Mißstände liegt danach bei der mangelnden Funktionsfähigkeit
des Gebiets im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 StBauFG. Dabei ist von der Vorstellung
der Antragsgegnerin auszugehen, daß die Altstadt in ihren zentralen Funktionen
für die Stadt F, insbesondere auch als attraktives Einkaufszentrum und zugleich
belebtes und bewohntes Stadtzentrum, in ihrer historisch gewachsenen,
einmaligen und für die Anziehungskraft der Gesamtstadt daher bedeutenden
Gestalt erhalten und weiterentwickelt werden soll. Das entspricht der regionalen
Raumordnung. Nach dem Regionalen Raumordnungsplan für die Planungsregion
Sachlicher Teilplan - vom 28.11.1978 (StAnz. 1979, 1286) ist F ein zentraler Ort
innerhalb des Mittelzentrums mit Teilfunktionen eines Oberzentrums, das aus den
Städten F und B N besteht. Die historische Stadtgestalt der F Altstadt mit der
dominierenden Längsachse der mittelalterlichen M straße, der K - straße als
Zentrum, in dem sich noch eine große Zahl mittelalterlicher, zum Teil gotischer
Gebäude befindet, die stellenweise an der K straße noch einen geschlossenen
Gesamteindruck vermitteln, soll gegen zerstörerische Wirkungen der Bau- und
Verkehrsentwicklung geschützt und möglichst wiederhergestellt werden.
Bestandsaufnahme und Gutachten belegen, daß die steigende Bedeutung der K
straße als Zentrum für Handel und Dienste, in dem drei Viertel der gesamten F
Ladengeschoßfläche konzentriert sind, das historische Baugefüge zu sprengen
droht, indem an vielen Stellen bereits Geschäfts- und Lagerbauten entstanden
sind, die den Rahmen und die Gestalt der mittelalterlichen Gebäude stören und
von alten Gebäuden oft nur noch die Fassade übriglassen. Belegt wird ferner, daß
durch die Entwicklung einer ungeordneten und dichten Bebauung mit ungünstigen
Belichtungs- und Besonnungsverhältnissen, enger Nachbarschaft mit Betrieben,
geringen Freiflächen und fehlenden Gärten sowie den Belastungen durch den
fließenden und ruhenden Verkehr sanierungsbedürftige Wohnverhältnisse
entstanden sind, die auch in der geringen Wohnzufriedenheit der Bewohner der
Altstadt zum Ausdruck kommen. Belegt wird schließlich die Gefährdung sowohl der
Geschäftsfunktionen als auch der Wohnfunktionen durch die Verkehrsentwicklung
auf der K straße, die zugleich Durchgangsstraße (B) mit erheblichem
Verkehrsaufkommen ist. Insbesondere wird durch die Bestandsaufnahme
dokumentiert, daß es sich bei den aufgezeigten Mißständen nicht um Einzelfälle
handelt, sondern um nahezu flächendeckende systematische Prozesse, die von
der expansiven Entwicklung von Geschäfts- und Lagerflächen in der K straße
ausgehen und von dort aus einen erheblichen Druck auch auf die übrigen Teile der
Altstadt ausüben.
Zugleich weist die Altstadt nach dem Ergebnis der Bestandsaufnahme auch in
erheblichem Umfang Substanzmängel auf. Das gilt in der verdichteten Bebauung
beiderseits der K straße insbesondere für die Wohn- und Arbeitsverhältnisse in
bezug auf Belichtung, Besonnung und Belüftung, die Auswirkungen der engen
Nachbarschaft von Wohn- und Arbeitsstätten, das ungünstige Verhältnis von
bebauten und unbebauten Flächen und die Einwirkungen, die vor allem von den
Verkehrsanlagen durch Lärm und Verunreinigungen ausgehen, zu einem
erheblichen Teil auch im Hinblick auf die bauliche Beschaffenheit der überwiegend
älteren Gebäude, Wohnungen und Arbeitsstätten.
Die Antragsteller haben das Vorliegen städtebaulicher Mißstände auch nicht
grundsätzlich bestritten. Ihr wesentlicher Einwand geht vielmehr dahin, daß für die
Sanierung das am 01.01.1985 eingeführte vereinfachte Verfahren ausgereicht
hätte.
Die Festlegung eines Sanierungsgebietes setzt gemäß § 3 Abs. 1 StBauFG voraus,
daß zur Behebung der städtebaulichen Mißstände Sanierungsmaßnahmen
erforderlich sind. Erforderlich sind dabei nur solche Sanierungsmaßnahmen, deren
einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegt
(§ 1 Abs. 1 Satz 1 StBauFG). Die Gemeinde muß daher darlegen können, warum
sie ein qualifiziertes öffentliches Interesse in diesem Sinne für gegeben erachtet.
Dabei kommt es auf die Gesamtsituation des Anwendungsfalles an, bei deren
Beurteilung die Gemeinde ebenfalls einen von den Gerichten zu respektierenden
Beurteilungsspielraum hat (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.1980 - III ZR 27/77 -, BGHZ
77, 338 (343); OVG Bremen, Beschluß vom 26.11.1987 - 1 B 84/87 -, UPR 1988,
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77, 338 (343); OVG Bremen, Beschluß vom 26.11.1987 - 1 B 84/87 -, UPR 1988,
193 (194); Bielenberg, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 142 Rdnr. 3 m.w.N.).
Im Rahmen dieser Prüfung muß die Gemeinde auch prüfen, ob nicht weniger
einschneidende Maßnahmen - etwa aufgrund des Bundesbaugesetzes bzw. des
Baugesetzbuches - zur Behebung des städtebaulichen Mißstandes ausreichen
(vgl. BGH, a.a.O.). Sie muß ferner seit Einführung des vereinfachten
Sanierungsverfahrens prüfen, ob zur Behebung der Mißstände das vollständige
herkömmliche Sanierungsverfahren erforderlich ist oder ob zur Behebung der
Mißstände das vereinfachte Verfahren ausreicht (§ 5 Abs. 1 Satz 3 StBauFG).
Die Antragsgegnerin ist ausweislich des von der Stadtverordnetenversammlung
gebilligten Rahmenplanes auch insoweit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß
Sanierungsmaßnahmen zur Behebung der städtebaulichen Mißstände erforderlich
sind und daß dies insbesondere den Einsatz des klassischen Sanierungsverfahrens
erforderlich macht.
Ob zur Behebung der Mißstände Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind, hängt
ebenfalls mittelbar davon ab, welche Funktion das Gebiet nach den
Sanierungszielen der Gemeinde künftig erfüllen soll. Insoweit kommt es also
maßgeblich auf das Leitbild und die Sanierungsziele an, die die Antragsgegnerin
im Rahmenplan entwickelt hat. Zum Leitbild heißt es im Rahmenplan (S. 60):
"Die Identität F verlangt die Erhaltung und Wiederherstellung der Altstadt. In ihren
Mauern soll reges urbanes Leben herrschen, Autoverkehr soll insoweit stattfinden,
als dieser unentbehrlich ist. Käufer sollen sich in anziehenden Geschäftszonen
bewegen können, Bewohner eine angenehme Wohnatmosphäre vorfinden. Die
Revitalisierung vollzieht sich aus den gegebenen städtebaulichen Verhältnissen.
Anonymer Städtebau paßt nicht zur Altstadt. Er wird abgelehnt. In lebendiger
Wechselwirkung von Gestalt und Funktion sollen sich die historischen Bereiche
zeigen. Die frühere Schönheit der alten Gebäude wird wieder sichtbar gemacht.
Zur Erfüllung der zentralörtlichen Funktionen wird besonders das Image der K
straße als Geschäftszentrum verbessert und zusätzlich die Geschäftszone in die
Nachbargebiete (E gasse/Stadtkirche) ausgedehnt. Ruhiger sind die übrigen
Bereiche. Sie dienen dem Wohnen und erhalten aus dieser Funktion mit ihre
Gestalt. Der Bedeutung des Autos wird Rechnung getragen. Es muß aber
zugunsten der wichtigeren Bedürfnisse eine sekundäre Rolle im Stadtbild spielen".
Daraus werden die folgenden Sanierungsziele abgeleitet (S. 61 ff.):
1. Erhaltung und Gestaltung der Altstadt 2. Anhebung der Wohnqualität 3.
Stärkung der Versorgungsfunktion 4. Neuordnung des Verkehrs 5. Vergrößerung
des Grünflächenanteils.
Aus diesen Zielen, die wiederum in einzelnen Grundsätzen konkretisiert werden,
ergibt sich das Sanierungskonzept, das im Rahmenplan dargelegt wird (S. 71 ff.)
und dessen Grundstruktur in der Skizze der Entwicklungszonen (S. 70)
zeichnerisch veranschaulicht ist. Danach gliedert sich das Sanierungskonzept in
sechs unterschiedliche Bereiche, die ihrer unterschiedlichen Eigenart entsprechen.
Die Bebauung beiderseits der K straße (1), der Bereich E gasse/U gasse (2) und
der Bereich S - kirche (3) sind Erhaltungszonen mit Mischnutzung. Der Bereich H
straße/K gasse (4) ist als Gestaltungszone mit vorwiegender Wohnnutzung
vorgesehen, der Bereich H gasse (5) als Neuordnungszone mit vorwiegender
Wohnnutzung und der Bereich L straße (6) als Erhaltungszone mit vorwiegender
Wohnnutzung. Die Sanierungsmaßnahmen, die die Antragsgegnerin zur
Umsetzung dieses Sanierungskonzepts im Zeitpunkt der Billigung des
Rahmenplanes als möglich und erforderlich angesehen hat, werden im
Rahmenplan dargelegt und sind insbesondere in den Planzeichnungen S 1 bis S 8
(Funktion, Bebauung, Freiflächen, Abbruch, Verkehr fahrend, Verkehr ruhend,
Maßnahmen, Gestalt) zeichnerisch anschaulich dargestellt. Es sind keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß dieses Sanierungskonzept der
Antragsgegnerin in sich unschlüssig, mit dem Ergebnis der Bestandsaufnahme
unvereinbar oder insgesamt unrealistisch wäre. Das Sanierungskonzept der
Antragsgegnerin entspricht auch dem gesetzlichen Zweck von
Sanierungsmaßnahmen (§ 1 Abs. 4 StBauFG). Die in Aussicht genommenen
Sanierungsmaßnahmen halten sich in dem durch § 1 Abs. 2 StBauFG
vorgegebenen Rahmen. Allein schon aus dem Umfang und der Tragweite dieses
Sanierungskonzepts, das Abbruch, Neubebauung, Neuordnung des fließenden und
ruhenden Verkehrs und Schaffung von Grünflächen umfaßt, ergibt sich, daß die
Antragsgegnerin Sanierungsmaßnahmen im förmlichen Sinn des StBauFG für
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Antragsgegnerin Sanierungsmaßnahmen im förmlichen Sinn des StBauFG für
erforderlich halten durfte. Der Senat ist bei dieser Prüfung insoweit beschränkt, als
er von den Entwicklungsvorstellungen der Antragsgegnerin auszugehen hat, also
nicht etwa prüfen könnte, ob auf das von der Antragsgegnerin vorgestellte
Sanierungskonzept ganz oder teilweise verzichtet werden könnte, wenn weniger
anspruchsvolle oder andere Entwicklungsvorstellungen zugrundegelegt werden
würden. Auf der Grundlage des Sanierungskonzepts der Antragsgegnerin liegt
insbesondere auch die einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung der
Sanierungsmaßnahmen im öffentlichen Interesse. Es liegt auf der Hand, daß die
zwar an die vorhandene Struktur und Substanz anknüpfende, insbesondere in der
Neuordnungszone H gasse und der Gestaltungszone H - straße/K gasse aber auch
flächendeckende Umgestaltungen erfordernde Konzeption der Antragsgegnerin
ohne eine wechselseitige Abstimmung der einzelnen Maßnahmen und ohne eine
möglichst zügige Durchführung, die gegenläufigen Entwicklungen möglichst wenig
Raum läßt, nicht verwirklicht werden könnte.
Die angestrebten Verkehrsordnungsmaßnahmen können zwar für sich gesehen
auch ohne ein förmliches Sanierungsverfahren durchgeführt werden. In dem
vorgesehenen Umfang sind sie aber nur sinnvoll, wenn zugleich durch
bodenordnende Maßnahmen auf die Bebauung und Nutzung der Grundstücke
Einfluß genommen werden kann. So kann etwa das Verkehrskonzept hinsichtlich
der vorgesehenen Wohnstraßen nur sinnvoll durchgeführt werden, wenn durch
bodenordnende Maßnahmen eine Wohnnutzung der an solchen Wohnstraßen
liegenden Grundstücke hergestellt und mit dem Wohnen unvereinbare
Gebäudenutzungen beseitigt oder zurückgedrängt werden können.
Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, daß die Antragsgegnerin das
vollständige herkömmliche Sanierungsverfahren für erforderlich gehalten hat.
Der Einwand der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe die Alternative des
vereinfachten Sanierungsverfahrens überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und
daher ermessensfehlerhaft gehandelt, ist nicht geeignet, die Unwirksamkeit der
Sanierungssatzung vom 25.09.1986 zu begründen.
Das folgt allerdings nicht ohne weiteres aus dem Umstand, daß in der Sitzung der
Stadtverordnetenversammlung am 25.09.1986, in der die Sanierungssatzung
beschlossen wurde, zugleich ein auf die Durchführung des vereinfachten
Verfahrens gerichteter Antrag abgelehnt, zu diesem Zeitpunkt also eine bewußte
Entscheidung für das herkömmliche Sanierungsverfahren getroffen wurde. Die mit
der Rückwirkung der Sanierungssatzung vom 25.09.1986 angestrebte Heilung der
Sanierungssatzung vom 31.01.1985 setzt voraus, daß die Sanierungssatzung vom
31.01.1985 - abgesehen von dem Verfahrensfehler, der behoben wird -
rechtmäßig ist. Nach § 155a Abs. 5 BBauG und § 215 Abs. 3 BauGB können
Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften behoben werden. Wenn die
Sanierungssatzung vom 31.01.1985 dagegen deshalb fehlerhaft wäre, weil eine
Entscheidung über die Wahl des Sanierungsverfahrens nicht oder nicht in der
gebotenen Weise erfolgt ist, könnte dies nicht nach § 86 Abs. 1 Satz 2 StBauFG
i.V.m. § 155a Abs. 5 BBauG geheilt worden sein.
Es kommt deshalb auch darauf an, ob die bei der Beschlußfassung über die
Sanierungssatzung vom 31.01.1985 getroffene Entscheidung für das vollständige
herkömmliche Sanierungsverfahren rechtmäßig war.
Bei der Wahl des Sanierungsverfahrens handelt es sich nicht um eine
Ermessensentscheidung, sondern um eine an den Rechtsbegriff der
Erforderlichkeit gebundene Entscheidung (vgl. zur entsprechenden Vorschrift des §
142 BauGB Ernst-Zinkahn-Bielenberg, § 142 Rdnr. 23). Erforderlich ist das
herkömmliche Sanierungsverfahren auch dann, wenn die Durchführung eines
vereinfachten Verfahrens die Sanierung voraussichtlich erschweren würde (§ 5
Abs. 2 Satz 4 StBauFG). Auch insoweit handelt es sich um eine an den
unbestimmten Rechtsbegriff der Erschwerung der Sanierung gebundene
Entscheidung (vgl. Gaentzsch, die Änderungen des Städtebauförderungsgesetzes,
NJW 1985, 881 (886 f.); zu § 142 BauGB Ernst-Zinkahn-Bielenberg, a.a.O.). Wenn
die Stadtverordneten bei der Beschlußfassung am 31.01.1985 von dem kurz zuvor
eingeführten vereinfachten Sanierungsverfahren nichts wußten und insofern eine
"Wahl" zwischen dem klassischen Sanierungsverfahren und dem vereinfachten
Sanierungsverfahren nicht getroffen haben, würde dieser Umstand allein nicht die
Unwirksamkeit der Sanierungssatzung zur Folge haben.
Allerdings steht der Gemeinde bei der Anwendung der unbestimmten
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Allerdings steht der Gemeinde bei der Anwendung der unbestimmten
Rechtsbegriffe der Erforderlichkeit und der Erschwerung der Sanierung ein
Beurteilungsspielraum zu. Denn auch die Frage, ob der Ausschluß der besonderen
bodenrechtlichen Bestimmungen des herkömmlichen Sanierungsverfahrens die
Sanierung voraussichtlich erschweren oder unmöglich machen würde, bestimmt
sich nach der vorhandenen städtebaulichen Situation und nach den
Sanierungszielen der Gemeinde und setzt eine Prognose voraus. Die Anknüpfung
an die Sanierungsziele der Gemeinde und die diagnostischen und prognostischen
Unsicherheiten der von der Gemeinde bei der Wahl des Sanierungsverfahrens zu
treffenden Entscheidungen führen zu einer entsprechenden Beschränkung der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die Verwaltungsgerichte dürfen weder die
damaligen Sanierungsziele der Gemeinde durch eigene Vorstellungen ersetzen,
noch dürfen sie an die Stelle der mit Unsicherheiten behafteten damaligen
Prognoseentscheidung der Gemeinde eine eigene neue Prognoseentscheidung
setzen. Die Prognoseentscheidung der Gemeinde kann vielmehr von den
Verwaltungsgerichten nur beanstandet werden, wenn sie nicht in einer der Sache
angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist, d. h.
wenn die vorbereitenden Untersuchungen in Bezug auf die Durchführbarkeit der
Sanierung unvollständig oder wenn die den Sanierungszielen zugrundeliegenden
Annahmen nicht plausibel sind (vgl. Gaentzsch, a.a.O., S. 887; zur
Rechtmäßigkeitskontrolle von Prognoseentscheidungen BVerwG, Urteil vom
07.07.1978 - 4 C 79.76 u. a. - BVerwGE 56, 110 (121) f.).
Nach Lage der Dinge spricht vieles dafür, daß die Stadtverordneten bei der
Beschlußfassung über die Sanierungssatzung am 31.01.1985 den ihnen
zustehenden Beurteilungsspielraum nicht erkannt haben, soweit er sich auf die
Beurteilung der Erforderlichkeit des vollständigen herkömmlichen
Sanierungsverfahrens gegenüber der Möglichkeit des vereinfachten
Sanierungsverfahrens bezog. Jedenfalls lassen sich den von der Antragsgegnerin
vorgelegten Unterlagen, insbesondere der Magistratsvorlage, keine Anhaltspunkte
dafür entnehmen, daß den Stadtverordneten bei der Beschlußfassung am
31.01.1985 das kurz zuvor durch das Gesetz zur Änderung des
Städtebauförderungsgesetzes vom 05.11.1984 (BGBl. I S. 1321) mit Wirkung zum
01.01.1985 eingeführte vereinfachte Verfahren überhaupt bekannt gewesen wäre.
Anders als die Verkennung eines Ermessensspielraums, die regelmäßig zur
Rechtswidrigkeit der Entscheidung führt, hat die Verkennung eines
Beurteilungsspielraums nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit der getroffenen
Entscheidung zur Folge. Die Verkennung des Beurteilungsspielraums bleibt
folgenlos, wenn die getroffene Entscheidung gleichwohl im Ergebnis richtig ist, eine
andere Entscheidung also auch bei richtiger Erkenntnis des
Beurteilungsspielraums nicht hätte getroffen werden können.
Vorliegend hat die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin sowohl am
31.01.1985 als auch am 25.09.1986, ausgehend von den gebilligten
Sanierungszielen des Rahmenplanes und den zugrundeliegenden tatsächlichen
Annahmen zum Vorliegen städtebaulicher Mißstände und zur Erforderlichkeit von
Sanierungsmaßnahmen, im Ergebnis zu Recht das vollständige herkömmliche
Sanierungsverfahren als erforderlich angesehen. Wenn nach den Sanierungszielen
der Gemeinde die Sanierung des Gebiets nicht nur durch öffentliche und private
Baumaßnahmen, sondern zumindest auch durch Ordnungsmaßnahmen im Sinne
des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StBauFG (Bodenordnung, Umzug der Bewohner und
Betriebe, Beseitigung baulicher Anlagen, Erschließung sowie sonstige Maßnahmen,
die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt werden können)
erreicht werden soll, ist in der Regel davon auszugehen, daß das besondere
bodenrechtliche Instrumentarium erforderlich ist, weil solche
Ordnungsmaßnahmen regelmäßig zu sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen
führen (vgl. Gaentzsch, a.a.O., S. 887; Krautzberger, Die Änderungen des
Städtebauförderungsgesetzes zum 1. Januar 1985, DVBl. 1984, 1149 (1151),
jeweils mit Bezugnahme auf den Ausschußbericht BT-Drucks. 10/2039; vgl. dazu
auch Bielenberg, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 142 Rdnr. 24). Das
Sanierungskonzept der Antragsgegnerin erfordert nicht nur Baumaßnahmen im
Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 2 StBauFG, sondern in erheblichem Umfang auch
Ordnungsmaßnahmen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StBauFG. So sieht die
Antragsgegnerin auf der Grundlage ihres Sanierungskonzepts insbesondere in der
Neuordnungszone und in der Gestaltungszone in erheblichem Umfang die
Beseitigung baulicher Anlagen mit der Folge des Umzugs von Bewohnern und
Betrieben vor. Das Verkehrskonzept beinhaltet in großem Umfang Maßnahmen
zur Erschließung von Grundstücken. Die überschlägige Kosten- und
Finanzierungsübersicht - Stand 1984 -, die der Stadtverordnetenversammlung als
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Finanzierungsübersicht - Stand 1984 -, die der Stadtverordnetenversammlung als
Anlage vor der Sitzung am 31.01.1985 zur Kenntnisnahme vorlag, sieht
dementsprechend Ordnungsmaßnahmen mit einem Volumen von mehr als 18
Millionen DM vor und legt Ausgleichsbeträge der Eigentümer in Höhe von mehr als
5 Millionen DM zugrunde. Die Beurteilung der Antragsgegnerin, daß das
herkömmliche Sanierungsverfahren einschließlich der Genehmigungspflicht (§ 15
StBauFG) und der sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetragsregelung (§ 23
StBauFG) erforderlich sei, war daher auf der Grundlage ihres Sanierungskonzepts
konsequent und rechtlich nicht zu beanstanden. Legt man die Sanierungsziele der
Antragsgegnerin und die dem gebilligten Rahmenplan zugrundeliegenden
vertretbaren diagnostischen und prognostischen Annahmen der Antragsgegnerin
zugrunde, so war das vereinfachte Sanierungsverfahren nicht zulässig, weil es die
Durchführung der Sanierung voraussichtlich erschwert hätte. Die Verkennung der
gesetzlichen Möglichkeit eines vereinfachten Sanierungsverfahrens hat bei dieser
Sachlage keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen
Entscheidung für das herkömmliche Sanierungsverfahren.
Dazu steht es nicht im Widerspruch, daß die Stadtverordnetenversammlung der
Antragsgegnerin am 13.09.1990 beschlossen hat, das Sanierungsverfahren in das
vereinfachte Verfahren zu überführen. Die Frage, ob diese Entscheidung
rechtmäßig ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Aus dem
späteren Sinneswandel der Antragsgegnerin kann aber jedenfalls nicht
geschlossen werden, daß die Antragsgegnerin sich auch bei Kenntnis des
vereinfachten Verfahrens am 31.01.1985 für dieses hätte entscheiden können
oder müssen. Die Antragsgegnerin kann im Verlaufe des Sanierungsverfahrens
legitimerweise sowohl ihre Sanierungsziele ändern als auch zu einer geänderten
Beurteilung der städtebauliche Mißstände oder der Erforderlichkeit von
Sanierungsmaßnahmen gelangen, nicht zuletzt auch aufgrund der im
Sanierungsverfahren gemachten Erfahrungen. Das Sanierungsverfahren ist ein
sich entwickelnder Vorgang. Die Gemeinde muß auch bei der Durchführung des
Sanierungsverfahrens stets im Auge behalten, ob die Sanierungsziele im Hinblick
auf tatsächliche Entwicklungen aufrechterhalten oder modifiziert werden sollen und
ob geplante Sanierungsmaßnahmen noch erforderlich sind oder nicht (vgl. dazu
Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Vorbemerkung 46 vor §§ 132 bis 171). Dabei
kann sich auch ein allgemeiner Wandel der Auffassungen und Wertungen
niederschlagen, etwa eine allgemein skeptischere Beurteilung von
Flächensanierungen, die auf den gemachten Erfahrungen beruht. Ein solcher
Wandel der Auffassungen ist auch auf gesetzlicher Ebene zum Ausdruck
gekommen, indem das Baugesetzbuch die Formulierung des § 1 Abs. 2 StBauFG
"insbesondere durch Beseitigung baulicher Anlagen und Neubebauung oder durch
Modernisierung von Gebäuden" nicht übernommen hat, um den Eindruck zu
vermeiden, die Sanierung habe im wesentlichen durch den Abbruch baulicher
Anlagen zu erfolgen (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Vorbemerkung 32 vor
§§ 136 bis 171).
Während die Antragsgegnerin ihre Sanierungsziele also für die Fortführung des
Sanierungsverfahrens ändern kann und in den Grenzen der Vertretbarkeit auch
von revidierten diagnostischen und prognostischen Annahmen für die Beurteilung
künftiger Sanierungsmaßnahmen ausgehen kann, muß der Senat bei der
Überprüfung der Sanierungssatzungen vom 31.01.1985 und 25.09.1986 von den
damaligen Sanierungszielen, der damals zugrundegelegten Bestandsaufnahme
und den damaligen prognostischen Annahmen der Antragsgegnerin ausgehen,
solange die Sanierungsziele nicht zu beanstanden und die zugrundeliegenden
Annahmen plausibel und in einem methodisch angemessenen Verfahren
gewonnen worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Auf dieser
Grundlage war die am 31.01.1985 und in gleicher Weise am 25.09.1986 getroffene
Entscheidung für das herkömmliche Sanierungsverfahren rechtmäßig.
Die Antragsgegnerin hat das Sanierungsgebiet auch ohne Rechtsfehler
abgegrenzt. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StBauFG ist das Sanierungsgebiet so zu
begrenzen, daß sich die Sanierung zweckmäßig durchführen läßt. Dabei können
einzelne Grundstücke, die von der Sanierung nicht betroffen werden, aus dem
Gebiet ganz oder teilweise ausgenommen werden (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StBauFG).
Die Abgrenzung des Sanierungsgebiets liegt danach im Ermessen der Gemeinde
(vgl. Bielenberg, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 142 Rdnr. 4). Es ist nicht
ersichtlich, daß die Antragsgegnerin, gemessen an ihren Sanierungszielen und
einer vertretbaren Prognose über die künftig erforderlichen
Sanierungsmaßnahmen, das Sanierungsgebiet nicht zweckentsprechend oder
sonst ermessensfehlerhaft abgegrenzt hätte. Das gilt auch hinsichtlich der
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sonst ermessensfehlerhaft abgegrenzt hätte. Das gilt auch hinsichtlich der
Grundstücke der Antragsteller.
Das Grundstück des Antragstellers zu 1 liegt in dem Bereich, den die
Antragsgegnerin in ihrem Sanierungskonzept als Neuordnungszone vorgesehen
hat, in der die vielfach vorhandenen Lagerflächen - so auch im Fall des
Grundstücks des Antragstellers zu 1 - beseitigt und stattdessen im Hinblick auf die
Nähe zur Seewiese Wohnungen mit gutem Wohnwert geschaffen werden sollen.
Eine Herausnahme des Grundstücks des Antragstellers zu 1 aus dem
Sanierungsgebiet wäre daher mit dem Sanierungskonzept der Antragsgegnerin
nicht vereinbar gewesen.
Das Grundstück des Antragstellers zu 2 liegt im Bereich E gasse/U gasse, der
nach dem Sanierungskonzept der Antragsgegnerin als Erhaltungszone
vorgesehen ist. Gerade die Grundstücke an der E gasse, die sich - wie das
Grundstück des Antragstellers zu 2 - rückwärtig an die an der K straße stehenden
Häuser anschließen und teilweise den an der K straße liegenden Geschäften als
Geschäftsfläche oder Lagerraum dienen, weisen nach den vorbereitenden
Untersuchungen der Antragsgegnerin im Hinblick auf die enge Bauweise, geringe
Freiflächen und mangelhafte Belichtung und Belüftung erhebliche Mißstände auf.
Es wäre offensichtlich unzweckmäßig, einzelne Grundstücke in diesem Bereich aus
dem Sanierungsgebiet herauszunehmen. Zudem sind auch nach dem Vortrag der
Antragsteller und nach der das Grundstück des Antragstellers zu 2 betreffenden
Akte über die örtliche Bestandsaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die
eine Herausnahme dieses Grundstücks aus dem Sanierungsgebiet rechtfertigen
könnten. Schließlich konnte die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Erlasses der
Sanierungssatzung noch nicht für jedes einzelne Grundstück abschließend
beurteilen, welche Sanierungsmaßnahmen im Hinblick auf Erschließung, Schaffung
ausreichender Freiflächen und sonstige Ordnungsmaßnahmen in diesem Bereich
erforderlich werden würden. Gerade in Bereichen, in denen Ordnungsmaßnahmen
als erforderlich angesehen werden, wäre es unzweckmäßig, einzelne Grundstücke
aus dem Sanierungsgebiet herauszunehmen, es sei denn, es wäre
ausnahmsweise hinreichend sicher, daß die Ordnungsmaßnahmen dieses
Grundstück nicht berühren werden. Das ist aber beim Grundstück des
Antragstellers zu 2 nicht der Fall.
Danach erweist sich die Sanierungssatzung der Antragsgegnerin vom 25.09.1986
insgesamt als rechtmäßig und wirksam.
Soweit sich der Normenkontrollantrag der Antragsteller auch gegen die
Sanierungssatzung vom 31.01.1985 richtet, ist er unzulässig. Die
Sanierungssatzung vom 31.01.1985 ist durch die Sanierungssatzung vom
25.09.1986 ersetzt worden und ist daher kein gültiges Satzungsrecht. Wenn eine
Norm während der Anhängigkeit eines zulässigen Normenkontrollantrags außer
Kraft tritt oder aufgehoben wird, wird der Normenkontrollantrag zwar nicht ohne
weiteres unzulässig, solange die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO fortbesteht, daß der Antragsteller durch die Rechtsvorschrift oder
deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat
(vgl. BVerwG, Beschluß vom 02.09.1983 - 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12 ff.; OVG
Bremen, Urteil vom 02.02.1988 - 1 N 1/87 -, NVwZ-RR 1989, 157 (158); OVG
Saarland, Beschluß vom 08.03.1985 - 2 N 3/84 -, AS Rheinland-Pfalz 19, 290
(insofern nur Leitsatz)). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Sanierungssatzung
vom 25.09.1986 ist infolge ihres rückwirkenden Inkrafttretens zum 18.03.1985
auch Rechtsgrundlage für eventuelle Einzelmaßnahmen geworden, die
ursprünglich auf der Grundlage der Sanierungssatzung vom 31.01.1985 ergangen
sein könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.1986 - 4 C 31.85 -, BRS 46 Nr. 13; vgl.
auch VGH Mannheim, Urteil vom 11.02.1988 - 2 S 657/86 -, NVwZ-RR 1989, 445
(446); Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, Berliner Kommentar zum BauGB, § 215
Rdnr. 19). Es bleibt insoweit lediglich eine zeitliche Differenz von 2 Tagen. Daß
aufgrund der Geltung oder des Rechtsscheins der Geltung der Sanierungssatzung
vom 31.01.1985 während dieses kurzen Zeitraums Nachteile für die Antragsteller
entstanden oder noch zu erwarten wären, ist nicht vorgetragen und auch nicht
ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.