Urteil des HessVGH vom 02.09.2010

VGH Kassel: mitbestimmungsrecht, einreihung, tarifvertrag, einfluss, form, anhörung, dokumentation, beteiligter, bestandteil, anwendungsbereich

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
21. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
21 A 21/10.PV
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 BPersVG, § 75 Abs 1 Nr
2 BPersVG, § 15 Abs 1 S 2
TVöD, § 16 TVöD
Mitbestimmung bei der Einstufung neuer Beschäftigter
Leitsatz
Die mitbestimmungsbedürftige Eingruppierung von Beschäftigten anlässlich ihrer
Einstellung i. S. d. § 75 Abs.1 Nr. 2 BPersVG umfasst neben ihrer Eingruppierung in eine
Entgeltstufe (Eingruppierung im tarifrechtlichen Sinne) auch ihre Einstufung in eine
Erfahrungsstufe i. S. d. § 16 TVöD (Bund).
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss der Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Bund) beim Verwaltungsgericht Darmstadt vom 30.
November 2009 – 22 K 1279/09.DA.PV – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des
Antragstellers bei der bisher regelmäßig ohne seine Beteiligung vorgenommenen
Einordnung neu eingestellter Beschäftigter in die sog. Erfahrungsstufen
(Anerkennung bisheriger beruflicher Erfahrungen nach § 16 des Tarifvertrags für
den öffentlichen Dienst des Bundes [TVöD Bund]) durch den Beteiligten. Diese
Einstufung ist neben der Einordnung der Beschäftigten in eine bestimmte
Entgeltgruppe für die Höhe der nach der jeweiligen Entgelttabelle zu zahlenden
Monatsentgelte maßgebend.
Ohne dass es bis dahin formal zu einem entsprechenden vorprozessualen Streit
gekommen wäre, hat der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten
vom 11. September 2009 bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt das
personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, dass das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der
Eingruppierung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG auch das Mitbestimmungsrecht
bei der Stufenzuordnung gemäß § 16 TVöD (Bund) mit umfasst.
Die Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) des Verwaltungsgerichts
Darmstadt hat diesem Antrag mit Beschluss vom 30. November 2009 – 22 K
1279/09.DA.PV – stattgegeben. Auf diesen dem Beteiligten am 7. Dezember 2009
zugestellten Beschluss wird zur Darstellung weiterer Einzelheiten, insbesondere
des weiteren Vorbringens beider Beteiligter einschließlich ihrer Anträge und wegen
der Begründung der gerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Mit am selben Tag beim Verwaltungsgericht Darmstadt eingegangenem
Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. Januar 2010 hat der Beteiligte gegen
diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, die er mit am 27. Januar 2010 beim
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diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, die er mit am 27. Januar 2010 beim
Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz seiner
Bevollmächtigten vom 26. Januar 2010 begründet hat. Er hält den Antrag für
unzulässig, weil dem Antragsteller das erforderliche Feststellungsinteresse fehle.
Denn es habe keinen konkreten Anlass für die begehrte Feststellung gegeben und
es sei dem Antragsteller zuzumuten, abzuwarten, bis der Beteiligte in einem
konkreten Fall das Bestehen des durch den Antragsteller reklamierten
Mitbestimmungsrechts bestreitet. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet,
denn dem Antragsteller stehe kein Mitbestimmungsrecht bei der Stufenzuordnung
gem. § 16 TVöD (Bund) zu. Die Höhe des einer/einem Beschäftigten zustehenden
Arbeitsentgelts bestimme sich nach der „Entgeltgruppe“, in die sie/er
„eingruppiert“ sei, und „nach der für sie/ihn geltende Stufe“ (§ 15 Abs. 1 TVöD
[Bund]). Diese vom Wortlaut her eindeutige Bestimmung könne auch im Rahmen
systematischer, historischer und teleologischer Auslegung nur so verstanden
werden, dass nur die Zuordnung von Beschäftigten zu einer Entgeltgruppe als
„Eingruppierung" i.S.d. § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG verstanden werden könne und
nicht auch ihre Einordnung in eine Stufe, die die Tarifvertragsparteien im Zuge der
Neuregelung des Entgeltsystems als neues Element mit gänzlich anderer Qualität
und Zielrichtung als die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe, also die
„Eingruppierung“ nach bisherigem Verständnis, in das System eingebaut hätten.
Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auslegung des § 15 Abs. 1 TVöD (Bund)
verstoße gegen § 3 BPersVG, wonach durch Tarifvertrag nicht das
Personalvertretungsrecht abweichend von diesem Gesetz geregelt werden könne.
Deshalb seien insbesondere Tarifverträge unzulässig, die gesetzlich vorgesehene
Beteiligungsrechte des Personalrats erweitern oder neue Beteiligungsrechte
schaffen. Dies wäre aber der Fall, wenn man – der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts folgend – neben der Einordnung von Beschäftigten in
Entgeltgruppen als auch ihre Zuordnung zu bestimmten Stufen unter den
unveränderten Terminus „Eingruppierung“ fassen wollte. Wegen weiterer
Einzelheiten des Vorbringens des Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den
Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. Januar 2010 Bezug genommen.
Der Beteiligte beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt – Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Bund) – vom 30. November 2009 – 22 K
1279/09.DA.PV – aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Beschluss und vertritt die Ansicht, der vom
Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
27. August 2008 – 6 P 3.08 – sei uneingeschränkt zuzustimmen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden (§§ 83 Abs. 2 BPersVG, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 und 2,
87 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1, 2 und 3 ZPO).
Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des
Antragstellers zu Recht stattgegeben.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist zulässig, insbesondere hat der
Antragsteller das erforderliche Feststellungsinteresse und ein
Rechtsschutzbedürfnis für sein Vorgehen im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren. Aufgrund der Erörterung im Rahmen der mündlichen
Anhörung geht der Fachsenat davon aus, dass es seit dem Inkrafttreten des TVöD
(Bund) am 1. Oktober 2005 im Geschäftsbereich des Beteiligten zahlreiche
Einstellungen, an denen der Antragsteller als Mitbestimmungsorgan nach §§ 75
Abs. 1 Nr. 1, 82 Abs. 1 BPersVG zu beteiligen war, und damit auch zahlreiche
Anwendungsfälle für § 16 TVöD (Bund) und § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG gegeben
hat. Aber selbst wenn in diesem Zeitraum keine neuen Einstellungen
vorgekommen wären, würde dies dem Antragsteller nicht ohne weiteres sein
Feststellungsinteresse und das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag
nehmen, weil angesichts des Vorbringens des Beteiligten im Beschlussverfahren
klar ist, dass er bei künftigen Einstellungen neuer Beschäftigter deren Einstufung in
die sog. Erfahrungsstufen ohne die vom Antragsteller reklamierte Mitbestimmung
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die sog. Erfahrungsstufen ohne die vom Antragsteller reklamierte Mitbestimmung
durchführen würde. Denn dann wäre der Feststellungsantrag des Antragstellers
jedenfalls als Globalantrag zulässig.
Für sog. Globalanträge kann ein Feststellungsinteresse bestehen, obwohl das
personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren nicht der Erstattung von
Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen dient, deren aktuelle tatsächliche
Bedeutung für die Beteiligten entfallen ist (BVerwG, Beschluss vom 17. September
1996 – 6 P 5.94 –, PersR 1997, 113 = ZBR 1997, 124 = juris Rdnr. 19). Da bei
solchen Verfahren jedoch der konkrete Fall, der den Streit über das Bestehen einer
personalvertretungsrechtlich festgelegten Pflicht ausgelöst hat, nicht Bestandteil
des Verfahrensgegenstands ist (BVerwG, Beschluss vom 18. März 1981 – 6 P
25.79 –, PersV 1982, 240 = juris Rdnr. 12), kann bei Erledigung einer
mitbestimmungspflichtigen Maßnahme unter Umständen auf entsprechenden
Antrag eine von einem strittigen Vorgang losgelöste Feststellung zur dahinter
stehenden Rechtsfrage ergehen (BVerwG, Beschluss vom 2. Juni 1993 – 6 P 3.92 –,
BVerwGE 1992, 295 = juris Rdnr. 16 S. 11.). Zur Zulässigkeit und Begründetheit
von Globalanträgen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom
3. Dezember 2001 – 6 P 12.00 – (PersR 2002, 163 = ZBR 2002, 357 = juris Rdnrn.
41, 43) folgendes ausgeführt:
„ … Für den Antrag besteht das Interesse an alsbaldiger gerichtlicher
Feststellung entsprechend § 256 Abs. 1 ZPO. In der Senatsrechtsprechung wird
das Feststellungsinteresse für einen abstrakten Feststellungsantrag bejaht, mit
welchem der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht für künftig absehbare
Vorgänge geltend macht, die mit demjenigen – inzwischen erledigten – Vorgang
vergleichbar sind, der Anlass für die Einleitung des personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahrens war (vgl. Beschluss vom 23. März 1999 – BVerwG 6 P 10.97 –
BVerwGE 108, 347, 354 m.w.N.). Das Feststellungsinteresse kann jedoch auch für
solche Anträge gegeben sein, die unabhängig von einem konkreten Streitfall
darauf gerichtet sind, das Mitbestimmungsrecht für eine bestimmte Gruppe von
Fällen in allgemein gültiger Weise zu klären. Für solche Anträge, die in der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter der Bezeichnung ‚Globalantrag’
behandelt werden, ist das Feststellungsinteresse des Personalrats jedenfalls dann
zu bejahen, wenn der Dienststellenleiter das Mitbestimmungsrecht in dem geltend
gemachten Umfang zunächst anerkannt und beachtet hat, später aber hiervon
abgerückt ist…“
Nichts anderes kann gelten, wenn eine Dienststellenleitung nach Inkrafttreten
einer neuen tarifrechtlichen Regelung – hier des § 16 TVöD (Bund) am 1. Oktober
2005 – sich von vornherein weigert, ein von einer Personalvertretung reklamiertes
Mitwirkungsrecht anzuerkennen. Dies ist hier der Fall, wie der Vortrag des
Beteiligten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zeigt.
Der Feststellungsantrag ist auch begründet, denn das Bundesverwaltungsgericht
hat in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits die mit der Beschwerde erneut
aufgeworfenen Rechtsfragen mit überzeugender Argumentation im Sinne des
Antragstellers entschieden.
Soweit sich der Beteiligte demgegenüber auf eine vom Wortlaut her vermeintlich
eindeutige Interpretation des Begriffs „Eingruppierung“ in § 75 Abs. 1 Nr. 2
BPersVG zurückziehen will und sich dabei auf § 3 BPersVG und auf § 15 Abs. 1 S. 2
TVöD (Bund) beruft, verkennt er, dass hier keine Änderung des
Bundespersonalvertretungsgesetzes erfolgt ist, sondern durch neues Tarifrecht die
bisherige Reichweite der Eingruppierung – tarifrechtlich – auf die Einordnung in eine
Entgeltgruppe beschränkt und nicht auf die das jeweilige Tabellenentgelt
mitbestimmende, neu geschaffene Gruppenzuordnung erstreckt worden ist. Würde
man den Tarifparteien, worauf das Vorbringen des Beteiligten hinausläuft,
Definitionsmacht für die Wortlautinterpretation des § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG
zubilligen, läge es in der Hand der hierzu demokratisch nicht hinreichend
legitimierten Tarifvertragsparteien, bisher gesetzlich definierte Mitwirkungsrechte
von Personalvertretungen ohne Mitwirkung des Gesetzgebers einzuschränken.
Dies widerspräche § 3 BPersVG, der das Personalvertretungsrecht für unabdingbar
erklärt.
Die vom Beteiligten zu wenig beachteten systematischen und historischen
Zusammenhänge der Verwendung des Terminus' „Eingruppierung“ in § 75 Abs. 1
Nr. 2 BPersVG hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem vom
Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 27. August 2008 – 6 P 3/08 – (PersR 2008,
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Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 27. August 2008 – 6 P 3/08 – (PersR 2008,
500 = juris Rdnrn. 17 ff.) wie folgt dargestellt:
„… Nach der Rechtsprechung des Senats bestehen zwar grundsätzlich keine
Bedenken dagegen, hinsichtlich der in den Mitbestimmungstatbeständen
verwandten Begriffe auf das Verständnis und die Definitionen gleichlautender
Begriffe in den einschlägigen tarifvertraglichen und beamtenrechtlichen
Vorschriften zurückzugreifen. Dies steht jedoch unter dem Vorbehalt des jeweils
mit der Mitbestimmung verfolgten Gesetzeszwecks (vgl. Beschluss vom 12.
September 2005 - BVerwG 6 P 1.05 - Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 34 Rn. 16
und 20). Soweit dieser es gebietet, muss bei der personalvertretungsrechtlichen
Beurteilung von dem tarifvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Verständnis
abgewichen werden.
… Freilich war die personelle Mitbestimmung nach den
Personalvertretungsgesetzen - insbesondere in Bezug auf Eingruppierung, Höher-
und Rückgruppierung sowie Übertragung einer höher oder niedriger zu
bewertenden Tätigkeit - sehr stark an den Begrifflichkeiten des BAT und der ihm
nachgebildeten Tarifwerke des öffentlichen Dienstes orientiert. Diese Tarifwerke
hatten die Gesetzgeber in Bund und Ländern bei der Regelung ihrer
Personalvertretungsgesetze vorgefunden. Wenn sie sich bei der Formulierung der
Mitbestimmungstatbestände der in den Tarifwerken verwandten Begriffe
bedienten, so war mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass
der Gesetzgeber die Begriffe in dem Sinne verwenden wollte, wie sie in den
beteiligten Kreisen des öffentlichen Dienstes allgemein verstanden wurden (vgl.
BAG, Urteil vom 27. November 1991 - 4 AZR 29/91 - BAGE 69, 96 <100 f.> sowie
Beschluss vom 27. Juli 1993 - 1 ABR 11/93 - BAGE 74, 10 <24 f.>).
… Die traditionelle terminologische Harmonie zwischen Tarif- und
Personalvertretungsrecht beeinträchtigte die Effizienz der Mitbestimmung bei
Eingruppierungen nicht. Bezog sich diese nach Maßgabe von § 22 BAT
ausschließlich auf die Einreihung in die Vergütungsgruppe der Vergütungsordnung,
so war damit doch die förmliche Beteiligung des Personalrats an derjenigen
Arbeitgeberentscheidung sichergestellt, durch welche die Höhe der
Grundvergütung auf der Grundlage auslegungsbedürftiger Merkmale wesentlich
bestimmt wurde. Im Gegensatz dazu war die Zuordnung zu den
Lebensaltersstufen nach Maßgabe von § 27 Abschnitt A BAT ein mehr oder
weniger "mechanischer" Vorgang; hier war eine Richtigkeitskontrolle durch den
Personalrat im Wege der Mitbestimmung nicht geboten, und für eine gelegentlich
erforderliche Fehlerkorrektur reichte die allgemeine Aufgabe nach § 69 Abs. 1 Nr. 2
RhPPersVG aus. Die wesentliche Prägung der Grundvergütungshöhe durch die
Einordnung in die Entgeltgruppe - und damit zugleich die Beschränkung der
Mitbestimmung bei Eingruppierung auf diesen Aspekt - wurde durch die 1990
eingeführte Vorweggewährung von Lebensaltersstufen zur Deckung des
Personalbedarfs nach § 27 Abschnitt C BAT nicht grundsätzlich in Frage gestellt
(vgl. zur Gewährung von "Ballungsraumzulagen": BAG, Urteile vom 26. Mai 1994 -
6 AZR 955/93 - AP Nr. 5 zu § 27 BAT und vom 25. Juli 1996 - 6 AZR 179/95 - BAGE
83, 338 sowie - 6 AZR 774/95 - BAGE 83, 348).
… Von einer begrifflichen und damit inhaltlichen Deckungsgleichheit zwischen
Tarifrecht und Mitbestimmung kann aber nach Inkrafttreten des neuen Tarifrechts
nicht mehr ohne Weiteres ausgegangen werden, mit welchem die
Lebensaltersstufen durch ein leistungs- und qualifikationsorientiertes
Stufensystem abgelöst wurden. Namentlich die hier im Mittelpunkt stehende
Regelung in § 16 Abs. 2 TV-L, welche die Anrechnung einschlägiger
Berufserfahrungen gebietet und die Berücksichtigung vorheriger förderlicher
Berufstätigkeit gestattet, macht deutlich, dass die Stufenzuordnung jetzt nicht
mehr bloßer mechanischer Annex der Einreihung in die Entgeltgruppe ist. Vielmehr
kommt ihr nunmehr eine wesentliche, eigenständige Bedeutung für die
Bemessung der Grundvergütung zu. Während auf der Grundlage des alten
Tarifrechts die auf die Einreihung in die Vergütungsgruppe beschränkte
Mitbestimmung bei der Eingruppierung der Personalvertretung einen wesentlichen
Einfluss auf die Bemessung der Grundvergütung einräumte, würde eine
Aussparung der Stufenzuordnung nach neuem Tarifrecht diesen Einfluss
wesentlich reduzieren.“
In diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts heißt es dann weiter zur
teleologischen Auslegung des vom Wortlaut her offenen Begriff „Eingruppierung“
in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG (juris Rdnrn. 24 ff.)
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„… Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei Eingruppierung erfordern die
Einbeziehung der Stufenzuordnung.
Nach ständiger Senatsrechtsprechung soll die Mitbestimmung bei der
Eingruppierung von Arbeitnehmern die Personalvertretung in den Stand setzen,
mitprüfend darauf zu achten, dass die beabsichtigte Eingruppierung mit dem
anzuwendenden Tarifvertrag oder dem sonst anzuwendenden Entgeltsystem im
Einklang steht. Sie soll der Personalvertretung Gelegenheit geben, auf die
Wahrung des Tarifgefüges in der Dienststelle zu achten und damit zur
Verwirklichung des arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes innerhalb der
Dienststelle und innerhalb des dort angewendeten Entgeltsystems sowie zur
Wahrung des Friedens in der Dienststelle beizutragen. Im Interesse der
betroffenen Arbeitnehmer soll verhindert werden, dass durch eine unsachliche
Beurteilung im Rahmen bestehender Auslegungsspielräume einzelne
Arbeitnehmer bevorzugt, andere dagegen benachteiligt werden (vgl. Beschluss
vom 8. Dezember 1999 - BVerwG 6 P 3.98 - BVerwGE 110, 151 <160> = Buchholz
250 § 75 BPersVG Nr. 100 S. 14 f. m.w.N.). In ähnlicher Weise besagt die
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Beteiligung des Betriebsrats
bei Eingruppierung nach § 99 BetrVG der einheitlichen und gleichmäßigen
Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen und
damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der
betrieblichen Vergütungspraxis dient (vgl. Beschlüsse vom 31. Oktober 1995 - 1
ABR 5/95 - AP Nr. 5 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 1246 R sowie vom 2.
April 1996 - 1 ABR 50/95 - AP Nr. 7 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung Bl. 1698).
Die den Vergütungsgruppen zugeordneten Merkmale sind oft sehr allgemein
gehalten. Häufig werden unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, deren
Anwendung im Einzelfall schwierig sein kann und die einen erheblichen
Beurteilungsspielraum eröffnen. Hier bietet die Mitbeurteilung des Personalrats
eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Eingruppierung (vgl. BAG, Beschluss
vom 26. Oktober 2004 a.a.O. S. 248).
Die genannten Gesichtspunkte sprechen dafür, die Mitbestimmung des
Personalrats bei Eingruppierung auf alle bedeutsamen Parameter zu erstrecken,
die für den Kernbestandteil des tariflichen Entgelts maßgeblich sind. Die
Richtigkeitskontrolle bleibt unvollständig, wenn sie sich auf die Einreihung in die
Entgeltgruppe beschränkt, andere für die Bemessung des Grundgehalts
wesentliche Merkmale, bei denen ebenfalls ein Kontrollbedürfnis besteht, aber
nicht erfasst. Ist daher bei der Einstellung eines Arbeitnehmers neben der
Einordnung in die Entgeltgruppe für die Bemessung des tariflichen Grundgehalts
die Zuordnung zu einer Stufe innerhalb der Entgeltgruppe vorzunehmen, so
ergeben beide Vorgänge zusammen die mitbestimmungspflichtige
Eingruppierung“.
Soweit der Beteiligte im beschwerdebegründenden Schriftsatz vom 26. Januar
2010 auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 1999 –
6 P 3.98 – (PersR 2000, 106 = juris) Bezug genommen hat, ist darauf hinzuweisen,
dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem bereits zitierten Urteil vom 27.
August 2008 (a.a.O., juris Rdnr. 40) seine in jenem Beschluss vertretene
Auffassung, die Einreihung in ein Vergütungssystem sei nicht
mitbestimmungspflichtig, wenn für sie persönliche Merkmale maßgebend seien,
ausdrücklich aufgegeben hat.
Die Rechtsbeschwerde hat der Fachsenat zugelassen, weil eine
entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 83 Abs. 2
BPersVG, 72 Abs. 2, 92 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG). Zwar ist die Frage, ob bei der
Stufenzuordnung nach § 16 TVöD ein Mitbestimmungsrecht der zuständigen
Personalvertretung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG besteht, durch die oben
zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, allerdings
unmittelbar nur für den Anwendungsbereich des § 16 des Tarifvertrags für den
öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der teilweise anders – wenn auch nach
Auffassung des Fachsenats nicht entscheidungserheblich anders – formuliert ist
als § 16 TVöD (Bund). Deshalb hat es der Fachsenat für richtig gehalten, dem
Beteiligten den Weg zu einer endgültigen Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage
durch das Bundesverwaltungsgericht mittels Zulassung der Rechtsbeschwerde zu
erleichtern.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.