Urteil des HessVGH vom 11.09.1992
VGH Kassel: asylbewerber, drucksache, anmerkung, beschränkung, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, bekanntmachung, initiative, gesetzesmaterialien
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 TH 1793/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 10 Abs 3 S 8 AsylVfG, §
80 Abs 5 VwGO, § 80 Abs 7
VwGO, § 10 Abs 3 S 8aF
AsylVfG
(Gesetzlicher Beschwerdeausschluß gem AsylVfG § 10 Abs
3 S 8 aF im Abänderungsverfahren nach VwGO § 80 Abs 7)
Gründe
Die Beschwerde, mit der sich der Antragsteller gegen die Ablehnung seines
Antrages auf Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 7. September
1990 - VII/1 H 20698/90 - wendet, mit dem sein Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die gem. § 10 Abs. 2 AsylVfG in der
bis zum 30. Juni 1992 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1991
(BGBl. I S. 869) erlassene Abschiebungsandrohung der Ausländerbehörde des K -
Kreises zurückgewiesen wurde, ist unzulässig und deshalb in entsprechender
Anwendung von § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen.
Da der angefochtene Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 27. Juni 1991, vor
Inkrafttreten der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes am 1. Juli 1992 (Art. 7
Satz 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992, BGBl.
I S. 1126) zugestellt wurde, richtet sich die Zulässigkeit der vorliegenden
Beschwerde nach dem bisher geltenden Asylverfahrensrecht (§ 87 Abs. 2 Nr. 3
AsylVfG). Dieses sieht in § 10 Abs. 3 Satz 8 vor, daß die Beschwerde gegen die
Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung ausgeschlossen ist. Entgegen der Ansicht des
Antragstellers werden von dieser Regelung auch Beschwerden erfaßt, die sich
gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen im Abänderungsverfahren gemäß §
80 Abs. 7 VwGO richten.
Es entspricht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung durchgehend
vertretenen Rechtsauffassung, daß § 10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG a. F. eine
umfassende Beschränkung des Rechtsmittelzuges im gerichtlichen Eilverfahren
nach dem Asylverfahrensgesetz enthält, die unter anderem auch die Beschwerde
gegen erstinstanzliche Entscheidungen im Abänderungsverfahren gemäß § 80
Abs. 7 VwGO ausschließt (vgl. beispielsweise OVG Hamburg, Beschluß vom 10.
März 1992 - OVG Bs VI 3/92 -; OVG Münster, Beschluß vom 11. Februar 1991 - 19
B 287/91 -, NVWZ - RR 1991, 587; OVG Koblenz, Beschluß vom 11. Juni 1991 - 13 B
10028/91. OVG -). Dieser Ansicht schließt sich der vorliegend zur Entscheidung
berufende Senat an. Die gegenteilige Auffassung des Antragstellers, die
Beschwerde im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO sei unter Geltung
des früheren Asylverfahrensrechtes deshalb weiterhin statthaft geblieben, weil in §
10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG a. F. nur der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, nicht aber
derjenige nach § 80 Abs. 7 VwGO erwähnt sei, entbehrt der rechtlichen Grundlage.
Schon eine am Wortlaut der Vorschrift orientierte Auslegung belegt, daß der
Beschwerdeausschluß in einem umfassenden Sinne zu verstehen ist und die von
der Beschwerde vorgenommene einschränkende Deutung nicht zuläßt. Nach dem
Gesetzeswortlaut ist nicht etwa die Beschwerde gegen die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung
ausgeschlossen, was in gewisser Weise für den von der Beschwerde
eingenommenen Rechtsstandpunkt sprechen könnte. Ausgeschlossen ist vielmehr
die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag
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die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag
nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung. Über den Antrag nach § 80 Abs.
5 VwGO wird nach anerkannter Rechtsauffassung wegen des insoweit identischen
Streitgegenstandes aber auch im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO
ungeachtet seiner formellen Selbständigkeit entschieden (vgl. BVerwG, Beschluß
vom 27. Januar 1982 - BVerwG 4 ER 401.81 -, BVerwGE 64, 347, 355; OVG
Hamburg, Beschluß vom 20. August 1991 - OVG Bs IV 245/91 -; Kopp, VwGO, 9.
Aufl., Rdnr. 107 a; a. A.: BayVGH, Beschluß vom 26. November 1981 - Nr. 20 AS
81 D 110 -, DVBl. 1982, 211 ff. mit ablehnender Anmerkung Renck).
Auch die im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens für die Notwendigkeit des
Beschwerdeausschlusses gegebene Begründung spricht eindeutig für die von der
Rechtsprechung vorgenommene und auch vom Senat befürwortete weite
Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG a. F.. In der Begründung zu dem
Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drucksache 11/4958), auf dessen Initiative die
Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 8 in die Neufassung des Asylverfahrensgesetzes
aufgenommen wurde, heißt es ausdrücklich:
"Die Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei unbeachtlichen
und offensichtlich unbegründeten (§ 11 Abs. 2 AsylVfG i. V. m. der Neuregelung)
Anträgen sollte ausgeschlossen werden."
Diese Begründung hat sich der Innenausschuß des Deutschen Bundestages in
seinem Bericht (BT-Drucksache 11/6960) zu eigen gemacht ("Entsprechend dem
Vorschlag des Bundesrates - Art. 1 Nr. 4 b des Gesetzentwurfs - soll deshalb die
Beschwerde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei unbeachtlichen und
offensichtlich unbegründeten Asylanträgen entfallen"). Damit ist klargestellt, daß
der Gesetzgeber das gesamte Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei
unbeachtlichen und offensichtlich unbegründeten Asylanträgen auf eine Instanz
beschränken und diese offensichtlich aussichtslosen Asylbegehren einer möglichst
unverzüglichen gerichtlichen Entscheidung zuführen wollte. Soweit der
Antragsteller demgegenüber dem Gesetzgeber unterstellt, dieser habe das
Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 AsylVfG deshalb nicht in den Beschwerdeausschluß
einbeziehen wollen, weil ihm nur daran gelegen gewesen sei, Asylbewerber zu
einer alsbaldigen Ausreise zu veranlassen, der Antrag gemäß § 80 Abs. 7 AsylVfG
a. F. aber einer Abschiebung nicht unmittelbar entgegenstehe, entbehrt diese
Annahme nach dem eindeutigen Inhalt der vorliegenden Gesetzesmaterialien
jeglicher tatsächlicher Grundlage.
Schließlich ist der Ausschluß der Beschwerde bei Entscheidungen des
Verwaltungsgerichtes gemäß § 80 Abs. 7 VwGO auch aus zwingenden praktischen
Gesichtspunkten geboten. Es wäre nämlich schwer verständlich, wenn sich der
Asylbewerber nach rechtskräftiger Ablehnung seines Aussetzungsantrages gemäß
§§ 10 Abs. 3 Satz 3 AsylVfG a. F., 80 Abs. 5 VwGO das ihm gemäß § 10 Abs. 3 Satz
8 AsylVfG a. F. verwehrte Rechtsmittelverfahren allein durch die Stellung eines
Abänderungsantrages gemäß § 80 Abs. 7 VwGO eröffnen könnte. Das damit
zwangsläufig verbundene Leerlaufen des gesetzlichen Beschwerdeausschlusses
kann nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers entsprochen haben (OVG Münster,
Beschluß vom 11. Februar 1991, a. a. O.; OVG Hamburg, Beschluß vom 20. August
1991 - OVG Bs IV 245/91 -).
Angesichts dieses eindeutigen Auslegungsergebnisses geht der Hinweis des
Antragstellers auf den Beschluß des Senates vom 14. Januar 1991 - 13 TP 3042/90
- fehl, wonach mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung die Beschwerde gegen
einen versagenden Prozeßkostenhilfebeschluß des Verwaltungsgerichts im
gerichtlichen Eilverfahren nicht durch den Beschwerdeausschluß des § 10 Abs. 3
Satz 8 AsylVfG a. F. ausgeschlossen ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.