Urteil des HessVGH vom 08.01.1992

VGH Kassel: bebauungsplan, öffentliche bekanntmachung, rechtlich geschütztes interesse, gemeinde, privates interesse, chronik, ausnahme, normenkontrolle, erhaltung, vergleich

1
2
3
4
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 N 1880/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 9 Abs 1 Nr 11 BauGB
(Festsetzung nichtöffentlicher landwirtschaftlicher
Verkehrsflächen durch Bebauungsplan)
Tatbestand
Der Antragsteller ist Landwirt und u. a. Eigentümer des Hofreitengrundstücks Flur
3, Flurstück 41/2 (alt), nunmehr Flurstück 90 (neu) in der Gemarkung B. Das
Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Ortsmitte B der
Gemeinde H von 1980. Der Bebauungsplan enthält hier die Festsetzungen MD,
GRZ 0,4, GFZ 0,7, II o. Zugleich setzt der Bebauungsplan Baugrenzen fest, die mit
einigen Abweichungen der vorhandenen Hofreitenbebauung des Antragstellers
entsprechen. In Nr. 8 Satz 1 der Festsetzungen in Textform heißt es: "Im Wege der
Ausnahme sind für landwirtschaftliche Betriebe im Bereich der nicht überbaubaren
Fläche Wirtschaftsgebäude zulässig, wenn nachgewiesen wird, daß auf den
vorhandenen Grundstücken keine Wirtschaftsgebäude mehr errichtet werden
können."
Nördlich des Grundstücks des Antragstellers ist im Bebauungsplan teilweise die 5
m breite neue Wegeparzelle 87 als landwirtschaftlicher Weg ausgewiesen, die
weiter östlich außerhalb des Plangebiets liegende Hofanschlußgrundstücke des
Antragstellers berührt. Südlich des in der Flurbereinigung entstandenen neuen
Flurstücks 90 liegt der nach dem Bebauungsplan über das alte Flurstück 41/2 des
Antragstellers verlaufende St.-E - Weg, der von alters her zum Hospital St.-E führt.
Am 12.07.1977 erfolgte der Beschluß der Gemeindevertretung über die
Aufstellung des streitbefangenen Bebauungsplans. Daran schloß sich die
Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans in der Zeit vom 23.04.1979 bis
24.05.1979 an. Um diese Zeit erhob der Antragsteller mit Schreiben vom
05.04.1979, 03.05.1979 und 07.05.1979 Bedenken und Anregungen, die sich im
wesentlichen mit der Wegeführung der neuen Parzelle 87 und des St.-E - Wegs
befaßten. Wegen der vorgesehenen Grundflächenzahl, der Geschoßflächenzahl
und der Baugrenzen brachte der Antragsteller zu dieser Zeit keine Einwände vor.
Der Beschluß der Gemeindevertretung über die Bedenken und Anregungen des
Antragstellers erfolgte ebenso wie der Satzungsbeschluß über den Bebauungsplan
am 05.06.1979. Der Regierungspräsident in K genehmigte den Bebauungsplan mit
Verfügung vom 31.03.1980. In Übereinstimmung mit § 10 Abs. 1 und 5 der
Hauptsatzung der Gemeinde H vom 12.07.1977 in der Fassung des I. Nachtrags
vom 13.12.1977 schloß sich daran die öffentliche Bekanntmachung der
Genehmigung im "Mitteilungsblatt für die Gemeinde H" vom 18.04.1980 ebenso an
wie die zusätzlich erfolgte öffentliche Auslegung des genehmigten
Bebauungsplans in der Zeit vom 18.04.1980 bis 19.05.1980.
Als Teilnehmer der nach den §§ 1, 37 FlurbG durchgeführten
Flurbereinigungsverfahren H-B und H-Ha klagte der Antragsteller erfolglos gegen
die Landabfindung und die Veränderung seines Hofreitengrundstücks und seiner
Hofanschlußgrundstücke. Die entsprechende Klage des Antragstellers wies der
Hessische Verwaltungsgerichtshof als Flurbereinigungsgericht mit rechtskräftigem
Urteil vom 18.05.1988 - F 448/85 - ab. Das beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof zuvor anhängig gewesene
5
6
7
8
9
10
11
12
Verwaltungsgerichtshof zuvor anhängig gewesene
Flurbereinigungsgerichtsverfahren F 7/82, in dem es um die Klage des
Antragstellers gegen die vorläufige Besitzeinweisung in Grundstücksflächen der
neuen Wegeparzelle Flurstück 87 ging, ist durch Vergleich vom 14.05.1982
beendet worden. In diesem Vergleich verpflichtete sich das Land Hessen, das
Wegegrundstück 87 bis zur Rechtskraft des Flurbereinigungsverfahrens gegenüber
dem Kläger, d. h. dem Antragsteller dieses Normenkontrollverfahrens, nicht
auszubauen, soweit klägerischer Altbesitz davon betroffen werde.
Mit dem am 16.07.1987 gestellten Normenkontrollantrag macht der Antragsteller
geltend, die planerisch festgesetzten Baugrenzen auf seinem Flurstück 90 (neu)
beeinträchtigten die Grundstücksausnutzung so stark, daß er die als Höchstmaß
festgesetzte Grundflächenzahl von 0,4 nicht ausnutzen könne. Zum östlich
gelegenen neuen Flurstück 89 hin liege die Baugrenze überdies so nah an der
gemeinsamen Grundstücksgrenze, daß entgegen § 7 HBO 1978 nur ein Abstand
von einem Meter zur Nachbargrenze gewahrt werde. Der Antragsteller begehrt
darüber hinaus die Verlegung des St.-E -Weges weiter nach Süden an den M
graben heran, um zusätzliche Abstellflächen für seine Fahrzeuge zu erhalten.
Schließlich rügt er, daß die nördlich gelegene Wegeparzelle 87 seine bisher mit der
Hofreite zusammenhängenden Hofanschlußflächen zerschneide, was zusätzliche
Kosten für Einfriedigungen und Tore nach sich ziehe und den Viehtrieb erschwere.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der Normenkontrolle festzustellen, daß der Bebauungsplan Ortsmitte B
der Gemeinde H nichtig ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie vor, der Normenkontrollantrag sei grundsätzlich
statthaft, aber wegen eines fehlenden Nachteils des Antragstellers unzulässig. Zur
geltend gemachten Einschränkung durch Baugrenzen weist die Antragsgegnerin
auf Nr. 8 der zum Bebauungsplan gehörenden Festsetzungen in Textform hin,
wonach im Bereich der nicht überbaubaren Fläche für landwirtschaftliche Betriebe
im Wege der Ausnahme Wirtschaftsgebäude zulässig seien, wenn nachgewiesen
werde, daß auf den vorhandenen Grundstücken keine Wirtschaftsgebäude mehr
errichtet werden können. Was die nicht in vollem Umfang mögliche Ausnutzung
der Grundflächenzahl von 0,4 anbelange, sei zu berücksichtigen, daß das frühere
Flurstück 41/2 des Antragstellers im Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Bebauungsplans mit 1756 qm kleiner gewesen sei als das jetzige Flurstück 90 mit
1864 qm. Nehme man darüber hinaus in den Blick, daß der von alters her als
Wegefläche genutzte St.-E-Weg dem früheren Flurstück 41/2 ohnehin nicht als
Baufläche zur Verfügung gestanden habe, ergebe sich mit 537,75 qm potentiellen
Baulands eine nahe an 0,4 heranreichende maximale Ausnutzbarkeit des
Grundstücks innerhalb der Baugrenzen von etwa 0,36 bei der GRZ. Dies bedeute,
daß bei der zugelassenen zweigeschossigen Bauweise die GFZ von 0,7 ohnehin
von Anfang an habe ausgenutzt werden können. Nehme man die
Kompensationsmöglichkeit aufgrund der ausnahmsweisen zusätzlichen Zulassung
landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude gemäß der Textziffer 8 des
Bebauungsplans hinzu, könne insgesamt von einer Einschränkung der
Bebauungsmöglichkeiten nicht gesprochen werden. Es fehle insgesamt an einem
Nachteil durch den Bebauungsplan, weil der Antragsteller nach § 34 BauGB keine
größere bauliche Ausnutzung der Grundstücksflächen erreichen könne.
Der nördliche Wirtschaftsweg auf dem Flurstück 87 stelle keinen Nachteil, sondern
wegen des westlichen Straßenanschlusses einen Vorteil dar. Der von alters her als
öffentliche Verkehrsfläche dienende St.-E-Weg im Süden sei einer Bebauung schon
immer entzogen gewesen, so daß die entsprechende planerische Festsetzung
keinen Nachteil durch den Plan darstelle. Der Flächenverlust sei im
Flurbereinigungsverfahren abgegolten worden. In diesem Verfahren sei es sogar zu
einer Mehrzuteilung von über 100 qm an den Antragsteller gekommen. Der Weg
sei inzwischen voll ausgebaut. Es sei naturschutzrechtlich abwegig, daß der
Antragsteller ihn an den mit Erlen bepflanzten Uferbereich des sich südlich
befindenden Mühlgrabens verlegt haben wolle. Insgesamt liege eine gerechte
Abwägung vor, die der Antragsteller nicht mit Erfolg angreifen könne.
Dem Senat liegt der streitbefangene Bebauungsplan mit drei Heftern
Aufstellungsunterlagen vor, darüber hinaus die Gerichtsakten des Hess. VGH F
13
14
15
16
17
18
Aufstellungsunterlagen vor, darüber hinaus die Gerichtsakten des Hess. VGH F
7/82 und F 448/85 und eine Chronik von B aus dem Jahre 1986. Diese Unterlagen
sind Gegenstand der Beratung gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die
gewechselten Schriftsätze der Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag, über den gemäß § 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO ohne mündliche
Verhandlung durch Beschluß entschieden werden kann, ist statthaft, denn der
Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen
Bebauungsplan, der nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 HessAG
VwGO der Überprüfung in einem Normenkontrollverfahren unterliegt.
Der Normenkontrollantrag ist auch sonst zulässig. In der Sache ist er gegen die
Festsetzung von Baugrenzen und die dadurch bedingte eingeschränkte
Bebaubarkeit auf dem neuen Flurstück 90 gerichtet sowie gegen die Festsetzung
zweier Wegeflächen. Der Antragsteller hat einen Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2
VwGO.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, ist
ein Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegeben, wenn der
Antragsteller durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung negativ, d. h.
verletzend, in einem Interesse betroffen wird bzw. in absehbarer Zeit betroffen
werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den Inhalt dieses
Bebauungsplans als privates Interesse des Antragstellers in der Abwägung
berücksichtigt werden mußte (BVerwG, Beschluß vom 09.11.1979 - 4 N 1.78 und 4
N 2.79 bis 4.79 - BVerwGE 59, 87, 99). Das bedeutet, daß dieses Interesse zum
notwendigen Abwägungsmaterial gehört.
Bei alledem ist insbesondere das in Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum mit
seiner Nutzung grundsätzlich als rechtlich geschütztes Interesse bzw.
abwägungserheblicher Belang anzusehen. Die überwiegend unmittelbar an die
vorhandene Bebauung des Antragstellers auf dem Flurstück 90 (früher 41/2)
planerisch herangelegten Baugrenzen stellen für den Antragsteller eine
Schlechterstellung durch den streitbefangenen Bebauungsplan dar. Er ist damit in
seinem schützenswerten Interesse an einer möglichst ungeschmälerten Erhaltung
seiner bisherigen Bauflächen in diesem Bereich beeinträchtigt. So ist nicht
auszuschließen, daß der Antragsteller ohne den Bebauungsplan unter den
Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB etwa berechtigt gewesen sein könnte,
den in West-Ost-Richtung liegenden Baukörper parallel zum St.- E-Weg nach Osten
zu verlängern, was ihm durch die planerisch festgesetzten Baugrenzen nunmehr
abgeschnitten wird. Daß der Antragsteller als Ausgleich dafür im Bereich des
nördlich versetzten Baukörpers Erweiterungsflächen zugestanden bekommen hat,
was für ihn einen Vorteil bedeutet, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich,
weil insoweit eine Saldierung von Vor- und Nachteilen nicht stattfindet (vgl. Hess.
VGH, Beschluß vom 15.02.1991 - 3 N 230/85 -). Bei der Einschränkung der
Bebaubarkeit durch die festgesetzten Baugrenzen handelt es sich insgesamt auch
deshalb um einen schutzwürdigen, abwägungserheblichen Belang, weil das
ursprünglich 1756 qm große Flurstück 41/2 auch bei Berücksichtigung der
abzuziehenden Fläche des von alters her genutzten St. E -Weges
baugrenzenbedingt einer maximalen Ausnutzung der Grundflächenzahl von 0,4
nicht zugeführt werden kann.
Ohne daß es für den dargelegten Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO darauf
noch entscheidend ankommt, sei gleichwohl angemerkt, daß sich der Antragsteller
hinsichtlich der Wegeparzelle 87 nicht mehr auf einen Nachteil durch den
streitbefangenen Bebauungsplan berufen kann, nachdem die ursprünglich
ebenfalls angefochtene Landabfindung und der damit verbundene neue Zuschnitt
seines Hofreitengrundstücks und der Hofanschlußgrundstücke
flurbereinigungsgerichtlich rechtskräftig bestimmt worden sind. Der Antragsteller
hat also nunmehr keinen Nachteil mehr deshalb, weil die als Teilstück im
Bebauungsplan festgesetzte neue Wegefläche 87, eine Abzweigung von der Von-
W-Straße, in ihrer Fortsetzung außerhalb des Plangebiets darauf hinaus lief, das
einheitliche Hofgrundstück des Antragstellers zu teilen. Weil diese Flächentrennung
und neue Grundstückszuteilung inzwischen flurbereinigungsrechtlich rechtskräftig
herbeigeführt worden ist, ist der Bebauungsplan weder im Ansatz noch in seiner
praktischen Konsequenz derzeit noch bestimmend für die jetzt vorhandene
Grundstückssituation.
Bezüglich der Festsetzung des südlich verlaufenden St.-E -Wegs als öffentliche
18
19
20
21
22
23
24
Bezüglich der Festsetzung des südlich verlaufenden St.-E -Wegs als öffentliche
Verkehrsfläche kann offenbleiben, ob der Antragsteller dadurch einen Nachteil hat,
weil wegen der den Antragsteller benachteiligenden Baugrenzen bereits ohnehin
eine inhaltliche Überprüfung des streitbefangenen Bebauungsplans vorzunehmen
ist.
Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet.
In formeller Hinsicht begegnet der streitbefangene Bebauungsplan keinen
Bedenken. Verfahrens-, insbesondere Bekanntmachungsfehler sind nicht
ersichtlich. So sind die Bedenken und Anregungen des Antragstellers mit Beschluß
der Gemeindevertretung vom 05.06.1979 im Zusammenhang mit dem
Satzungsbeschluß zurückgewiesen worden. Die öffentliche Bekanntmachung der
Genehmigung des Bebauungsplans ist in Übereinstimmung mit § 10 Abs. 1 und 5
der Hauptsatzung der Gemeinde H vom 12.07.1977 i.d.F. des I. Nachtrags vom
13.12.1977 im "Mitteilungsblatt für die Gemeinde H" vom 18.04.1980
ordnungsgemäß erfolgt. Darauf, daß anschließend zusätzlich eine öffentliche
Auslegung des genehmigten Bebauungsplans erfolgte, kam es nach § 12 BBauG
1976 (nunmehr § 12 BauGB) schon nicht mehr an.
Der Bebauungsplan leidet auch nicht an einem Abwägungsfehler (§§ 1 Abs. 7
BBauG, 233 Abs. 1 BauGB). Das Abwägungsgebot erfordert, daß eine Abwägung
überhaupt stattfindet, daß in die Abwägung alle nach Lage der Dinge zu
berücksichtigenden Belange eingestellt werden und daß weder die Bedeutung der
betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich
zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit
einzelner Belange außer Verhältnis steht (BVerwGE 34, 301, 309 sowie 47, 144,
146).
Die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials ist nicht fehlerhaft erfolgt.
Hinsichtlich der gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 BBauG i. V. m. § 23 Abs. 3 BauNVO
erfolgten Festsetzung von Baugrenzen auf dem früheren Flurstück 41/2, die im
wesentlichen den vorhandenen baulichen Hofreitenbestand des Antragstellers
umfaßt und sogar kleine Erweiterungen zuläßt, mußte sich der Antragsgegnerin
hier eine besondere Konfliktlage nicht aufdrängen. Trotz dreier Stellungnahmen
mit Schreiben vom 05.04.1979, 03.05.1979 und 07.05.1979 hatte der
Antragsteller gegen die Baugrenzen keinerlei Bedenken und Anregungen
vorgebracht, sondern sich auf die nördlich und südlich gelegenen Wegeparzellen
des Flurstücks 87 und des St.-E -Wegs beschränkt. Mithin konnte es auch die
Antragsgegnerin bei der Zurückweisung der Bedenken und Anregungen dabei
bewenden lassen, nur auf das geltend gemachte Vorbringen des Antragstellers
einzugehen, was geschehen ist.
Das Abwägungsergebnis ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Festsetzung der
Baugrenzen auf dem früheren Flurstück 41/2 ist zulässig und stellt keine
unangemessene Einschränkung der Bebaubarkeit dieses Grundstücks dar.
Die Baugrenzen auf dem Hofreitengrundstück des Antragstellers, die den
vorhandenen Baubestand mit geringen Erweiterungsmöglichkeiten im
wesentlichen festschreiben, sind aus städtebaulichen, insbesondere
städtebauhistorischen und stadtgestalterischen Gründen gerechtfertigt, das heißt
vernünftigerweise geboten (vgl. dazu Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 6.
Aufl. 1990, § 23 Rdnr. 4 und BVerwG, Urteil vom 30.04.1969 - IV C 6.68 - NJW 1969,
1868 = BRS 22 Nrn. 3). In der Begründung zum Bebauungsplan ist dazu bei den
planerischen Zielen darauf hingewiesen worden, daß die vorhandene
Bebauungsstruktur in Art und Maß der baulichen Nutzung festgeschrieben und
eine bauliche Nutzung der Freiflächen eingeschränkt werden solle, um den
Dorfcharakter, den Dorfgrundriß und die kleinmaßstäbliche und durch wechselnde
Trauf- und Giebelstellung der Häuser geprägte bauliche Struktur zu erhalten. Dazu
hatte schon das Landesamt für Denkmalpflege in W in einer früheren
Stellungnahme vom 31.03.1976 ausgeführt, das sich durch die Tallage mit der
weitgehend erhaltenen historischen Bebauung und der in der Ortsmitte
dominierenden Propstei auszeichnende Ortsbild von B bedürfe besonderer Sorgfalt
und Schutzwürdigkeit. In diesem Zusammenhang ist zusätzlich von Bedeutung,
daß der bei Erlaß des streitbefangenen Bebauungsplans gemäß § 1 Abs. 4 BBauG
zu beachtende Regionale Raumordnungsplan für die Planungsregion Osthessen -
Sachlicher Teilplan - vom 28.11.1978 (St.Anz. 1979, 397) bei den Zielen für das
Wohnungswesen und den Städtebau unter Nr. 4.1.1 Abs. 2 Satz 1 aufführt, daß die
städtebauliche Sanierung und die Modernisierung von Gebäuden und Wohnungen
25
26
27
städtebauliche Sanierung und die Modernisierung von Gebäuden und Wohnungen
unter Wahrung der Eigenart der Dörfer und Städte zu fördern seien. Darauf hatte
schon die Regionale Planungsgemeinschaft Osthessen als Träger öffentlicher
Belange in ihrer Stellungnahme vom 31.10.1978 ebenso hingewiesen wie auf den
hohen Anteil von 45 % der in B vor 1900 errichteten Wohngebäude und den
erneuerungsbedürftigen Bauzustand. Die Erhaltung des Ortsteils B in seiner
innerörtlich geschlossenen Funktion und des entsprechend gestalteten dörflichen
Ortsbilds, wie es in der vorliegenden Chronik von B bis in die 80er Jahre hinein
dokumentiert ist, rechtfertigt mithin als städtebaulicher Belang die hier mit der
Festsetzung von Baugrenzen vorgenommenen Beschränkungen größerer
baulicher Erweiterungen auf den die Propstei umgebenden und teilweise zugleich
den Ortsrand der Gemeinde bildenden Hofreiten. Die dargelegten gewichtigen
öffentlichen Interessen für eine Begrenzung der überbaubaren Grundstücksfläche
(vgl. dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 24.04.1969 - I A 88/68 - BRS 22 Nr. 6 -)
gelten auch für das am östlichen Ortsrand gelegene bebaute Wohn- und
Wirtschaftsanwesen des Antragstellers.
Seine privaten Interessen an einer weitergehenden Bebaubarkeit seiner
Grundstücksfreiflächen sind in der Abwägung nicht unangemessen zurückgesetzt
worden. Insoweit hat die Antragsgegnerin zutreffend dargelegt, daß schon die
maximale Ausnutzung der Bauflächen innerhalb der Baugrenzen auf dem bei
Inkrafttreten des Bebauungsplans im Jahre 1980 maßgeblichen Flurstück 41/2,
abzüglich des von alters her als Wegefläche genutzten St.-E -Weges, eine
Bebauung mit einer Grundflächenzahl von 0,36 zuließ. Die Ausnutzung der
überbaubaren Grundfläche blieb damit geringfügig unter der festgesetzten
maximalen GRZ von 0,4, während bei zweigeschossiger Bauweise die maximale
GFZ von 0,7 ohnehin einschränkungslos in Anspruch genommen werden konnte.
Daß sich das Hofreitengrundstück des Antragstellers später aufgrund der
flurbereinigungsgerichtlich rechtskräftig festgestellten Landabfindung durch einen
veränderten Grundstückszuschnitt vergrößerte, womit sich die bauliche
Ausnutzung bei der GRZ und der GFZ relativ verminderte, kann dem
Bebauungsplan und seinen Festsetzungen nicht entgegengehalten werden.
Gemäß den §§ 214 Abs. 3 Satz 1, 244 Abs. 1 BauGB ist für die Abwägung die
Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bauleitplan
maßgebend.
Für die Angemessenheit des Abwägungsergebnisses spricht überdies, daß nach
der Textfestsetzung Nr. 8 zugunsten landwirtschaftlicher Betriebe ausnahmsweise
auch auf den nicht überbaubaren Flächen zusätzliche Wirtschaftsgebäude ohne
bauaufsichtliche Ermessensbefugnis zulässig sind, wenn auf den vorhandenen
Grundstücken anderweitig keine Wirtschaftsgebäude mehr errichtet werden
können. Diese Vorschrift kann besonders dem Antragsteller zugute kommen, der
einen landwirtschaftlichen Betrieb führt und dessen Hofreitenbebauung die
planerisch festgesetzten Baugrenzen im wesentlichen ausfüllt. Gleichwohl kann der
Antragsteller aufgrund der Textfestsetzung Nr. 8 auf seinen nicht unerheblichen
Freiflächen des neuen Flurstücks 90 zusätzliche landwirtschaftliche
Wirtschaftsgebäude errichten. Der Bebauungsplan räumt ihm dabei für den
Standort in flexibler Weise ein Wahlrecht ein, weil sämtliche Grundstücksflächen
außerhalb der Baugrenze dafür in Betracht kommen. Dies ist für den Antragsteller,
der vom Flurstück 87 her eine zweite Hofzufahrt erhalten hat, besonders günstig.
Der Antragsteller wäre mehr eingeschränkt gewesen, wenn der Bebauungsplan
eine andere Konzeption in der Weise festgelegt hätte, daß die bebaubare Fläche
innerhalb der Baugrenzen etwa auf eine GRZ von 0,4 erweitert worden, eine
zusätzliche Bebauung außerhalb der Baugrenzen aber durchgängig
ausgeschlossen worden wäre. Der Antragsteller hätte dann zwar eine geringfügig
erweiterte Ausnutzbarkeit innerhalb der Baugrenzen erlangt, wäre dann aber unter
Verlust zusätzlicher, flexibler Baumöglichkeiten an einen bestimmten Standort
gebunden gewesen. Daß an einer Stelle aus Gründen des Bestandsschutzes eine
Bauwichverkürzung hingenommen wird, ist bauplanungsrechtlich im übrigen nicht
zu beanstanden. Insgesamt bietet die Grundkonzeption des Bebauungsplans,
verhältnismäßig enge Baugrenzen um den vorhandenen Hofreitenbestand mit
zusätzlichen Erweiterungsmöglichkeiten für Wirtschaftsgebäude nach allen Seiten
nach freier Wahl des betroffenen Landwirts festzusetzen, so gewichtige
Kompensationsmöglichkeiten, daß das Abwägungsergebnis insoweit die
Grundsätze einer gerechten Abwägung nicht verletzt.
Dasselbe gilt für die nördlich und südlich des Hofreitengrundstücks des
Antragstellers planerisch gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG festgesetzte
Wegeführung, die auch flurbereinigungsgerichtlich in dem den Beteiligten
28
29
30
Wegeführung, die auch flurbereinigungsgerichtlich in dem den Beteiligten
bekannten rechtskräftigen Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
10.05.1988 - F 448/85 - bestätigt worden ist. Ausweislich der in der Chronik von B
abgedruckten Dorfkarten von 1856 und 1911 diente der St.-E-Weg seit
Jahrzehnten als Wegefläche, insbesondere als Zuwegung zu dem gleichnamigen
Hospital. Es war mithin sachgerecht, die von alters her bestehende Wegefläche
weiterhin zur Benutzung offenzuhalten, nunmehr planerisch festzusetzen und den
südlich gelegenen Uferbereich des M grabens von einer zusätzlichen
Inanspruchnahme zu verschonen.
Was die als landwirtschaftlicher Weg, als Interessentenweg und damit nicht als
öffentliche Verkehrsfläche (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 03.02.1967 - OS II 114/66;
Urteil vom 10.04.1973 - II OE 27/72 -) festgesetzte neue Wegeparzelle 87
anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG, jetzt
BauGB, jedenfalls auch die Festsetzung privater landwirtschaftlicher
Verkehrsflächen zuläßt (vgl. dazu BayVGH, Urteil vom 03.02.1987 - Nr. 1 N 83 A.
3104 - BRS 47 Nr. 18; Ernst-Zinkahn- Bielenberg, BBauG, Kommentar, Stand:
März 1987, § 9 Rdnr. 49; a.A. Brügelmann-Grauvogel, BauGB, Kommentar, Stand:
Mai 1990, § 9 Rdnr. 217; Gelzer-Birk, Bauplanungsrecht, 5. Aufl. 1991, Rdnr. 135).
Die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und privaten
Verkehrsflächen, so daß der Wortlaut für beide Festsetzungen offen ist. Dasselbe
gilt schon für § 1 Abs. 6 Satz 2 (17. Spiegelstrich) BBauG, wo die Belange des
Verkehrs ohne Einschränkung als in der Abwägung berücksichtigungsbedürftiger
Belang genannt sind (vgl. auch § 30 Abs. 1 BauGB). Nimmt man darüber hinaus in
den Blick, daß auch private Verkehrsflächen und ihr Anschluß an das öffentliche
Verkehrsnetz erhebliche Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung und
Ordnung haben können, können entsprechende Festsetzungen durch einen
Bebauungsplan jedenfalls bei einem städtebaulichen Funktionszusammenhang
(vgl. § 1 Abs. 3 BBauG, jetzt BauGB) erforderlich sein. Gerade in Fällen wie hier
muß es der Planungshoheit der Gemeinde vorbehalten bleiben, bei einer Vielzahl
landwirtschaftlicher Grundstücke in der Feldflur über einen geordneten
gemeinsamen Anschluß an das öffentliche Straßennetz zu befinden.
Unter Berücksichtigung der planerischen Gestaltungsfreiheit der Antragsgegnerin
entspricht auch das nördlich gelegene Teilstück der neuen Wegeparzelle 87 als
Abzweigung von der Von-W - Straße einer ordnungsgemäßen Abwägung. Die
Wegefläche 87 dient der Erschließung der Feldmark und führt in ihrer planerisch
festgelegten Lage nicht so eng zwischen vorhandenen Gebäuden hindurch, wie
dies bei der vom Antragsteller vorgeschlagenen Wegeführung zwischen den neuen
Flurstücken 82 und 83 der Fall gewesen wäre. Sie schafft für den Antragsteller eine
gesicherte zweite Hofzufahrt. Soweit im streitbefangenen Bebauungsplan selbst
nur ein verhältnismäßig kurzes Teilstück der Wegeparzelle 87 festgesetzt worden
ist, ist aus den übrigen Umständen, die gegenüber dem Antragsteller bei der
Zurückweisung seiner Bedenken und Anregungen auch offengelegt worden sind,
objektiv erkennbar, daß dieses Teilstück nicht etwa als für sich allein bestehende
Sackgasse vorgesehen ist, sondern in das übrige flurbereinigungsrechtlich
festgelegte Feldwegeerschließungsnetz im angrenzenden Außenbereich außerhalb
des Plangebiets eingebunden ist und dieses als Anschluß an die Ortslage mit
stützt. Daß die Einschränkung der Zweckbestimmung der Verkehrsfläche (vgl.
dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.1990 - 10 C 10236/90 OVG-BRS 50 Nr.
23) auf den landwirtschaftlichen Erschließungsverkehr den allgemeinen
öffentlichen Verkehr ausschließt, was der Antragsteller im übrigen nicht angreift,
ist hier sachgerecht, um den in der Regel langsameren und teilweise mit breiteren
Fahrzeugen durchgeführten landwirtschaftlichen Erschließungsverkehr möglichst
störungsfrei ablaufen zu lassen.
Die Voraussetzungen für die Vorlage der Sache an das Bundesverwaltungsgericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.