Urteil des HessVGH vom 24.09.1986
VGH Kassel: öffentliche sicherheit, verfügung, genehmigung, stadt, behörde, amtshandlung, zustand, räumung, abfallbeseitigung, baurecht
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 331/85
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Leitsatz
Einzelfall der Untersagung und Räumung eines illegalen Autowrackplatzes mit
Rekultivierungsanordnung
Tatbestand
Der Kläger betreibt im oberen Bereich zweier in der Gemarkung Witzenhausen-
Blickershausen, liegender Hanggrundstücke (Flur ..., Flurstücke ... und ...) einen
Autowrackplatz. Diese Grundstücke sind ihm 1974 von der Stadt Witzenhausen
überlassen worden, um einen von ihm in der Kernstadt betriebenen Schrottplatz
auszulagern. Eine abfallrechtliche Zulassung wurde dafür jedoch nicht erteilt.
1978 nahm der Regierungspräsident in Kassel den Sohn des Klägers, H., auf die
Beseitigung des damals auf dem gesamten Bereich der Grundstücke betriebenen
Autowrackplatzes in Anspruch. Die daraufhin eingeleiteten
Verwaltungsstreitverfahren beendeten der Regierungspräsident und der Sohn des
Klägers mit Vergleichen vom 31. Oktober 1978, durch die H. der Betrieb eines
Autowrackplatzes auf den östlichen Grundstücksteilen genehmigt wurde; im
Gegenzug verpflichtete sich der Sohn des Klägers zur Beseitigung der Autowracks
auf denjenigen Grundstücksteilen, die nicht von der vergleichsweise erteilten
Genehmigung erfaßt wurden. Diese Verpflichtung wurde bislang nicht erfüllt.
Den als Autowrackplatz zugelassenen Bereich nutzen die Söhne des Klägers unter
der Firma "H. Rohstoffrückgewinnungs-GmbH - Rohstoffrückgewinnung,
Gebrauchtwagenhandel, Reparatur" mit baurechtlicher Genehmigung zum
Abstellen von Gebrauchtwagen. Den westlichen Teil der Grundstücke nutzt der
Kläger als Autowrackplatz unter der Firma "Autoverwertung H.".
Mit Verfügung vom 3. Juni 1983 gab der Regierungspräsident in Kassel dem Kläger
auf, die vom Vergleich nicht umfaßten Grundstücksteile umgehend von
Autowracks, Autowrackteilen, Altreifen und sonstigem Unrat zu räumen, ab sofort
keine zusätzlichen Autowracks, Autowrackteile, Altreifen und sonstigen Unrat auf
den Grundstücksteilen zu lagern und diese Flächen bis zum 1. Oktober 1983
entsprechend dem Charakter der angrenzenden Flächen herzurichten, so daß
durch die Autowracklagerung bedingte Vegetationsschäden behoben würden.
Ferner wurde der Kläger verpflichtet, gegebenenfalls ölverunreinigten Boden
aufzunehmen und nach Einholung einer Weisung des Regierungspräsidenten zu
beseitigen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnungen drohte der
Regierungspräsident dem Kläger ein Zwangsgeld an und setzte eine
Verwaltungsgebühr von insgesamt 400,-- DM fest.
Gegen die am 7. Juni 1983 zugestellte Verfügung erhob der Kläger am 4. Juli 1983
Widerspruch, den der Regierungspräsident mit Bescheid vom 30. September 1983
als unbegründet zurückwies.
Mit der am 27. Oktober 1983 beim Verwaltungsgericht Kassel erhobenen Klage
begehrte der Kläger die Aufhebung der Bescheide. Er trug vor, die Grundstücke
habe er 1974 mit Wissen der Stadt Witzenhausen und des Beklagten für seinen
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habe er 1974 mit Wissen der Stadt Witzenhausen und des Beklagten für seinen
Gewerbebetrieb erworben. Auf die mit seinem Sohn abgeschlossenen Vergleiche
könne der Regierungspräsident seine Bescheide nicht stützen.
Der Kläger beantragte sinngemäß,
die Verfügung des Beklagten vom 3. Juni 1983 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 30. September 1983 aufzuheben.
Das beklagte Land beantragte,
die Klage abzuweisen.
Es nahm auf die ergangenen Bescheide Bezug.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 1985 hob das Verwaltungsgericht die
Verfügung des Beklagten vom 3. Juni 1983 insoweit auf, als dem Kläger
aufgegeben worden war, gegebenenfalls ölverunreinigten Boden aufzunehmen und
zu beseitigen und ihm Zwangsgelder angedroht worden waren. Im übrigen wurde
die Klage abgewiesen.
Gegen den am 26. Januar 1985 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
20. Februar 1985 Berufung eingelegt. Er trägt vor, einen Vergleich mit dem
Beklagten habe er nie abgeschlossen. Im übrigen habe der Regierungspräsident
nach der Verlegung seines Platzes im Jahre 1974 zunächst nichts gegen seinen
Betrieb unternommen. Schließlich befinde sich das Gelände nicht in einem
Naturschutzgebiet.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. Januar 1985 -
II/3 E 1997/83 abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Bescheid
des Regierungspräsidenten in Kassel vom 3. Juni 1983 hinsichtlich der Ziffern 1 - 3
und 6 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten in Kassel vom
30. September 1983 insoweit aufzuheben.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.
Ein Band Behördenakten und die Akten des Verwaltungsgerichts Kassel IV E
357/78, VI E 193/76, VI/V M 1973/81 und VI/2 G 2617/82 haben vorgelegen und
sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf ihren
Inhalt und den Inhalt der Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg, da die Klageabweisung durch das
Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden ist.
Das Räumungsgebot (Ziffer 1 des Bescheides vom 3. Juni 1983) und das
Unterlassungsgebot (Ziffer 2 des gleichen Bescheides) finden ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 10, 12 Hessisches Abfallgesetz (HAbfG) in der Fassung
vom 16. Juni 1978, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juni 1983 ( GVBl. . 1983
I S . 104 ) . Vorschriften gleichen Inhalts enthalten jetzt die §§ 12, 14 HAbfG in der
Fassung vom 11. Dezember 1985 (GVBl. 1986 I S.18).
Gemäß § 10 Abs. 1 HAbfG 1978 hat die zuständige Überwachungsbehörde die
nach pflichtgemäßen Ermessen notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiet der
Abfallbeseitigung zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen
Gefahren abzuwehren, die durch Verstöße gegen Vorschriften über die
Abfallbeseitigung hervorgerufen werden und die öffentliche Sicherheit und Ordnung
bedrohen. Die Zuständigkeit des Regierungspräsidenten in Kassel ergibt sich aus §
17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 HAbfG in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Hessisches
Wassergesetz in der Fassung vom 12. Mai 1981 (GVBl. 1981 I S. 154). Die
Anwendung abfallrechtlicher Vorschriften folgt aus § 5 Abs. 1 AbfG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 5. Januar 1977, in der hier maßgeblichen Fassung des
Änderungsgesetzes vom 4. März 1982 (BGBl. 1982 I S.281); die
Änderungsgesetze vom 31. Januar 1985 (BGBl. 1985 I S. 204) und 18. Februar
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Änderungsgesetze vom 31. Januar 1985 (BGBl. 1985 I S. 204) und 18. Februar
1986 (BGBl. 1986 I S. 265) haben die Regelung des § 5 AbfG unberührt gelassen.
Danach finden auf Anlagen, die der Lagerung oder Behandlung von Autowracks
oder Altreifen dienen, die Vorschriften über Abfallbeseitigungsanlagen Anwendung.
Die nach Landesrecht für die Ausführung des Abfallrechts zuständigen Behörden
sind daher auch zuständig, die Einhaltung der für Autowrack- und Altreifenplätze
geltenden abfallrechtlichen Vorschriften zu überwachen und durchzusetzen.
Der klägerische Betrieb verstößt gegen die Vorschriften über die Abfallbeseitigung.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob Autowracks oder Altreifen generell als Abfall
im Sinne des § 1 Abs. 1 AbfG anzusehen sind. Denn gemäß § 5 Abs. 1 AbfG dürfen
Autowracks oder Altreifen, auch wenn sie nicht Abfall sind, entsprechend § 4 Abs. 1
AbfG nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen behandelt oder
gelagert werden.
Auf den Flurstücken Nr. ... und ..., Flur ..., Gemarkung Witzenhausen-
Blickershausen, werden nach den Feststellungen des Beklagten, die auch
Gegenstand einer strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers waren, Autowracks,
Autowrackteile, Altreifen und sonstiger Unrat gelagert. Dies wird vom Kläger auch
nicht bestritten. Der Kläger betreibt damit eine Autowrack- und Altreifenanlage im
Sinne des § 5 Abs. 1 AbfG. Ihr fehlt die nach § 7 AbfG vorgesehene abfallrechtliche
Zulassung in Gestalt einer Planfeststellung (§ 7 Abs. 1 oder einer Genehmigung ( §
7 Abs. 2). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eine solche Zulassung
selbst auf Nachfrage des Senats nicht vorlegen können. Der Kläger hat eine
derartige Zulassung auch zu keinem Zeitpunkt beantragt. Die seinem Sohn
erteilte Genehmigung des Regierungspräsidenten in Kassel erstreckt sich lediglich
auf die östlichen Teile der Flurstücke ... und ... . Die auf diesen Teilflächen
ausgeübte Tätigkeit ist jedoch nicht Gegenstand der Verfügung des Beklagten.
Die Unterhaltung des Autowrack- und Altreifenplatzes ohne abfallrechtliche
Zulassung stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, schon
weil damit der Straftatbestand des § 327 Abs. 2 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB)
verwirklicht wird. Allein diese Gefahrenlage rechtfertigt es, daß die Behörde gemäß
§ 10 Abs. 1 HAbfG die weitere Lagerung und Behandlung von Autowracks oder
Autowrackteilen untersagt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.
September 1976 - IX 1195/76 - DÖV 1977 S. 332). Eine solche Maßnahme wahrt
auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 5 Hessisches Gesetz
über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 26. Januar
1972, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1979 (GVBl. 1980 I S. 12)
in Verbindung mit § 10 Abs. 2 HAbfG, da ein milderes Mittel nicht zu Verfügung
steht, um die fortgesetzte Verwirklichung des Straftatbestandes zu verhindern.
Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, ihm seien beim Erwerb der
Grundstücksflächen zur Verlagerung seines früheren Schrottplatzes Zusagen
seitens der Stadt Witzenhausen gemacht worden. Diese Zusagen, sollten sie
erteilt worden sein, sind abfallrechtlich bedeutungslos, da für die Erteilung
abfallrechtlicher Zulassungen allein der Regierungspräsident in Kassel zuständig
war und ist.
Der Kläger wird durch die Maßnahmen des Beklagten auch nicht gleichsam
entschädigungslos enteignet. Die grundsätzliche Privatnützigkeit seines
Grundeigentums ist zwar nach Maßgabe der seinen Inhalt bestimmenden Gesetze
gewährleistet (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 45 Abs. 1 Satz 2 HV). Zum Kerninhalt
und Wesen des Grundeigentums gehört jedoch nicht die Nutzung eines
Grundstücks zum Zwecke der Abfallbeseitigung oder als Anlage zum Lagern oder
Behandeln von Autowracks oder Altreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Dezember
1982 - 7 C 100.79 - BVerwGE 66, 301< 303>; Hess. VGH, Urteil vom 18. März
1980 - IX DE 89/79 -, ESVGH 30, 229 <240>; VGH Baden-Württemberg a.a.O.;
BayVGH, Urteil vom 5. Juli 1979 - Nr. 35 IX 77 - DVBl. 1980 S. 79 <80>) .
Dem Kläger wird daher keine Rechtsposition entzogen, auf deren Beibehaltung er
Anspruch hätte. Es war seine Sache, sich die erforderlichen Genehmigungen und
Zulassungen zu besorgen und seinen Betrieb den abfallrechtlichen Erfordernissen
zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit anzupassen.
Die Untersagungsanordnung (Ziffer 2 der Verfügung vom 3. Juni 1983) ist auch
hinreichend bestimmt im Sinne des § 7 Satz 1 HSOG in Verbindung mit § 10 Abs.
2 HAbfG. Eine nähere Bezeichnung der Gegenstände ist nicht möglich (vgl.
BayVGH, Urteil vom 14. November 1975 - Nr. 19 V 74 - BayVBl. 1976 S. 371
<372> ).
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Die Untersagung der Betriebsfortführung ist auch ermessensfehlerfrei (§ 10 Abs. 1
HAbfG, § 114 VwGO). Angesichts des Umstandes, daß der Kläger bislang nicht
einmal einen Antrag auf abfallrechtliche Zulassung seines Betriebes eingereicht
hat, war dem Beklagten in der Sache keine andere Entscheidung möglich.
Unerheblich ist dabei entgegen der Auffassung des Klägers, daß er seinen Betrieb
mit Zustimmung der Stadt Witzenhausen auf das Grundstück verlegt hat. Der
Regierungspräsident brauchte diesem Umstand keine Bedeutung beizumessen,
da die Tätigkeit der Stadt außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegt. Wenn
der Kläger vermutet, die Stadt habe ihm den Platz mit Zustimmung des Beklagten
verschafft, so fehlt es an allen Anhaltspunkten, die die Richtigkeit dieser
Vermutung auch nur plausibel erscheinen lassen könnten. Der Senat brauchte
dieser Frage deshalb nicht weiter nachzugehen. Zu beanstanden ist auch nicht,
daß der Regierungspräsident nicht bereits 1974 ordnungsrechtlich gegen den
Kläger wegen Mißachtung abfallrechtlicher Vorschriften eingeschritten ist. Seine
Pflicht zur Durchsetzung des Abfallrechts mit den Mitteln des Ordnungsrechts kann
nämlich weder verwirken noch verjähren (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 6. März
1986 - 5 TH 2280/85 -; Beschluß vom 29. Mai 1985 - 3 TH 815/85 - ESVGH 35, 222
= NVwZ 1985 S. 664 <666> = DÖV 1986 S. 79; Beschluß vom 27. September
1984 - 4 TH 2145/84 - HessVGRspr. 1985 S. 33 <34> = ESVGH 35, 237;
Beschluß vom 6. August 1982 - IV TH 28/82 - ESVGH 32, 259 <262>).
Beanstandungsfrei ist auch die Räumungsanordnung des Beklagten (Ziffer 1 des
Bescheides vom 3. Juni 1983). Sie findet ihre rechtliche Grundlage in den §§ 10
Abs. 1, 12 HAbfG. Danach kann die zuständige Behörde die teilweise oder
vollständige Beseitigung (jetzt Räumung) einer Abfallbeseitigungsanlage oder
einer Autowrack-/Altreifenanlage, die ohne den erforderlichen
Planfeststellungsbeschluß, ohne die erforderliche Genehmigung oder entgegen
den darin enthaltenen Festsetzungen errichtet, betrieben oder geändert wird,
anordnen, wenn nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt
werden kann. § 12 HAbfG stellt dabei für die Ausübung des Ermessens nach § 10
Abs. 1 HAbfG besondere Maßstäbe auf und verpflichtet die Behörde im Regelfall
zur Beseitigungs-/Räumungsanordnung, sofern eine Anlage illegal errichtet,
betrieben oder geändert wird. In allen diesen Fällen wird nämlich entweder der
Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 3 AbfG oder (auch) der
Straftatbestand des § 327 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht. Aus dem Nebensatz in §
12 HAbfG: "Wenn nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt
werden kann", ist die Zielsetzung der Gesamtregelung dieser Vorschrift zu
entnehmen. Die Behörde soll im Bereich von Abfallbeseitigungsanlagen oder
Autowrackplätzen stets auf der Herstellung rechtmäßiger Zustände bestehen und
zur Erreichung dieses Ziels die erforderlichen Anordnungen erlassen; im Hinblick
auf die dauernde Verwirklichung von Straftatbeständen wird sich meist auch die
Frage einer Anordnung des Sofortvollzugs stellen. Bei einem illegalen Betrieb einer
Autowrackanlage ist daher regelmäßig die Anordnung der Räumung des Geländes
angebracht, da im allgemeinen nur auf diese Weise ein rechtmäßiger Zustand
hergestellt werden kann. Denn von einer illegalen Anlage gehen typischerweise
besondere Gefahren für die Allgemeinheit aus, da ihre Risiken keinen behördlichen
Kontrollverfahren unterlegen haben und deshalb kaum abschließend eingeschätzt
werden können.
Das Ziel der Herstellung rechtmäßiger Zustände kann nicht dahin verstanden
werden, bei illegalen Anlagen solle stets die Möglichkeit ihrer Legalisierung geprüft
werden, bevor die Beseitigung oder Räumung angeordnet wird. Dieser Auffassung
des 9. Senats (Urteil vom 31. Mai 1983 - IX OE 110/81 -; wie hier jedoch noch Urteil
des 9. Senats vom 18. März 1980 - ESVGH 30,129 <239 f.>) vermag sich der
erkennende Senat nicht anzuschließen (ebenso auch VGH Baden-Württemberg
a.a.O.; S.332 f,; OVG Koblenz, Urteil vom 4. März 1986 - 7 A 76/85 - NVwZ 1986
S.665). Sie vernachlässigt den grundlegenden Unterschied des Abfallrechts zum
Baurecht. Während das Bauverbot im Hinblick auf die der Eigentumsgarantie
zugerechnete Baufreiheit als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingestuft
wird, ist die Regelung über das abfallrechtliche Zulassungserfordernis ähnlich den
wasserrechtlichen Vorschriften über die Erforderlichkeit einer Erlaubnis/Bewilligung
als repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ohne Rechtsanspruch auf Erteilung
der Erlaubnis einzustufen ( vgl. Hösel/von Lersner, Kz. 1140 Rdnr. 3; Kz 1180 Rdnr.
1 S. 2; vgl. zum Wasserrecht BVerfG, Beschluß vom 15. Juli 1981 - 1 BvL 77/78 -
BVerfGE 58,300 <346 f.>; BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1978 - 4 C 71.75 -
DVBl. 1979 S. 67 <68 f.>). Der abfallrechtlichen Zulassung kommt daher für die
Errichtung, die Änderung oder den Betrieb der Anlage rechtsgestaltende und
rechtsgewährende Wirkung zu. So lang sie nicht durch ausdrückliche behördliche
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rechtsgewährende Wirkung zu. So lang sie nicht durch ausdrückliche behördliche
Entscheidung eingetreten ist, bleibt das ohne sie durchgeführte Vorhaben
vollständig illegal. Ein rechtmäßiger Zustand läßt sich bei dieser Sachlage im
allgemeinen nur herstellen, wenn die illegale Anlage beseitigt und geräumt wird.
Ausgehend von der behördlichen Pflicht zu Herstellung rechtmäßiger Zustände
spricht noch eine weitere Überlegung gegen die grundsätzliche Einbeziehung der
Frage, ob die betroffene Anlage genehmigungsfähig ist. Im Rahmen des
behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens in Bezug auf eine Beseitigungs- oder
Räumungsanordnung ist Gegenstand der Bestands- oder Rechtskraft allein die
Rechtmäßigkeit des behördlichen Eingriffs zu Lasten des Betroffenen. Die
Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes setzt demgegenüber einen
begünstigenden Verwaltungsakt, die Planfeststellung bzw. die Genehmigung,
voraus. Diese Maßnahmen können nur ergehen, wenn sie vom Betroffenen
beantragt werden (§ 5 Abs. 1 HAbfG). Antragslose Zulassungsentscheidungen der
Behörde sind rechtswidrig. Auch § 10 Abs. 1 HAbfG gestattet es nicht, dem
Betroffenen die Stellung eines abfallrechtlichen Zulassungsantrages aufzugeben
(vgl. zur Unzulässigkeit des Gebotes, einen Bauantrag zu stellen, Hess. VGH,
Urteil vom 31. Oktober 1975 - IV OE 42/73 - HessVGRspr. 1976 S.46 <47>; Müller,
Baurecht in Hessen, § 70 HBO a.F. S. 15 f.). Der Freiheit, einen Antrag zu stellen,
kommt dabei im Bereich des Abfallrechts eine besonders große Bedeutung zu.
Denn abfallrechtliche Zulassungen ergehen in aller Regel nur unter Beifügung
erheblicher und schwerwiegender Auflagen, deren Erteilung im pflichtgemäßen
Planungsermessen des Beklagten steht. Überdies kann der Betreiber einer
Abfallbeseitigungsanlage in der Folgezeit mit nachträglichen Auflagen nach § 8
Abs. 1 Satz 3 AbfG einseitig von der Behörde in Anspruch genommen werden. Eine
abfallrechtliche Zulassung bürdet ihrem Empfänger zahlreiche Pflichten auf, die
ohne seine Zustimmung in Gestalt der Antragstellung auf Grund des
Gesetzesvorbehaltes nach Art. 2 Abs. 2 HV nicht rechtmäßig begründet werden
können. Eine Ausnahme kann allenfalls in Betracht kommen, wenn die
Legalisierung der Anlage vom Betroffenen bereits beantragt ist und die Erteilung
der Planfeststellung oder Genehmigung unmittelbar bevorsteht. Die Legalisierung
muß sich also gleichsam in einer Weise aufdrängen, daß an ihrer Berücksichtigung
auch in einem Anfechtungsverfahren kein sinnvoller Weg vorbeiführt (vgl. OVG
Koblenz, a.a.O.; zur Parallel im Baugenehmigungsverfahren und der Änderung des
Bauantrags im gerichtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. Januar 1971
- IV B 101.70 - Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 9 S. 5; Hess. VGH, Urteil vom 13.
Dezember 1974 - IV DE 73/73 ; Urteil vom 24. Juli 1977 - IV DE 81/75 - ). Ein
solcher Ausnahmefall wird aber schon im Hinblick auf die Strafandrohung des §
327 Abs. 2 Nr. 2 StGB äußerst selten vorliegen können.
Für die hier angefochtene Räumungsanordnung des Beklagten bedeutet dies, daß
sie ihre rechtlichen Grundlagen in § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 HAbfG findet.
Die fehlende abfallrechtliche Zulassung rechtfertigt schon für sich genommen das
Räumungsgebot als Unterfall der Beseitigung einer illegalen Anlage. Auf die Frage,
ob und gegebenenfalls unter welchen Nebenbestimmungen die Anlage des
Klägers legalisiert werden könnte, kommt es nicht an. Die vom Senat dargelegte
Ausnahme liegt ersichtlich nicht vor.
Was die Bestimmtheit der Räumungsanordnung, die Wahrung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und die Fehlerfreiheit der Ermessensausübung
angeht, verweist der Senat auf die Ausführungen zum Untersagungsgebot. Sie
gelten entsprechend für den hier angesprochenen Teil der Verfügung.
Mit dem Verwaltungsgericht ist weiter davon auszugehen, daß auch die Ziffer 3 in
der Verfügung vom 3. Juni 1983 nicht zu beanstanden ist. Die Durchsetzung des in
§ 10 Abs. 2 AbfG dem Grunde nach verankerten Rekultivierungsgebotes mit Hilfe
ordnungsrechtlicher Maßnahmen rechtfertigt sich aus § 10 HAbfG. Die Anordnung
des Beklagten ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 7 Satz 1 HSOG in
Verbindung mit § 10 Abs. 2 AbfG. Der Regierungspräsident durfte mit Rücksicht auf
die Gestaltungsfreiheit des Besitzers und Eigentümers der Grundstücke davon
absehen, dem Kläger im einzelnen vorzuschreiben, auf welche Weise er die
Angleichung der jetzigen Betriebsflächen an die Umgebung herstellt. Da das
Erscheinungsbild der Umgebung hinreichend klar feststeht und zweifelsfrei
ermittelt werden kann, kann es im Hinblick auf die hier lediglich in geringerem
Umfang vorliegenden Schädigungen des Geländes als ausreichend angesehen
werden, auf die sonst übliche Bestimmung der Mittel zur Durchsetzung der
Anordnung zu verzichten. In dieser Form begegnet die Verfügung auch keinen
Bedenken im Hinblick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
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Bedenken im Hinblick auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
gemäß § 5 HSO i.V.m. § 10 Abs. 2 HAbfG und die Anforderungen, die an eine
fehlerfreie Ermessensausübung zu stellen sind (§ 114 VwGO).
Die Kostenentscheidung im Bescheid vom 3. Juni 1983 ist ebenfalls rechtmäßig.
Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 9, § 11 Hessisches
Verwaltungskostengesetz - HVwKostG - vom 11. Juli 1972, zuletzt geändert durch
Gesetz vom 2. April 1981 (GVBl. 1981 I S. 137), § 1 Nr. 2 Allgemeine
Verwaltungskostenordnung vom 22. Januar 1976, zuletzt geändert durch
Verordnung vom 29. Januar 1980 (GVBl. 1980 I S. 74), § 1 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministers für
Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 22. Januar 1976,
zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. April 1983 (GVBl. 1983 I S. 35), und
Nr. 923 Ziffer 13 des dann zu ergangenen Gebührenverzeichnisses (GVBl. 1976 1.
S. 86 <105 f.>). Der Kläger ist Veranlasser der gegen ihn gerichteten
Amtshandlung. Als Betreiber der illegalen Anlage hat er die Amtshandlung zur
Untersagung des Betriebes ausgelöst (vgl. Hess. VGH, ESVGH 30, 229 <241>;
Urteil vom 21. August 1985 - 5 OE 23/83 - AgrarR 1986 S. 16).
Die Gebührenpflicht entfällt nicht auf Grund des § 2 Abs. 1 Nr. 1 HVwKostG.
Danach sind Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse
vorgenommen werden, gebührenfrei. Zwar wurden die angegriffenen Bescheide
auch im öffentlichen Interesse erlassen, um den illegalen Betrieb stillzulegen.
Andererseits hat jedoch der Kläger die maßgebliche Ursache für das gegen ihn
gerichtete Einschreiten der Beklagten gesetzt. Es ist daher eine Abwägung
vorzunehmen, in welchem Interessenbereich der Schwerpunkt der Amtshandlung
liegt (vgl. Hess. VGH a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Dezember
1974 - V 148/74 - ESVGH 25, 108 <109>). Bei Maßnahmen der vorliegenden Art,
die gerade durch rechtswidriges Verhalten der Betroffenen ausgelöst wurden, ist
der Veranlassung der Amtshandlung durch den Kläger ein höheres Gewicht
beizumessen als dem damit zugleich verfolgten öffentlichen Interessen. Die
Gebührenfreiheit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HVwKostG kann deshalb in diesen Fällen
nicht eingreifen (vgl. Hess. VGH a.a.O.; Der Ermessensspielraum des Beklagten
bei der Ausschöpfung des Gebührenrahmens zwischen 50,-- und 500,-- DM ist
nicht überschritten, die Höhe des gewählten Betrages ist im Hinblick auf die
Bedeutung der Sache nicht zu beanstanden. Der Kläger hat soweit auch keinerlei
Einwände erhoben.
Da die Berufung erfolglos bleibt, hat dir Kläger gem. § 155 Abs. 2 VwGO die Kosten
dieses Rechtsmittels zu tragen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.