Urteil des HessVGH vom 28.05.1990

VGH Kassel: gewerbe, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, immaterialgüterrecht, rücknahme, beratung, leistungsfähigkeit, dokumentation, zukunft

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 UE 878/89
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 35 Abs 6 S 1 GewO, § 35
Abs 1 GewO
(Zum Anspruch auf Wiedergestattung der
Gewerbeausübung bei Unzuverlässigkeit des
Gewerbetreibenden)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Wiedergestattung einer selbständigen Gewerbeausübung,
nachdem ihm die selbständige Gewerbeausübung wegen Schulden gegenüber
verschiedenen öffentlichen Gläubigern und daher angenommener
gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit bestandskräftig untersagt worden war.
Mit Bescheid vom 30. September 1987 lehnte der Regierungspräsident in K den
Antrag des Klägers vom 3. April 1987 mit der Begründung ab, der Kläger habe
nach wie vor bei verschiedenen öffentlichen Gläubigern Schulden und sei weiterhin
gewerberechtlich unzuverlässig.
Der Widerspruch dagegen und die vom Kläger am 25. November 1988 bei dem
Verwaltungsgericht Kassel erhobene Klage hatten keinen Erfolg.
Gegen den ihm am 9. Februar 1989 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger
am 9. März 1989 Berufung eingelegt, die er nicht begründet hat. Einen formellen
Antrag hat er nicht gestellt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er teilt mit, die finanzielle Leistungsunfähigkeit des Klägers bestehe fort. Dies folge
daraus, daß der Kläger am 21. November 1989 die eidesstattliche Versicherung
abgegeben habe. Der Beklagte legt den Schuldenstand des Klägers bei den
einzelnen Gläubigern dar. Im übrigen, so führt der Beklagte weiter aus, übe der
Kläger ein Gewerbe derzeit nicht mehr aus, denn nach Rücknahme der Eintragung
in die Handwerksrolle habe er seinen Gewerbebetrieb abgemeldet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt
der den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Regierungspräsidenten in K
(2 Hefter), die beigezogen und zum Gegenstand der Beratung gemacht worden
sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts
Kassel vom 31. Januar 1989 ist zulässig, aber nicht begründet, weil das
Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, denn dem Kläger steht ein
Anspruch auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung gemäß § 35 Abs. 6 der
Gewerbeordnung (GewO) derzeit nicht zu.
Nach § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO ist dem Gewerbetreibenden von der zuständigen
Behörde aufgrund eines an diese zu richtenden schriftlichen Antrages die
11
Behörde aufgrund eines an diese zu richtenden schriftlichen Antrages die
persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die
Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1
GewO bei dem betroffenen Gewerbetreibenden nicht mehr vorliegt. Der
Antragsteller muß also die Gewähr dafür bieten, daß er das Gewerbe in Zukunft
ordnungsgemäß ausüben wird. Er muß also willens und in der Lage sein, die im
öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung des Gewerbes zu
gewährleisten. Die Entscheidung, ob Unzuverlässigkeit nicht mehr vorliegt, ist Tat-
und Rechtsfrage und von den Gerichten in vollem Umfang nachprüfbar. Da es sich
um eine Verpflichtungsklage handelt, ist Beurteilungszeitpunkt -- anders als in
Verfahren, in denen es um die Gewerbeuntersagung geht, (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.
Februar 1982, 1 C 17.79, DVBl. 1982, 698) -- die letzte mündliche Verhandlung bei
Gericht. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so besteht ein Rechtsanspruch auf
Wiedergestattung. Es kommt mithin vorliegend darauf an, ob die den damaligen
Untersagungsbescheid tragenden Untersagungsgründe noch fortbestehen oder
inzwischen entfallen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. November 1967, I C 43.67, DÖV
1968, 216). Der Untersagungsgrund der mangelnden wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit ist nicht mehr aktuell, wenn ein Antragsteller inzwischen in
geordneten Vermögensverhältnissen lebt; dasselbe gilt für die Unzuverlässigkeit
aus steuerrechtlichen Gründen, wenn ein Antragsteller die Rückstände inzwischen
abgebaut und Abzahlungsvereinbarungen eingehalten hat. Dies alles ist im Falle
des Klägers jedoch nicht so. Der Kläger ist vielmehr weiterhin wirtschaftlich
leistungsunfähig. Die Vermögensverhältnisse des Klägers sind bislang noch
keineswegs geordnet. Der Kläger hat in der zurückliegenden Zeit seine
Vermögenslosigkeit versichert. Der Kläger hat auch seine Steuerrückstände bei
dem Finanzamt nicht abgebaut. Es besteht auch nicht der geringste Anhalt dafür,
daß etwaige Ratenzahlungsvereinbarungen gegebenenfalls von dem Kläger
überhaupt eingehalten werden könnten. Um eine Wiedergestattung der
Gewerbeausübung zu erreichen, müßte sich der Kläger vielmehr zuvor mit Erfolg
bemühen, seine Vermögensverhältnisse zu ordnen. Um seine Bereitschaft zu
zeigen, im gewerberechtlichen Sinne künftig nicht unzuverlässig zu sein, wäre es
für den Kläger zudem äußerst tunlich gewesen, mit seinen Gläubigern
Zahlungsvereinbarungen zu treffen und seine auch noch heute ausstehenden
Zahlungen für die zurückliegenden Jahre nachzuholen. All dies hat der Kläger aber
bislang nicht getan.
Daß der Kläger auch weiterhin als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen ist,
dafür sprechen die unveränderten Zahlungsrückstände bei dem Finanzamt und
bei der AOK sowie die inzwischen neu entstandenen Rückstände -- der
Regierungspräsident hatte nach Abschluß des Gewerbeuntersagungsverfahrens
für kurze Zeit die Gewerbeausübung durch den Kläger geduldet -- bei dem
Finanzamt (2.489,-- DM), der Berufsgenossenschaft (1.830,-- DM) und bei der
Handwerkskammer (1.339,-- DM). Selbst diese verhältnismäßig niedrigen
Schulden, deren Höhe der Beklagte im Termin vom 28. Mai 1990 unwidersprochen
mitgeteilt hat, vermag der Kläger also nicht einmal zu tilgen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.