Urteil des HessVGH vom 06.04.1998

VGH Kassel: zivilprozessrecht, quelle, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, rechtsmittelbelehrung, hochschule, subjektiv, dokumentation, aufwand

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 TZ 1241/98
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 146 Abs 5 S 3 VwGO
(Zulassung der Beschwerde: zur Darlegung/Benennung des
Zulassungsgrundes)
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Antragsteller
haben keine Gründe dargelegt, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist (§ 146
Abs. 5 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Die Zulassung der Beschwerde kommt gemäß § 146 Abs. 4 VwGO in
entsprechender Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO nur aus den dort und in der
Rechtsmittelbelehrung zu dem Beschluß des Verwaltungsgerichts aufgeführten
fünf Zulassungsgründen in Betracht. Die Darlegung der Zulassungsgründe setzt
die Angabe voraus, aufgrund welches Zulassungsgrundes und welcher diesem
Zulassungsgrund zuzuordnenden tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte
ein Grund für die Zulassung gegeben sein soll (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 4.
April 1997 - 12 TZ 1079/97 - NVwZ 1998, 195 m.w.N.). Dabei können auch
mehrere Gründe geltend gemacht werden.
Soweit die Antragsteller vortragen, das Verwaltungsgericht sei von dem Beschluß
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 1988 - 6 TG 3547/87 -
NVwZ 1988, 1156, abgewichen, haben sie sich auf diese Behauptung beschränkt
und keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden
Rechtssatz bezeichnet, mit dem das Verwaltungsgericht einem Rechtssatz in der
Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs widersprochen haben soll
(zu diesem Erfordernis einer Divergenzrüge vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August
1997 - 7 B 261/97 - NJW 1997, 3328 m.w.N.). Im übrigen hat das
Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, daß seine Entscheidung eine
andere Fallgestaltung betrifft.
Weitere der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Zulassungsgründe haben die
Antragsteller nicht bezeichnet, sondern die verwaltungsgerichtliche Entscheidung
in der Art einer Rechtsmittelbegründung angegriffen. Damit werden sie den
dargelegten Anforderungen nicht gerecht, denn es ist nicht Aufgabe des
Instanzgerichts, das über die Zulassung der Beschwerde zu entscheiden hat, sich
aus dem Vortrag der Antragsteller diejenigen Begründungsteile herauszusuchen,
die zur Begründung eines Zulassungsantrags geeignet sein könnten (ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 24. März 1998 - 8 UZ 1111/98 -
und vom 18. November 1997 - 8 TZ 3918/97 -; BVerwG, Beschluß vom 23.
November 1995 - 9 B 362.95 - NJW 1996, 1554), und sie einem oder mehreren der
gesetzlichen Zulassungsgründe zuzuordnen. Das gehört zu den
Darlegungspflichten des Zulassungsantragstellers.
Der Gesetzgeber kann die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen in
Rechtsmittelverfahren davon abhängig machen, daß der Rechtsmittelführer
gewisse Voraussetzungen erfüllt, (hier hinsichtlich der Rechtsmittelzulassung von
einem begründeten fristgerechten Antrag). Für den Zulassungsantrag gilt der
Vertretungszwang durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen
Hochschule als Bevollmächtigten (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deswegen sind die
Darlegungsanforderungen auch nicht unverhältnismäßig. Sinn der Begründung ist
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Darlegungsanforderungen auch nicht unverhältnismäßig. Sinn der Begründung ist
es, den Prüfungsrahmen des Instanzgerichts zu beschränken (vgl. die Begründung
zum Entwurf des 6. VwGOÄndG, BT-Drucksache 13/3993, Seite 13 zu Nr. 124a).
Das ergibt sich auch daraus, daß die Darlegung - anders als früher in § 131 Abs. 5
Satz 4 VwGO ("... soll die zur Begründung dienenden ... angeben") - zwingend
vorgeschrieben ist. Das Gesetz sieht nicht vor, daß von Amts wegen überprüft
wird, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung bzw. Beschwerde
vorliegen. Infolge dessen kann ein Zulassungsantrag keinen Erfolg haben, wenn
kein gesetzlicher Zulassungsgrund bezeichnet ist.
Der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, ein Zulassungsgrund sei
schon dann hinreichend bezeichnet, wenn er zwar nicht ausdrücklich genannt, aber
das Vorbringen ihm eindeutig zuzuordnen sei (so Hess. VGH, Beschluß vom 8.
August 1997 - 4 TZ 2338/97 - für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an
der Richtigkeit der Entscheidung), vermag der Senat nicht zu folgen. Das Gesetz
erlegt die Darlegung der Gründe ausdrücklich dem Zulassungsantragsteller auf,
wobei im Unterschied zur Begründung der Beschwerde selbst erforderlich ist, "die
Gründe darzulegen, aus denen die Beschwerde zuzulassen ist" (§ 146 Abs. 5 Satz
3 VwGO). Deswegen obliegt es dem Antragsteller, die Voraussetzungen für die
Zulassung darzulegen, d.h. die gesetzlichen Zulassungsregelungen zu benennen,
auf die er seinen Zulassungsantrag stützt, und sodann die Tatsachen und
rechtlichen Erwägungen, die die Zulassungsregelungen ausfüllen sollen,
vorzutragen und den Zulassungsnormen zuzuordnen. Die Prüfung, ob die
Voraussetzungen, von denen die Zulassung abhängt, wirklich erfüllt werden, hat
zwar letztlich das Gericht vorzunehmen. Das ändert aber nichts daran, daß seine
Prüfung sich auf das von dem Antragsteller Dargelegte beschränkt.
Eine gerichtliche Würdigung des Vortrags des Antragstellers darauf, ob Vorbringen
eindeutig einem gesetzlichen Zulassungsgrund zuzuordnen sei, führte zu der
gesetzlich gerade nicht vorgesehenen Zulassungsprüfung von Amts wegen. So
wird ein Antragsteller regelmäßig nur dann einen Antrag auf Zulassung der
Beschwerde stellen, wenn er die angegriffene Entscheidung für falsch hält, denn für
die abschließende Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
sind Beschwerdeverfahren nach den §§ 80, 80a, 123 VwGO und wegen
Prozeßkostenhilfe nicht geeignet. Es kann deswegen als selbstverständlich
unterstellt werden, daß der Antragsteller ernstliche Zweifel an der angegriffenen
Entscheidung hat, sein Vorbringen also jedenfalls dem Zulassungsgrund des § 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzuordnen wäre. Folglich hätte das Gericht sein Vorbringen
jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Weiter hätte es zu untersuchen,
ob und wie weit dem Vortrag zu entnehmen ist, daß weitere Zulassungsgründe
"eindeutig" geltend gemacht werden bzw. sich aus dem Vorbringen ergibt, daß sie
vorliegen. Dies entspricht dem Darlegungserfordernis weder nach dem Wortlaut
des Gesetzes noch nach seinem Zweck, den Aufwand für die Bearbeitung des
Zulassungsantrags zu reduzieren (vgl. die Begründung zum Entwurf des 6.
VwGOÄndG zu § 124a und § 146 a.a.O.). Ob eine "eindeutige" Zuordnung möglich
ist, ist außerdem eine Frage, deren Beantwortung von einer subjektiv wertenden
Auslegung mitgeprägt wird. Die Eindeutigkeit der Zuordnung von Vorbringen zu
einem gesetzlichen Zulassungsgrund erscheint deswegen als Kriterium für die
Zulassung bedenklich.
Keine Frage der Zuordnung zu einem gesetzlichen Zulassungsgrund ist es, wenn
der Zulassungsgrund weder nach dem genauen Wortlaut noch der
Gesetzesvorschrift, sondern auf andere Weise hinreichend klar benannt ist und
damit den Anforderungen an die Bezeichnung des Zulassungsgrundes genügt. Es
ist jedoch nicht Aufgabe des Gerichts, die fehlende Benennung des
Zulassungsgrundes dadurch zu ersetzen, daß es ermittelt, welchen
Zulassungsgründen sich der Parteivortrag zuordnen läßt. Bei dem Vortrag der
Antragsteller fehlt, sieht man von dem oben abgehandelten Zulassungsgrund der
Abweichung ab, jegliche Angabe.
Die Antragsteller haben die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte zu
tragen, weil ihr Antrag keinen Erfolg hat (§§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100
Zivilprozeßordnung).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 3 und Abs. 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 und
§ 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.