Urteil des HessVGH vom 06.12.1989

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, deponie, nachteilige veränderung, landschaft, anfang, bauschutt, upr, verfügung, quelle, gemeinde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TH 3362/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 7 AbfG, § 9 AbfG
(Änderung einer Abfallentsorgungsanlage)
Gründe
I.
Die Antragstellerin betreibt in L eine zu keiner Zeit genehmigte Deponie für
Bauschutt, Bodenaushub und Gartenabfälle auf dem Außenbereichsgrundstück
Flur ..., Flurstück .... Die frühere Gemeinde R hatte etwa seit 1960 an diesem
Standort mit einer ebenfalls ungenehmigten Hausmülldeponie begonnen.
Mit ihrem am 23.06.1989 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellten Eilantrag wendet
sich die Antragstellerin gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 22.03.1989,
mit der ihr u.a. sofort vollziehbar die Stillegung der Deponie aufgegeben wurde.
Das Verwaltungsgericht Kassel hat den Eilantrag mit Beschluß vom 16.10.1989 mit
der Begründung abgelehnt, die Deponie genieße keinen Bestandsschutz. Sie
unterfalle insbesondere nicht der Regelung des § 9 AbfG, wonach bei vor
Inkrafttreten des Abfallgesetzes des Bundes am 11.06.1972 (BGBl. I S. 873)
bereits errichteten Abfallentsorgungsanlagen zunächst bestandssichernde
Nebenbestimmungen in Betracht zu ziehen sind. Die Illegalität der Anlage beruhe
von Anfang an bis jetzt auf der unverändert gebliebenen Vorschrift des § 34 Abs. 2
Satz 1 WHG vom 27.07.1957 (BGBl. I S. 1110). Danach dürfen Stoffe nur so
gelagert oder abgelagert werden, daß eine schädliche Verunreinigung des Wassers
oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften nicht zu
besorgen ist, was hier zu verneinen sei. Angesichts der Grundwassergefährdung
sei das in § 12 HAbfG i.V.m. § 12 HSOG (nunmehr § 11 HAbfAG) der zuständigen
Abfallbehörde eingeräumte Einschreitermessen auf Null reduziert, zumal der
illegale Betrieb der Deponie und seine Fortsetzung den Straftatbestand des § 327
Abs. 2 Nr. 2 StGB verwirkliche.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 24.10.1989 zugestellten Beschluß des
Verwaltungsgerichts am 16.11.1989 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr
Begehren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen die Verfügung vom 22.03.1989 weiterverfolgt.
Dem Senat liegt die einschlägige Behördenakte des Antragsgegners mit mehreren
Lichtbildern von der Deponie vor. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung
gewesen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf die Schriftsätze der Beteiligten
ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
Der Senat nimmt gemäß Art. 2 § 7 Abs. 1 EntlG Bezug auf die zutreffenden
Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, daß die ohne Genehmigung und
ohne Basisabdichtung betriebene Deponie wegen der von ihr ausgehenden
Grundwassergefährdung gemäß § 34 Abs. 2 WHG 1957 von Anfang an bis heute
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Grundwassergefährdung gemäß § 34 Abs. 2 WHG 1957 von Anfang an bis heute
unzulässig war und ist. Die formelle und materielle Illegalität der Anlage ergibt sich
darüber hinaus baurechtlich seit 1966 aus § 5 Abs. 1 HBO 1966 (GVBl. I 171),
wonach Lagerplätze im Außenbereich keine öffentlichen Belange beeinträchtigen
durften. Die außenbereichsatypische und damit nicht dem Kern der
Grundeigentumsnutzung nach Art. 14 GG zugewachsene Deponienutzung in der
freien Landschaft gefährdete aber schon damals Belange der Wasserwirtschaft
und beeinträchtigte als störender Fremdkörper und Zivilisationsfaktor die
natürliche Eigenart der Landschaft. Dies schloß wegen der fehlenden
wasserrechtlichen Erlaubnis auch einen baurechtlichen Bestandsschutz aus (vgl.
Hess. VGH, Beschluß vom 21.04.1986 -- 3 UE 1714/85 -- UPR 1987, 307).
Damit stellt die Deponie keine vor Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes am
11.06.1972 bereits legal errichtete Abfallentsorgungsanlage dar, die nach der
Privilegierungsklausel des § 9 AbfG in erster Linie nur mit bestandssichernden
Nebenbestimmungen belegt werden kann.
Ein Zulassungserfordernis nach § 7 AbfG besteht für die Deponie darüber hinaus
aber auch deswegen, weil die Antragstellerin nach Inkrafttreten des
Abfallbeseitigungsgesetzes im Juni 1972 wesentliche Änderungen vorgenommen
hat. So ist die Anlage nach den abfallbehördlichen Ermittlungen (vgl. Bl. 8 der
Behördenakte) noch nach Inkrafttreten des Abfallbeseitigungsgesetzes für einen
kurzen Zeitraum als Hausmüllübergangsdeponie des Landkreises W genutzt
worden, bevor sie von der Antragstellerin als Bauschuttdeponie weiter betrieben
wurde. Die wesentliche Änderung der früheren Anlage besteht daher nicht nur in
der erheblichen Erweiterung der Deponieflächen, sondern auch in der Veränderung
der gelagerten Abfallarten von Hausmüll in Bauschutt (vgl.
Kuhnig/Schwermer/Versteyl, AbfG, Komm., 1988, § 7 Rdnr. 13 und OVG Lüneburg,
Urteil vom 17.07.1985 -- 7 A 29/84 -- UPR 1986, 230, 231).
Der gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnete Sofortvollzug der
Stillegungsanordnung ist nicht nur wegen der drohenden Trinkwassergefährdung
gerechtfertigt, sondern auch deshalb, weil der von der Antragstellerin
vorgenommene illegale Deponiebetrieb den Tatbestand eines Vergehens nach §
327 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt. Mithin würde ein Erfolg der Antragstellerin im
Eilverfahren ihr die Fortsetzung einer strafrechtlich bedeutsamen ungesetzlichen
Tätigkeit ermöglichen, was nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stünde.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.