Urteil des HessVGH vom 17.12.1992

VGH Kassel: bedürftigkeit, eltern, prüfungsgebühr, psychologie, verfügung, deckung, diplom, ausbildung, ermessensausübung, vorprüfung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 3291/90
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 56 UniG HE 1978, § 5
HSchulGebO HE 1984, Art
3 Abs 1 GG
(Erlaß von Prüfungsgebühren bei nachgewiesener
Bedürftigkeit des Studenten)
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, daß die Beklagte ihr die Prüfungsgebühren für
die Ablegung der Diplom-Vorprüfung im Studiengang Psychologie nicht erlassen
hat.
Als bei der Beklagten eingeschriebene Studentin in diesem Studiengang hatte sich
die Klägerin zu dem nach dem Sommersemester 1988 stattfindenden
Prüfungstermin gemeldet und am 26. Juli 1988 unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 der
Diplomprüfungsordnung des Fachbereichs Psychologie der Beklagten für den
Studiengang Psychologie mit dem Abschluß Diplompsychologe vom 6. Februar
1985 i.d.F. vom 3. November 1986 (im folgenden: DPO) den Erlaß der
Prüfungsgebühr in Höhe von 120,-- DM wegen Bedürftigkeit beantragt. Der Antrag
wurde zunächst mit Schreiben vom 5. September 1988 wegen Nichtvorlage
angeforderter Unterlagen, die den Nachweis der Bedürftigkeit ermöglichen sollten,
abgelehnt. Die Klägerin bat daraufhin mit Schreiben vom 7. September 1988 um
erneute Antragsprüfung; zu ihren Einkommensverhältnissen gab sie dabei unter
Vorlage von Belegen an, daß sie über monatliche Einkünfte in Höhe von insgesamt
705,70 DM, nämlich eine Halbwaisenrente der Bundesversorgungsanstalt in Höhe
von 234,31 DM, eine Halbwaisenrente der Versorgungskasse des Bundes und der
Länder in Höhe von 71,39 DM sowie eine monatliche Unterhaltsleistung ihres
Vaters in Höhe von 400,-- DM, verfüge. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1988 teilte
die damalige Vorsitzende des Prüfungsausschusses, Frau Professor H-S, der
Klägerin mit, der Prüfungsausschuß sei nach erneuter Befassung mit dem
Erlaßantrag in seiner Sitzung am 19. Oktober 1988 zu dem Ergebnis gekommen,
daß Bedürftigkeit nicht vorliege; der "Einspruch" gegen die Ablehnung des
Erlaßantrages werde daher zurückgewiesen. Die Klägerin legte dagegen mit
Schreiben vom 29. Oktober 1988 "Widerspruch" ein mit der Begründung, die
Ablehnung sei unverständlich, weil anderen Prüflingen, deren monatliches
Einkommen weit höher sei als das ihrige, die Gebühr erlassen worden sei. Die
Vorsitzende des Prüfungsausschusses bestätigte mit Schreiben vom 14.
November 1988 den Eingang des Widerspruchs und führte zu den zugrunde
gelegten Entscheidungskriterien aus, daß bei Empfängern von Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Bedürftigkeit im Sinne der
Erlaßvorschrift ohne weitere Bedürftigkeitsprüfung unterstellt werde; bei
Studierenden die derartige Leistungen nicht bezögen, müsse dagegen die geltend
gemachte Bedürftigkeit anhand vorzulegender Nachweise über die Einkommens-
und Vermögensverhältnisse der Eltern besonders überprüft werden. In einem
weiteren Schreiben vom 24. November 1989 bat der neue Vorsitzende des
Prüfungsausschusses, Herr Professor Dr. S, die Klägerin im Hinblick auf die zu
treffende Widerspruchsentscheidung um Übersendung entsprechender Belege.
Hierzu erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 1989, daß sie von
der Übersendung weiterer Belege absehe, da sie ihre Einkommensverhältnisse
bereits durch ihr Schreiben vom 7. September 1988 ausreichend dargelegt und
nachgewiesen habe. Mit Bescheid vom 2. Februar 1989 teilte der Vorsitzende des
Prüfungsausschusses nunmehr der Klägerin mit, er sehe nach nochmaliger
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Prüfungsausschusses nunmehr der Klägerin mit, er sehe nach nochmaliger
Überprüfung des Schriftwechsels und der eingereichten Unterlagen keinen Anlaß,
die getroffene Entscheidung über den Erlaßantrag abzuändern, denn es fehle nach
wie vor an dem erforderlichen Nachweis der Bedürftigkeit. In der diesem Bescheid
beigefügten Rechtsmittelbelehrung wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß
nunmehr die Möglichkeit der Klage beim Verwaltungsgericht Wiesbaden --
Kammern Gießen -- bestehe.
Am 16. Februar 1989 erhob die Klägerin gegen die Versagung des begehrten
Gebührenerlasses Klage. In ihrer Klagebegründung rügte sie, daß es bereits an
einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen
Prüfungsgebühr fehle. Darüber hinaus machte sie geltend: Der monatliche
Förderungshöchstsatz nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
habe im Jahr 1988 845,-- DM betragen. Da die Beklagte im Falle einer
Höchstsatzförderung stets Gebührenbefreiung wegen Bedürftigkeit gewähre, habe
sie, die Klägerin, bei einem nachgewiesenen monatlichen Einkommen von 705,70
DM aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls Anspruch auf Gebührenerlaß.
Dieser Anspruch bestehe auch dann, wenn man den höheren Unterhaltsbetrag
von 800,-- DM zugrunde lege, auf den sich nach der "Düsseldorfer Tabelle" der
Unterhaltsanspruch eines Studierenden gegen seine Eltern belaufe. Bei der
streitigen Prüfungsgebühr handele es sich nicht um Sonderbedarf, dessen
Deckung der Studierende von seinen Eltern zusätzlich zum monatlichen
Regelunterhalt verlangen könne.
Die Klägerin beantragte,
die Bescheide des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses für den
Diplomstudiengang Psychologie vom 5. September 1988 und 24. Oktober 1988
sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 1989 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, ihr -- der Klägerin -- die Gebühr für die durchgeführte
Vordiplomprüfung im Studiengang Psychologie -- Abschluß Diplom-Psychologe -- in
Höhe von 120,-- DM zu erlassen.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie vertrat die Auffassung, daß die Unterhaltspflicht der Eltern auch die Deckung
des durch Prüfungsgebühren ausgelösten zusätzlichen Bedarfs des Studierenden
umfasse. Folglich gehöre zum Nachweis der Bedürftigkeit der Klägerin die Vorlage
von Einkommensunterlagen ihres Vaters, anhand derer beurteilt werden könne, ob
dieser zu einer einmaligen weitergehenden Unterhaltszahlung in der Lage sei. Da
die Klägerin dieser Nachweispflicht nicht nachgekommen sei, habe der Erlaßantrag
abgelehnt werden müssen.
Das Verwaltungsgericht Gießen hob mit Urteil vom 12. September 1990 die
angefochtenen Bescheide auf. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die
zulässige Klage sei begründet, da die Klägerin Anspruch auf Erlaß der
Prüfungsgebühr nach § 28 Abs. 2 DPO habe. Die Erhebung von Prüfungsgebühren
begegne als solche keinen rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage hierfür sei die
Gebührenordnung des hessischen Kultusministers vom 10. April 1984, GVBl. I S.
125, die wiederum auf der gesetzlichen Ermächtigung des § 56 des Hessischen
Universitätsgesetzes (HUG) beruhe. Die Kammer schließe sich insoweit der
Rechtsprechung des Senats in dessen Urteil vom 17. Januar 1990 -- 5 UE 692/86 --
an. Gemäß § 28 Abs. 2 DPO sei jedoch die Beklagte verpflichtet gewesen, der
Klägerin die Prüfungsgebühr zu erlassen. Wenn die Beklagte bei Empfängern von
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz bis zum
Höchstsatz von monatlich 845,-- DM Bedürftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 2 DPO
anerkenne, so müsse sie dies auch bei Studierenden tun, denen von ihren Eltern
Unterhalt in entsprechender oder sogar geringerer Höhe gewährt werde. Die
Herkunft der Einkünfte sei für die Beurteilung der Bedürftigkeit unerheblich. Soweit
die Beklagte im Falle der Klägerin nicht auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt,
sondern auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs abstelle, könne auch dies die
Versagung des beantragten Billigkeitserlasses nicht rechtfertigen. Der
Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Vater sei nämlich nach den Sätzen
der Düsseldorfer Tabelle auf den Betrag von monatlich 800,-- DM beschränkt.
Hiervon ausgehend habe sich die Vorlage von Nachweisen zur Höhe des
väterlichen Einkommens erübrigt. Anhaltspunkte dafür, daß im Falle der Klägerin
wegen eines besonders hohen Einkommens des Unterhaltsverpflichteten von den
Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nach oben abgewichen werden müsse, lägen nicht
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Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nach oben abgewichen werden müsse, lägen nicht
vor.
Die Beklagte hat gegen das vorgenannte Urteil, das ihr am 11. Oktober 1990
zugestellt worden ist, am 7. November 1990 Berufung eingelegt. Zu deren
Begründung trägt sie vor:
Das Verwaltungsgericht leite aus der Verwaltungspraxis, daß den nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz bis zum Höchstsatz von 845,-- DM
geförderten Studierenden die Gebühr wegen Bedürftigkeit erlassen werde, zu
Unrecht die verallgemeinernde Folgerung ab, jeder Prüfling mit einem monatlichen
Einkommen von höchstens 845,-- DM sei bedürftig. Für die Frage der Bedürftigkeit
komme der Herkunft des Einkommens durchaus Bedeutung zu. Bei Empfängern
von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sei
grundsätzlich von Bedürftigkeit auszugehen. Umgekehrt müsse bei Studierenden,
die voll von ihren Eltern unterhalten würden, grundsätzlich angenommen werden,
daß sie nicht bedürftig seien. Das Verwaltungsgericht bilde den
Bedürftigkeitsbegriff in unzulässiger Weise um, indem es ihn schlechterdings auf
Studierende ohne eigenes Arbeitseinkommen ausdehne; dadurch werde der
"Härtefall", auf den § 28 Abs. 2 DPO die Möglichkeit des Gebührenerlasses
beziehe, zum "Regelfall".
Die von der Regelvermutung abweichende Annahme einer Bedürftigkeit im Sinne
des § 28 Abs. 2 DPO bei Studierenden, deren Ausbildung voll von den Eltern
finanziert werde, setze eine konkrete Überprüfung der Einkommensverhältnisse im
jeweiligen Einzelfall voraus. Es müsse geprüft und festgestellt werden, wie hoch der
Unterhaltsanspruch gegen die Eltern tatsächlich sei und ob er insoweit auch
ausgeschöpft werde. Von daher reiche noch nicht die Erklärung aus, daß von den
Eltern tatsächlich Unterhalt in geringerer oder allenfalls gleicher Höhe gewährt
werde, wie es dem Höchstsatz der Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz entspreche. Die notwendige Überprüfung der
im Einzelfall bestehenden Bedürftigkeit eines von den Eltern unterhaltenen
Studierenden müsse sich auch auf die Fragen erstrecken, ob neben Bargeld
zusätzlich Sachleistungen gewährt würden, ob eine unentgeltliche
Wohnmöglichkeit bestehe und ferner, ob den Unterhaltsverpflichteten die Zahlung
der Prüfungsgebühr als einmalige weitergehende Leistung im Rahmen der
normalen Unterhaltsgewährung möglich sei. Selbst wenn dann Bedürftigkeit
anzunehmen sei, hänge es auf der Rechtsfolgenseite noch von der
Ermessensausübung ab, ob tatsächlich ein Erlaß der Gebühr zu gewähren sei. Im
Rahmen der Ermessensausübung könne zum Nachteil des Prüflings
Berücksichtigung finden, daß er einen möglicherweise bestehenden
Unterhaltsanspruch gegen die Eltern bislang nicht geltend gemacht bzw.
ausgeschöpft habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 12. September 1990
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie trägt in ihrer Erwiderung vor:
Die Differenzierung der Beklagten zwischen generell bedürftigen Empfängern von
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und
Elternunterhaltsbeziehern, die in der Regel nicht bedürftig seien, überzeuge nicht.
Bei der Bedürftigkeitsprüfung, die für die Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß
der Prüfungsgebühr gemäß § 28 Abs. 2 DPO vorzunehmen sei, könne es allein auf
das tatsächliche Einkommen ankommen, über das der Prüfling im Zeitpunkt der
Prüfungsanmeldung verfüge. Auf einen den tatsächlich gewährten Unterhalt
übersteigenden Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern könne er nicht verwiesen
werden. Nach den 1988 geltenden Sätzen der Düsseldorfer Tabelle belaufe sich
der Unterhaltsanspruch eines Studierenden gegen die unterhaltsverpflichteten
Eltern auf maximal 800,-- DM. Ein exorbitant hohes Elterneinkommen, welches es
ausnahmsweise erlaube, über den Höchstsatz nach der Düsseldorfer Tabelle
hinauszugehen, liege im hier zu entscheidenden Fall nicht vor. Angesichts der
Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach Maßgabe der Düsseldorfer Tabelle sei
es unerheblich, ob für den unterhaltsverpflichteten Vater der Klägerin aufgrund
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es unerheblich, ob für den unterhaltsverpflichteten Vater der Klägerin aufgrund
seiner Einkommensverhältnisse die Möglichkeit bestanden habe, den zur
Abdeckung der Prüfungsgebühren erforderlichen Betrag als eine einmalige
Zahlung zusätzlich zur Verfügung zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen;
diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und muß auch in der Sache Erfolg haben,
denn die Beklagte hat den beantragten Gebührenerlaß zu Recht versagt.
Zur grundsätzlichen Berechtigung der Beklagten, für die Teilnahme an einer
Diplom-Vorprüfung Gebühren zu erheben, kann auf die insoweit zutreffenden
Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil (Seite 9 -- 11
des Urteilsabdrucks) verwiesen werden. Das Verwaltungsgericht hat hier im
einzelnen in Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 17. Januar 1990 -- 5 UE
692/88 -- dargelegt, daß § 56 des Hessischen Universitätsgesetzes vom 6. Juni
1978, GVBl. I S. 348 (HUG), mit der Ermächtigung an den Kultusminister, die zur
Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und
Verwaltungsvorschriften, insbesondere die Gebührenordnungen zu erlassen, eine
ausreichende gesetzliche Grundlage für den Erlaß der Gebührenordnung für die
Studierenden an den Hochschulen des Landes Hessen vom 10. April 1984, GVBl. I
S. 125, darstellt, daß der Kultusminister durch § 5 der letztgenannten
Gebührenordnung die Befugnis zur Festsetzung der Prüfungs- und
Promotionsgebühren zulässigerweise auf die für den Erlaß der Prüfungs- und
Promotionsordnungen zuständigen Stellen weiter übertragen hat, und daß
schließlich gegen die Höhe der in § 28 Abs. 1 DPO vorgesehenen Prüfungsgebühr
keine rechtlichen Bedenken bestehen.
Nach § 28 Abs. 2 DPO kann "der Vorsitzende des Prüfungsausschusses... auf
Antrag bedürftigen Studenten die Gebühr erlassen oder herabsetzen". Das
Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß der Klägerin nach dieser
Vorschrift ein Anspruch auf Gebührenerlaß zustand.
§ 28 Abs. 2 DPO ist so zu verstehen, daß dann, wenn "Bedürftigkeit" -- ein voll
überprüfbarer Rechtsbegriff -- vorliegt, ein Rechtsanspruch auf Gebührenerlaß oder
Herabsetzung besteht. Für ein nach Bejahung der Bedürftigkeit noch
verbleibendes Ermessen hinsichtlich des "Ob überhaupt" ist kein Raum. In Betracht
kommt allenfalls ein "Auswahlermessen" bei der Entscheidung darüber, ob die
Gebühr vollständig erlassen oder lediglich herabgesetzt und wie weitgehend sie
letzterenfalls herabgesetzt werden soll.
Die Bedürftigkeit, von der der Erlaß oder die Herabsetzung der Prüfungsgebühr
nach § 28 Abs. 2 DPO abhängt, muß von dem Studierenden, der einen
entsprechenden Antrag stellt, dargelegt und belegt werden. An dieser
Voraussetzung fehlt es hier. Die Klägerin hat nicht dargetan und nachgewiesen,
daß sie bedürftig ist; ihr ist daher zu Recht der beantragte Gebührenerlaß versagt
worden.
Als "bedürftig" im Sinne des § 28 Abs. 2 DPO sind Studenten anzusehen, denen
zur Deckung des "Bedarfs" für Lebensunterhalt und Ausbildung nicht anderweitig
Mittel zur Verfügung stehen. Anderweitige Mittel sind Unterhaltsleistungen der
Eltern, aber auch staatliche Förderungsleistungen wie vor allem Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Der Erhalt solcher Leistungen
als anderweitige Mittel der Bedarfsdeckung schließt "Bedürftigkeit" freilich nicht
generell, sondern nur in dem Umfang aus, in dem die Leistungen tatsächlich zur
Bedarfsdeckung bestimmt sind und eine solche ermöglichen. Von daher kommt es
für die Annahme einer Bedürftigkeit immer auf den konkreten Bedarf an, der zu
befriedigen ist. Es ist denkbar, daß ein Student, der seinen Unterhalt und die
studienbedingten Aufwendungen im allgemeinen durch Unterhaltszahlungen
seiner Eltern oder staatliche Förderungsleistungen abdecken kann, gleichwohl im
Hinblick auf den besonderen Bedarf, der durch die Verpflichtung zur Zahlung einer
Prüfungsgebühr ausgelöst wird, bedürftig ist, weil die vorgenannten Mittel diesen
besonderen Bedarf nicht -- auch noch -- abzudecken vermögen.
Von der letztgenannten Konstellation geht die Beklagte bei den Empfängern von
Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz aus, wenn
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Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz aus, wenn
sie bei diesen ohne weitere Einzelfallüberprüfung Bedürftigkeit im Sinne des § 28
Abs. 2 DPO annimmt. Die Beklagte unterstellt dabei, daß die Förderungsleistungen
nach Maßgabe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zwar den regelmäßig
anfallenden Bedarf abdecken, nicht jedoch auch eine gelegentliche
Sonderbelastung wie die hier streitige Prüfungsgebühr. Dies ist eine für die
Bezieher von Ausbildungsförderung günstige Auslegung, die deshalb vertretbar
erscheint, weil die Mittel der Ausbildungsförderung in der Tat knapp bemessen sind
und kaum noch finanziellen Spielraum für die Deckung eines den normalen Bedarf
übersteigenden -- wenn auch nur gelegentlich anfallenden -- Zusatzbedarfs
belassen. Man wird den Förderungsempfängern angesichts ihrer beengten
finanziellen Verhältnisse wohl nicht zumuten können, im Hinblick auf künftig
anfallende Prüfungsgebühren rechtzeitig monatliche Rücklagen zu bilden, um
diese Ausgabe dann bestreiten zu können.
Das Verwaltungsgericht leitet aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ab, daß die
grundsätzliche Anerkennung der "Bedürftigkeit" im Sinne des § 28 Abs. 2 DPO bei
Beziehern von Ausbildungsförderung bis zum Höchstsatz von monatlich 845,-- DM
dazu führen muß, daß sämtlichen Studierenden mit einem monatlichen
Einkommen von nicht mehr als 845,-- DM die Prüfungsgebühr zu erlassen ist, ohne
Rücksicht darauf, ob und inwieweit dieses Einkommen auf der Gewährung von
staatlicher Förderung oder dem Erhalt von Unterhaltszahlungen der Eltern beruht.
Der Senat ist mit der Beklagten der Meinung, daß diese ausschließlich an die Höhe
der tatsächlich zur Verfügung gestellten Geldmittel anknüpfende Gleichsetzung
unzulässig ist. Bei den Empfängern von Ausbildungsförderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz steht aufgrund der im Bewilligungsverfahren
durchgeführten Überprüfung der Einkommensverhältnisse der Eltern bereits fest,
daß ihnen zur Deckung eines Sonderbedarfs, wie ihn nach dem gedanklichen
Ausgangspunkt der Beklagten die vorliegend streitige Prüfungsgebühr darstellt,
anderweitige Mittel nicht zur Verfügung stehen. Dies rechtfertigt in diesen Fällen
den Erlaß der Prüfungsgebühr ohne weitere Bedürftigkeitsüberprüfung. Bei den
Studierenden, die auf Grund eines genügend hohen Elterneinkommens auf
staatliche Förderungsleistungen nicht angewiesen sind, ist das anders. Reicht die
Leistungskraft der Eltern aus, um nicht nur den Regelbedarf, sondern auch einen
weitergehenden -- nur gelegentlich anfallenden -- Sonderbedarf finanzieren zu
können, so ist dieser Bedarf von dem Unterhaltsanspruch des Auszubildenden
mitumfaßt; der Auszubildende verfügt insoweit über "anderweitige Mittel", die seine
Bedürftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 2 DPO ausschließen.
Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Beziehern von Ausbildungsförderung nach
dem BAföG ergibt sich für die Studierenden, die ihre Ausbildung mit
Unterhaltszahlungen der Eltern finanzieren, nicht etwa daraus, daß die sogenannte
Düsseldorfer Tabelle Unterhaltssätze vorsieht, die sogar noch etwas geringer sind,
als es den Höchstsätzen der Ausbildungsförderung entspricht. Bei den fraglichen
Tabellensätzen handelt es sich um von der Rechtsprechung entwickelte Richtwerte
für den Regelbedarf; sie schließen nicht aus, daß im Einzelfall auch einmal ein
höherer Bedarf vorliegen und der Unterhaltsanspruch entsprechend höher zu
beziffern sein kann. Es wäre verfehlt, aus den Tabellensätzen feste Obergrenzen
herleiten zu wollen, die den Unterhaltsanspruch gleichsam normativ begrenzen.
Insoweit besteht keine Vergleichbarkeit mit den im BAföG mit normativer Wirkung
geregelten Höchstsätzen der Ausbildungsförderung.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Vorsitzende des Prüfungsausschusses
für den Fachbereich Diplom-Psychologie der Beklagten berechtigt war, den von der
Klägerin beantragten Erlaß der Prüfungsgebühr nach § 28 Abs. 2 DPO von dem
durch Darlegung der elterlichen Einkommensverhältnisse zu erbringenden
Nachweis abhängig zu machen, daß die finanzielle Leistungskraft der Eltern nicht
ausreiche, um -- neben dem regelmäßigen Bedarf -- auch noch die
Prüfungsgebühr als Sonderbedarf durch eine zusätzliche einmalige Zahlung zu
finanzieren. Die Klägerin hat diesen Nachweis nicht erbracht, obwohl sie im
Antrags- und Widerspruchsverfahren auf die Notwendigkeit hierzu hingewiesen
worden ist. Sie hat sich vielmehr bewußt darauf beschränkt, lediglich die Höhe der
ihr tatsächlich zur Verfügung gestellten Geldmittel anzugeben und zu belegen.
Das aber reichte aus den genannten Gründen nicht aus.
Auf die Berufung der Beklagten ist daher das erstinstanzliche Urteil dahin
abzuändern, daß die Klage abgewiesen wird.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.