Urteil des HessVGH vom 09.08.1990

VGH Kassel: gemeinde, genehmigung, landesplanung, raumordnung, pflege, bindungswirkung, hessen, bewirtschaftung, landschaft, karte

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 253/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 28 Abs 2 GG, § 233 Abs
4 BauGB, § 1 Abs 4 BBauG,
§ 6 Abs 2 BBauG, § 8 LPlG
HE
(Prüfungsumfang im Verfahren zur Genehmigung eines
Flächennutzungsplans)
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Genehmigung der 13.
Änderung ihres Flächennutzungsplans.
Die Gemeindevertretung der Klägerin beschloß in ihrer Sitzung vom 09.02.1983
die Aufstellung der 13. Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde.
Danach ist vorgesehen, im Ortsteil R., südlich anschließend an das Baugebiet "Am
P. Bebauungsplan-Nr. 13, die Parzellen Flur ..., Flurstücke ..., ..., ..., ... und ...,
jeweils teilweise, sowie ... als Wohnbauflächen darzustellen. Das von der Änderung
betroffene Gebiet war in dem von der Hessischen Landesregierung mit Beschluß
vom 28.11.1978 festgestellten Raumordnungsplan für die Planungsregion
Osthessen (StAnz. 1979, 397 ff) als Gelbfläche (Gebiet, in dem eine
Bewirtschaftung oder Pflege der Grundstücke sicherzustellen ist) dargestellt. In
dem von der hessischen Landesregierung am 12.07.1988 beschlossenen
Regionalen Raumordnungsplan Nordhessen - RROPN - (StAnz. 1988, 2019 ff) ist es
im Südteil der Karte "Siedlung und Landschaft" wiederum als Gelbfläche (Gebiet
landwirtschaftlicher Nutzung und Pflege) dargestellt. Im Anhörungsverfahren wies
u.a. das Amt für Landwirtschaft und Landentwicklung darauf hin, daß die zur
Änderung vorgesehene Fläche im Regionalen Raumordnungsplan als Gelbfläche
dargestellt sei und der Regierungspräsident in Kassel machte geltend, daß gegen
eine Änderung des Flächennutzungsplans nur dann keine Bedenken bestünden,
wenn eine kenntlich gemachte Fläche als Wohnbaufläche aus dem
Flächennutzungsplan herausgenommen werde.
Am 18.01.1984 beschloß die Gemeindevertretung der Klägerin die 13. Änderung
des Flächennutzungsplans und setzte sich über die erhobenen Bedenken hinweg.
Mit am 23.02.1984 bei dem Regierungspräsidenten in Kassel eingegangenem
Antrag begehrte die Klägerin die Erteilung der Genehmigung für diese Änderung.
Der Regierungspräsident in Kassel versagte mit Bescheid vom 07.05.1984 die
Genehmigung mit der Begründung, die Darstellung zusätzlicher Wohnbauflächen
widerspreche den Zielen der Raumordnung und Landesplanung gemäß § 1 Abs. 4
BBauG, wie sie in dem Regionalen Raumordnungsplan für die Planungsregion
Osthessen dargestellt seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.1984 Widerspruch erhoben und zur
Begründung geltend gemacht, die in den bisherigen Bebauungsplänen
ausgewiesenen Bauflächen seien erschöpft. Die Gemeinde besitze nur noch vier
nicht verkaufte Bauplätze. In den letzten Jahren habe es eine starke
Baulandnachfrage für den Ortsteil R. gegeben, der noch anhalte. Die zur Änderung
vorgesehene Fläche umfasse etwa 16 Bauplätze und entspreche damit in
angemessener Weise dem zu erwartenden Bedarf.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.1984 wies der Regierungspräsident in Kassel
den Widerspruch der Klägerin unter Bestätigung seines Ablehnungsbescheides
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den Widerspruch der Klägerin unter Bestätigung seines Ablehnungsbescheides
zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.11.1984 bei dem Verwaltungsgericht Kassel
Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, der vorgesehenen Änderung des
Flächennutzungsplans stünden die Feststellungen des Regionalen
Raumordnungsplans nicht entgegen. Derartige Pläne entfalteten gegenüber der
dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 GG zuzurechnenden
Planungshoheit keine Wirkung, weil sie nicht als Gesetze, Rechtsverordnungen
oder Satzungen erlassen würden. Es bedürfe jedoch eines Gesetzes, um diesen
originären Bereich der Selbstverwaltung einzuschränken. Selbst wenn der hier
maßgebliche Regionale Raumordnungsplan für sie von bindender Wirkung wäre,
stünden seine Festsetzungen der vorgesehenen Planänderung nicht entgegen,
denn die Darstellung als Gemeinde mit Eigenentwicklung werde durch die Lage des
Ortsteiles R. in einem Entwicklungsband zweiter Ordnung verdrängt. Die
Darstellung zentraler Orte und Entwicklungsbänder bedeute, daß die Entwicklung
der gekennzeichneten Orte gerade nicht bei der sogenannten Eigenentwicklung
stagnieren solle. Sie benötige auf der Ebene der Flächennutzungsplanung
genügend "Manövriermasse", weil gerade in Nord- und Osthessen wegen der
verhältnismäßig geringen Baulandpreise vor Aufstellung eines Bebauungsplans die
Verkaufsbereitschaft der jeweiligen Grundstückseigentümer "ausgelotet" werden
müsse, um damit überflüssig werdende Enteignungs- und Baugebotsverfahren zu
vermeiden.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung der Bescheide des Regierungspräsidenten in Kassel vom
07.05.1984 und 19.09.1984 den Beklagten zu verpflichten, die 13. Änderung des
Flächennutzungsplans zu genehmigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und
ergänzend ausgeführt, die Angriffe der Klägerin gegen die Wirksamkeit des
Regionalen Raumordnungsplans gingen fehl. Die gemeindliche Planungshoheit sei
den kreisangehörigen Gemeinden in Hessen erst 1961 durch das
Bundesbaugesetz verliehen worden, so daß schon von daher die Auffassung der
Klägerin über die Verletzung ihrer Planungshoheit unzutreffend sei.
Durch Gerichtsbescheid vom 19.12.1985 hat das Verwaltungsgericht die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe die
Genehmigung der Änderung des Flächennutzungsplans zu Recht wegen Verstoßes
gegen § 1 Abs. 4 BBauG versagt. Das Planungsermessen der Gemeinde sei durch
bestimmte Wertvorstellungen des Gesetzgebers, die dieser in § 1 Abs. 4, 5, 6 und
7 BBauG festgelegt habe, eingeengt, wodurch das nur im Rahmen der Gesetze
garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde nicht verletzt werde.
Verbindliche Ziele der Raumordnungs- und Landesplanung, bei denen bereits auf
der Ebene der Landesplanung eine spezielle überörtliche Abwägung unter
Einschluß kommunaler Vertreter stattfinde und die insoweit landesplanerische
Letztentscheidungen darstellten, hätten zur Folge, daß sich die Gemeinden im
Wege der bauleitplanerischen Abwägung nicht über diese Zielsetzung
hinwegsetzen könnten. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht sei durch das
Landesraumordnungsprogramm und Regionale Raumordnungspläne in zulässiger
Weise beschränkbar, wobei auch nicht in förmliche Gesetze gekleidete Planziele für
die Gemeinden verbindlich seien. Dies folge daraus, daß das Gesetz über die
Feststellung des Hessischen Landesplanungsprogramms und zur Änderung des
Hessischen Landesplanungsgesetzes ein zulässiges Einschränkungsgesetz im
Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG sei, das lediglich durch den Raumordnungsplan für
das jeweilige Gebiet konkretisiert werde. Die Ziele der Raumordnung seien in dem
Raumordnungsplan Osthessen hinreichend konkret, klar und verständlich
dargestellt und entfalteten für die Klägerin Bindungswirkung. Über diese
Bindungswirkung habe sie sich hinweggesetzt, indem sie ein Gebiet, in dem die
Bewirtschaftung und Pflege der Grundstücke als Teil freier Landschaft
sicherzustellen sei, als Siedlungsgebiet darstelle. Nach dem Raumordnungsplan
Osthessen, sei die hier in Rede stehende Fläche ein Gebiet, in dem sich der
Siedlungsflächenbedarf aus der eigenen Entwicklung der Gemeinde ergebe. Der
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Siedlungsflächenbedarf aus der eigenen Entwicklung der Gemeinde ergebe. Der
Klägerin sei es daher verwehrt, neue Wohnbauflächen auszuweisen, weil ihr noch
ausreichend Siedlungsfläche zur Wohnbebauung zur Verfügung stehe.
Gegen das ihr am 03.01.1986 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23.01.1986
Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Regionalen Raumordnungspläne in
Hessen enthielten keine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende
Konkretisierung. Es fehle an einer Regelung, welche Ziele einer Bindungswirkung
fähig sein sollen. Selbst wenn der hier maßgebliche Regionale Raumordnungsplan
ihr gegenüber verbindlich wäre, verstoße die Ablehnung der Genehmigung gegen
den Grundsatz des Übermaßverbotes. Es sei ausschließlich Sache der
innerörtlichen Entscheidung der Gemeinde, welcher Gemeindeteil gefördert oder
welcher andere Gemeindeteil im Rahmen einer Eigenentwicklung belastet werden
solle. Die Regionalplanung mische sich hier in unzulässiger Weise in innerörtliche
Kompetenzen der Gemeinde ein. Entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts handele es sich bei dem Regionalen Raumordnungsplan nicht
um eine landesplanerische "Letztentscheidung". Der Regionale Raumordnungsplan
ziele seinem Wesen nach auf überörtliche Planung. Die der Realisierung des
Regionalen Raumordnungsplans nächste Ebene dürfe jedoch höchstens die
Gemeindeebene, nicht jedoch die Ortsteilsebene sein. Es müsse dem
gemeindlichen Planungsermessen überlassen sein, wie die zu beachtenden Ziele
unter Wahrung der substanziellen Aussagen gestaltet werden sollen. Der
Regionale Raumordnungsplan treffe keine Festsetzungen, die die Versagung der
Genehmigung rechtfertigten. Danach seien nämlich dort, wo sich weitere
Siedlungsflächen als notwendig erwiesen, diese im unmittelbaren Anschluß an die
im Zusammenhang bebauten Flächen auszuweisen. Hier habe sich herausgestellt,
daß noch ein weiterer derartiger Siedlungsbedarf bestehe.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Kassel vom 19.12.1985 - II/1 E
2046/84 - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide des
Regierungspräsidenten in Kassel vom 07.05.1984 und 19.10.1984 zu verpflichten,
die 13. Änderung des Flächennutzungsplans zu genehmigen.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer
gegenseitigen Schriftsätze Bezug verwiesen.
Die die 13. Änderung des Flächennutzungsplans der Klägerin betreffenden
Verwaltungsvorgänge der Klägerin (1 Hefter) und des Beklagten (1 Hefter) waren
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die
Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Genehmigung für die
13. Änderung des Flächennutzungsplans. Der. Beklagte hat sie gemäß §§ 233 Abs.
3 BauGB, 6 Abs. 2 BBauG zu Recht versagt, denn der Flächennutzungsplan
widerspricht den Vorschriften des BBauG. Die Darstellung des Wohnbaugebietes in
dem geänderten Flächennutzungsplan steht im Widerspruch zu dem durch die
Hessische Landesregierung am 12.07.1988 festgestellten - RROPN -, der diese
Fläche als Gebiet landwirtschaftlicher Nutzung und Pflege darstellt. Damit verstößt
die vorgesehene Änderung des Flächennutzungsplans gegen § 1 Abs. 4 BBauG,
wonach die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung und Landesplanung
anzupassen sind. Diese Vorschrift enthält ein Gebot zu dauerhafter materieller
Übereinstimmung der Bauleitplanung mit den Zielen der Raumordnung und
Landesplanung und erfaßt sowohl den in der Aufstellung begriffenen Bauleitplan
als auch die Änderung und Neuaufstellung bestehender Bauleitpläne (vgl. Ernst-
Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Lfg. Oktober 1989, § 1 Rdnr. 49; VGH Bad.-Württ.,
Urteil vom 28.03.1980, DÖV 1981, 269 <270.>).
Gegen die Regelung des § 1 Abs. 4 BBauG bestehen im Hinblick auf Art. 28 GG
keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Garantie der gemeindlichen
Selbstverwaltung besteht nur im Rahmen der Gesetze und beschränkt sich auf
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Selbstverwaltung besteht nur im Rahmen der Gesetze und beschränkt sich auf
örtliche Angelegenheiten. Der Aufgabenbereich, der von der Gemeinde
selbstverantwortlich zu erledigen ist, kann durch gesetzliche Regelungen
eingeschränkt werden, sofern der Wesensgehalt der gemeindlichen
Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt wird. Diese Grenze der zulässigen
Einschränkung ist nicht überschritten, wenn der gemeindlichen Planung aus
Gründen der Raumordnung und Landesplanung und damit aus überörtlichen
Gesichtspunkten ein Rahmen gesteckt wird. § 1 Abs. 4 BBauG geht somit
verfassungskonform davon aus, daß der Befugnis der Gemeinden zur
eigenverantwortlichen Erledigung der Aufgaben der Bauleitplanung die
Einschränkung zur Beachtung der Raumordnung und Landesplanung immanent
ist.
Die Bindung nach § 1 Abs. 4 BBauG hängt nicht davon ab, in welcher Rechtsform
die Ziele der Raumordnung und Landesplanung ergehen. Die Bindungswirkung
ergibt sich vielmehr aus Abs. 4, der auch die gesetzliche Grundlage zur
Begrenzung der gemeindlichen Selbstverwaltung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG
ist (vgl. Schlichter, Berl. Komm. z. BauGB, § 1 Rdnr. 28). Der Senat vermag der
Auffassung, Raumordnungsprogramme und Raumordnungspläne seien nur dann
verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie zumindest aufgrund einer den
Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 GG genügenden Ermächtigung im
Verordnungswege festgelegt worden seien (vgl. Brügelmann/Grauvogel, BBauG,
42. Lfg., § 41 Rdnr. 83) nicht zu folgen. Allerdings stellen die Regelungen eines
Raumordnungsplanes, sofern sie durch Beschluß eines Ministers festgestellt
werden, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "Gesetze" im
Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG und § 91 BVerfGG dar, denn als "Gesetz" im
Sinne dieser Vorschriften seien alle vom Staat erlassenen Rechtsnormen
anzusehen, die Außenwirkung gegenüber einer Kommune entfalteten. Dies gelte
nicht nur für Rechtsverordnungen, sondern "gleichermaßen auch für alle anderen
Arten vom Staat erlassener Rechtsnormen, weil auch bei ihnen der maßgebliche
Gesichtspunkt zutrifft, daß anderenfalls eine mit der Rechtsschutzgarantiefunktion
der Kommunalverfassungsbeschwerde unvereinbare Lücke entstünde" (vgl.
BVerfG, Beschluß vom 23.06.1987 - 2 BvR 826/83 -, DVBl. 1988, 41, 42). Der aus
Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Rechtsschutzgarantie wird nach Ansicht des Senats
dadurch Rechnung getragen, daß die Gemeinden die in einem Raumordnungsplan
getroffenen Ergebnisse in einem anderen Verfahren, insbesondere wie hier - in
einem Bauleitplanverfahren überprüfen lassen können (vgl. Ernst, Zinkahn,
Bielenberg, a.a.O., § 1 Rdnr. 92).
Ziele der Raumordnung und der Landesplanung stellen eine landesplanerische
"Letztentscheidung" dar, die aufgrund einer überörtlichen Abwägung unter
Mitwirkung kommunaler Vertreter (§§ 13, 14 HLPG) getroffen wird. Sie hat zur
Folge, daß die festgesetzten landesplanerischen Ziele nicht mehr der erneuten
Abwägung durch die Gemeinden unterliegen, sondern ihr entzogen sind (vgl.
Ernst-Zinkahn-Bielenberg, a.a.O., § 1 Rdnr. 57; Brügelmann, Grauvogel, a.a.O., § 1
Rdnr. 105; Cholewa, Dyong, Heide, Arenz, Raumordnung in Bund und Ländern, § 5
Rdnr. 75; Bielenberg, Erbguth, Söfker, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht
des Bundes und der Länder, K § 5 Rdnr. 99). Die jeweilige Planungsebene hat sie
als Ergebnis in ihre Planung einzustellen und zu befolgen (VGH Bad.-Württ., a.a.O.,
S. 271). Der Regionale Raumordnungsplan für die Planregion Osthessen ist gemäß
§ 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 HLPG u.a. für die von ihm betroffenen Gemeinden und
damit auch für die Klägerin verbindlich. Er weist das hier zur Änderung
vorgesehene Gebiet des Flächennutzungsplans als Gelbfläche und damit als ein
Gebiet, in dem die Bewirtschaftung oder Pflege der Grundstücke sicherzustellen
ist, aus. Zwar unterliegen die im Regionalen Raumordnungsplan festgestellten
Ziele nicht mehr der erneuten Abwägung der Gemeinde, dennoch ist die Klägerin
insoweit auch im vorliegenden Verfahren nicht rechtsschutzlos, denn ob die Ziele
des Regionalen Raumordnungsplans in einem ordnungsgemäßen Verfahren
durchgeführt worden sind und auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen
genügen obliegt der Überprüfung durch den Senat.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat die Klägerin keine Einwendungen gegen den
Regionalen Raumordnungsplan erhoben; da sich insoweit auch sonst keine
Anhaltspunkte ergeben, bedarf dieser Punkt keiner weiteren Überprüfung.
Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Feststellung der von der Klägerin
angegriffenen Gelbfläche nicht zu beanstanden. Dabei ist allerdings vorab darauf
hinzuweisen, daß bei einer Planungsentscheidung der vorliegenden Art dem
Normgeber letztlich eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz
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Normgeber letztlich eine Gestaltungsbefugnis und damit die Kompetenz
eingeräumt ist, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfG,
a.a.O., S. 44). Maßstab für die vom Gericht vorzunehmende Prüfung sind - wie
auch bei anderen Planungsentscheidungen -, die Grundsätze des
Abwägungsgebotes. Was die Klägerin für eine Verletzung dieses Gebots vorträgt,
ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Regionalen Raumordnungsplanes für
den hier betroffenen Bereich zu begründen. Die Klägerin begründet ihren
Wohnbauflächenbedarf damit, sie benötige auf der Ebene der
Flächennutzungsplanung genügend "Manövriermasse", um vor Aufstellung eines
Bebauungsplans die Verkaufsbereitschaft der jeweiligen Grundstückseigentümer
"auszuloten". Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Zwar ist bei der
Feststellung des Bedarfes an Wohnbauland einer Gemeinde nicht nur der konkret
feststellbare Bedarf bedeutsam, sondern auch die prognostische Einschätzung
zukünftiger Entwicklungen der Wohnbedürfnisse. Hierfür ist jedoch zunächst einmal
maßgebend, daß die künftige Entwicklung der Wohnbedürfnisse unter
Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und
methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BVerwG, Urteil vom
07.07.1978 - 4 C 79.76 -, DVBl. 1978, 845, 848) und einen Zuwachs an
Siedlungsfläche zu Lasten vorrangig für die Landwirtschaft geeigneter Flächen
rechtfertigt. Daran fehlt es jedoch, wenn - wie hier - der Bedarf an Wohnraum unter
dem Gesichtspunkt des Erhalts von "Manövriermasse" geltend gemacht wird.
Die nicht parzellenscharfe Abgrenzung der Karte "Siedlung und Landschaft" im
Maßstab 1:100.000 ist im vorliegenden Verfahren rechtlich unerheblich, denn die
hier streitige Fläche liegt eindeutig in einem Bereich, der als Gelbfläche dargestellt
ist. Durch diese zeichnerische Darstellung ist mit ausreichender Deutlichkeit das
regionalplanerische Ziel mit seinen Beachtungs- und Anpassungsverpflichtungen
festgelegt. Zu diesem Ziel steht eine Wohnbaufläche, wie sie von der Klägerin
angestrebt wird, in klarem Widerspruch und darf nicht genehmigt werden.
Wegen des insoweit deutlichen Verstoßes des Flächennutzungsplanes gegen die
Ziele des Raumordnungsplanes für die Planungsregion Osthessen kann
dahingestellt bleiben, ob er auch gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6
BBauG verstößt.
Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus Abs 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.