Urteil des HessVGH vom 23.06.1988

VGH Kassel: verfügung, politische verfolgung, grobes verschulden, asylverfahren, mitgliedschaft, aufenthaltserlaubnis, heimatstaat, stadt, vollziehung, gefahr

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TH 4075/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 39 Abs 1 S 2 VwVfG HE, §
46 VwVfG HE, § 14 Abs 1 S
1 AuslG, § 10 Abs 2 S 1
AsylVfG, § 14 Abs 1 AsylVfG
(Abschiebungsandrohung: Prüfung drohender politischer
Verfolgung; Begründungsumfang bei unbeachtlichem
Asylfolgeantrag; Auswirkungen eines
Begründungsmangels)
Gründe
Die laut Klarstellung vom 14. Januar 1988 nur hinsichtlich des Antragstellers zu 1)
erhobene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu 1) auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des
Oberbürgermeisters der Stadt Offenbach vom 2. Oktober 1987 im Ergebnis zu
Recht abgelehnt. Zwar könnte die in der Verfügung enthaltene
Abschiebungsandrohung - was keiner abschließenden Entscheidung bedarf -
rechtswidrig sein, weil die Ausländerbehörde nicht erkennbar geprüft hat, ob ein
Abschiebungshindernis i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG in Bezug auf den
Heimatstaat des Antragstellers zu 1) vorlag. Jedoch wäre allein deswegen die
Abschiebungsandrohung nicht aufzuheben, denn eine andere Entscheidung in der
Sache hätte nicht getroffen werden können. Dann aber überwiegt - auch unter
Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Antragstellers zu 1) - das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung
das private Interesse des Antragstellers zu 1) an der Aussetzung der Vollziehung.
Rechtlich nicht zu beanstanden ist, daß die Antragsgegnerin bei Erlaß der
Verfügung vom 2. Oktober 1987 davon ausgegangen ist, daß die Voraussetzungen
für das Ergreifen aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach § 10 Abs. 2 Satz 1
AsylVfG - nämlich Ausreiseverpflichtung wegen eines u.a. nach § 14 Abs. 1 AsylVfG
unbeachtlichen Folgeantrags - gegeben waren. Allerdings ist nach der
Legaldefinition der letztgenannten Vorschrift ein Folgeantrag (nur) dann gegeben,
wenn der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines
früheren Asylantrags erneut einen solchen stellt. Der Antragsteller zu 1) hat
(schon) mit Schriftsatz vom 19. Mai 1987, der am folgenden Tage einging, erneut -
und zwar zum drittenmal - beantragt, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen. In
diesem Zeitpunkt war zwar das erste Asylverfahren - nämlich seit Ablauf des 29.
November 1985 - rechtskräftig abgeschlossen, nicht aber das im Februar 1987
eingeleitete (erste) Asylfolgeverfahren; dessen unanfechtbarer Abschluß trat nicht
etwa - wie die Beteiligten anzunehmen scheinen - mit Zustellung der
Beschwerdeentscheidung des 10. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
im Eilverfahren (Beschluß vom 23. Februar 1987 - 10 TH 262/87 -), sondern erst
drei Monate nach Zustellung des auf § 33 AsylVfG gestützten Beschlusses des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 1987 - IX E 20847/86 - im
Klageverfahren ein, also mit Ablauf des 7. September 1987 und damit erst knapp
vier Monate nach Stellung des dritten Asylantrags. Hierauf kommt es indessen
letztlich nicht entscheidend an, weil der Antragsteller zu 1) nach dem
unanfechtbaren Abschluß des ersten Asylfolgeverfahrens und vor dem Erlaß der
angefochtenen Verfügung durch Entgegennahme der Erneuerung seiner Duldung
am 10. September 1987 mindestens schlüssig zum Ausdruck gebracht hat, daß er
ein erneutes Asylverfahren durchzuführen wünscht (ebenso Hess. VGH, Beschluß
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ein erneutes Asylverfahren durchzuführen wünscht (ebenso Hess. VGH, Beschluß
vom 6. Juni 1988 - 12 TH 4039/87 -, in einem ähnlich gelagerten Fall). Der Senat
kann deshalb hier offenlassen, ob ein Folgeantrag i.S. des § 14 Abs. 1 AsylVfG
immer schon dann vorliegt, wenn jedenfalls das erste Asylverfahren unanfechtbar
abgeschlossen ist (so VGH Mannheim, Beschluß vom 19. Oktober 1987 - A 12 S
1053/87 -). Der Senat braucht ferner (wiederum) nicht zu entscheiden, ob -
verneinte man die vorausgegangene Frage in der vorliegenden Sache - ein vor
Eintritt der Unanfechtbarkeit gestellter neuer Asylantrag mit dem unanfechtbaren
Abschluß des früheren Asylverfahrens ohne weiteres zum Folgeantrag i.S. des § 14
AsylVfG wird, in einen solchen also gleichsam "hineinwächst" (bejahend: OVG
Hamburg, Beschluß vom 13. März 1987 - Bs IV 87/87 -; verneinend: Hess. VGH
<10. Senat>, Beschluß vom 29. April 1986 - 10 TH 738/86 -, unter Hinweis auf
OVG Saarland, Beschluß vom 19. November 19$5 -3 W 1399/85 -; offengelassen:
Hess. VGH <12. Senat>, Beschluß vom 6. Juni 1988 - 12 TH 4039/87 -).
Auch ist die der Abschiebungsandrohung zugrunde gelegte ausländerbehördliche
Feststellung der Unbeachtlichkeit des (zweiten) Asylfolgeantrags des
Antragstellers zu 1) gemäß § 14 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
nach der im vorliegenden Verfahren - soll die Unbeachtlichkeit bejaht werden -
gebotenen möglichst eingehenden Überprüfung als zutreffend zu erachten; denn
der Antragsteller zu 1) hat die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des
unanfechtbar abgeschlossenen Asylverfahrens, welche nicht durch im
vorliegenden Eilverfahren parate Erkenntnisse zu widerlegen sind, bisher nicht
schlüssig vorgetragen (vgl. zu diesen Anforderungen Hess. VGH, Beschluß vom
12. Oktober 1987 - 12 TH 1528/87 -). Zwar handelt es sich, soweit sich der
Antragsteller zu 1) nunmehr unter Vorlage eines Mitgliedsausweises darauf beruft,
daß er seit April 1987 Mitglied der kroatischen Exilorganisation "Hrvatski Narodni
Odbor" (HNO) sei, um eine nachträgliche Änderung der Sachlage, die den früher
ergangenen asyl- und ausländerrechtlichen Entscheidungen zugrunde lag (§ 51
Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Ob damit zugleich auch eine Änderung der Sachlage
zugunsten des Antragstellers zu 1) schlüssig dargelegt ist, mag indessen
dahinstehen. Denn der zweite Asylfolgeantrag ist jedenfalls deshalb unzulässig,
weil der Antragsteller zu 1) nicht ohne grobes Verschulden außerstande war, den
Grund für das Wiederaufgreifen in dem vorangegangenen Asylfolgeverfahren,
welches - wie oben aufgezeigt - erst mit Ablauf des 7. September 1987
unanfechtbar abgeschlossen war, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG).
Die Antragsgegnerin hat demgemäß unter dem 2. Oktober 1987 zu Recht eine auf
§ 10 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsandrohung erlassen.
Daß im Tenor der betreffenden Verfügung mehrfach § 14 Abs. 2 statt Abs. 1
AsylVfG angeführt ist, dürfte auf einem Versehen beruhen. Jedenfalls war die
Antragsgegnerin, obgleich auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 AsylVfG
vorlagen - weil der Antragsteller zu 1) innerhalb von sechs Monaten, nachdem die
auf den ersten Asylfolgeantrag ergangene Abschiebungsandrohung vollziehbar
geworden war, seinen zweiten unbeachtlichen Folgeantrag gestellt hatte - und es
deshalb zur Durchführung der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung mit
Abschiebungsandrohung bedurfte, nicht gehindert, gleichwohl eine nochmalige
Abschiebungsandrohung zu erlassen (Hess. VGH, Beschluß vom 21. März 1988 -
10 TH 990/88 -).
Diese Abschiebungsandrohung vom 2. Oktober 1987 hält auch im übrigen der
rechtlichen Überprüfung stand. Maßgebend ist insoweit die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Ausländerbehörde (Hess. VGH, Beschluß
vom 23. Dezember 1987 - 12 TH 1787/87 -, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom
3. November 1987 - 9 C 254.86 -, EZAR 221 Nr. 29 = NVwZ 1988, 260, und - 9 C
3.87 -, EZAR 221 Nr. 30).
Insbesondere war die Antragsgegnerin nicht wegen eines fiktiven - der
Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 10 Abs. 1 AsylVfG gleichzuachtenden -
Aufenthaltsrechts des Antragstellers zu 1) gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG am
Erlaß der Abschiebungsandrohung gehindert (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 15.
Dezember 1983 - 10 TH 499/83 - und vom 13. Oktober 1987 - 12 TH 3429/86 -).
Allerdings hat der Antragsteller durch frühere Bevollmächtigte unter dem 9.
Dezember 1985 bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
beantragt, und über diesen Antrag ist ausweislich der dem Senat vorliegenden
Behördenakten bis heute nicht entschieden worden. Dem Antrag kam und kommt
indessen die Fiktionswirkung des § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG nicht zu. Dies ergibt sich
freilich nicht bereits daraus, daß wiederholte Aufenthaltserlaubnisanträge einen
vorläufig als erlaubt geltenden Aufenthalt grundsätzlich nicht begründen können
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vorläufig als erlaubt geltenden Aufenthalt grundsätzlich nicht begründen können
(vgl. hierzu Kanein/Renner, Ausländerrecht, 4. Aufl. 1988, § 21 AuslG, RdNr. 4
m.w.N.); denn eine solche Einschränkung greift jedenfalls dann nicht, wenn - wie
hier - der beabsichtigte Aufenthaltszweck nicht identisch ist. Der mit Bescheid des
Landrats des Kreises Offenbach vom 1. April 1976 bestandskräftig abgelehnte
Aufenthaltserlaubnisantrag des Antragstellers zu 1) vom 18. Februar 1976 war
nämlich zur Arbeitsaufnahme ("Tätigkeit") gestellt, der vom 9. Dezember 1985
dagegen ausdrücklich wegen dem Antragsteller zu 1) trotz rechtskräftigen
Abschlusses seines ersten Asylverfahrens im Falle seiner Rückkehr nach
Jugoslawien angeblich drohender politischer Verfolgung sowie wegen weitgehender
Integration und daraus seiner Ansicht nach folgender Unzumutbarkeit einer
Rückkehr. Die Fiktionswirkung kann dem Antrag vom 9. Dezember 1985 auch nicht
deshalb abgesprochen werden, weil diese möglicherweise - was der Senat
offenlassen kann - analog § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG mit dem Ablauf der
Gültigkeit des Passes oder Paßersatzes erlischt (bejahend: Kanein/Renner, a.a.O.,
§ 9 AuslG, RdNr. 3, und § 21 AuslG, RdNr. 10, sowie Nr. 30 AuslVwV zu § 21 AuslG;
offengelassen: Hess. VGH, Beschluß vom 10. Juni 1988 - 12 TH 4094/87 -); der Paß
des Antragstellers zu 1) wurde nämlich - soweit aus den dem Senat vorliegenden
Akten ersichtlich - erst mit Ablauf des 18. Dezember 1987 ungültig, also nach dem
rechtlich maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses der Abschiebungsandrohung vom
2. Oktober 1987. Der Aufenthaltserlaubnisantrag vom 9. Dezember 1985 löste
aber jedenfalls deshalb nicht die Fiktionswirkung nach § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG
aus, weil bereits eine Ausreiseaufforderung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG
ergangen war (§ 28 Abs. 7 AsylVfG), und zwar diejenige der Antragsgegnerin vom
18. Oktober 1983. Allerdings wurde diese Ausreiseaufforderung nur dem
Antragsteller zu 1) persönlich zugestellt, obwohl sich ein Bevollmächtigter für ihn
gemeldet und eine - freilich unvollständig ausgefüllte und nur in Kopie übersandte -
Vollmacht vorgelegt und die Antragstellerin daraufhin auch mit diesem
korrespondiert hatte. Indessen könnte das allenfalls zur Folge haben, daß die
Ausreiseaufforderung vom 18. Oktober 1983 unter Verstoß gegen § 17 Abs. 4
AsylVfG und damit nicht ordnungsgemäß zugestellt wäre, so daß möglicherweise
Unanfechtbarkeit noch nicht eingetreten ist; all dies bedarf jedoch hier keiner
abschließenden Klärung, weil für den Ausschluß der Fiktionswirkung, über § 28 Abs.
7 AsylVfG jedenfalls ausreicht, daß die betreffende Ausreiseaufforderung ergangen
war, sich die Antragsgegnerin ihrer also entäußert hatte und der Antragsteller zu 1
) - durch die Mitteilung über die Niederlegung - in die Lage versetzt worden war,
sich von ihrem Inhalt Kenntnis zu verschaffen.
Dem Erlaß der Abschiebungsandrohung vom 2. Oktober 1987 stand auch nicht
etwa entgegen, daß die Antragstellerin zu 2) - das ist die Ehefrau des
Antragstellers zu 1) - und (soweit ersichtlich) sechs - teilweise schulpflichtige -
Kinder sich seinerzeit im Bundesgebiet aufhielten (und noch aufhalten). Die
Antragsgegnerin war deswegen jedenfalls nicht gehalten, dem Antragsteller zu 1)
gemäß § 10 Abs. 1 AsylVfG ungeachtet der Entscheidung über seinen Asylantrag
den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Zwar waren diese Umstände nicht schon
deshalb von vornherein unbeachtlich, weil sie nicht zum Gegenstand eines
entsprechenden aufenthaltsrechtlichen Verfahrens gemacht worden waren (vgl. zu
derartigen Fällen Hess. VGH, Beschlüsse vom 23. Dezember 1987- 12 TH 1787/87
-, vom 16. Februar 1988 - 12 TH 1682/87 - und vom 10. Juni 1988 - 12 TH 4094/87
-); denn der Antragsteller hat in seinem bisher nicht beschiedenen
Aufenthaltserlaubnisantrag vom 9. Dezember 1985 zur Begründung seiner
eigenen weitgehenden Integration u.a. auch auf den Schulbesuch seiner Kinder
hingewiesen. Indessen erfaßt § 10 Abs. 1, letzter Halbs., letzte Alt., AsylVfG nur
solche Fälle, in denen der Asylbewerber eine ähnlich der Aufenthaltserlaubnis oder
Aufenthaltsberechtigung gefestigte, der Ausreisepflicht entgegenstehende
Position im maßgebenden Zeitpunkt bereits besaß (Hess. VGH, Beschluß vom 23.
Dezember 1987 - 12 TH 1787/87 -, im Anschluß an Hess. VGH, Beschluß vom 15.
August 1986, NVwZ 1987, 349 f., und OVG Lüneburg, Beschluß vom 7. Mai 1987 -
11 B 151/87 -), und eine solche konnte sich über Art. 6 GG - wenn überhaupt -
allenfalls dann ergeben, wenn Ehefrau und Kinder ihrerseits ein gesichertes
Aufenthaltsrecht hatten. Das war ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten
(vgl. etwa das Schreiben der Antragsgegnerin an die Allgemeine Ortskrankenkasse
für die Stadt und den Kreis Offenbach vom 26. Oktober 1982, Bl. 126 der
Ausländerbehördenakten) nicht der Fall; vielmehr wurden (und werden) die
Antragstellerin zu 2) und die Kinder des Antragstellers zu 1) lediglich für die Dauer
der von ihm betriebenen Asylverfahren aus humanitären Gründen geduldet.
Soweit Kinder des Antragstellers zu 1) unter 16 Jahre alt sind und deshalb gemäß §
2 Abs. 2 Nr. 1 AuslG keine Aufenthaltserlaubnis benötigen, gilt nichts anderes, weil
Kinder dieses Alters nach der Vorstellung des Gesetzgebers üblicherweise bei
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Kinder dieses Alters nach der Vorstellung des Gesetzgebers üblicherweise bei
ihren Eltern wohnen und (nur) deshalb die an sich notwendige Prüfung nach § 2
Abs. 1 AuslG bei ihnen regelmäßig entfallen kann (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom
8. Februar 1988 - 12 TH 1006/87 - und vom 16. Februar 1988 - 12 TH 1682/87 -,
jeweils unter Hinweis auf Beschluß vom 27. Juni 1986 - 10 TH 1302/86 -).
Dem Erlaß der Abschiebungsandrohung stand im insoweit ebenfalls maßgeblichen
damaligen Zeitpunkt (BVerwG, Urteil vom 3. November 1987 - 9 C 3.87 -, EZAR
221 Nr. 30; Hess. VGH, Beschluß vom 23. Dezember 1987 - 12 TH 1787/87 -) auch
- worauf die Beschwerde allein abhebt - kein Abschiebungshindernis i.S. des § 14
Abs. 1 Satz 1 AuslG in bezug auf den Heimatstaat des Antragstellers zu 1)
entgegen, so daß dieser mich nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 AuslG in der
Abschiebungsandrohung ausdrücklich ausgenommen werden mußte. Einer
dahingehenden Prüfung des als "kleines Asyl" bezeichneten Abschiebungsschutzes
aufgrund des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG - i.V.m. Art. 33 GK - bedarf es zwar nicht
nur bei der mit einer Ausreiseaufforderung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG
verbundenen Abschiebungsandrohung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 3.
November 1987 - 9 C 3.87 -, EZAR 221 Nr. 30, und Hess. VGH, Beschluß vom 16.
Dezember 1987 - 12 TE 1991/87 -, jeweils m.w.N.), sondern auch bei
Abschiebungsandrohungen, die - wie hier - auf der Grundlage des § 10 Abs. 2
AsylVfG ergehen (Hess. VGH, Beschluß vom 5. Februar 1988 - 10 TH 14/88 -).
Indessen führt die Prüfung des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG hier zu einem für den
Antragsteller zu 1) negativen Ergebnis,, weil sein Vorbringen nicht ausreichend
substantiiert und nicht in sich stimmig ist und weil Widersprüche zu seinen
Angaben in den vorausgegangenen Asylverfahren nicht nachvollziehbar aufgelöst
sind, so daß dem Vortrag insgesamt eine dem Antragsteller zu 1) im Rückkehrfalle
drohende politische Verfolgung nicht lückenlos entnommen werden kann (vgl. zu
diesen Anforderungen BVerwG, Urteile vom 8. Mai 1984, EZAR 630 Nr. 13 = NVwZ
1985, 36, vom 12. November 1985, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR 1986, 79, und
vom 20. Oktober 1987 - 9 C 147.86 -) und es demzufolge an der letztlich auch im
vorliegenden Zusammenhang erforderlichen Schlüssigkeit fehlt (vgl. Hess. VGH,
Beschluß vom 9. Oktober 1987 - 12 TG 1681/87 -). Dies hat bereits das
Verwaltungsgericht - wenn auch im Rahmen einer an § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG
anknüpfenden Schlüssigkeitsprüfung - näher und im wesentlichen zutreffend
dargelegt (S. 6, Zeile 15 - ausgenommen die Anführung von § 1 a AsylVfG in Zeile
30 -, bis S. 8, Zeile 2 Mitte, des angegriffenen Beschlusses); hierauf wird zunächst
- mit den nachfolgenden Zusätzen und Modifizierungen - gemäß Art. 2 § 7 Abs. 1
EntlG Bezug genommen. Der Antragsteller zu 1) hat auch die Gründe des
angefochtenen Beschlusses nicht zum Anlaß genommen, sein Vorbringen über
seine Mitgliedschaft in der HNO zu ergänzen und zu substantiieren. Er hat bis
heute nicht plausibel gemacht, wieso er als albanischer Volkszugehöriger einer
kroatischen Exilorganisation beigetreten ist. Ebensowenig hat er vorgetragen, daß
und welche Aktivitäten er für die HNO seit seinem Beitritt in der Bundesrepublik
Deutschland entfaltet hat - in dem Asylantrag vom 19. Mai 1987 kündigte er
entsprechenden Vortrag erst für die von ihm erstrebte Vorprüfungsanhörung
durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an -, und
insbesondere fehlt es auch an Ausführungen des Antragstellers zu 1) dazu, wie
und auf welche Weise die jugoslawischen Sicherheitsbehörden von seiner
Mitgliedschaft in der HNO überhaupt Kenntnis erlangt haben sollten.
Nachvollziehbar dargelegt hat der Antragsteller zu 1) also allein, daß er seit 1. Mai
1987 der HNO angehört und daß er bis zum Jahresende 1987 seinen
Mitgliedsbeitrag entrichtet hat. Darin vermag der Senat ein schlüssiges
Geltendmachen von dem Antragsteller zu 1) im Rückkehrfalle drohender
politischer Verfolgung nicht zu erkennen. Aus dem vom Antragsteller zu 1) im
Beschwerdeverfahren in Kopie vorgelegten erstinstanzlichen Urteil der
Strafkammer des Kreisgerichts Nis vom 29. April 1986 und aus den vom
Berichterstatter des Senats vorsorglich in das Verfahren eingeführten
Erkenntnisquellen ergibt sich ebenfalls nichts zugunsten des Antragstellers zu 1).
Insbesondere ist dem betreffenden Strafurteil entgegen der
Beschwerdebegründung vom 14. Januar 1988 nicht zu entnehmen, daß in
Jugoslawien auch solche Personen mit einer Bestrafung nach Art. 131 JugStGB
rechnen müssen, die nur deswegen Mitglied einer Emigrantenorganisation
geworden sind, weil sie sich damit ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik
Deutschland verschaffen wollten. Vielmehr hat die Strafkammer in dem
betreffenden Fall dem dortigen Angeklagten seine dahingehende Einlassung
gerade nicht geglaubt (vgl. S. 3, vorletzter Abs., der Urteilsübersetzung) und ist
nach ausführlicher Beweiswürdigung zu der Erkenntnis gelangt, daß Ziel des
Beitritts zu der "Emigrantenorganisation die Ausführung feindlicher Tätigkeit, und
nicht das Erhalten politischen Asyls" war (vgl. S. 4, 2. Abs., der
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nicht das Erhalten politischen Asyls" war (vgl. S. 4, 2. Abs., der
Urteilsübersetzung). Insofern unterscheidet sich der dort entschiedene Fall
wesentlich von demjenigen des Antragstellers zu 1), in dessen Person jedenfalls
bei Zugrundelegung seines eigenen bisherigen Vorbringens allein die Erlangung
weiteren Aufenthalts als Grund für die Mitgliedschaft in der HNO erkennbar ist. Im
übrigen kommt es hierauf letztlich nicht entscheidend an, weil - wie bereits
dargelegt keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß den jugoslawischen
Sicherheitsbehörden die schlichte Mitgliedschaft des Antragstellers zu 1)
überhaupt bekanntgeworden ist.
Jedoch ist die Abschiebungsandrohung möglicherweise deshalb
verfahrensfehlerhaft, weil aus der ihr beigegebenen Begründung nicht zu
entnehmen ist, daß die Antragsgegnerin das eventuelle Vorliegen eines
Abschiebungshindernisses i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG überhaupt geprüft
hat. Freilich müssen in der Begründung eines Verwaltungsakts nur die
wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitgeteilt werden, die die
Behörde zur Entscheidung bewogen haben (§ 39 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG). Daher
dürften etwa Ausführungen zu § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG regelmäßig dann
entbehrlich sein, wenn im Rahmen der Begründung der Unbeachtlichkeit des
Asylfolgeantrags eine materielle Prüfung der Gefahr politischer Verfolgung
vorgenommen wird. Begründet die Ausländerbehörde die Unbeachtlichkeit
hingegen vornehmlich mit formellen Erwägungen - insbesondere unter Hinweis auf
§ 51 Abs. 2 oder 3 VwVfG - oder etwa damit, daß selbstgeschaffene
Nachfluchttatbestände eine Asylanerkennung nicht rechtfertigten, so wird auf eine
Anführung der zu § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG angestellten Erwägungen mit Blick auf §
39 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG kaum verzichtet werden können. In der angegriffenen
Verfügung vom 2. Oktober 1987 hat die Antragsgegnerin Unbeachtlichkeit des
Vorbringens des Antragstellers zu 1) im wesentlichen deshalb angenommen, weil
es sich bei der Mitgliedschaft in der HNO um einen selbstgeschaffenen
Nachfluchttatbestand handele und dieser sich nicht als Ausdruck und Fortführung
einer schon im Heimatland vorhandenen und erkennbar betätigten festen
Überzeugung des Antragstellers zu 1) darstelle (im Anschluß an BVerfG, Beschluß
vom 26. November 1986, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18). Ob darin, daß
gleichwohl § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG mit keinem Wort erwähnt ist, ein
Verfahrensfehler der betreffenden Verfügung zu erblicken ist, wofür vieles spricht,
kann letztlich offenbleiben(ebenso in einer ähnlich gelagerten Sache Hess. VGH,
Beschluß vom 25. Januar 1988 - 12 TH 1864/87 -). Allein deshalb kann nämlich die
Aufhebung der Abschiebungsandrohung nicht beansprucht werden, weil keine
andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 46 HVwVfG).
Denn die Antragsgegnerin hätte - wie sich aus obigen Ausführungen ergibt - das
Vorliegen eines Abschiebungshindernisses i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG auf
jeden Fall verneinen müssen. Ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum im
rechtlichen Sinne war der Antragsgegnerin hierbei - wie vor allem die Fassung des
§ 10 Abs. 2 AsylVfG verdeutlicht - mindestens in bezug auf das "Ob" des Erlasses
einer Abschiebungsandrohung nicht eröffnet; daß hinsichtlich der Gefahr künftiger
politischer Verfolgung die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe erforderlich und
eine Prognoseentscheidung zu treffen war, ändert hieran nichts (Kopp, VwVfG, 4.
Aufl. 1986,§ 40, RdNr. 37 m.w.N.).
Schließlich war die gesetzte Ausreisefrist von zwei Monaten nach Erhalt der
angegriffenen Verfügung angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden
Falles ausreichend bemessen und auch hinreichend begründet (vgl. Hess. VGH,
Beschlüsse vom 19. Dezember 1983 - 10 TH 547/83 - und vom 8. Februar 1988 -
12 TH 1006/87 -). Zwar hielt sich der Antragsteller bei Erlaß der
Abschiebungsandrohung vom 2. Oktober 1987 seit fast 16 Jahren - allerdings mit
Unterbrechungen - im Bundesgebiet auf und lebte offenbar mit der Antragstellerin
zu 2) und sechs Kindern in einem gemeinsamen Haushalt; des weiteren konnten
Erschwernisse für die teils hier zur Schule gehenden Kinder nicht ausgeschlossen
werden, wenn diese kurz vor Abschluß des Schulhalbjahres nach Jugoslawien reisen
müßten; auch sind derartige Gründe prinzipiell im Rahmen der
Ermessensausübung bei der Bemessung der Ausreisefrist zu berücksichtigen
(Hess. VGH, Beschlüsse vom 31. Juli 1987 - 10 TH 1360/87 - und vom 16. Februar
1988 - 12 TH 1682/87 -). Indessen hatte die Antragsgegnerin, obwohl dies nicht
erforderlich war (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) den Antragsteller zu 1) vor Erlaß der
Abschiebungsandrohung unter ausdrücklichem Hinweis auf eine seinerzeit
beabsichtigte noch kürzere Fristsetzung von 30 Tagen angehört, und hierauf hatte
der Antragsteller zu 1) hinsichtlich der Bemessung der Ausreisefrist nichts
vorgebracht. Unter diesen Umständen sieht der Senat, zumal der Antragsteller zu
1) sich zur Länge der Ausreisefrist auch im gerichtlichen Verfahren nicht geäußert
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1) sich zur Länge der Ausreisefrist auch im gerichtlichen Verfahren nicht geäußert
hat - und zwar auch nicht im Beschwerdeverfahren, obgleich der Beschluß des
Verwaltungsgerichts diesbezügliche Ausführungen enthält -, keinen Anlaß, die
Verfügung insoweit zu beanstanden (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 24.
November 1987 - 12 TH 192/87 - und vom 8. Februar 1988 - 12 TH 1006/87 -).
Ferner ist die gesetzte Ausreisefrist nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß
sie zwischenzeitlich längst abgelaufen ist (Hess. VGH, Beschlüsse vom 19.
Dezember 1983 - 10 TH 547/83 - und vom 19. Juni 1986 - 10 TH 1199/86 -).
Die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung folgen aus § 154 Abs. 2
VwGO und aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.