Urteil des HessVGH vom 07.12.1995

VGH Kassel: politische gemeinde, stadt, unterhaltung, verordnung, gewohnheitsrecht, waldeck, beihilfe, rechtspflicht, einkünfte, gemeinderat

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 1322/93
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 140 GG
(Kirchenbaulast)
Tatbestand
Die Klägerin klagt auf Zahlung von 36.000,-- DM als Teil von Aufwendungen für
Baumaßnahmen an der Kirche in F. Sie meint, daß aufgrund eines Herkommens
eine kommunale Baulast für die Kirche bestehe.
Im 18. Jahrhundert sind Bau- und Erhaltungsmaßnahmen an der Kirche in F teils
aus den geringen Einkünften der Kirchenkasse teils von der Stadt F finanziert
worden. 1802 und in den folgenden Jahren bis 1836 sollen in den
Kirchenabrechnungen keine Bauausgaben mehr nachgewiesen sein. Die
Stadtkasse übernahm sogar die Defizite der Kirchenkasse.
1830 wurde durch Konsistorialverordnung vom 26. März 1830 und
Regierungsverordnung vom 24. Dezember 1830 geregelt, daß aus dem
Kirchenvermögen nur die für "dessen Verwaltung und Erhaltung" notwendigen
Ausgaben zu bestreiten seien, so auch "für die gewöhnliche Unterhaltung des
Kirchengebäudes", während die Gemeinden die Kosten für "nicht zu den
gewöhnlichen gehörigen Reparaturen" zu übernehmen hätten, soweit das
Vermögen der betreffenden Kirche dazu nicht ausreiche.
In den Jahren 1857/58 bestellte und finanzierte die Stadt eine neue Orgel für die
Kirche.
Am 10. Mai 1864 erging eine "Verordnung wegen Bestreitung der kirchlichen
Baulasten seitens der evangelischen Gemeinden der Fürstentümer Waldeck und
Pyrmont". Darin wurde festgelegt, daß die evangelischen Gemeindeglieder die
kirchlichen Baulasten zu tragen hätten (§ 1). Bau- und Unterhaltsverpflichtungen
Dritter, ob sie sich "auf ein Patronatsverhältnis oder einen sonstigen Rechtstitel"
gründeten, blieben unberührt (§ 4). Die Baulasten sollten durch Aufschläge auf die
Steuern aufgebracht werden (§ 15 Abs. 1), konnten aber auch, "wie solches bisher
in der Regel geschehen" sei, "nach legalem Beschlusse der Gemeindevertretung
aus der Kommunalkasse der bürgerlichen Gemeinde bestritten werden." (§ 16 Abs.
1). Soweit dadurch nicht beitragspflichtige Personen benachteiligt wurden, hatte
die bürgerliche Gemeinde auf deren Antrag den Nachteil auszugleichen (§ 16 Abs.
3).
Die Parteien gehen davon aus, daß die Stadt F einen Beschluß zur Übernahme der
Kosten gefaßt hat, denn in einem Schreiben des Kreisrats an das
Landesdirektorium vom 18. Februar 1865 (vgl. Bl. 21 der Akten) soll eine
Bemerkung enthalten sein, daß die Gemeinde D "analog dem F Beschlusse ..... die
Übernahme der oben zitierten Baulasten beschlossen habe". In den folgenden
Jahrzehnten sind Bauarbeiten an der Kirche aus der Stadtkasse, aber im
Zusammenhang mit einer Kircheninstandsetzung im Jahr 1897 auch von
Gemeindegliedern finanziert worden.
Durch ein Kirchengesetz betreffend Abänderung und Ergänzung der
landeskirchlichen Gemeindeordnung vom 22. Dezember 1908 wurde festgelegt,
daß dem Kirchenvermögen obliegende Verpflichtungen zunächst aus dem
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daß dem Kirchenvermögen obliegende Verpflichtungen zunächst aus dem
Kirchenvermögen zu bestreiten seien (§ 26). Soweit die Einkünfte nicht
ausreichten, erhielten die Kirchengemeinden das Recht, von ihren Angehörigen
Gemeindekirchensteuern zu erheben (§ 29). Mit dem Gesetz nicht im Einklang
stehende frühere Bestimmungen wurden aufgehoben. Ausdrücklich geschah dies
hinsichtlich der Vorschriften in den Verordnungen von 1864, soweit darin geregelt
worden war, wie die Baulasten aufzubringen seien (§§ 15 bis 40), und von 1830,
soweit darin die subsidiäre Zahlungsverpflichtung der Gemeinden verordnet
worden war.
In den Jahren nach 1909 bis 1926 wurden im Rahmen der Bauunterhaltung aus der
Kirchenkasse Ausgaben für die Orgel sowie in den Jahren 1910 und 1911 für einen
Schreiner getätigt. 1915 soll sich die politische Gemeinde bereit erklärt haben, die
Kosten der elektrischen Beleuchtung der Kirche zu übernehmen. 1922 bewilligte
der Gemeinderat 6.000 Mark zur Anlage der Kirchenheizung, für die schon mit
einem Ertrag von 880,-- Mark kirchliche Sammlungen veranstaltet worden waren.
Da wegen der damaligen Kostensteigerungen das Geld nicht ausreichte,
beantragte der Kirchenvorstand mit Schreiben vom 20. September 1922 weitere
Mittel, die der Gemeinderat bewilligte. 1926 wurde auf Kosten der Stadt F die
Verschieferung des Turms teilweise erneuert und ein Zaun auf der Mauer des
Kirchplatzes angebracht. 1926 wurde die Lichtleitung in der Kirche auf Kosten der
Stadt F vervollständigt. Aus einer 1930 gefertigten Aufstellung des
Gemeindepfarrers ergibt sich, daß in den Jahren 1924 bis 1928 von der politischen
Gemeinde für die Kirche insgesamt 3.746,52 RM aufgewendet wurden, wovon
3.706,02 RM auf Turmarbeiten im Jahre 1926 und der Rest auf Dachdeckerarbeiten
und "Haftpflicht" entfielen.
1928 wurde in F die Ortskirchensteuer eingeführt. Von 1930 bis 1939 wurden außer
in den Jahren 1935 und 1938 Beträge zwischen 4,29 RM (1936) und 415,53 RM
(1931) aus der Kirchenkasse für Bauzwecke ausgegeben.
Unter dem 14. Januar 1938 beantragte der Kirchenvorstand die Gewährung einer
staatlichen Beihilfe zur Neudeckung des Kirchendaches und schrieb in diesem
Zusammenhang, die Unterhaltung des Kirchendaches sei bisher nach altem
Herkommen Sache der politischen Gemeinde F gewesen. Eine Rückfrage des
Regierungspräsidenten, ob und aus welchem Rechtsgrund die politische Gemeinde
zur Tragung der Instandsetzungskosten verpflichtet sei, führte zu der Auskunft des
Landeskirchenamtes, die Verpflichtung der politischen Gemeinde beruhe auf
Herkommen, das sich im Gebiet des gemeinen Rechts, in welchem auch Waldeck
gelegen sei, bis in die jüngste Zeit habe entwickeln können und als Rechtstitel
anerkannt sei. Der Gemeindevorstand bewilligte am 25. April 1938 2.400,-- RM zu
den auf 3.900,-- RM veranschlagten Kosten der Neudeckung des Kirchendachs. Die
Arbeiten wurden aber erst 1945 vergeben.
Unter dem 24. November 1948 berichtete der Pfarrer, der Dachstuhl des
Kirchenschiffs sei nach dem Plan des Staatlichen Bauamts in K neu errichtet
worden und das Dach des Schiffes, des Chores, der Turmhelm und die senkrechte
kleinere Ostwand des Turms neu beschiefert worden. Die senkrechte Nordwand
des Turms gedächten die Dachdecker noch in diesem Jahr neu zu beschiefern. Die
erheblichen Kosten trage die politische Gemeinde. Die unbrauchbar gewordene
Orgel sei ausgebaut und bis Ende September 1948 wieder instandgesetzt worden.
Die Kosten würden voraussichtlich durch die Kirchenkasse gedeckt werden.
1950 erbat der Bürgermeister von F einen Zuschuß aus Mitteln der Landeskirche
für die Kirchenrenovierung mit der Begründung, daß die Gemeinde nicht in der
Lage sei, alle Zahlungen zu leisten.
Unter dem 21. Juni 1951 schrieb der Landrat des Kreises an das
Landeskirchenamt, nach Mitteilung des Bürgermeisters in F beständen Zweifel
darüber, in welchem Umfange die politische Gemeinde die Baulastenpflicht für die
Kirche in F zu tragen habe. Deswegen werde um Auskunft gebeten, ob genauere
Unterlagen vorhanden seien, und um Übersendung der in Betracht kommenden
Vereinbarung. Daraufhin wurde bis 1955 zwischen dem Landrat in K und dem
Landeskirchenamt in Kassel die Frage behandelt, ob in noch gemeindliche
Baulasten bestehen könnten. Im Landratsamt erstellte Gutachten kamen zu dem
Ergebnis, daß dies seit 1864 nicht mehr möglich sei. Das Landeskirchenamt stellte
sich in einem Schreiben an den Landrat vom 03. Mai 1955 auf den Standpunkt,
seit 1908 habe wieder ein die politischen Gemeinden verpflichtendes Herkommen
entstehen können. Die politischen Gemeinden hätten bis in die jüngste
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entstehen können. Die politischen Gemeinden hätten bis in die jüngste
Vergangenheit die waldeckischen Kirchen und Pfarrhäuser im wesentlichen
unterhalten, und zwar in dem Bewußtsein, hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Dies
sei auch in eine tief eingewurzelte Überzeugung. Diese Überzeugung sei mit der
Überlegung einhergegangen, daß die Unterhaltung der örtlichen Gebäude ohne
Rücksicht auf etwaige gesetzliche Verpflichtungen der politischen Gemeinde im
wesentlichen aus örtlichen Mitteln bestritten werden müßte und es daher auch im
Interesse der politischen Gemeinde läge, Kirche und Pfarrhaus nicht verwahrlosen
zu lassen.
1952 bezahlte die Stadt F Maurerarbeiten an der Kirche. Aus weiteren Unterlagen
ergibt sich, daß die Stadt F - 1954 und 1958 Reparaturen an Kirche und Kirchturm
finanziert hat. Nach einem Schreiben des Bürgermeisters vom 3. Januar 1958
waren für das laufende Haushaltsjahr für die Unterhaltung der Kirche 900,-- DM
angesetzt. Unter dem 29. März 1961 übersandte der Bürgermeister der Stadt F
dem Landeskirchenamt eine Aufstellung der Aufwendungen der Stadt für Kirche,
Pfarrhaus und Unterhaltung des Friedhofs. Im Betreff findet sich dazu die
Bezeichnung "Freiwillige Leistungen". Für die Unterhaltung der Kirche im Jahre 1960
sind 916,20 DM angegeben.
1961/62 wurden ein elektrisches Läutewerk und eine Turmuhr für die Kirche
angeschafft. Von den Kosten übernahm die Kirchengemeinde 1.500,-- DM und die
politische Gemeinde 2.457,-- DM. 1967 bat der Bürgermeister der Stadt F beim
Landeskirchenamt um eine Beihilfe zur Behebung von Sturmschäden am
Kirchturm in F, die in Höhe von 3.500,-- DM bewilligt wurde. Die Stadt trug von den
Kosten 5.602,-- DM. 1973 beantragte die Kirchengemeinde bei der Stadt F eine
Beihilfe für die mit insgesamt 205.000,-- DM veranschlagte Kirchen- und
Orgelrenovierung. Da die Stadt F 1974 in die beklagte Stadt eingegliedert werden
sollte, konnte sie keine Mittel mehr zusagen. Die Stadt leistete keine Zahlungen.
Die Kirche wurde in der Zeit von 1979 bis 1988 renoviert. Nachdem verschiedene
Bemühungen der Klägerin, die Beklagte zu Beihilfen zu Renovierungsarbeiten zu
bewegen, ohne Erfolg geblieben waren, kam es am 7. September 1989 zu einem
Gespräch im Rathaus der Beklagten. Den Vertretern der Beklagten wurde dabei
mitgeteilt, daß 1990 das Kirchendach mit einem Kostenaufwand von 120.000,--
DM neu eingedeckt werden solle, wozu ein Baulastbeitrag in Höhe von 36.000,--
DM von der Beklagten erwartet werde. Unter dem 20. Februar 1990 erinnerte das
Landeskirchenamt an die Stellungnahme der Beklagten, ob die Zahlung geleistet
werde. Daraufhin beschloß der Magistrat der Beklagten am 5. März 1990, daß
keine Zahlung erfolgen solle und eine Baulastverpflichtung nicht anerkannt werde.
Dies wurde dem Landeskirchenamt unter dem 7. März 1990 mitgeteilt. Auch die
Stadtverordnetenversammlung verneinte mit Beschluß vom 3. April 1990 eine
Verpflichtung der Beklagten.
Die Neueindeckung des Kirchendaches wurde im Jahre 1990 durchgeführt. Es
entstanden Kosten in Höhe von 122.595,54 DM für Architekten und Handwerker.
Nach einem Vermerk des Landeskirchenamtes vom 15. November 1990 waren
Kirchendach und Turmverschieferung reparaturbedürftig. Seit 1984 hätten immer
wieder kleinere und mittlere Reparaturen durchgeführt werden müssen, weil wegen
durchgerosteter Schiefernägel bei Stürmen mehrfach Fehlstellen bis zu 2,5 qm
Größe entstanden seien. Außerdem seien die vorhandene Rohfilzpappe
weitgehend verrottet und dadurch auch die Dachschalung in Mitleidenschaft
gezogen gewesen. Deswegen seien die südliche Dachseite von Kirchenschiff und
Chor sowie Teile der schadhaften Turmverschieferung erneuert worden. Die
Neudeckung der Nordseite und weitere Reparaturen am Turm hätten mangels
Mitteln zurückgestellt werden müssen.
Am 5. November 1990 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 36.000 DM erhoben
und geltend gemacht, die Beklagte sei aufgrund einer durch Herkommen
begründeten Baulast zur Zahlung verpflichtet. Diese Verpflichtung sei auch durch
die in erlassenen Rechtsnormen oder andere staatliche Regelungen nicht
entfallen. Dies habe die Kirchenverwaltung schon in den Jahren 1938 und 1951
verdeutlicht und in mehreren gutachterlichen Äußerungen insbesondere vom 3.
Mai 1955 klargestellt. - Die Beklagte hat eine Verpflichtung bestritten.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. März 1993 die Klage abgewiesen
und die Ansicht vertreten, die Klägerin habe ihre im Rahmen der Baulast der
Beklagten gegenüber bestehenden Obliegenheiten verletzt, weil sie sie nicht
ausreichend an der Vorbereitung, Durchführung und Abrechnung der
Baumaßnahmen beteiligt und ihre Entschließungen nicht abgewartet habe. Die
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Baumaßnahmen beteiligt und ihre Entschließungen nicht abgewartet habe. Die
Baumaßnahme sei zwar im September 1981 angekündigt worden. Auch sei die
Beklagte aufgefordert worden, sich zu ihrer Baulastverpflichtung zu erklären. Es
seien jedoch weder ein Kostenvoranschlag vorgelegt worden noch
Ausschreibungen, noch sei Rechnung gelegt worden, so daß die Beklagte zu keiner
Zeit die Möglichkeit gehabt habe, zur Wahrung ihrer Interessen einzugreifen. Unter
diesen Umständen komme kein Aufwendungsersatzanspruch in Betracht.
Gegen das am 23. April 1993 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Mai 1993
Berufung eingelegt.
Sie hat ihre Auffassung, daß die Beklagte baulastpflichtig sei, wiederholt und
vertieft. Sie hat die Baukostenabrechnung für die im Jahre 1990 durchgeführten
Baumaßnahmen in Kopie vorgelegt und die Ansicht vertreten, sie sei nicht
verpflichtet gewesen, der Beklagten Kostenvoranschläge, Ausschreibungen und
dergleichen zu übermitteln, nachdem diese sich grundsätzlich geweigert habe zu
zahlen und die Durchführung der Bauarbeiten dringlich gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. März 1993 aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin 36.000,-- DM zuzüglich 4 % Zinsen seit
dem 5. November 1990 zu zahlen,
hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte für das Kirchengebäude in
baulastpflichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung, und zwar auch hinsichtlich des hilfsweise gestellten Antrages,
zurückzuweisen.
Sie bestreitet, baulastpflichtig zu sein und meint, allein daraus, daß die Stadt
Freienhagen zuweilen Kosten für Baumaßnahmen getragen habe, lasse sich
jedenfalls keine primäre Bauunterhaltungspflicht herleiten. Jedenfalls seit der
waldeckischen Verordnung aus dem Jahre 1864 hätten die Mitglieder der
Kirchengemeinde die primäre Bauunterhaltungspflicht gehabt. Später sei keine
Pflicht zur Unterhaltung der Kirche mehr zu Lasten der Stadt entstanden, weil es
sich bei den Zahlungen der Stadt F - um freiwillige Leistungen gehandelt habe und
keine, die aufgrund einer Rechtspflicht erbracht worden seien.
Dem Senat liegen drei Hefte mit Unterlagen der Klägerin und ein Heft
Verwaltungsakten der Beklagten vor.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat keinen Erfolg, denn die Klage ist sowohl hinsichtlich des
Zahlungsantrages als auch des auf Feststellung einer Baulastverpflichtung der
Beklagten gerichteten Hilfsantrages unbegründet, weil nicht erwiesen ist, daß die
Rechtsvorgängerin der Beklagten noch bis zu ihrer Eingliederung in die Stadt am 1.
Januar 1974 zur Bauunterhaltung der Kirche aufgrund Herkommens oder örtlichen
Gewohnheitsrechts verpflichtet war. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin hat
deswegen keine entsprechende Baulast zu tragen.
Es kann offenbleiben, ob eine in der Zeit vor 1864 entstandene primäre Baulast
der Stadt F aufgrund Herkommens oder einer Observanz bestand. Unter
Herkommen wird im Gegensatz zum örtlichen Gewohnheitsrecht (Observanz) eine
Übung verstande, "die nur ein besonderes dauerndes Rechtsverhältnis zwischen
zwei Beteiligten regelt und in dieser beständigen Übung eine vertragsmäßige
Abmachung ersetzt" (vgl. Gröpper, Gewohnheitsrecht, Observanz, Herkommen
und unvordenkliche Verjährung, DVBl. 1969, 945 (946 mit Nachweisen in Fußnote
70)). Eine Observanz setzt dagegen "eine dauernde und ständige, gleichmäßige
und allgemeine und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannte
Übung voraus (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 13. Mai 1981 - 1 BvR
610/77 und 451/80 - BVerfGE 57, 121 (135) mit weiteren Nachweisen).
Schon bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts läßt sich noch nicht einmal eine
dahingehende ständige Übung nachweisen, daß allein die Stadt die Kirche
unterhalten hat. Dies ist zwar zeitweise und im übrigen in erheblichem Umfang
geschehen. Überdies sind sogar die Defizite der Kirchenkasse, wie sich aus
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geschehen. Überdies sind sogar die Defizite der Kirchenkasse, wie sich aus
Prüfungsbemerkungen aus den Jahren 1811 und 1813/14 ergibt (vgl. Nrn. I 6 a und
b des Nachtragsgutachtens Dr. W. vom 16. Mai 1994), von der Stadtkasse
übernommen worden. Daraus läßt sich aber nicht ohne weiteres schließen, daß die
Stadt sich zur alleinigen Unterhaltung der Kirche verpflichtet gesehen hat, denn
diese Verfahrensweise entsprach der damaligen Rechtslage. Sie war durch die
Regelungen des Konzils von Trient geprägt, welche Bestandteil des gemeinen
Rechts waren (vgl. zu beidem Wiesenberger, Kirchenbaulasten politischer
Gemeinden und Gewohnheitsrecht, Berlin 1981, Seite 22 f; zu letzterem Lecheler,
Der Gegenstand der staatlichen Kirchenbaulast nach dem gemeinen Recht, in
Festschrift für Obermayer, München 1986, S. 217 ff. (218)), das auch in Waldeck
galt. Danach obliegt die Baulast zunächst dem Kirchenvermögen, sodann einem
etwaigen Patronatsherren, weiter jenen, denen von der Pfarrkirche Einkünfte
zufließen und schließlich den Pfarrangehörigen (vgl. auch Büff, Kurhessisches
Kirchenrecht, Kassel 1861 Seite 741 ff.; Friedberg, Lehrbuch des katholischen und
evangelischen Kirchenrechts, Leipzig 1909, Seite 607 ff.; Liermann, Deutsches
evangelisches Kirchenrecht, Stuttgart 1933 Seite 381 ff.).
Einem fürstlichen Edikt vom 4. November 1726 (vgl. Curtze, Die kirchliche
Gesetzgebung des Fürstentums Waldeck, Arolsen 1851, Seite 234 Nr. 131), daß
unentgeltliche Hand- und Spanndienste für Reparaturarbeiten an Kirchen und
Schulbauten betraf, läßt sich auch entnehmen, daß in Waldeck tatsächlich so
verfahren wurde, und zwar in der Weise, daß die Gemeinden selbst
Reparaturkosten, die nicht aus den Kircheneinkünften gedeckt werden konnten,
nachrangig übernahmen. Dort heißt es (ohne die Unterstreichung):
"Wann es dann an deme ist, daß die Gemeinden, bey Ermangelung derer Kirchen-
Intraden ohne dem in subsidium die erforderliche Bau- und Verbesserungs Kosten
hergeben müssen, und eine gantze Gemeinde mit viel leichter Mühe die nothige
Fuhr- und Hand-Dienste praestiren, alß der Gottes Kasten solches mit baarer
Bezahlung ins Werck richten kan."
Darauf, daß - ungeachtet der Frage, wem die Kosten zur Last fielen - in Waldeck
die Gemeinden sogar die Reparatur von Kirchen-, Pfarr- und Schulgebäuden zu
besorgen hatten, weist die in dem von der Klägerin vorgelegten
Nachtragsgutachten vom 16. Mai 1994 auf Seite 2 unter Nr. 3 zitierte Verfügung
des Konsistoriums aus dem Jahre 1739 hin, wonach "sämtlichen Pastoribus
ernstlich hiermit befohlen" wurde, bei dem Stadtmagistrat auf Ausbesserung zu
dringen, wenn Reparaturen nötig waren. Hinsichtlich der Kostenpflicht ist von der
Klägerin selbst vorgetragen worden, daß vor 1864 auch in F aus dem
Kirchenkasten, einer Einrichtung, die in W vermutlich auf die Kastenordnung aus
dem Jahre 1542 zurückgeht (vgl. Curtze, aaO. S. 24 Nr. 13),
Bauunterhaltungsmaßnahmen finanziert wurden.
Nach den Verhältnissen des F Kirchenkastens, wie sie von dem Gutachter der
Klägerin dargestellt worden sind, waren die Einnahmen des Kirchenkastens, die
aus dem Verpachtungsertrag für ein 1.200 qm großes Grundstück bestanden
(Nachtragsgutachten Dr. W. vom 16. Mai 1994, S. 12), nicht ausreichend, um
größere Unterhaltungsmaßnahmen zu finanzieren. Von 1802 bis 1836 sind zwar
keine Bauausgaben aus dem Kirchenkasten mehr nachweisbar. Wenn seine
Einkünfte nicht ausreichten, entsprach es aber grundsätzlich der Rechtslage, daß
die Mitglieder der Gemeinde oder - an deren Stelle zur Vereinfachung - die
Stadtkasse die Lasten, die nicht aus dem Kirchenkasten bestritten werden
konnten, trugen, ohne daß allein dadurch eine alleinige bzw. primäre Baulast der
Gemeindemitglieder oder der Stadt begründet wurde, wie die Bauausgaben aus
dem Kirchenkasten, die wieder ab 1837 erfolgten, erkennen lassen.
Inwieweit die Stadt F Baukosten für Kirche, Pfarrhaus und Schule von den
Gemeindegliedern eingezogen hat und ob dabei entsprechend der Regelung
verfahren wurde, wie sie sich aus der Antwort der fürstlich-waldeckischen
Regierung vom 12. April 1817 auf eine Anfrage ergibt (vgl. Curtze a.a.O., S. 317 Nr.
227), geht aus den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen nicht hervor, ist
aber für die Entscheidung letztlich nicht erheblich, denn später erfolgte eine
normative Baulastregelung, die die Rechtsgrundlage für die Bauunterhaltung der
Kirche durch die Stadtkasse jedenfalls vom Jahre 1864 ab darstellte.
Schon im Jahre 1830 war durch die Konsistorialverordnung vom 26. März bzw. die
Regierungsverordnung vom 24. Dezember 1830 (Curtze a.a.O., S. 368 ff. Nr. 280,
S. 380 ff. Nr. 289) eine neue normative Grundlage für die subsidiäre
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S. 380 ff. Nr. 289) eine neue normative Grundlage für die subsidiäre
Unterhaltungspflicht der Kirchengebäude durch die Gemeinden gegeben worden,
denn es wurde bestimmt, daß die Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung des
Kirchengebäudes dem Kirchenvermögen zur Last fielen, die Gemeinden aber die
Kosten für "nicht zu den gewöhnlichen gehörigen Reparaturen" zu übernehmen
hätten, soweit das Vermögen der betreffenden Kirche dazu nicht ausreichte.
Nachdem die Kirchengemeinden (nach Angabe der Klägerin durch die Kirchliche
Gemeindeordnung vom 1. August 1857) von den Zivilgemeinden getrennt worden
waren, wurde durch die "Verordnung wegen Bestreitung der kirchlichen Baulasten
seitens der evangelischen Gemeinden der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont"
vom 19. April 1864 (Fürstlich Waldeckisches Regierungsblatt vom 10. Mai 1864, S.
97) festgelegt, daß die jeweils zu einer Kirche gehörenden evangelischen
Glaubensgenossen (Parochianen) anstelle der Gemeinden die Bau- und
Unterhaltungskosten zu tragen hätten, soweit das kirchliche Vermögen dazu nicht
ausreiche (§§ 1 und 6 der Verordnung). Rechtliche Verpflichtungen Dritter, "mögen
sich dieselben auf ein Patronatsverhältnis oder einen sonstigen Rechtstitel
gründen", blieben unberührt (§ 4). Weiter bestimmte § 16 Abs. 1 folgendes:
Wie solches bisher in der Regel geschehen ist, können auch für die Folge die
kirchlichen Baulasten nach legalem Beschlusse der Gemeindevertretung aus der
Kommunalkasse der bürgerlichen Gemeinde bestritten werden."
Es wurde weiter verordnet, daß ein derartiger Beschluß auf ortsübliche Weise
bekanntgemacht werden müsse und der Genehmigung des Kreisvorstandes
bedürfe, die Gemeinde aber auf Antrag die Nachteile auszugleichen habe, die
nichtbeitragspflichtigen Personen durch eine solche Regelung entständen.
Aus dem Wortlaut der Regelung in § 16 Abs. 1 der Verordnung ergibt sich
eindeutig, daß der Verordnungsgeber in der Bezahlung von
Unterhaltungsmaßnahmen für Kirchenbauten durch die Gemeinden keinen Fall
sah, in dem eine rechtliche Verpflichtung "Dritter" aufgrund eines "sonstigen
Rechtstitels" bestand, gleichgültig ob die Zahlungen aufgrund der hergebrachten
Rechtslage im Bewußtsein der subsidiären Zahlungspflicht erfolgten oder zu einem
herkömmlichen Recht bzw. einer Observanz mit einer primären
Unterhaltungspflicht erstarkt waren. Die Worte, "wie solches bisher in der Regel
geschehen ist", lassen eindeutig erkennen, daß der Verordnungsgeber in allen
Fällen, in denen die Kirchenbaulasten bisher aus gemeindlichen Mitteln bestritten
worden waren, die Neuregelung gelten lassen wollte.
Da die Kirchen- und Zivilgemeinden bis zu ihrer Trennung im Jahre 1857 eine
verwaltungsmäßige Einheit dargestellt hatten, war es auch konsequent, die
Zahlungen, die für die Unterhaltung kirchlicher Gebäude aus der Gemeindekasse
erbracht worden waren, nicht als Zahlungen "Dritter" im Sinne des § 4 der
Verordnung anzusehen, sondern davon auszugehen, daß sie den
Gemeindeangehörigen zuzurechnen waren. Wenn der Verordnungsgeber es durch
§ 16 Abs. 1 ermöglichte, die Baulasten anstatt durch Erhebung von
Steuerzuschlägen (§ 15) weiterhin durch unmittelbare Zahlungen aus der
Gemeindekasse aufzubringen, zugleich allerdings den Gemeinden, die so
verfuhren, aufgab, nicht beitragspflichtigen Personen auf ihren Antrag einen
Nachteilsausgleich zu gewähren, dann sah er dadurch zu Recht als gewährleistet
an, daß die Kirchenbaulasten nur von den evangelischen Gemeindeangehörigen (§
1) aufgebracht werden mußten.
Die Trennung der Kirchen- von den Zivilgemeinden rechtfertigte es auch,
gemeindliche Lasten, die sich auf Kirchenangelegenheiten bezogen, den
Kirchengemeinden bzw. ihren Angehörigen zu übertragen. Dies wäre selbst dann
möglich gewesen, wenn im Verhältnis von Gemeinde- zum Kirchenvermögen eine
durch Herkommen oder Observanz begründete Baulast bestanden hätte. Es wäre
dem Verordnungsgeber unbenommen gewesen, örtliches Gewohnheitsrecht durch
eine normative Regelung zu ersetzen oder, soweit Zahlungen auf Herkommen
beruhten, eine veränderte Regelung zu verordnen, denn entgegenstehendes
Verfassungsrecht gab es damals noch nicht.
Seitens der Klägerin ist unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte
Rechtsgutachten vom 20. August 1990 (S. 11 unter Nr. 10) vorgetragen worden,
daß in einem Schreiben des Kreisrats an das Landesdirektorium vom 18. Februar
1985 davon die Rede ist, "daß analog dem F Beschluß auch die Gemeinde D die
Übernahme der oben zitierten Baulasten beschlossen und daß der Kreisvorstand
diesem Beschluß seine Genehmigung gegeben hat." Daraus ist zu schließen, daß
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diesem Beschluß seine Genehmigung gegeben hat." Daraus ist zu schließen, daß
in der Stadt F ein Beschluß nach § 16 der Verordnung gefaßt worden ist, wovon
auch die Prozeßparteien ausgehen.
Beruhten danach Zahlungen der Stadt F auf einem gemäß § 16 Abs. 1 der
genannten Verordnung gefaßten Beschluß, dann stellte dieser und nicht eine
Observanz oder Herkommen die Rechtsgrundlage für die künftige Zeit dar.
Das Bürgerliche Gesetzbuch ließ die landesgesetzlichen Vorschriften über
Kirchenbaulasten unberührt (Art. 132 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch).
Im Jahr 1908 wurden durch das "Kirchengesetz betreffend Abänderung und
Ergänzung der landeskirchlichen Gemeindeordnung" vom 12. Dezember 1908
(Fürstlich Waldeckisches Regierungs-Blatt 1908 S. 131) die Regelungen aus dem
Jahre 1830 aufgehoben, die subsidiäre Zahlungspflichten der Gemeinden
begründeten, und die Bestimmungen aus dem Jahre 1864, durch die geregelt
worden war, wie die Baulasten aufzubringen waren, darunter auch § 16. Unberührt
blieb außer § 4 der § 1 der Verordnung vom 10. Mai 1864, worin bestimmt war, daß
die Parochianen zur Tragung der kirchlichen Baulasten verpflichtet sind. In dem
Kirchengesetz vom 12. Dezember 1908 wurde unter anderem vorgeschrieben, daß
die Kirchengemeinden berechtigt seien, von ihren Angehörigen
Gemeindekirchensteuern zu erheben, soweit die verfügbaren Einkünfte der
Kirchengemeinde zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse nicht ausreichten (§ 29).
Grundsätzlich waren die Ausgaben aus dem Kirchenvermögen zu bestreiten (§§
26, 27).
Nach 1908 hätte in F wieder eine gewohnheitsrechtliche
Kirchenunterhaltungspflicht zu Lasten der Stadt entstehen können. Es ist jedoch
nicht vorgetragen und belegt, daß zwischen dem Ergehen des Kirchengesetzes
von 1908 und dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August
1919 (RGBl. S. 1383), in deren Art. 138 Abs. 2 Rechte der Religionsgesellschaften
an ihrem Vermögen, darunter auch Bauunterhaltungsansprüche (vgl.
Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Rdrn. 11 zu Art. 138 WRV hinter Art. 140 GG),
gewährleistet wurden, ein Rechtsanspruch der evangelischen Kirchengemeinde F
gegenüber der Stadt F entstanden ist, der von dieser Verfassungsbestimmung
betroffen sein konnte.
Auch in den nachfolgenden Jahren erfolgte Zahlungen der Stadt zugunsten der
Kirchenunterhaltung rechtfertigen nicht den Schluß, daß die Stadt dadurch eine
eigene rechtsverbindliche Unterhaltungspflicht auf Dauer übernommen hat. Der
Antrag des Kirchenvorstandes an den Gemeinderat vom 12. April 1922, der die
Anschaffung eines Ofens für die Kirche betraf, deutet eher darauf hin, daß eine
freiwillige Beihilfe der Gemeinde gewünscht wurde. Der Wortlaut "Gesuch um
Bewilligung der Kosten für einen Kirchenofen" und der Hinweis auf das Ergebnis
kirchlicher Sammlungen für diesen Zweck in Höhe von 880,-- Mark lassen
erkennen, daß auch die Kirchengemeinde nicht davon ausging, daß die Stadt
rechtlich verpflichtet sei, die Kosten zu tragen. Andererseits zeugen die Zahlungen
der Stadt allerdings von einer wohlwollenden Einstellung gegenüber der
Kirchengemeinde. Darüberhinaus läßt der unter Nr. 12 des Nachtragsgutachtens
Dr. W. erwähnte Vertrag vom 26. Juni 1916, der dem Senat in Kopie nur
auszugsweise vorliegt, erkennen, daß der Stadt auch daran lag, die Erhebung von
Gemeindekirchensteuern zu vermeiden. In § 2 dieses Vertrages wurde vereinbart,
daß die Stadt, "um die Aufnahme eines Sparkassen-Darlehens und die dadurch
notwendig werdende Erhebung von Gemeindekirchensteuern zur Deckung der
Zinsen zu vermeiden," die vierteljährlich im voraus aus der Pfarrkasse zu
zahlenden Vierteljahresbeiträge an den Bezugsberechtigten der Pfründeneinkünfte
vorfinanzierte.
Außerdem scheint die Stadt F in den Jahren von 1924 bis 1927 die Fehlbeträge der
Kirchenkasse in Höhe von insgesamt 540 RM getragen zu haben (vgl. Anlage 37
Blatt 2 zu Nr. 22 des Gutachtens Dr. W. vom 20. August 1990 (Seite 17)). Da dies
auch nach Ansicht des Gutachters geschah, um die Erhebung der Kirchensteuer
zu vermeiden, die dann aber im Jahre 1928 eingeführt wurde, womit auch die
Defizitübernahmen endeten, läßt sich daraus nicht der Schluß ziehen, die Stadt
habe auf Dauer die Verpflichtung übernehmen wollen, die
Kirchenunterhaltungskosten und die Defizite der Kirchenkasse zu tragen. Von einer
entsprechenden "dauernden und ständigen, gleichmäßigen und allgemeinen
Übung" ließ sich ohnehin noch nicht ausgehen, weil auch die Kirchengemeinde
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Übung" ließ sich ohnehin noch nicht ausgehen, weil auch die Kirchengemeinde
wesentliche Baukosten getragen hatte.
Erhebliche Zahlungen für die Unterhaltung der Kirche sind dann bis zum Ende des
2. Weltkrieges scheinbar nicht mehr erfolgt, so daß es an Vorgängen fehlt, die die
Kirchenbaulastpflicht der Stadt hätten begründen können. Aufschlußreich ist
allerdings der unter dem 14. Januar 1938 gestellte Antrag auf Gewährung einer
staatlichen Beihilfe für die Deckung des Kirchendaches, denn er enthält die
Aussage, die Unterhaltung des "Kirchendaches" sei bisher nach altem Herkommen
Sache der Stadt F gewesen. Die dann folgenden Ausführungen darüber, daß die
Kirchengemeinde aus Kirchensteuermitteln einen Renovierungsfonds von 1.500 RM
angesammelt habe, lassen allerdings den Schluß zu, daß die Kirchengemeinde
selbst davon ausging, daß sie nach Einführung der Gemeindekirchensteuer die
Baulast zu tragen oder sich zumindest daran zu beteiligen habe.
Die Instandsetzung des Kirchendaches nach dem Krieg auf Kosten der politischen
Gemeinde und der Orgel auf Kosten der Kirchenkasse rechtfertigt nicht die
Annahme, daß damit ein Gewohnheitsrecht entstanden sei mit dem Inhalt, daß die
Bauunterhaltung der Kirche durch die Stadt zu erfolgen habe. Zwar mag die Stadt
aufgrund der 1938 vom Landeskirchenamt erteilten Auskunft, die politische
Gemeinde F sei aufgrund Herkommens verpflichtet, die Unterhaltskosten zu
tragen, von einer Rechtspflicht ausgegangen sein. Bestand jedoch diese
Rechtspflicht nicht, dann konnte sie sich nur durch eine längere tatsächliche
Übung bilden, "die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine sein
muß und von den beteiligten Rechtsgenossen als verbindliche Rechtsnorm
anerkannt wird" (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 13. Mai 1981 - 1
BvR 610/77 und 451/80 - BVerfGE 47,121 (134 f.), und vom 28. Juni 1967 - 2 BvR
143/61 - BVerfGE 22, 114 (121 m.w.N.)). Selbst wenn die Reparatur des
Kirchendaches durch die Stadt von den Beteiligten als Erfüllung einer Rechtspflicht
auf zumindest teilweise Unterhaltung der Kirche angesehen wurde, konnte sie
allein ein Gewohnheitsrecht noch nicht begründen. Auch die weiteren Leistungen in
den 50iger Jahren rechtfertigen es nicht, dies anzunehmen. Nach dem Schreiben
des Landrats des Kreises vom 21. Juni 1951 an das Landeskirchenamt bestanden
nach Mitteilung des Bürgermeisters in F Zweifel darüber, in welchem Umfang die
politische Gemeinde für die Kirche baulastpflichtig wäre. Danach läßt sich nicht
davon ausgehen, daß die Stadt damals in dem Bewußtsein handelte, daß sie eine
uneingeschränkte Kirchenbaulast zu tragen habe. Der Schriftwechsel wegen dieser
Fragen zog sich bis zum Jahre 1955 hin, ohne daß erkennbar wäre, zu welchem
Ergebnis er bei der Stadt F führte.
In dem Schreiben des Bürgermeisters an das Landeskirchenamt in Kassel vom 29.
März 1961 werden die Aufwendungen der politischen Gemeinde für die
Unterhaltung der Kirche, des Pfarrhauses und des Friedhofes im Haushaltsjahr
1960 ausdrücklich als freiwillige Leistungen bezeichnet, so daß sich nicht davon
ausgehen läßt, die Stadt habe anerkannt, rechtlich verpflichtet zu sein, Baukosten
zu tragen. Auch die weiteren Zahlungen der Gemeinde für
Unterhaltungsmaßnahmen an der Kirche in den 60iger Jahren lassen unter diesen
Umständen nicht den Schluß zu, daß sich während dieser Zeit ein
Gewohnheitsrecht habe bilden können. Vielmehr ist ebenso wie bei freiwilligen
Leistungen von Kommunen an andere Religionsgesellschaften, Träger von
Sozialeinrichtungen, Vereine und andere mehr nicht davon auszugehen, daß
regelmäßige Zahlungen allein eine gewohnheitsrechtliche Zahlungspflicht
begründen, wenn die Zahlungen nicht in dem Bewußtsein geleistet werden,
dadurch eine rechtliche Verpflichtung eingehen oder erfüllen zu wollen. Dafür sind
jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Die Berufung bleibt daher
sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrages erfolglos.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihr
Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1
VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.