Urteil des HessVGH vom 22.09.1993
VGH Kassel: ware, kennzeichnung, beihilfe, firma, rückforderung, lieferung, futtermittel, transport, verordnung, magermilch
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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 UE 3698/88
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
Art 1 Abs 1b EWGV 1725/79
(Rückforderung einer EG-Beihilfe für zu Mischfutter
verarbeitete Magermilch wegen Verletzung der
Kennzeichnungspflicht und der Transportanzeigepflicht)
Tatbestand
Die Klägerin stellt Mischfuttermittel unter Verwendung von Magermilchpulver her
und erhält dafür Beihilfen nach der VO (EWG) Nr. 1725/79. Für die Monate Juli bis
September 1981 erhielt sie mit vorläufigen Bewilligungsbescheiden insgesamt
11.975.625,53 DM. Bei einer Betriebsprüfung im November 1981 wurde
festgestellt, daß bei einigen Mischfuttermitteln der Rezepturwert höher als der
tatsächliche Magermilchpulveranteil lag, daß bei einem Futtermittel nur ein
Magermilchpulveranteil von 59,94 anstelle von 60 % gegeben war, daß Säcke, in
denen Futtermittel abgepackt war, nicht ausreichend gekennzeichnet waren und
daß eine Containerlieferung mit Futtermittel nicht rechtzeitig angemeldet worden
war. Insgesamt führten diese verschiedenen Beanstandungen zu einer
Rückforderung in Höhe von 35.508,32 DM, die die Beklagte mit Bescheid vom 2.
September 1982, mit dem sie endgültig über die Beihilfe für die Monate Juli bis
September 1981 entschied, zurückforderte. Ihren gegen die gesamte
Rückforderung eingelegten Widerspruch hielt die Klägerin im Laufe des
Widerspruchsverfahrens nur noch hinsichtlich der beanstandeten
Kennzeichnungspflicht und der nicht rechtzeitig angemeldeten Containerlieferung
aufrecht; dies entspricht einer Rückforderung in Höhe von 18.155,83 DM. Mit
Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1986 wies die Beklagte den Widerspruch der
Klägerin unter Hinweis auf Art. 4 der VO (EWG) Nr. 1725/79 zurück, wonach eine
Kennzeichnung bzw. ein Hinweis mittels Kennziffer der beihilfeberechtigten
Herstellerfirma zwingend vorgeschrieben sei. Im Hinblick auf die Containerlieferung
an die Firma B sei die Rückforderung aus Art. 6 der genannten EWG-Verordnung
gerechtfertigt.
Am 21. Juli 1986 hat die Klägerin Klage bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am
Main erhoben mit dem Bestreben, den Rückzahlungsbescheid der Beklagten in der
Fassung des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Zur Begründung hat sie
vorgetragen, die an die Firma B ausgelieferte nicht gekennzeichnete Sackware
sofort nach der Beanstandung der fehlenden Kennzeichnung durch die Beklagte
zurückgenommen und ordnungsgemäß gekennzeichnet zu haben. Was die
Containerlieferung betreffe, so sei diese ordnungsgemäß gemeldet gewesen. Für
den 25. September 1981 seien nämlich mit Fernschreiben vom 22. September
1981 insgesamt sechs Tonnen Mischfutter für die Firma B gemeldet gewesen.
Später habe die Firma B weitere vier Tonnen Starter bestellt, die mit demselben
Transport angeliefert werden sollten. Da der Beklagten somit der Transport ansich
gemeldet gewesen sei, könne die Beihilfe auch für diese Partie nicht
zurückgefordert werden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Rückzahlungsbescheid der Beklagten vom 2. September 1982 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 1986 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß die Beihilfevoraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine
nachträgliche Heilung im Hinblick auf die später von der Klägerin vorgenommene
Kennzeichnung der Verpackung sehe das EG-Recht nicht vor. Auch die
Rückforderung im Hinblick auf die 4.000 kg Mischfutter, die per Container geliefert
wurden, sei zu Recht erfolgt, da die Klägerin diese Lieferung gerade nicht
angemeldet habe. Die Klägerin sei entsprechend der ihr erteilten Erlaubnis zur
Lieferung von Mischfutter per Tankwagen oder Containern verpflichtet, die
Durchführung eines jeden Transportes vorher anzuzeigen. Mit dem Telex vom 22.
September 1981 habe die Klägerin jedoch nur vier Tonnen Mast blau 1 und zwei
Tonnen Mast blau 2 an die Firma B angemeldet und die Lieferung von 4.000 kg
"Bewital Starter" gerade nicht angemeldet.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid
vom 1. August 1988 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin
stehe für die vorliegend in Streit stehenden Mengen zu Mischfutter verarbeiteten
Magermilchpulvers keine Beihilfe nach der VO (EWG) Nr. 1725/79 zu, so daß die
Beklagte berechtigt gewesen sei, mit endgültigem Bescheid vom 2. September
1982 diesen Betrag, der vorläufig bewilligt worden war, zurückzufordern. Art. 4 Abs.
2 der EWG-Verordnung schreibe zwingend vor, daß das Mischfutter in Säcken
verpackt sein müsse und auf den Säcken in gut lesbaren Buchstaben u.a. eine
Aufschrift aufgedruckt sein müsse, durch die der beihilfebegünstigte Betrieb
identifiziert werden könne. Diese Voraussetzungen habe die gelieferte Ware nicht
erfüllt. Eine nachträgliche Kennzeichnung sei nicht möglich gewesen. Auch die
Rückforderung im Hinblick auf die 4.000 kg Mischfutter, die per Container geliefert
worden seien, sei gerechtfertigt, da die Klägerin ihrer Verpflichtung, den Transport
anzuzeigen, nicht nachgekommen sei. Die Meldepflicht beziehe sich hierbei nicht
bloß auf den Vorgang eines Transportes von A nach B ohne jegliche Angabe von
Menge und Art der Ware. Dies ergebe sich aus dem Genehmigungsbescheid vom
7. Februar 1979, mit dem der Klägerin die Durchführung von Containerlieferungen
grundsätzlich erlaubt worden sei. Auch die Klägerin habe die Erlaubnis in dem
Sinne verstanden, da sie ansonsten konkrete Mengen und die Art des
Futtermittels genannt habe. Die Anmeldung von konkreten Mengen, ggf. unter
Typen- oder Warenbezeichnungen sei nicht nur sinnvoll, sondern vielmehr
notwendig, um die Ware identifizieren zu können und um die Beklagte in Stand
darüber zu setzen, ob der Verarbeitungsbetrieb seiner Meldepflicht
nachgekommen sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 4. August 1988 zugestellte Urteil mit einem am
2. September 1988 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie ist
weiterhin der Auffassung, daß durch die nachträgliche Kennzeichnung der ohne
Kennzeichnung ausgelieferten Sackware die Beihilfevoraussetzungen erfüllt
worden seien. Da darüber hinaus ein Teil der Ware sich noch im Lager der Klägerin
befunden hätte, also noch nicht ausgeliefert gewesen sei, könne jedenfalls für
diese Teilmenge die Beihilfe nicht versagt werden. Hinsichtlich der
Containerlieferung vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, daß in der
Gestattung vom 7. Februar 1979 keinerlei Hinweis gegeben sei, daß jeweils die
genaue Zusammensetzung, Sorte bzw. Transportmenge der Beklagten
mitzuteilen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts vom 1. August
1988 den Rückzahlungsbescheid der Beklagten vom 2. September 1982 in der
Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 1986 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angegriffenen
Widerspruchsbescheid sowie auf den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main vom 1. August 1988 und weist nochmals darauf hin, daß die EG-
Vorschriften eine strikte Einhaltung gerade im Hinblick auf Kennzeichnung und
Verwendung verlangten, um einem Mißbrauch vorzubeugen. Auch die Lieferung
der 4.000 kg Mischfutter im Container sei nicht beihilfefähig, weil die Klägerin
diesen Transport gerade nicht angemeldet habe. Aus der der Klägerin erteilten
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diesen Transport gerade nicht angemeldet habe. Aus der der Klägerin erteilten
Genehmigung vom 7. Februar 1979 ergebe sich, daß jede einzelne Lieferung
anzuzeigen sei und nicht generell ein Transport ohne genaue Angaben von Menge
und Art des Mischfutters.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die
Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Behördenakte der
Beklagten (1 Hefter).
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht durch die Berichterstatterin und ohne mündliche
Verhandlung, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden
erklärt haben (§ 87a Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und § 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht und mit
zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen
Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Beihilfe für die im Streit stehende Menge zu Mischfutter verarbeiteten
Magermilchpulvers; die Beklagte hat daher zu Recht mit dem angegriffenen
Bescheid vom 2. September 1982 die vorläufig bewilligte Beihilfe zurückgefordert.
Der Klägerin stand sowohl für die der Firma B gelieferte bzw. zu liefernde Ware
(15.450 kg) als auch für die mit Container am 24. September 1981 an die Firma B
gelieferte Ware (4.000 kg) keine Beihilfe zu. Gemäß Art. 1 Abs. 1 b) der VO (EWG)
Nr. 1725/79 der Kommission vom 26. Juli 1979 über die
Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für zu Mischfutter
verarbeitete Magermilch und für zur Kälberfütterung bestimmtes
Magermilchpulver (ABl. EG Nr. L 199 S. 1 ff.) wird für zu Mischfutter verarbeitete
Magermilch eine Beihilfe nur dann gewährt, wenn das Mischfutter den in Art. 4
genannten Bedingungen entspricht. Gemäß Art. 4 Abs. 2 der vorgenannten
Verordnung ist das Mischfutter in Säcken mit einem Höchstgewicht von 50 kg zu
verpacken. Auf den Säcken ist in gut leserlichen Buchstaben aufgedruckt:
"a) ein Hinweis darauf, daß es sich um Mischfutter handelt, b) eine Aufschrift,
durch die der beihilfebegünstigte Betrieb identifiziert werden kann. Für diese
Aufschrift kann eine Kennziffer benutzt werden, die alsdann den
Anfangsbuchstaben des Ursprungslandes enthält, c) der Herstellungsmonat und
das Herstellungsjahr, d) der Magermilchpulvergehalt des Enderzeugnisses."
Unstreitig hat die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, denn die bei der
Firma B aufgefundene Ware und die noch im Lager der Klägerin für die Firma B
lagernde Ware war nicht gekennzeichnet. Zur Vermeidung von Wiederholungen
verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen
Gerichtsbescheid, denen sich die Berichterstatterin anschließt (§ 130b VwGO).
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, daß es entgegen der Ansicht der
Klägerin nicht entscheidend darauf ankommt, ob das Magermilchpulver, für das
Beihilfe gewährt wird, tatsächlich als Viehfutter verwendet wird, d.h. der mit der
Subventionierung verfolgte Zweck eingetreten ist. Zum einen hat die Klägerin -
worauf die Beklagte zu Recht hinweist - lediglich behauptet, das von ihr
hergestellte Mischfutter, das sie an die Firma B geliefert hatte, zurückgenommen,
ordnungsgemäß deklariert und dann in Verkehr gebracht zu haben; ob es sich um
dieselbe Ware handelt, ist gerade wegen der fehlenden Kennzeichnung der Säcke
nicht nachweisbar. Darüber hinaus ist aber auch in der Rechtsprechung allgemein
anerkannt, daß auf die Einhaltung spezieller Formvorschriften - wie hier der
Kennzeichnungspflicht - nicht verzichtet werden kann, selbst wenn der mit der
Beihilfe verfolgte Zweck eingetreten ist. Sinn und Zweck der Kennzeichnungspflicht
ist die eindeutige Identifizierbarkeit der Ware; diese Identifizierung ist aus
Kontrollgründen notwendig. Wie den Begründungserwägungen der VO (EWG) Nr.
1725/79 zu entnehmen ist, sind die Kontrollmaßnahmen bei der Gewährung von
Beihilfen für zu Mischfutter verarbeitete Magermilch und für zu Kälberfutter
bestimmtes Magermilchpulver bewußt verstärkt worden, um einen Mißbrauch
auszuschließen. Die zu Kontrollgründen eingeführten Maßnahmen sollen
Manipulationen verhindern und der kontrollierenden Stelle die Kontrolle erleichtern.
Der Beihilfeanspruch ist daher bewußt an die strikte Einhaltung bestimmter
Förmlichkeiten geknüpft (siehe EuGH, U. v. 7. Februar 1979 - Rs 18/76 -, Slg. 1979,
343, 398). Wollte man ausreichen lassen, daß der Zweck der Regelung "irgendwie"
erreicht wird, so würde dies einem Mißbrauch Tür und Tor öffnen.
Die Klägerin hat unstreitig die von der Beklagten beanstandete Menge in Säcken
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Die Klägerin hat unstreitig die von der Beklagten beanstandete Menge in Säcken
verpackt, die die geforderte Kennzeichnung nicht enthielten. Ob sie die Ware
später wieder zurückgenommen und gekennzeichnet hat, ist irrelevant. Die EG-
Verordnung läßt aus den oben aufgezeigten Gründen eine nachträgliche
Kennzeichnung oder einen späteren Nachweis, daß der mit der Verordnung
erstrebte Erfolg eingetreten ist, nicht zu. Ein Beihilfeanspruch für zu Futtermittel
verarbeitetes Magermilchpulver, das nach der Herstellung in nicht
gekennzeichnete Säcke verpackt wurde, besteht nicht. Daher kommt es auch
nicht darauf an, daß sich eine Teilmenge des Futtermittels noch in den nicht
gekennzeichneten Säcken im Lager der Klägerin befand, d.h. noch nicht endgültig
ausgeliefert war. Art. 4 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 1725/79 verlangt eindeutig die
Verpackung des Mischfutters in gekennzeichneten Säcken. Daß die
Kennzeichnung erst angebracht werden müßte, wenn die Ware den Hersteller
verläßt, läßt sich der Verordnung nicht entnehmen, widerspräche dem Sinn und
Zweck der Kennzeichnungspflicht, da auch dies zu Manipulationen führen könnte,
die gerade ausgeschlossen werden sollen (zur Notwendigkeit der Kennzeichnung
der Verpackung siehe auch EuGH, Urteil vom 14.12.1989 - Rs C 346/88 -, Slg.
1989, 4579 ff).
Auch die Rückforderung für die 4.000 kg Mischfutter "Bewital Starter", die per
Container ausgeliefert wurden, ist gerechtfertigt. Wie das Verwaltungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, daß irgendein Transport für
einen bestimmten Tag angemeldet ist; vielmehr ist erforderlich, daß jede Lieferung
unter Angabe der konkreten Menge und der Art der Ware drei Werktage im voraus
angezeigt wird, da die Beklagte nur dann ihrer Kontrollpflicht nachkommen kann.
Dies läßt sich auch der Genehmigung zur Lieferung von Mischfutter in Tankwagen
oder Containern der Beklagten vom 7. Februar 1979 an die Klägerin eindeutig
entnehmen. Dort heißt es nämlich, daß "die Durchführung eines jeden Transportes
von Futtermittel mit beihilfefähigem Magermilchpulver in Tankwagen oder
Containern ... drei Werktage vorher angezeigt werden" muß (Unterstreichungen
durch das Gericht), "damit die geforderte Verwaltungskontrolle rechtzeitig
durchgeführt werden kann". Mit dieser Formulierung hat die Beklagte klar zum
Ausdruck gebracht, daß es ihr auf jede konkrete Lieferung von Futtermittel
ankommt und nicht auf den allgemeinen Umstand der Fahrt eines Tankwagens
oder Containers mit Futtermitteln (zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Auflage
siehe Hess. VGH, U. v. 16. November 1987 - VIII OE 117/82 -). Im übrigen hat wohl
auch die Klägerin die Genehmigung zum Containertransport in diesem Sinne
verstanden, da sie ansonsten konkrete Mengen und konkrete Ware angemeldet
hat.
Nach alledem hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.