Urteil des HessVGH vom 13.06.1995

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, satzung, rückwirkung, gemeinde, beitragsbemessung, erneuerung, vollziehung, beitragspflicht, ausdehnung, entstehung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TH 1506/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 11 KAG HE
(Anschlußbeitrag für Abwasseranlagen - Verwendung des
modifizierten Grundflächenmaßstabs)
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Verwaltungsgericht den Antrag des
Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die
Heranziehung zu Vorausleistungen auf den künftigen Teilbeitrag für die
Erneuerung des Abwassernetzes im Stadtteil der Antragsgegnerin gemäß § 80
Abs. 5 VwGO anzuordnen, abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde des
Antragstellers ist zulässig und auch begründet. An der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Heranziehung bestehen ernstliche Zweifel, die es nach der im
gerichtlichen Aussetzungsverfahren entsprechend anzuwendenden Vorschrift des
§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebieten, die sofortige Vollziehung des angefochtenen
Heranziehungsbescheides auszusetzen.
Ernstlich zweifelhaft ist, ob die Antragsgegnerin derzeit über gültiges
Satzungsrecht verfügt, welches auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung
des § 11 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (KAG) zur Erhebung
von Abwasserbeiträgen für das Abwassernetz berechtigt. Die Erhebung von
Vorausleistungen setzt schon im Zeitpunkt der Festsetzung der Vorausleistungen
eine gültige Beitragssatzung und damit - insbesondere - einen gültigen
Verteilungsmaßstab voraus; die Erwartung, daß jedenfalls im späteren Zeitpunkt
der Entstehung des endgültigen Beitrags eine gültige Satzungsgrundlage zur
Verfügung stehen werde, reicht nicht aus (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht,
§ 8 Rdnr. 128, unter Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 31.8.1984 - Nr. 23 B 8 A.461 -
BayVBl. 1985, 211).
Die mit Rückwirkung auf den 1. April 1991 erlassene - neueste -
Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 1991 (EWS 1991)
enthält keine gültige Verteilungsregelung für Außenbereichsgrundstücke. Wie sich
aus § 15 EWS 1991 ergibt, unterwirft die Satzung neben Grundstücken, die
aufgrund planerischer Festsetzung oder Innenbereichslage als "Bauland" baulich
oder gewerblich genutzt werden können, auch Außenbereichsgrundstücke dem
Grunde nach der Beitragspflicht, und zwar entweder als t a t s ä c h l i c h a n g e s
c h l o s s e n e Grundstücke oder - im Falle der baulichen oder gewerblichen
Nutzbarkeit aufgrund einer im Einzelfall erteilten Baugenehmigung - als a n s c h l i
e ß b a r e Grundstücke. Hiervon ausgehend gebietet es der Grundsatz der
Verteilungsvorsorge, auch für diese Grundstücke eine gültige - hinreichend
bestimmte und dem Prinzip der Vorteilsgerechtigkeit (§ 11 Abs. 5 Satz 1 KAG)
Rechnung tragende - Bemessungsregelung in der Satzung zu treffen. In der
Entwässerungssatzung vom 17. Dezember 1991 fehlt es daran. Die Satzung stellt
sowohl beim "Netzbeitrag" - hier in Gestalt des Summenmaßstabs aus
Grundstücksfläche und Geschoßfläche - als auch beim "Kläranlagenbeitrag" - hier
in Gestalt des reinen Geschoßflächenmaßstabs - auf die Geschoßfläche als
Bemessungsfaktor ab (§ 10 Absätze 2 und 3 EWS 1991). Zur Bestimmung der
"Geschoßfläche im Außenbereich" heißt es sodann in § 14:
(1) Liegt ein Grundstück im Außenbereich, bestimmt sich die Geschoßfläche nach
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(1) Liegt ein Grundstück im Außenbereich, bestimmt sich die Geschoßfläche nach
den Geschoßflächenzahlen des § 13 Abs. 1. Dabei wird auf die tatsächliche
Nutzung und die vorhandenen Vollgeschosse abgestellt.
(2) Für nicht bebaute oder solche Grundstücke, bei denen die Bebauung im
Verhältnis zu der sonstigen Nutzung untergeordnete Bedeutung hat, gilt 0,5 als
GFZ. Grundstücke, auf denen nur Garagen oder Stellplätze vorhanden sind,
werden mit einer GFZ von 0,3 angesetzt.
(3) Die Vorschriften des § 11 Abs. 2, 5 und 6 finden entsprechende Anwendung.
Die Verweisung auf "die Geschoßflächen nach den Geschoßflächenzahlen des § 13
Abs. 1" bedeutet, daß für die zu veranlagenden Außenbereichsgrundstücke die in §
13 EWS 1991 zur Bestimmung der maßgeblichen Geschoßfläche von
Innenbereichsgrundstücken genannten Geschoßflächenzahlen, die in Anlehnung
an die frühere Fassung des § 17 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) für
bestimmte Baugebietskategorien des Innenbereichs festgelegt sind,
zugrundegelegt werden sollen. Diese Verweisung hält, wie der Senat mit Beschluß
vom 11. April 1995 (5 TH 397/93), bezogen auf die in anderer Paragraphenfolge
wiedergegebene, inhaltlich aber identische Maßstabsregelung der
Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung der Stadt in der Fassung der 3.
Änderungssatzung vom 19. Juni 1991, ausgeführt hat, den rechtlichen
Anforderungen nicht stand. Im einzelnen kann hierzu auf die einschlägigen
Passagen in dem genannten Senatsbeschluß verwiesen werden; sie lauten wie
folgt:
"§ 2a und § 2b AbwBGS knüpfen bei der Bestimmung der Geschoßflächenzahl für
bebaute oder bebaubare Grundstücke im beplanten oder unbeplanten
Innenbereich jeweils an Baugebiete und die darin z u l ä s s i g e bauliche
Ausnutzbarkeit an. Sodann versucht die Satzung, auch die bebauten
Außenbereichsgrundstücke Baugebieten und deren Geschoßflächenzahlen
zuzuordnen. Im Außenbereich richtet sich die Zulässigkeit einer Bebauung aber
gerade nicht nach dem Kriterium eines Baugebietes, sondern eine Bebauung ist
überhaupt nur im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 35 BauGB
genehmigungsfähig. Deswegen kann im Außenbereich nur die tatsächlich
genehmigte oder - bei nicht genehmigten, aber geduldeten Bauwerken - die
tatsächlich realisierte Bebauung Grundlage der Ermittlung der "zulässigen
baulichen Ausnutzbarkeit" sein, an die die Beitragsbemessung anknüpft.
Die Regelung des § 2d Abs. 1 AbwBGS führt deshalb zu einer nicht
vorteilsgerechten Belastung der bebauten Außenbereichsgrundstücke. Wie oben
bereits ausgeführt, knüpft die Bestimmung der Geschoßflächenzahl für
Grundstücke im Innenbereich jeweils an die (höchstzulässige) zulässige bauliche
Ausnutzbarkeit an. Für Außenbereichsgrundstücke soll eine Einordnung unter die
Geschoßflächenzahlen für den unbeplanten Innenbereich nach der tatsächlichen
Nutzung und den vorhandenen Vollgeschossen maßgebend sein. Ordnet man
aber nach der tatsächlichen Nutzung des Außenbereichsgrundstücks dieses einem
bestimmten Baugebiet des unbeplanten Innenbereichs zu - soweit dies überhaupt
möglich ist -, wird für das Außenbereichsgrundstück eine Geschoßflächenzahl nach
einer im Innenbereich höchstzulässigen baulichen Ausnutzbarkeit bestimmt, die
für das betreffende Außenbereichsgrundstück gar nicht zulässig sein muß. Der
Systembruch in der Satzungsregelung führt dazu, daß Außenbereichsgrundstücke
in der Regel nicht nach der vorhandenen Ausnutzung, sondern - zumal
Außenbereichsgrundstücke oft überdurchschnittlich groß sind - nach einer deutlich
höheren Geschoßfläche bewertet und damit im Ergebnis mit einem im Vergleich
zu den Grundstücken des Innenbereichs zu hohen Beitrag belastet werden.
Neben dem dargelegten Verstoß gegen den Grundsatz der vorteilsgerechten
Verteilungsregelung (§ 11 Abs. 5 Satz 1 KAG) sprechen gegen die Regelung des §
2d AbwBGS auch erhebliche praktische Bedenken. Grundsatz muß bei einer
Beitragsregelung sein, daß potentielle Beitragsschuldner aus dem Normwortlaut
ihre Beitragspflicht und - höhe entnehmen können müssen. Aus dem oben
geschilderten Unterschied der Genehmigung von Bebauung im Innenbereich und
im Außenbereich wird bereits deutlich, daß eine Einordnung von Einzelbauwerken
in die Baugebiete des § 2c Abs. 1 AbwBGS teilweise kaum eindeutig vorzunehmen
ist. So ist etwa nicht ablesbar, wo eine im Außenbereich gelegene Gastwirtschaft
eingeordnet werden müßte. Diese wäre in allen in § 2c AbwBGS aufgezählten
Gebieten im Innenbereich gemäß §§ 2 bis 9 BauNVO genehmigungsfähig. Auch bei
der Einordnung von etwa drei oder vier im Außenbereich im näheren räumlichen
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der Einordnung von etwa drei oder vier im Außenbereich im näheren räumlichen
Zusammenhang liegenden Gebäuden ist nicht erkennbar, ob auf das einzelne
Gebäude oder die Mehrheit der "Kleinstsiedlung" abzustellen ist.
Bedenklich erscheint dem Senat auch die in § 2d Abs. 2 AbwBGS festgelegte
Geschoßflächenzahl von 0,5 für nicht bebaute oder solche Grundstücke, bei denen
die Bebauung im Verhältnis zu der sonstigen Nutzung untergeordnete Bedeutung
hat. Zwar ist auch der Senat der Ansicht, daß für nicht bebaute, aber tatsächlich
angeschlossene Außenbereichsgrundstücke eine fiktive Geschoßflächenzahl durch
die Gemeinde satzungsrechtlich festgelegt werden kann, um insoweit eine
Grundlage für eine vorteilsgerechte Beitragsverteilung zu schaffen. Jedoch ist nicht
einsehbar, warum ein nicht oder nur untergeordnet bebautes Grundstück mit einer
Geschoßflächenzahl von 0,5, Grundstücke, die nur mit Garagen bebaut sind,
dagegen nur mit einer Geschoßflächenzahl von 0,3 bewertet werden sollen. Für die
generelle Annahme, daß tatsächlich angeschlossene nicht bebaute
Außenbereichsgrundstücke einen Vorteil genießen, der dem eines
eingeschossigen Wohnhauses im Innenbereich entspricht, gibt es nach Ansicht des
Senats keinen Anknüpfungspunkt. Nicht zu beanstanden dürfte z.B. die
Gleichbehandlung von nicht bebauten Grundstücken mit Garagengrundstücken im
Außenbereich durch Festlegung einer generellen Geschoßflächenzahl von 0,3
sein."
Eine bedenkenfreie - jedenfalls keine ernstliche Zweifel an ihrer Gültigkeit
auslösende - Satzungsgrundlage für die hier streitige Heranziehung zu
Vorausleistungen ergibt sich auch nicht aus der Abwasserbeitrags- und -
gebührensatzung der Antragsgegnerin vom 16. November 1981 (im folgenden:
AbwBGS 1981), die der oben behandelten Entwässerungssatzung vom 17.
Dezember 1991 zeitlich vorangeht und auf die im übrigen die Erhebung der
Vorausleistungen im Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 1. Juli 1991
noch gestützt ist. Die Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung von 1981 bedient
sich nur für die Bemessung des Kläranlagenbeitrags des Geschoßflächenfaktors (§
2 Abs. 3 Nr. 2 AbwBGS 1981). Für den Netzbeitrag sieht sie den durch die Anzahl
der Vollgeschosse ab dem 3. Vollgeschoß modifizierten Grundflächenmaßstab vor
(§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AbwBGS 1981). Entfallen dadurch auch beim Netzbeitrag die mit
dem Geschoßflächenfaktor zusammenhängenden Probleme der Bestimmung der
maßgeblichen Geschoßfläche für Außenbereichsgrundstücke, so löst doch die
Verwendung des modifizierten Grundflächenmaßstabs Bedenken aus, die von
immerhin so beträchtlichem Gewicht sind, daß ernstliche Zweifel an der Gültigkeit
auch dieses Satzungsrechts bestehen.
Der modifizierte Grundflächenmaßstab ist nach der Rechtsprechung des Senats
nur in Gemeinden dörflichen oder kleinstädtischen Charakters mit geringen
Unterschieden in der baulichen Nutzung zulässig (vgl. Senatsurteil vom 28.4.1977
- V OE 25/75 -, KStZ 1979, 131, und vom 21.5.1980 - V OE 55/77 -, GemHH 1982,
64; ferner Beschluß vom 31.8.1984 - 5 TH 650/84 -, HSGZ 1984, 416 = GemHH
86, 42). Mit der vorgenannten Formulierung wird nicht etwa unterstellt, daß in j e d
e r dörflich oder kleinstädtisch strukturierten Gemeinde die Unterschiede in der
baulichen Nutzung gering sind, so daß hier die Verwendung des modifizierten
Grundflächenmaßstabs i m m e r unbedenklich ist. Gemeint ist vielmehr, daß
gerade und vor allem in Gemeinden dörflichen oder kleinstädtischen Charakter die
Unterschiede gering seien k ö n n e n. Dies läßt indessen nicht die Notwendigkeit
entfallen, gegebenenfalls auch bei solchen Kommunen - bezogen auf die jeweilige
Bauweise und Siedlungsweise - zu überprüfen, ob die Unterschiede in der
baulichen Nutzung t a t s ä c h l i c h gering sind. Erhebliche Unterschiede, wie sie
nach der Senatsrechtsprechung jedenfalls vorliegen, wenn in einer nach dem
Grundsatz der Typengerechtigkeit nicht mehr vernachlässigbaren Zahl von Fällen
Grundstücke doppelt so stark bebaut werden dürfen wie andere (vgl. Beschluß
vom 31.8.1984, a.a.O.), können sich nicht nur bei Vorhandensein von
Wochenendhausgebieten im Gemeindegebiet ergeben, sondern z.B. auch dann,
wenn neben einen historischen Stadtkern oder Ortskern mit stark verdichteter
(etwa im wesentlichen geschlossener) Bebauung Neubaugebiete mit
aufgelockerter Bebauung und dementsprechend relativ großem Freiflächenanteil
treten. Der modifizierte Grundflächenmaßstab ermöglicht die Rücksichtnahme auf
ein unterschiedliches Nutzungsmaß nur insoweit, als die Unterschiede auf die
vertikale Ausdehnung der Bebauung (Geschoßzahl) zurückgehen, nicht dagegen,
soweit die Unterschiede durch die bauliche Ausdehnung in der Fläche bedingt sind.
Eine Überprüfung der Vereinbarkeit des modifizierten Grundflächenmaßstabs mit
dem Prinzip der vorteilsgerechten Beitragsbemessung ist auch bei dörflichen und
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dem Prinzip der vorteilsgerechten Beitragsbemessung ist auch bei dörflichen und
kleinstädtischen Gemeinden insbesondere dann geboten, wenn die Gemeinde
durch die r ü c k w i r k e n d e Ersetzung dieses Verteilungsmaßstabs durch einen
im Prinzip stärker differenzierenden Verteilungsmaßstab zu erkennen gegeben
hat, daß sie sich selbst nicht sicher war, ob der modifizierte Grundflächenmaßstab
den Unterschieden in der Bauweise im Gemeindegebiet ausreichend Rechnung
trage. Ist die Verwendung des modifizierten Grundflächenmaßstabs unbedenklich,
so bedarf es im Falle des Übergangs auf einen anderen Verteilungsmaßstab keiner
Rückwirkung; es ist dann im Gegenteil so, daß eine gleichwohl angeordnete
Rückwirkung "ins Leere" geht, weil die einmal aufgrund wirksamer
Verteilungsregelung entstandenen Beitragsansprüche nicht später auf der
Grundlage einer mit Rückwirkungsanordnung versehenen neuen
Verteilungsregelung nochmals in womöglich dann anderer Beitragshöhe entstehen
können (vgl. zur entsprechenden Rechtslage im Erschließungsbeitragsrecht:
BVerwG, Urteil vom 20.1.1978 - 4 C 70.75 -, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 27
S. 28, 30, sowie Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 83.87 - DVBl. 1989, 678 = HSGZ 1989,
267).
Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin selbst die rückwirkende Ersetzung
ihrer Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung vom 16. November 1981 durch die
Entwässerungssatzung vom 17. Dezember 1991 mit "rechtlich bedenklichen
Satzungsvorschriften" im bisherigen Satzungsrecht begründet (Schreiben der
Antragsgegnerin vom 10. März 1995) und auf die hieran anknüpfende Anfrage des
Gerichtshofs, ob mit den angesprochenen Bedenken der modifizierte
Grundflächenmaßstab in § 2 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Nr. 1 AbwBGS 1981
gemeint sei, erläuternd ausgeführt, daß - in der Tat - wegen bestehender
"Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßstäbe" der
kombinierte Maßstab aus Grundstücksfläche und Geschoßfläche eingeführt worden
sei (Schreiben vom 27. April 1995). Damit verbleiben auch hinsichtlich der
Gültigkeit der Abwasserbeitrags- und -gebührensatzung von 1981 nicht
unerhebliche Zweifel. Das rückwirkende Inkraftsetzen einer neuen Satzung mit
geändertem Verteilungsmaßstab kann sich zwar auch als rein vorsorgliche
Maßnahme darstellen. Dem durch die Rückwirkung ausgelösten ersten Eindruck,
die Satzung leide an einem Mangel, der ihre Tauglichkeit als Rechtsgrundlage für
die Entstehung von Beitragsansprüchen ausschließe, müßte dann aber die
Gemeinde durch substantiierte Darlegungen entgegentreten, die den Schluß
darauf zulassen, daß es sich bei der Rückwirkung tatsächlich nur um eine
vorsorgliche Maßnahme handelte und daß bei objektiver Betrachtung die
Besorgnis eines der alten Verteilungsregelung anhaftenden Rechtsmangels eher
unbegründet erscheint. Daran fehlt es hier. Die Antragsgegnerin hat zu der Frage,
wie sich die Bebauung in ihrem Stadtgebiet darstellt und ob sich die Unterschiede
im Nutzungsmaß in einem Rahmen bewegen, in dem von der Verträglichkeit des
modifizierten Grundflächenmaßstabs mit dem Prinzip der vorteilsgerechten
Beitragsbemessung ausgegangen werden kann, keinerlei Ausführungen gemacht.
Zu tatsächlichen Angaben in diesem Punkt zwecks Widerlegung der
angesprochenen Zweifel hätte aber - auch schon in Eilverfahren - umso eher Anlaß
bestand, als die Planung der Erneuerung des Abwassernetzes der Antragsgegnerin
von Unterschieden in der baulichen Nutzung durchaus ausgeht, wie an der
Unterteilung des Planungsgebiets in verschiedene Bauzonen ("Ortskern, dicht
bebaut", "Randgebiet, geschlossene Bebauung", "Neubaugebiet, offene
Bebauung") und den zugehörigen Leitungsplänen des Ingenieurbüros mit
Eintragung der vorhandenen Bebauung deutlich wird.
Die Vollziehung des angefochtenen Vorausleistungsbescheides ist nach allem -
wegen der Zweifel am Vorliegen gültigen Satzungsrechts für die Erhebung von
Erneuerungsbeiträgen - auszusetzen. Über die Befugnis der Antragsgegnerin, auf
der Grundlage gegebenenfalls geänderten bedenkenfreien Satzungsrechts erneut
Vorausleistungen festzusetzen oder auch - nach endgültiger Fertigstellung der
Erneuerungsmaßnahme - gleich den endgültigen Erneuerungsbeitrag zu erheben,
ist damit, wie zur Vermeidung von Mißverständnissen angemerkt sein mag, nichts
ausgesagt.
Da der Antragsteller mit seiner Beschwerde Erfolg hatte, sind der Antragsgegnerin
die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die
Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 20 Abs. 3,
13 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.