Urteil des HessVGH vom 15.03.2017
VGH Kassel: geistige behinderung, klageänderung, anschrift, zustellung, rechtskraft, rente, eltern, sozialhilfe, bahnhof, befangenheit
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
V OE 13/67
Dokumenttyp:
Entscheidung
Quelle:
Normen:
§ 121 VwGO, § 81 VwGO, §
62 VwGO, § 57 ZPO
Tatbestand
Der im Jahre 1924 geborene Kläger wurde im August 1943 zum Wehrdienst
einberufen. Während seiner Zugehörigkeit zur Wehrmacht erkrankte er an
doppelseitiger Lungen- und Genitaltuberkulose. Nach seiner Rückkehr aus
sowjetischer Kriegsgefangenschaft trat er im Jahre 1946 als Anwärter des
gehobenen Dienstes in den sowjetzonalen Eisenbahndienst, aus dem er im Jahre
1950 wieder entlassen wurde. In der Folgezeit bemühte er sich erfolglos um eine
Einstellung bei der Beklagten.
Von Österreich aus, wo er sich damals aufhielt, bewarb sich der Kläger unter dem
10. November 1965 zugleich bei der Bundesbahndirektion Kassel und beim
Bahnhofsvorsteher in Obersuhl erneut um Einstellung bei der Deutschen
Bundesbahn. Er begehrte seine Einstellung als Beamter, Angestellter oder Arbeiter
auf dem Bahnhof Obersuhl oder Herleshausen. Zur Begründung führte er an, der
Bundesbahn obliege die Durchführung der Bestimmungen der sozialen
Kriegsopferfürsorge (§§ 25-27 BVG). Unter dem 22. November 1965 teilte die
Bundesbahndirektion Kassel dem Kläger mit, daß keine Einstellungsmöglichkeit
bestehe; überdies beschäftige die Deutsche Bundesbahn weit über das
erforderliche Maß hinaus Kriegsbeschädigte, so daß auch keine Einstellung
außerhalb der Bahnhöfe Obersuhl und Herleshausen erwogen werden könne.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 9. Dezember 1965. Er
machte geltend, Anspruch auf Einbeziehung in die Leistungen der Deutschen
Bundesbahn zu haben, die sie für die Deutsche Reichsbahn -- RBD -- Bezirk Erfurt,
Bahnhof Herleshausen erbringe; dazu gehöre auch Freifahrt auf der Bundesbahn.
Sein Schreiben bezeichnete der Kläger als Widerspruch gegen den ablehnenden
Bescheid der Beklagten vom 22. November 1965. Unter dem 21. Dezember 1965
bestätigte ihm die Bundesbahndirektion Kassel den Eingang dieses Schreiben,
lehnte es jedoch ab, auf dessen Inhalt einzugehen. Zugleich bat sie den Kläger, in
Zukunft von weiteren Eingaben abzusehen, weil sie nicht mehr beantwortet werden
könnten.
Mit Schriftsatz vom 3. erhob der Kläger am 4. Januar 1966 Klage "gegen den
ablehnenden Widerspruchsbescheid der Bundesbahndirektion Kassel vom 22.
Dezember 1965 mit der Bitte um Aufhebung". In später eingereichten
Schriftsätzen vertrat er die Ansicht, er habe nicht nur die Deutsche Bundesbahn,
sondern auch die ostzonale Reichsbahn verklagt; er verlange, daß diese am
Verwaltungsstreitverfahren als Beklagte beteiligt, insbesondere auch zum
Verhandlungstermin geladen werde. Weiter behauptete der Kläger, und zwar
gleichfalls in Schriftsätzen, die nach Klageerhebung beim Verwaltungsgericht
eingegangen sind, er klage in diesem Prozeß nicht allein, Kläger seien vielmehr
auch der Inspektor i.R. ... und die Rentnerin ... Das Verwaltungsgericht beteiligte
weder die ostzonale Reichsbahn noch die beiden vom Kläger als weitere Kläger
benannten Personen am Rechtsstreit.
Der Kläger beantragte sinngemäß,
die Beklagten zu verpflichten, ihm Freifahrt und Personalfahrt in Polsterklasse
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die Beklagten zu verpflichten, ihm Freifahrt und Personalfahrt in Polsterklasse
mit Begleitperson zu gewähren, ihn als Schwerbeschädigten anzustellen und
festzustellen, daß er Bediensteter der Deutschen Reichsbahn geblieben sei.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Sie legte Abdruck eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November
1965 -- V C 118.63 -- vor, das zwischen denselben Beteiligten ergangen ist und die
Abweisung der auf "Freifahrt in der Polsterklasse mit Begleitperson und
Personalfahrt" gerichteten Verpflichtungsklage durch die Vorinstanzen bestätigte.
Sowohl das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 12. Juni 1962) wie auch das
Oberverwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 10. Juli 1963 -- OVG I B 27.62 --) hatten
in ihren Urteilen die erhobene Klage wegen partieller Prozeßunfähigkeit des Klägers
als unzulässig abgewiesen. Dieser Ansicht schloß sich das
Bundesverwaltungsgericht in vollem Umfang an. Es legte dar, daß der Kläger, der
bis 1963 weit mehr als 100 Verfahren bei mindestens 16 bundesdeutschen
Gerichten anhängig gemacht habe, nicht an einer gesteigerten rechthaberischen
Verbohrtheit, die sich noch im Rahmen der Gesundheit halte, sondern an einem
krankhaften Querulantenwahn leide. Die aggressive Intensität, die ungezügelte Art
und der riesige Umfang der Prozeßführungstätigkeit des Klägers machten auch
dem Nichtarzt deutlich, daß beim Kläger eine die freie Willensbestimmung
ausschließende krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorliege. Unter Hinweis auf
dieses Urteil vertrat die Beklagte die Auffassung, daß der Kläger mit seiner Klage
wegen seiner Prozeßunfähigkeit keinen Erfolg haben könne. Mit Rücksicht hierauf
gehe sie auf das materielle Vorbringen des Klägers nicht ein.
Durch Urteil vom 15. November 1966 -- III 6/66 -- wies das Verwaltungsgericht die
Klage als unzulässig ab. Es zitierte die maßgebenden Stellen aus den
Entscheidungsgründen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts wörtlich und
schloß sich dem Bundesverwaltungsgericht in der Beurteilung der partiellen
Geschäfts- und Prozeßunfähigkeit des Klägers in vollem Umfang an. Es legte seine
Überzeugung dar, daß der Kläger auf Grund eines Querulantenwahns auf dem
Teilgebiet der Prozeßtätigkeit, die sich auf seine vermeintlichen Ansprüche gegen
den Staat und andere öffentliche Körperschaften, insbesondere auf Einstellung bei
der Bahn sowie auf Vergünstigungen als Schwerbeschädigter und auf Rente aller
Art beziehe, einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande
krankhafter Störung der Geistestätigkeit unterliege. Daran ändere auch der
Umstand nichts, daß der Kläger von manchen Gerichten und Ärzten für
prozeßfähig gehalten werde.
Gegen das am 22. Dezember 1966 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz
vom 22. Dezember 1966 am 27. Dezember 1966 Berufung eingelegt. Er hält sich
für prozeßfähig und beruft sich insoweit auf Gerichtsentscheidungen, die vor und
nach Erlaß des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1965
ergangen sind und die er mit Entscheidungsdatum und Aktenzeichen näher
bezeichnet. Er behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe das Urteil vom 24.
November 1965 in späteren Entscheidungen "als null und nichtig" bezeichnet; im
übrigen sei das Urteil durch die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
vom 14. November 1966 -- VII ER 202, 204/65 -- aufgehoben worden. Der Kläger
rügt die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften durch das
Verwaltungsgericht. Das erstinstanzliche Urteil müsse schon deshalb aufgehoben
werden, weil die deutsche Reichsbahn und seine Eltern entgegen seinem Wunsche
nicht am Verfahren beteiligt worden seien. Außerdem hätten der
Kammervorsitzende und der Berichterstatter an der mündlichen Verhandlung und
der Urteilsfindung nicht mitwirken dürfen, weil er sie wegen Befangenheit
abgelehnt habe. Ferner sei über einen Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an
das Sozialgericht, soweit dieses für Rente ab 1951 und sonstige
Sozialversicherungsansprüche ab illegaler Kündigung zuständig sei, zu Unrecht
nicht entschieden worden.
Der Kläger beantragt,
Fällung eines Zwischenurteils über seine Prozeßfähigkeit,
ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise
Terminsaufhebung,
weiter hilfsweise Verweisung an Sozialgerichtsbarkeit, Zurückverweisung an
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weiter hilfsweise Verweisung an Sozialgerichtsbarkeit, Zurückverweisung an
Vorderrichter zwecks Verbindung mit dem beim VG Kassel anhängigen Verfahren
III 1041/66.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Ausführungen zu der -- wie sie meint -- unverständlichen Berufungsschrift versagt
sie sich.
Die vom Kläger zitierten Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.
September 1966 (nicht 14. November 1966, wie der Kläger angibt) sind
beigezogen worden. Auf ihren Inhalt wird verwiesen. Zur Ergänzung des
Sachverhalts wird ferner auf die Schriftsätze des Klägers und der Beklagten, auf
den Inhalt des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 10. Juli 1963 -- OVG
I B 27.62 -- und des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November
1965 -- V C 118.63 -- Bezug genommen. Da die Gerichtsakten III 6/66 (= V OE
13/67) kein Ablehnungsgesuch des Klägers enthalten, ist eine dienstliche
Äußerung des erstinstanzlichen Kammervorsitzenden vom 31. Mai 1967
beigezogen worden. Sie geht dahin, daß der Kläger in dem gleichfalls beim VG
Kassel anhängig gewesenen Verfahren III 596/66 unter dem 12. Dezember 1966
den Kammervorsitzenden und den Berichterstatter abgelehnt hat.
Nachdem eine auf den 9. Februar 1967 anberaumte Berufungsverhandlung
vertagt werden mußte, weil der Kläger unter der angegebenen Anschrift in
Österreich nicht geladen werden konnte, hat der Senatsvorsitzende die
Ladungszustellung gemäß § 56 VwGO in Verbindung mit § 14 VwZG mit Hilfe des
deutschen Konsulats in Linz/Donau durchzuführen versucht. Das Konsulat teilte
unter dem 7. März 1967 mit, die Zustellung sei undurchführbar, weil sich der
Kläger auf Grund eines gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbots am 21. Februar
1966 in Schärding abgemeldet und Österreich verlassen habe. Aus den
umfangreichen Akten sei zu schließen, daß er unsteten Aufenthalts sei. In einer
später eingegangenen Karte sei als neue Anschrift "..., (DDR)" angegeben.
Nunmehr wurde versucht, dem Kläger die Ladung zum neu anberaumten
Verhandlungstermin vom 1. Juni 1967 unter der ... Anschrift durch Einschreiben mit
Rückschein zuzustellen. Auch dieser Versuch scheiterte.
Während des erstinstanzlichen Verwaltungsstreitverfahrens hatte der Kläger seine
Mutter, die Rentnerin ..., ..., als seine Zustellungsbevollmächtigte in Deutschland
bezeichnet. Nachdem ihr die neue Terminsladung zum 1. Juni 1967 mit dem
Bemerken übersandt war, damit werde nicht der Senatsentscheidung vorgegriffen,
ob der Kläger prozeßfähig sei und überhaupt rechtswirksam einen
Zustellungsbevollmächtigten bestellen könne, lehnte sie es ab, als
Zustellungsbevollmächtigte "gegen den Sohn" zu fungieren. Daraufhin hat der
Senat durch Beschluß vom 13. April 1967 die öffentliche Zustellung der
Terminsladung gemäß § 15 Abs. 1 a und c sowie Abs. 5 VwZG angeordnet. Dem
Kläger ist unter seiner ... Anschrift, seiner Mutter unter der ... Anschrift davon
Mitteilung gemacht worden. Die Ladung hing vom 14. April 1967 ununterbrochen
bis einschließlich 15. Mai 1967 an dem für Bekanntmachungen des Hess.
Verwaltungsgerichtshofs vorgesehenen "Schwarzen Brett" im Eingangsflur des
Gerichtshofes aus und wurde im Laufe des 16. Mai 1967 vom Schwarzen Brett
abgenommen. Dies ergibt sich aus einem Vermerk des zuständigen
Urkundsbeamten des Hess. Verwaltungsgerichtshofs.
Entscheidungsgründe
Der Berufung ist der Erfolg zu versagen, weil das Verwaltungsgericht die Klage zu
Recht als unzulässig abgewiesen hat.
Über die Berufung kann der Senat trotz Ausbleibens der Beteiligten entscheiden (§
102 VwGO), weil sie ordnungsgemäß mit dem in § 102 Abs. 2 VwGO vorgesehenen
Hinweis geladen worden sind. Da die Mutter des Klägers dem Senat mitgeteilt
hatte, sie weigere sich, als Zustellungsbevollmächtigte ihres Sohnes zu fungieren,
mußte die Ladung dem Kläger persönlich zugestellt werden. Durch die Erklärung
der Mutter des Klägers war der Senat der Prüfung der Frage enthoben, ob der
prozeßunfähige Kläger überhaupt rechtswirksam einen
Zustellungsbevollmächtigten bestellen konnte. Weil der Kläger unsteten
Aufenthalts ist und die Zustellung der Ladung am zuletzt angegebenen
Aufenthaltsort ... nicht durchführbar war -- der Rückschein gelangte nicht zu den
Gerichtsakten --, hat der Senat gem. § 56 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 1 Buchst. a) und
c), Abs. 5 VwZG die öffentliche Zustellung der Ladung angeordnet. Die Ladung hat
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c), Abs. 5 VwZG die öffentliche Zustellung der Ladung angeordnet. Die Ladung hat
dann mehr als einen Monat lang an dem für Bekanntmachungen vorgesehenen
Schwarzen Brett des Hess. Verwaltungsgerichtshofes ausgehangen. Damit steht
fest, daß der Kläger zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden
ist. Hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ladung der Beklagten, die sich aus Blatt 98
i.V.m. 100 der Akten ergibt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen.
Die Rügen des Klägers wegen angeblicher Verfahrensverstöße des
Verwaltungsgerichts greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Deutsche
Reichsbahn (Ost) und die Eltern des Klägers zu Recht am
Verwaltungsstreitverfahren nicht beteiligt. Die Einführung der Vorgenannten in den
Rechtsstreit nach Erhebung der Klage stellt eine unzulässige Klageänderung dar.
Gegenstand der Klage war nach der Klageschrift der ablehnende
Widerspruchsbescheid der Bundesbahndirektion Kassel vom 22. Dezember 1965
(muß richtig heißen: 21. Dezember 1965). Da die Klage nach § 78 VwGO gegen die
Körperschaft zu richten ist, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt
erlassen hat -- der ablehnende Bescheid vom 22. November 1965 und die
Mitteilung vom 21. Dezember 1965, die der Kläger als Widerspruchsbescheid
ansieht, stammen von der Bundesbahndirektion Kassel -- hat das
Verwaltungsgericht die Klage in zutreffender Weise als gegen die Deutsche
Bundesbahn gerichtet angesehen. Die Ausdehnung der Klage auf die Deutsche
Reichsbahn (Ost) nach Klageerhebung war unzulässig, weil die darin liegende
Klageänderung nicht sachdienlich war und weil die Beklagte in die Klageänderung
nicht eingewilligt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO). Da sich die Beklagte nach der
Klageänderung nicht mehr zur Sache einließ, sondern Klageabweisung wegen
Prozeßunfähigkeit des Klägers begehrte, kann auch nicht von einer Einwilligung in
die Klageänderung nach § 91 Abs. 2 VwGO die Rede sein. Als unzulässige
Klageänderung stellt sich aus den gleichen Gründen auch die Einführung des ...
und der ... als weitere Kläger in den anhängigen Prozeß dar. Auch soweit der Kläger
nach Erhebung der Klage über die im Verwaltungsverfahren begehrten Leistungen
hinaus weitere Leistungen geltend macht und insoweit Verweisung an das
Sozialgericht beantragte, hat das Verwaltungsgericht keinen Verfahrensverstoß
durch Nichtbeachtung dieser Anträge begangen, denn auch insoweit handelt es
sich um eine aus den vorstehenden Gründen unzulässige Klageänderung (hier in
der Form der objektiven Klagenhäufung).
Da das Ablehnungsgesuch des Klägers beim Verwaltungsgericht Kassel erst
annähernd einen Monat nach Erlaß des angefochtenen Urteils und überdies in
einem anderen dort anhängigen Verfahren einging, waren der Kammervorsitzende
und der Berichterstatter nicht gehindert, an der mündlichen Verhandlung und der
Beratung einschließlich der Entscheidung teilzunehmen. Auch insoweit kann also
kein Verfahrensverstoß festgestellt werden.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur partiellen Prozeßunfähigkeit des
Klägers im Sinne von § 62 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 104 Nr. 2 BGB pflichtet
der Senat im vollen Umfang bei. Hierbei ist besonders zu beachten, daß keine
andere Entscheidung getroffen werden konnte, soweit es sich um die Klage auf
Freifahrt handelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat nämlich in seinem Urteil vom
24. November 1965, das zwischen denselben Beteiligten über denselben Anspruch
ergangen ist, für die Geltendmachung dieses Anspruchs die Prozeßunfähigkeit des
Klägers rechtskräftig festgestellt (§ 121 VwGO). Daran ist der Senat hinsichtlich der
Klage auf Freifahrt gebunden. Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein
anerkannt, daß auch Prozeßurteile der materiellen Rechtskraft fähig sind (RGZ
159, 173 (176); BAG, Urt. vom 3. Dezember 1954, NJW 1955, 476; Baumbach-
Lauterbach, ZPO, 26. Aufl., Anm. 1 A zu § 322; Wieczorek, Großkommentar zur
ZPO, Anm. B I b 1 zu § 322, Seite 657). Das Prozeßurteil stellt die betreffende
Prozeßfrage (hier die partielle Prozeßunfähigkeit des Klägers für die Klage gegen
die Deutsche Bundesbahn auf Freifahrt) fest. Bei Änderung der Verhältnisse
versagt die Rechtskraft allerdings (Baumbach-Lauterbach, aaO, Anm. 4). Eine
solche, für den Kläger günstige Änderung der Verhältnisse liegt jedoch hier nicht
vor. Der Querulantenwahn des Klägers hat sich seit Erlaß des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1965 nicht nur nicht gelegt,
sondern sogar noch verstärkt. Das folgt aus dem eigenen Vortrag des Klägers
über die Vielzahl von Prozessen, die er seit Erlaß jenes Urteils betrieben hat und
gegenwärtig noch betreibt.
Die Behauptung des Klägers, das Bundesverwaltungsgericht habe sein Urteil vom
24. November 1965 später für "null und nichtig" erklärt und außerdem durch die
Entscheidungen vom 14. September 1966 aufgehoben, gibt zu einer anderen
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Entscheidungen vom 14. September 1966 aufgehoben, gibt zu einer anderen
rechtlichen Beurteilung keinen Anlaß. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, daß sich
das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. August 1966 -- V C 223.65
-- (veröffentlicht in der Zeitschrift für Sozialhilfe 1967, 22) ausdrücklich auf das
Urteil vom 24. November 1965 bezogen und den Ausführungen zur partiellen
Prozeßunfähigkeit beigepflichtet hat. Die zu den Gerichtsakten beigezogenen
Beschlüsse vom 14. September 1966, die die Armenrechtsgesuche des Klägers
ablehnen, befassen sich überhaupt nicht mit dem Urteil vom 24. November 1965.
Der eine Beschluß enthält keinerlei Ausführungen zur Prozeßfähigkeit, der andere
führt aus, daß die Revision selbst dann nicht zugelassen werden könnte, wenn die
Prozeßfähigkeit des Klägers zu bejahen wäre. Mit dieser Formulierung hat das
Bundesverwaltungsgericht auch in diesem Beschluß entgegen der Behauptung
des Klägers dessen Prozeßfähigkeit nicht bejaht, sondern nur bei Unterstellung der
Prozeßfähigkeit dem Armenrechtsgesuch aus anderen Gründen keine
hinreichende Erfolgsaussicht eingeräumt.
Soweit sich die Klage auf Einstellung bei der Bundesbahn richtet, ist der Senat
zwar nicht an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1965
gebunden; da die Prozeßunfähigkeit des Klägers aber auch insoweit vom
Verwaltungsgericht mit eingehenden Darlegungen festgestellt worden ist, kann die
Berufung des Klägers auch in diesem Umfang keinen Erfolg haben.
Daß die Prozeßfähigkeit des Klägers in anderen Gerichtsentscheidungen
stillschweigend oder ausdrücklich bejaht worden ist, kann hier zugunsten des
Klägers unterstellt werden. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Kläger nach
der Auffassung des Senats gleichwohl nicht prozeßfähig ist. Einer Beiziehung der
vom Kläger genannten Gerichtsentscheidungen bedarf es daher ebensowenig, wie
der gleichfalls gewünschten Vernehmung oder Anhörung der Richter, die diese
Entscheidungen getroffen haben. Aus dem gleichen Grunde braucht der Senat
auch nicht das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen und die sonstigen
von ihm benannten Personen, darunter den Baurat Otte, zu vernehmen oder zu
hören. Nicht nur der Inhalt der vom Oberverwaltungsgericht Berlin in dem
rechtskräftigen Urteil vom 10. Juli 1963 -- I B 27.62 -- wiedergegebenen
Schriftsätze des Klägers, sondern auch die Art seiner Prozeßführung im
vorliegenden Rechtsstreit vermitteln dem Senat ohne Zuziehung eines
medizinischen Sachverständigen die Gewissheit, daß das Prozessieren beim
Kläger zum Selbstzweck und zum abartigen Lebensinhalt geworden ist und daß er
wegen dieser krankhaften Veranlagung nicht mehr in der Lage ist, das zur
Förderung eines Prozesses wirklich Nützliche und Zweckmäßige vom Unnützlichen
und Unzweckmäßigen zu unterscheiden und danach zu handeln. Die Flut der von
ihm angestrengten Prozesse erdrückt den Kläger und raubt ihm jede Übersicht
über den Stand der einzelnen Prozesse. Deshalb nimmt es nicht Wunder, daß der
Kläger während dieses Berufungsverfahrens die unzutreffende Behauptung
aufgestellt hat, er habe den Vorsitzenden und den Berichterstatter der
Sozialkammer des Verwaltungsgerichts Kassel im vorliegenden Verfahren wegen
Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; sie hätten daher an der Entscheidung über
seine Klage nicht mitwirken dürfen. Wie schon oben dargetan worden ist, hat der
Kläger die beiden Richter erst rund einen Monat nach der mündlichen Verhandlung
und dem Erlaß des Urteils vom 15. November 1966 abgelehnt und die Ablehnung
überdies in einem anderen beim Verwaltungsgericht Kassel anhängigen Verfahren
erklärt. Dieses Verhalten des Klägers läßt darauf schließen, daß er nicht mehr im
Stande ist, tatsächlich vorgenommene Prozeßhandlungen von nicht
vorgenommenen zu unterscheiden. Die krankhafte Störung seiner
Geistestätigkeit, durch die seine freie Willensbetätigung ausgeschlossen wird, hat
damit eine weitere Verschlimmerung erfahren. Ob eine Psychotherapie bei
mehreren Wochenstunden in rund acht bis zehn Jahren eine Besserung des
Krankheitszustandes des Klägers zur Folge haben würde, wie der Nervenarzt Dr. ...
in seiner vom Oberverwaltungsgericht Berlin zitierten Exploration vom 22. Oktober
1962 annimmt, bedarf hier keiner Prüfung; denn der Kläger hat sich einer solchen
Dauer-Therapie seit Oktober 1962 offensichtlich nicht, jedenfalls nicht mit Erfolg,
unterzogen, so daß gegen die Fortdauer seiner partiellen Prozeßunfähigkeit keine
durchgreifenden Bedenken bestehen.
Für die Bestellung eines Vertreters des Klägers durch den erkennenden Senat, wie
ihn das Bundesverwaltungsgericht in einem anderen, den Kläger nicht
betreffenden Fall für unumgänglich gehalten hat (Urteil vom 31. August 1966,
Zeitschrift für Sozialhilfe 1967, 22), besteht hier kein Anlaß. Das
Bundesverwaltungsgericht hat die Pflicht der Verwaltungsgerichte zur Bestellung
eines Vertreters des Prozeßunfähigen in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO
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eines Vertreters des Prozeßunfähigen in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO
auf den Fall beschränkt, daß der Prozeßunfähige Hilfe nach dem
Bundessozialhilfegesetz begehrt und seine Hilfsbedürftigkeit möglicherweise durch
die geistige Behinderung hervorgerufen ist. Einer entsprechenden Anwendung der
vom Bundesverwaltungsgericht erarbeiteten Grundsätze in der
Kriegsopferfürsorge steht an sich nichts im Wege; es fehlt jedoch hier an der
Voraussetzung, daß die Hilfsbedürftigkeit des Klägers (hier: Bedürfnis nach
Kriegsopferfürsorgemaßnahmen der Deutschen Bundesbahn zugunsten des
Klägers) durch die geistige Behinderung hervorgerufen ist.
Auch wenn der Senat die Prozeßfähigkeit des Kläger bejaht hätte, wäre seiner
Berufung kein Erfolg beschieden gewesen. In diesem Fall hätte die Klage ebenfalls
als unzulässig abgewiesen werden müssen, weil der Kläger hier, wie in den meisten
seiner Prozesse, die deutsche Gerichtsbarkeit mutwillig und mißbräuchlich in
Anspruch nimmt. Der Rechtsmißbrauch des Klägers ergibt sich schon aus der in
neuerer Zeit einmaligen Häufung der von ihm anhängig gemachten Prozesse und
der Art, in der er sie führt. So pflegt er, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin in
dem inzwischen mehrfach zitierten Urteil vom 10. Juli 1963 festgestellt hat,
denselben Anspruch gleichzeitig in mehreren Klagen bei verschiedenen Gerichten
geltend zu machen, um die ergangenen Entscheidungen dann gegeneinander
ausspielen zu können. Daß ihm seine Prozeßgegner nur selten den Einwand der
Rechtshängigkeit oder der Rechtskraft entgegenhalten, beruht darauf, daß der
jeweilige Beklagte (u.a. die Deutsche Bundesbahn) in den verschiedenen
Prozessen in der Regel durch verschiedene Behörden (beispielsweise durch die
einzelnen Bundesbahndirektionen) vertreten wird und daß diese Behörden
regelmäßig keine Kenntnis von dem Nebeneinander mehrerer Prozesse des
Klägers gegen denselben Beklagten haben. Ähnlich verhält es sich mit den
einzelnen Gerichten, die sich nur dann, wenn sie zufällig von der Unzahl der
Prozesse des Klägers Kenntnis erhalten, vertreten wird und daß diese Behörden
regelmäßig keine Kenntnis von dem Nebeneinander mehrerer Prozesse des
Klägers gegen denselben Beklagten haben. Ähnlich verhält es sich mit den
einzelnen Gerichten, die sich nur dann, wenn sie zufällig von der Unzahl der
Prozesse des Klägers Kenntnis erhalten, Gedanken über die rechtliche Beurteilung
eines solchen Verhaltens machen können. Diesem Umstand allein hat es der
Kläger bisher zu verdanken, daß erst verhältnismäßig wenige Klagen als unzulässig
abgewiesen worden sind. Der erkennende Gerichtshof hält es für geboten, an
dieser Stelle unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, daß er nicht gewillt ist,
dem dauernden Rechtsmißbrauch des Klägers, der seine Prozesse überwiegend
unter Berufung auf die Gerichtskostenfreiheit nach § 188 Satz 2 VwGO vom
Ausland oder von der Sowjetzone aus führt, verfahrensrechtlich Vorschub zu
leisten. Darüber hinaus wird der Senat erwägen, ob zukünftige Eingaben des
Klägers überhaupt noch zu bearbeiten sind oder ob sie, solange und soweit der
Rechtsmißbrauch und der Querulantenwahn andauern, unbearbeitet wegzulegen
sind.
Da der Senat die Prozeßfähigkeit des Klägers verneint und seine Klage auch aus
sonstigen Gründen für unzulässig hält, bedarf es nicht des vom Kläger in der
Berufungsinstanz in erster Linie gewünschten Zwischenurteils. Die Zurückweisung
der Berufung kann vielmehr durch Endurteil erfolgen. Diesem Urteil vermag der
Kläger auch nicht durch die hilfsweise beantragte Terminsaufhebung zu entgehen.
Dem Antrag ist der Erfolg zu versagen, weil der Kläger keinerlei sachliche Gründe
für die Terminsverlegung angegeben hat. Für eine Verweisung des Rechtsstreits an
das Sozialgericht ist ebensowenig Raum wie für eine Zurückverweisung der Sache
an den Vorderrichter.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.