Urteil des HessVGH vom 23.12.1988

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, beratungsstelle, werk, stadt, vollziehung, hauptsache, erfüllung, gemeindeordnung, ausführung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 TG 3682/88
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 1 VwGO, § 63 Abs
2 GemO HE, § 74 Abs 2 S 2
GemO HE, § 94 Abs 4
GemO HE, § 95 Abs 1 S 2
GemO HE
(Zur aufschiebende Wirkung der Beanstandung eines
Beschlusses der Gemeindevertretung durch den
Gemeindevorstand)
Tatbestand
Soweit die Parteien den Rechtsstreit in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang
in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend §§
125 Abs. 1, 92 Abs. 2 VwGO einzustellen und gemäß § 173 VwGO i.V.m. der
entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 269 Abs. 3 ZPO festzustellen, daß
der mit der Beschwerde angefochtene Beschluß des Verwaltungsgerichts
wirkungslos ist.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beschwerde noch anhängig ist, bleibt sie ohne Erfolg.
1. Die im Rechtsmittelverfahren vorgenommene Antragsänderung ist
entsprechend § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Sie ist sachdienlich, denn sie dient
bei im wesentlichen unverändertem Streitgegenstand der endgültigen Klärung der
zwischen den Parteien streitigen Fragen im Eilverfahren und trägt zur Vermeidung
eines sonst zu erwartenden weiteren gerichtlichen Verfahrens bei.
2. Gegen die Zulässigkeit der mit Schriftsatz vom 18. November 1988
gestellten Anträge,
"den Antragsgegner zu verpflichten, die Beschlüsse der Antragstellerin
betreffend die Einrichtung eines Frauenbüros, einer Stelle für Umweltberatung und
einer sozialen Beratungsstelle sowie die Nichtzurverfügungstellung von Mitteln für
die Entlastungsstraße S des Haushaltsplans 1987 -- hilfsweise des Haushaltsplans
1988 -- auszuführen,
hilfsweise,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Sachbeschlüsse der Antragstellerin
vom 25.05.1987 betreffend die Einrichtung eines Frauenbüros sowie einer Stelle
für Umweltberatung und vom 14.11.1987 betreffend die Einrichtung einer sozialen
Beratungsstelle mit den im Haushaltsplan 1987 -- hilfsweise im Haushaltsplan
1988 -- bereitgestellten Mitteln auszuführen,"
bestehen keine Bedenken. Insbesondere sind die Anträge nicht gemäß § 123 Abs.
5 VwGO deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin entsprechend § 80 Abs. 5
VwGO die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen die Beanstandung
der Haushaltsbeschlüsse vom 25.05.1987 und 25.02.1988 erhobenen Klagen
beantragen könnte und hinsichtlich der zuerst genannten Beschlüsse auch
beantragt hat, denn eine solche Feststellung würde dem auf sofortiges
Tätigwerden des Antragsgegners gerichteten Begehren der Antragstellerin nicht
gerecht. Auf die gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit
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gerecht. Auf die gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Rechtsschutzmöglichkeit
nach § 80 VwGO könnte die Antragstellerin allenfalls verwiesen werden, wenn
davon ausgegangen werden müßte, daß der Antragsgegner die genannten
Beschlüsse sofort von sich aus verwirklichen würde, wenn die aufschiebende
Wirkung der gegen die Beanstandungen erhobenen Klagen festgestellt würde.
Davon kann nach den Einlassungen des Antragsgegners nicht ausgegangen
werden.
Die Anträge sind jedoch nicht begründet.
a) Aus den von der Antragstellerin für die Haushaltsjahre 1987 und 1988
beschlossenen Haushaltsplänen läßt sich schon deshalb keine Verpflichtung
herleiten, ein Frauenbüro, eine Stelle für Umweltberatung und eine soziale
Beratungsstelle einzurichten, weil ein Haushaltsplan den Gemeindevorstand
gemäß § 96 Abs. 1 Hessische Gemeindeordnung -- HGO -- lediglich ermächtigt,
aber nicht verpflichtet, Ausgaben zu leisten und Verbindlichkeiten einzugehen.
Inwiefern eine Ausführung der Haushaltspläne 1987 und 1988 hinsichtlich der
Entlastungsstraße S erfolgen könnte, ist unklar, weil dafür keine Mittel
bereitgestellt wurden.
Der Gemeindevorstand darf zwar auch keine Mittel ausgeben und
Verpflichtungen eingehen, die im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind, denn der
Haushaltsplan enthält gemäß § 95 Abs. 2 HGO alle im Haushaltsjahr für die
Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und
benötigten Verpflichtungsermächtigungen und ist gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 HGO
für die Haushaltsführung verbindlich. Daß der Antragsgegner unter Mißachtung
des geltenden Haushaltsplans Ausgaben für den Ausbau der Entlastungsstraße S
tätigt, hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht.
b) Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch darauf, daß der
Antragsgegner ihrem Beschluß vom 25.05.1987 nachkommt, "die im
Stellenplan ausgewiesenen Stellen für Umweltberatung und Frauenbüro binnen 4
Wochen auszuschreiben und umgehend zu besetzen". Dieser Beschluß kann sich
nur auf den damals gültigen Stellenplan des Haushaltsplans 1987 bezogen haben
(vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 6 Abs. 1 Satz 1 Gemeindehaushaltsverordnung). Der
Haushaltsplan 1987 galt gemäß § 95 Abs. 2 i.V.m. § 94 Abs. 4 HGO jedoch nur für
das Kalenderjahr 1987 und kann heute nicht mehr Grundlage für die Besetzung
von Stellen sein. Ob im Stellenplan für das Haushaltsjahr 1988 entsprechende
Stellen ausgewiesen sind, kann dahingestellt bleiben, denn darauf bezieht sich der
Beschluß vom 25.05.1987 nicht.
c) Im Unterschied dazu kann der Beschluß der Antragstellerin vom 12.11.1987,
der Antragsgegner möge "den Vertrag mit dem Diakonischen Werk hinsichtlich
der Einrichtung einer Beratungsstelle laut anliegendem Vertragsentwurf
(ab)schließen", heute noch ausgeführt werden. Der Beschluß ist auch sofort
vollziehbar, denn ihm ist nicht widersprochen worden. Die Mittel, die zur
Durchführung des Vertrages benötigt werden, stehen im Haushaltsplan 1988 -- die
im Haushaltsplan 1987 zur Verfügung gestellten Mittel sind verfallen -- in Höhe von
270.000 DM bereit. Der Bürgermeister der Stadt B hat diesen Titel zwar
beanstandet. Die aufschiebende Wirkung der Beanstandung nach § 74 Abs. 2 Satz
2 i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 2 HGO galt jedoch nur bis zur Erhebung der gegen die
Beanstandung gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt -- V/2 E
2759/88 --. Die Beanstandung eines Beschlusses der Gemeindevertretung durch
den Magistrat oder den Bürgermeister stellt nach der ständigen Rechtsprechung
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs einen Verwaltungsakt dar (vgl. Urteile
vom 10.12.1974 -- II OE 36/74 --, HessVGRspr. 1976, 1; und vom 15.01.1980 -- II
OE 70/78 --). Da durch Bundesgesetz nichts anderes vorgeschrieben ist, hat die
hiergegen erhobene Klage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung,
sofern nicht gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 die sofortige Vollziehung der Beanstandung
angeordnet worden ist (vgl. Schlempp, HGO, Stand: November 1988, § 63 Anm. VI
und VII). Letzteres war hier nicht der Fall. Die aufschiebende Wirkung der
Beanstandung nach Landesrecht endete damit Kraft vorrangigen Bundesrechts
mit dem Eingang der Klageschrift vom 14.11.1988 beim Verwaltungsgericht (vgl.
§§ 81 Abs. 1 Satz 1, 90 Abs. 1 VwGO). Ob der beanstandete Haushaltsbeschluß
das Recht verletzt, spielt entgegen der Auffassung des Antragsgegners im
vorliegenden Fall keine Rolle. Darauf wäre es nur angekommen, wenn der
Bürgermeister die sofortige Vollziehung seiner Beanstandung angeordnet hätte.
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Bürgermeister die sofortige Vollziehung seiner Beanstandung angeordnet hätte.
Nur dann hätte vorab in einem auf die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung der gegen die Beanstandung erhobenen Klage gerichteten Verfahren
nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Rechtmäßigkeit der Beanstandung und damit
auch die Rechtmäßigkeit des beanstandeten Beschlusses überprüft werden
müssen.
Gleichwohl hat der auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtete Antrag
keinen Erfolg, denn die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß ihr
unzumutbare, auch durch ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht mehr
ausgleichbare Nachteile entstünden, wenn der Vertrag mit dem Diakonischen
Werk nicht mehr im laufenden Haushaltsjahr abgeschlossen würde. Eine
entsprechende Vereinbarung könnte auch noch im Jahre 1989 getroffen werden.
Umstände, aus denen sich schließen ließe, daß das Diakonische Werk dann nicht
mehr zu einem Vertragsabschluß bereit sein könnte, sind nicht erkennbar. Die
Antragstellerin hat es auch selbst in der Hand, durch Aufnahme eines
entsprechenden Haushaltstitels in den Haushaltsplan 1989 die Voraussetzungen
für einen Vertragsabschluß im kommenden Jahr zu schaffen. Die Stadt B erhielte
zwar dann im laufenden Haushaltsjahr keine Zuschüsse von dritter Seite. In den
Genuß solcher Zuschüsse käme sie jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach auch
dann nicht mehr, wenn der Vertrag mit dem Diakonischen Werk noch im Jahre
1988 abgeschlossen würde. Es erscheint nahezu ausgeschlossen, daß die soziale
Beratungsstelle noch vor Jahreswechsel ihre Arbeit aufnehmen und Aufwendungen
verursachen könnte, die Voraussetzung für die Bewilligung von Zuschüssen sind.
Ob die Antragstellerin solche finanziellen Interessen überhaupt als eigene geltend
machen könnte, braucht bei dieser Sachlage nicht entschieden zu werden.
3. Der mit Schriftsatz vom 06.09.1988 gestellte Hilfsantrag, der nach dem
Schriftsatz vom 18.11.1988 aufrechterhalten bleiben soll, ist mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn die Feststellung, daß die gegen die
Beanstandung des Bürgermeister der Stadt B vom 24. Juli 1987 erhobene Klage
aufschiebende Wirkung hat -- die aufschiebende Wirkung der Beanstandung also
mit Erhebung der Klage entfallen ist --, nützt der Antragstellerin nichts, weil der
Antragsgegner weder bereit noch verpflichtet ist, den Haushaltsplan 1987 oder auf
seiner Grundlage die von der Antragstellerin gefaßten Sachbeschlüsse zu
verwirklichen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.