Urteil des HessVGH vom 06.01.2011

VGH Kassel: nebenintervention, aktivlegitimation, tatsachenfeststellung, rechtsform, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, fehlerhaftigkeit, unrichtigkeit, unverzüglich

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 A 783/10.Z
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 66 Abs 1 ZPO, § 48 Abs 3
BauO HE
Hinzutreten zu einer Bauherrschaft
Leitsatz
Die Bildung einer Bauherrengemeinschaft setzt neben der schriftlichen Erklärung aller
Bauherren an die Bauaufsichtsbehörde auch die Mitteilung voraus, in welcher
Rechtsform die Bauherrengemeinschaft tätig sein soll. Die Erklärung der
Nebenintervention in einem gerichtlichen Verfahren reicht hierzu nicht aus.
Tenor
Der Antrag der Klägerin (ehemals Klägerin zu 2.) auf Zulassung der Berufung
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar
2010 - 4 K 812/09.F - bezüglich ihrer Klage wird abgelehnt.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen; die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Berufungszulassungsverfahren auf 20.000,00 €
festgesetzt.
Gründe
Der gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige
Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte
Urteil bezüglich ihrer Klage bleibt ohne Erfolg, denn mit dem Zulassungsantrag
wurden keine Gründe dargelegt, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen
könnten.
Wenn die Klägerin (ehemals Klägerin zu 2.)) vortragen lässt, es bestünden
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, soweit es ihre
Klage betrifft, kann sie hiermit nicht die Zulassung der Berufung erreichen.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, wenn gegen
die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung gewichtige Gesichtspunkte
sprechen. Dies ist der Fall, wenn der die Zulassung des Rechtsmittels begehrende
Beteiligte einen die angegriffene Entscheidung tragenden Rechtssatz oder eine
erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen
Argumenten in Frage stellt und sich dem Verwaltungsgerichtshof die
Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung - unabhängig von der vom
Verwaltungsgericht für sie gegebenen Begründung - nicht aufdrängt (vgl.
Senatsbeschluss vom 19.11.2009 - 3 A 1542/08.Z -; Hess. VGH, Beschluss vom
28.06.2008 - 7 UZ 2930/05 -, NVwZ-RR 2006, 660). Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4
VwGO erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel
verlangt dabei, dass die Antragsbegründung in konkreter und substantiierter
Auseinandersetzung mit der Normauslegung oder -anwendung bzw. der
Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts Gesichtspunkte für deren jeweilige
Fehlerhaftigkeit und damit für die Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung
aufzeigt (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 16.11.2009 - 3 A 1542/08.Z -; Hess.
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aufzeigt (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 16.11.2009 - 3 A 1542/08.Z -; Hess.
VGH, Beschluss vom 15.02.2007 - 7 ZU 23/07 - Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl.
2009, Rdnr. 52 zu § 124 a). Bei der Prüfung ernstlicher Zweifel ist das Gericht auf
die in dem Zulassungsantrag dargelegten Gründe beschränkt (Hess. VGH,
Beschluss vom 20.03.2003 - 4 TZ 822/01 - NVwZ 2001, 1870; Kopp/Schenke,
a.a.O., Rdnr. 50 zu § 124a). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende
Begründungen gestützt (sogenannte mehrfache bzw. kumulative Begründungen),
so muss für jeden dieser Gründe ein Berufungszulassungsgrund dargelegt werden
(Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 5 zu § 124; Rdnr. 7 zu § 124a).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Verfahren die
Berufung nicht zugelassen werden. Dabei kommt es letztlich nicht auf die
Argumente an, die die Klägerin dem angefochtenen Urteil im Hinblick auf die
Begründetheit ihres Anspruchs auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung
entgegenhält, denn das Verwaltungsgericht hat ihre Klage im Ergebnis schon
deshalb zu Recht abgewiesen, weil diese mangels Aktivlegitimation unzulässig war.
Die Klägerin, die unter dem 21. Juli 2008 die Baugenehmigung für die Umnutzung
von Produktionsflächen zu Verkaufs- und Versammlungsstätten auf dem
Grundstück I……..straße … in Friedrichsdorf beantragt hatte, übertrug mit
Vereinbarung vom 22. Dezember 2008 die Bauherrschaft für dieses Vorhaben auf
die ……. GmbH, Hamburg und zeigte dies mit Schreiben ihres
Prozessbevollmächtigten vom 29. Dezember 2008 unter Vorlage des Vertrages
dem Beklagten an. Die hiernach wirksam abgetretene Bauherrschaft hat die
Klägerin zu keinem Zeitpunkt wiedererlangt, so dass sie für eine Klage auf
Erteilung der Baugenehmigung nicht aktiv legitimiert ist.
Eine wirksame (Rück-) Übernahme der Bauherrschaft durch die Klägerin des
vorliegenden Verfahrens ergibt sich nicht aus dem Schriftsatz ihres
Bevollmächtigten vom 19. Mai 2009. Wenn es hierin heißt, die Klägerin trete dem
Rechtsstreit auf der Klägerseite bei, so handelt es sich hierbei nicht um eine
materielle (Mit-) Übernahme der Bauherrschaft, sondern um eine Erklärung mit
rein prozessualem Charakter. Nach § 66 Abs. 1 ZPO, der gemäß § 173 Satz 1 ZPO
entsprechende Anwendung findet, kann derjenige, der ein rechtliches Interesse
daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die
eine Partei obsiege, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.
Bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift wird aber deutlich, dass der Rechtsstreit
materiell-rechtlich ein fremder bleibt (Saenger, ZPO, 1. Aufl. 2006, Rdnr. 1 f. zu §
66), ohne dass die Nebenintervention Auswirkungen auf der materiell-rechtlichen
Ebene, etwa bezüglich der Frage einer Bauherrschaft hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schriftsatz des
Klägerbevollmächtigten vom 17. Juli 2009, in dem dieser erklärt, dass die Klägerin
„die Bauherrschaft mit übernehme“. Zwar weist er zutreffend darauf hin, dass
grundsätzlich die Möglichkeit einer Bauherrengemeinschaft durch die Hinzunahme
eines weiteren Bauherren besteht, doch sind die Voraussetzungen hierfür im
vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach § 48 Abs. 3 HBO ist der Wechsel der
Bauherrschaft unverzüglich der Bauaufsichtsbehörde schriftlich mitzuteilen. Sinn
dieser Vorschrift ist, dass die Bauaufsichtsbehörde insbesondere bei dringenden
Maßnahmen der Gefahrenabwehr ohne weitere Prüfung auf die ihr als
verantwortlich benannten Personen zugreifen kann (vgl. Hornmann, HBO, 1. Aufl.
2004, Rdnr. 5 zu § 48). Unabhängig davon, ob ein einseitiger, dem Gericht
gegenüber jedoch vom gemeinsamen Bevollmächtigten erklärter Beitritt zu einer
Bauherrengemeinschaft formal ausreichend ist, bedarf es aber zu einer im Sinne
von § 48 Abs. 3 HBO wirksamen Begründung einer Bauherrengemeinschaft auch
der Mitteilung, in welcher Rechtsform diese tätig sein soll und insbesondere der
Benennung eines verantwortlichen Ansprechpartners für die Bauaufsichtsbehörde,
damit diese gegebenenfalls weiß, wer Adressat einer Gefahrenabwehrverfügung
sein soll. Hieran fehlt es am vorliegenden Verfahren.
Hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin (ehemals Klägerin zu 2.)) aber
im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil diese mangels Aktivlegitimation unzulässig
war, so kommt es auf die von ihr zur Begründetheit ihrer Klage dargelegten
Argumente ebenso wenig an wie auf die von ihr als grundsätzlich bedeutsam
aufgeworfenen Fragen (§ 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO) und die behauptete Divergenz (§
124 Abs. 1 Nr. 4 VwGO) und auch die von der Klägerin vorgetragenen besonderen
tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) bestehen
nicht.
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Nach alledem ist der Zulassungsantrag der Klägerin mit der Kostenfolge nach §
154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
sind nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), da sie keinen
Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154
Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 , 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.