Urteil des HessVGH vom 22.12.1999

VGH Kassel: politische verfolgung, amnesty international, bundesamt, asylbewerber, wahrscheinlichkeit, anerkennung, grobes verschulden, neue beweismittel, ausreise, asylverfahren

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 3557/98.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 71 AsylVfG 1992, § 51
AuslG 1990, § 53 AuslG
1990
(Entscheidung über Asylfolgeantrag und Feststellung von
Abschiebungshindernissen)
Tatbestand
Der ... 1970 in P geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer
Volkszugehörigkeit. Er reiste erstmals im August 1988 nach Deutschland ein und
beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Asylantrag mit
Bescheid vom 16. März 1989 ab. Die Ausländerbehörde des M-Kreises erließ unter
dem Datum des 2. November 1989 eine Abschiebungsandrohung. Die Bescheide
wurden öffentlich zugestellt, da der Aufenthaltsort des Klägers nicht bekannt war.
Am 16. März 1992 reiste der Kläger -- gemeinsam mit seiner Ehefrau ... und
seinem Sohn ... -- erneut nach Deutschland ein. Mit Schreiben seines
Bevollmächtigten vom 19. März 1992 -- bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen
eingegangen am 25. März 1992 -- beantragte er die Anerkennung als
Asylberechtigter und gab zur Begründung an, sie seien Kurden und würden wegen
ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit politisch verfolgt. Das Bundesamt lehnte den
Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens mit Bescheid
vom 6. Oktober 1993 ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG nicht vorlägen, und forderte den Kläger zur Ausreise auf. Der Bescheid
wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 16. März 1994 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 16. März 1994 -- bei Gericht eingegangen am 18. März 1994 --
hat der Bevollmächtigte des Klägers Klage erhoben und zur Begründung folgende
Erklärung des Klägers wiedergegeben:
"Ich bin im Jahr 1988 nur kurz in Deutschland gewesen. Ich bin im Herbst in die
Türkei zurückgekehrt. Ich bin mit einem LKW in die Türkei eingereist und hatte mich
bei der Einreise versteckt. Danach bin ich in mein Heimatdorf zu meiner Familie
zurückgekehrt. In meinem Heimatdorf und der Umgebung habe ich dann die PKK
unterstützt. Ich habe Plakate geklebt und gespendet. Zu mir nach Hause kamen
auch PKK-Kämpfer. Ich habe diese dann mit Essen versorgt, ihre Wäsche
gewaschen und sie bei mir übernachten lassen. Im September 1989, ich glaube
am 08.09.1989, wurde ich von den Gendarmen festgenommen und mit zur
Gendarmeriewache nach Pazarcik gebracht. Dort wurde ich drei Wochen
festgehalten. Man schlug und mißhandelte mich. Man schlug mit einem Stock auf
meine Füße und meine Hände. Mein Daumen der linken Hand ist dabei gebrochen.
Man sieht heute noch die Narben. Auch ein Zeh an dem linken Fuß ist gebrochen
worden. Auch diese Verletzung kann man noch heute sehen. Man wendete bei mir
auch die Falaka-Methode an. Nach meiner Freilassung bin ich nicht mehr im Dorf
geblieben, sondern habe mich an verschiedenen Orten in der Türkei versteckt.
Meine Frau blieb zusammen mit unserem Kind im Dorf und wurde wegen mir von
Gendarmen aufgesucht und mißhandelt. Ich habe dann im Jahre 1992 endlich
meine Ausreise aus der Türkei mit meiner Familie organisieren können.
Als Zeuge für meine Festnahme kann ich meinen Vater benennen, ..., ... Mein
Vater hat gesehen, wie ich festgenommen und weggeschleppt wurde. Nach
meiner Freilassung hat mein Vater meine Verletzungen gesehen. Mein Vater
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meiner Freilassung hat mein Vater meine Verletzungen gesehen. Mein Vater
befindet sich in Deutschland als Asylbewerber. Er ist einige Monate vor mir in die
Bundesrepublik Deutschland eingereist.
Auch in Deutschland beteilige ich mich an Aktivitäten der PKK. Ich nehme an
Demonstrationen und Abendveranstaltungen teil."
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 6. Oktober 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als
Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des
§ 51 Abs. 1 AuslG und hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben über die von dem Kläger behaupteten
Gründe seiner politischen Verfolgung durch Vernehmung des Klägers als
Beteiligten; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Verhandlungsniederschrift vom 21. Mai 1997 (Bl. 54 ff. der
Gerichtsakte).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Mai 1997 abgewiesen und
zur Begründung ausgeführt, das Bundesamt habe es zu Recht abgelehnt, ein
weiteres Asylverfahren durchzuführen, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
bis 3 VwVfG nicht vorlägen (§ 71 AsylVfG). Der Schriftsatz vom 19. März 1992
genüge nicht den Anforderungen an die substantiierte Geltendmachung eines
Wiederaufnahmegrundes; eine substantiierte Darlegung sei erst mit
Klageerhebung erfolgt, insoweit dürfte die Drei-Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG
unstreitig versäumt sein. Darüber hinaus habe der Kläger nicht glaubhaft
gemacht, nach seiner Rückkehr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt
gewesen zu sein. Der Vortrag des Klägers zum angeblichen Verfolgungsschicksal
nach Rückkehr in die Türkei sei insgesamt nicht nachvollziehbar.
Der Bevollmächtigte des Klägers hat gegen das ihm am 23. Juni 1997 zugestellte
Urteil die Zulassung der Berufung beantragt. Der Senat hat mit Beschluss vom 21.
September 1998 -- dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 29.
September 1998 -- die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts hinsichtlich des asylrechtlichen Verfahrensteils und der
Feststellung von Abschiebungshindernissen zugelassen.
Am 26. Oktober 1998 hat der Bevollmächtigte des Klägers sich zur Begründung
der Berufung auf das erstinstanzliche Vorbringen, insbesondere die Angaben des
Klägers während der mündlichen Verhandlung, bezogen und ergänzend darauf
hingewiesen, dass der Kläger weiterhin exilpolitisch tätig sei; wegen der
Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 19. Oktober 1998 (Bl. 100 f. der
Gerichtsakte) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 24. März 1999 hat der
Bevollmächtigte des Klägers vorgetragen, dass aufgrund der aktuellen Entwicklung
in der Türkei nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass nur exponierte
Regimegegner mit politischer Verfolgung zu rechnen hätten; gleichzeitig hat er
eine vom Kläger selbst aufgestellte Aktivitätenliste nebst Fotografien (Bl. 130 ff.
der Gerichtsakte) eingereicht.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 21. Mai
1997 den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 6. Oktober 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn
als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG und hilfsweise Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
vorliegen.
Die Beklagte und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich im
Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf
die Gerichtsakte, die Behördenakten des Bundesamtes (C 1 312 441) und der
Ausländerbehörde des M-Kreises sowie auf die folgenden den Beteiligten mit
gerichtlichen Schreiben vom 15. Dezember 1998 und vom 4. Oktober 1999
mitgeteilten Unterlagen, die sämtlich Gegenstand der Beratung gewesen sind:
(Türkei) Exilpolitik
1. 28.10.1983von Sternberg-Spohr an OVG Lüneburg
2. 14.02.1984Bundesamt für Verfassungsschutz an VG Köln
3. 01.10.1984Max-Planck-Institut Heidelberg an Hess. VGH
4. 17.04.1986Taylan an Hess. VGH
5. 15.05.1986Auswärtiges Amt an Hess. VGH
6. 27.11.1989Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
7. 16.12.1991Auswärtiges Amt an VG Stuttgart
8. 12.03.1992Oberdiek an VG Hannover
9. 20.03.1992Rumpf an VG Hannover
10. 06.04.1992Taylan an VG Bremen
11. 11.01.1993Auswärtiges Amt an VG Bremen
12. 03.02.1993Auswärtiges Amt an VG Stuttgart
13. 21.07.1993Auswärtiges Amt an VG Gießen
14. 09.11.1993Kaya an VG Kassel
15. 31.01.1994amnesty international an VG Ansbach
16. 10.03.1994Innenministerium Nordrhein-Westfalen an VG Schleswig
17. 31.03.1994amnesty international an VG Wiesbaden
18. 31.03.1994amnesty international an VG Wiesbaden
19. 08.06.1994Auswärtiges Amt an VG Frankfurt am Main
20. 15.07.1994Auswärtiges Amt an VG Düsseldorf
21. 08.08.1994Max-Planck-Institut Freiburg an VG Wiesbaden
22. 16.08.1994Gesellschaft für bedrohte Völker an VG Wiesbaden
23. 29.12.1994Auswärtiges Amt an VG Wiesbaden
24. 12.02.1996Rumpf an VG Kassel
25. 03.04.1996Kaya an VG Neustadt
26. 17.04.1996Auswärtiges Amt an VG Neustadt
27. 15.09.1996Kaya an VG Freiburg
28. 09.10.1996Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg an VG
Stuttgart
29. 30.10.1996Kaya an VG Bremen
30. 29.11.1996Max-Planck-Institut Freiburg an VG Neustadt
31. 19.12.1996Rumpf an VG Hamburg
32. 22.01.1997Rumpf an VG Bremen
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33. 29.12.1997Rumpf an VG Augsburg
34. 20.02.1998Kaya an VG Gelsenkirchen
Türkei (Exilpolitik)
18.09.1998Auswärtiges Amt -- Lagebericht Türkei
22.09.1998Oberdiek an VG Sigmaringen
20.10.1998Oberdiek an VG Sigmaringen -- Ergänzung --
22.10.1998Rumpf an VG Stuttgart
18.11.1998Kaya an VG Sigmaringen
07.01.1999Auswärtiges Amt an VG Freiburg
08.01.1999Auswärtiges Amt an VG Stuttgart
12.01.1999Rumpf an VG Berlin
03.02.1999amnesty international an VG Sigmaringen
18.02.1999Rumpf an VG Ansbach
03.03.1999amnesty international an VG Wiesbaden
30.04.1999amnesty international an VG Aachen
01.07.1999amnesty international an VG Bremen
sowie
Türkei (allgemeine Lage)
25.02.1999Auswärtiges Amt -- ad hoc-Bericht zur aktuellen
Lageentwicklung in der Türkei nach der Festnahme Öcalans
29.04.1999Oberdiek an VG Berlin
30.04.1999Graf, Lageanalyse -- November 1998 bis April 1999
07.09.1999Auswärtiges Amt -- Lagebericht Türkei
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet nach entsprechender Anhörung der Beteiligten mit
Schreiben vom 1. März 1999 und vom 4. Oktober 1999 (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125
Abs. 2 Satz 3 VwGO) über die Berufung durch Beschluss, weil er sie einstimmig für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a
Satz 1 VwGO).
Die hinsichtlich des asylrechtlichen Verfahrensteils und hinsichtlich der Feststellung
von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zugelassene und auch sonst
zulässige Berufung (§ 78 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 3 AsylVfG, § 124a Abs. 3
VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit im
Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens
und die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53
AuslG wurde durch den Bescheid des Bundesamtes vom 6. Oktober 1993 zu Recht
abgelehnt. Der Kläger kann auch in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen
Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht verlangen, dass die Beklagte ihn als
Asylberechtigten anerkennt und feststellt, dass in seiner Person die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (A.). Der Kläger kann auch nicht
-- hilfsweise -- verlangen, dass die Beklagte das Vorliegen von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG feststellt (B.). Über die
Abschiebungsandrohung ist nicht zu entscheiden, da insoweit die Berufung nicht
zugelassen ist. Hieraus ergeben sich die zu treffenden Nebenentscheidungen (C.).
A.
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Der Kläger, bei dessen Asylantrag es sich um einen Folgeantrag im Sinne des § 71
AsylVfG 1992 handelt, kann zwar die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens
beanspruchen (1.), ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (2.) und auf
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (3.) steht ihm dagegen
nicht zu.
1.
Das Bundesamt hat zutreffend über den am 25. März 1992 gestellten
Asylfolgeantrag auf der Grundlage des § 71 AsylVfG 1992 entschieden.
Die Vorschrift des § 87a Abs. 2 Nr. 3 des Asylverfahrensgesetzes in der Fassung
der Bekanntmachung vom 27. Juni 1993 (BGBl. I S. 1361) -- AsylVfG 1993 -- regelt,
dass für Folgeanträge, die vor dem 1. Juli 1993 gestellt worden sind, die
Vorschriften der §§ 71 und 87 Abs. 1 Nr. 2 in der bis zu diesem Zeitpunkt
geltenden Fassung maßgeblich sind. § 87 Abs. 1 Nr. 2 in der Fassung der
Bekanntmachung von 1993 enthält die unverändert gebliebene Formulierung der
Vorschrift, wie sie seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des
Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl. I S. 1126) -- AsylVfG 1992 -- gilt, und
bestimmt, dass über Folgeanträge, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellt
worden sind, die Ausländerbehörde nach bisher geltendem Recht entscheidet. Die
Formulierung "vor Inkrafttreten dieses Gesetzes" bezieht sich dabei auf die Zeit
vor dem 1. Juli 1992 (vgl. Art. 7 des Gesetzes zur Neuregelung des
Asylverfahrens). Voraussetzung für die Anwendung dieser Übergangsvorschrift ist
jedoch die Antragstellung bei der zuständigen Ausländerbehörde (Kanein/Renner,
Ausländerrecht, 6. Aufl., 1993, § 87 AsylVfG, Rdnr. 7; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., 1999,
§ 87 Rdnr. 9). Zuständige Ausländerbehörde für den am 25. März 1992 gestellten
Asylantrag des Klägers war gemäß § 14 Abs. 4 des Asylverfahrensgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 9. April 1991 (BGBl. I S. 869) diejenige
Ausländerbehörde, auf deren Bezirk der Aufenthalt zuletzt beschränkt war, mithin
die Ausländerbehörde des Main-Taunus-Kreises. Der Kläger hat den Asylantrag
dagegen bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen gestellt, ohne offen zu legen, dass
es sich für ihn persönlich um einen Asylfolgeantrag handelt, und die
Kreisverwaltung Mainz-Bingen hat den Asylantrag sodann an das Bundesamt
weitergeleitet. Der Kläger hat also vor dem Stichtag -- dem 1. Juli 1992 -- einen
wirksamen Asylfolgeantrag bei der zuständigen Ausländerbehörde des Main-
Taunus-Kreises nicht gestellt. Aufgrund dessen war nach Eintritt des Stichtages
das Bundesamt für die Entscheidung über den Asylfolgeantrag des Klägers nach
Maßgabe des § 71 AsylVfG 1992 zuständig.
Nach der Vorschrift des § 71 Abs. 1 AsylVfG 1992 -- der mit der Fassung des § 71
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1993 identisch ist -- ist bei Stellung eines erneuten
Asylantrages nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren
Asylantrages (Folgeantrag) ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen,
wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG ist
ein Verwaltungsverfahren wieder aufzugreifen, wenn (1.) sich die dem
Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten
des Betroffenen geändert hat, (2.) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem
Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, oder (3.)
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO)
gegeben sind. Ein Folgeantrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes
Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem
früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51
Abs. 2 VwVfG). Der Folgeantrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei
die Frist mit dem Tag zu laufen beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für
das Wiederaufgreifen des Verfahrens Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).
Im Falle der Ausreise und Wiedereinreise beginnt die Frist jedoch frühestens mit
der Wiedereinreise zu laufen, selbst wenn die Wiederaufnahmegründe bereits
während des Aufenthaltes im Ausland entstanden und dem Asylbewerber dort
bekannt geworden sind (Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz,
Bd. 2, Stand: August 1999, § 71 Rdnr. 122, m.w.N.). Der Asylbewerber hat die
Tatsachen und Beweismittel, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergeben soll, bereits im Folgeantrag -- also innerhalb
der dreimonatigen Ausschlussfrist -- anzugeben (Gemeinschaftskommentar zum
Asylverfahrensgesetz, a.a.O., § 71 Rdnr. 126). Die Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3
VwVfG gilt nicht nur im Verfahren vor dem Bundesamt, sondern auch für bei
Gericht neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe. Einzelne neue Tatsachen, die
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Gericht neu vorgebrachte Wiederaufgreifensgründe. Einzelne neue Tatsachen, die
zur Begründung nachgeschoben werden, brauchen -- ausnahmsweise -- allerdings
dann nicht innerhalb der Ausschlussfrist vorgetragen zu werden, wenn sie lediglich
einen bereits rechtzeitig geltend gemachten Wiederaufgreifensgrund bestätigen,
wiederholen, erläutern oder konkretisieren, also nicht qualitativ neu sind (BVerwG,
10.02.1998 -- 9 C 28.97 --, NVwZ 1998, 861 = EZAR 631 Nr. 45).
Der Kläger hat den Asylfolgeantrag -- erstmals in der Klageschrift vom 16. März
1994 -- zum einen mit den Vorkommnissen in der Türkei nach seiner Rückkehr im
Herbst 1988 (Vorfluchtgründe) und zum anderen mit exilpolitischen Aktivitäten
(Nachfluchtgründe) begründet.
Für den Fall, dass die mit einem Folgeantrag begehrte Asylanerkennung auf
mehrere selbstständige Verfolgungsgründe (beispielsweise auf Vorflucht- und
Nachfluchtgründe) gestützt wird und der in zulässiger Weise geltend gemachte
Grund für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nur einen von ihnen betrifft,
unterliegt der Folgeantrag lediglich hinsichtlich dieses Verfolgungsgrundes einer
erneuten Sachprüfung (BVerwG, 05.08.1987 -- 9 B 318.86 --, EZAR 212 Nr. 4;
30.08.1988 -- 9 C 47.87 --, EZAR 212 Nr. 6; OVG Nordrhein-Westfalen, 10.08.1999
-- 1 A 5410/96.A --; Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, a. a. O.,
§ 71 Rdnr. 80; a. A.: Hess. VGH, 23.03.1998 -- 12 UE 2918/96.A --, DVBl. 1998,
1036, unter Hinweis auf Kopp, VwVfG, 6. Aufl., 1996, § 51 Rdnr. 38; Marx,
Asylverfahrensgesetz, 4. Aufl., 1999, § 71 Rdnr. 121). Das hat beispielsweise zur
Folge, dass der Asylbewerber sich nicht auf den für Vorverfolgte anzuwendenden
herabgestuften Prognosemaßstab berufen kann, solange er im Hinblick auf
unanfechtbar verneinte Verfolgungsgründe Wiederaufgreifensgründe entweder
überhaupt nicht oder nicht in zulässiger Weise im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3
VwVfG geltend gemacht hat. Dabei handelt es sich nicht um eine Besonderheit
des Folgeantragsverfahrens gemäß § 71 AsylVfG, sondern um eine auch im
allgemeinen Verwaltungsrecht weit verbreitete Rechtsauffassung zur beschränkten
Durchbrechung der Bestandskraft bei Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen. Im
Gegensatz zum Strafprozess und zum förmlichen Disziplinarverfahren, in denen
das gesamte Verfahren uneingeschränkt erneut durchzuführen ist, bestimmt die
Vorschrift des § 590 Abs. 1 ZPO -- die gem. § 153 VwGO auch im
Verwaltungsprozess gilt und deren entsprechende Anwendung im
Verwaltungsverfahren aus Gründen der Sachnähe vor der Übernahme
strafprozessrechtlicher Rechtsgedanken den Vorzug verdient --, dass die
Hauptsache nur insoweit von neuem verhandelt wird, als sie von dem
Anfechtungsgrund betroffen ist (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., 1998, § 51
Rdnrn. 28, 34 ff., m.w.N.).
Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger den Asylfolgeantrag erstmals in der
Klageschrift vom 16. März 1994 mit den Vorkommnissen in der Türkei nach seiner
Rückkehr im Herbst 1988 begründet hat, obwohl er nach eigenen Angaben bereits
im März 1992 wieder nach Deutschland eingereist war, scheitert ein Anspruch des
Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens insoweit bereits an der
Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG. Dabei erstreckt sich die Prüfung, ob ein
weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht nur auf die Asylanerkennung nach
Art. 16a Abs. 1 GG, sondern auch auf die Gewährung von Abschiebungsschutz
nach § 51 Abs. 1 AuslG (arg.e. § 13 Abs. 2 AsylVfG). Das hat zur Folge, dass sich
der Kläger auf den für Vorverfolgte anzuwendenden herabgestuften
Prognosemaßstab selbst dann nicht berufen kann, wenn ihm aufgrund der geltend
gemachten exilpolitischen Aktivitäten ein Anspruch auf Durchführung eines
weiteren Asylverfahrens zusteht.
Die vom Kläger geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten begründen einen
Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Die Gesamtschau der
vom Kläger in der Klageschrift vom 16. März 1994, bei seiner Vernehmung durch
das Verwaltungsgericht am 21. Mai 1997 sowie mit Schriftsätzen vom 19. Oktober
1998 und vom 24. März 1999 geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten
genügt den Anforderungen an die substantiierte und fristgerechte
Geltendmachung einer Änderung der Sachlage, die dem Bundesamtsbescheid
vom 16. März 1989 zugrunde liegt (§ 71 Abs. 1 AsylVfG 1992 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr.
1 und Abs. 3 VwVfG). Denn den Anforderungen an die Darlegungslast des
Folgeantragstellers ist bereits dann Genüge getan, wenn sich den Darlegungen
zumindest ein schlüssiger Ansatz für eine mögliche politische Verfolgung
entnehmen lässt; ob den schlüssig dargelegten Verfolgungsbehauptungen
asylerhebliche Bedeutung zukommt, ist erst im Rahmen des weiteren
Asylverfahrens zu prüfen und zu entscheiden (Marx, a.a.O., § 71 Rdnrn. 92 f.,
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Asylverfahrens zu prüfen und zu entscheiden (Marx, a.a.O., § 71 Rdnrn. 92 f.,
m.w.N.; ausdrücklich offen gelassen in: BVerwG, 10.02.1998 -- 9 C 28.97 --, a.a.O.).
Dabei kann die Frage, ob die diesbezüglichen Angaben des Klägers in der
Klageschrift vom 16. März 1994 -- er beteilige sich an Aktivitäten der PKK und
nehme an Demonstrationen und Abendveranstaltungen teil --, den Anforderungen
an die Substantiierungspflicht bereits genügen oder ob eine substantiierte
Geltendmachung exilpolitischer Aktivitäten erstmals in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden am 21. Mai 1997 erfolgt ist,
dahingestellt bleiben. Dasselbe gilt für die Frage, ob es sich bei den im Verlauf des
Gerichtsverfahrens ergänzend vorgetragenen Aktivitäten um Bestätigungen,
Wiederholungen, Erläuterungen oder Konkretisierungen im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. o.) handelt, bezüglich deren
die Ausschlussfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht gilt, oder ob einzelne der vom
Kläger vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten an der Ausschlussfrist des § 51
Abs. 3 VwVfG scheitern und damit nicht berücksichtigungsfähig sind. Jedenfalls hat
der Kläger exilpolitische Aktivitäten geltend gemacht, die einen Anspruch auf
Durchführung eines weiteren Asylverfahrens begründen.
Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 71 Abs. 1
AsylVfG 1992 i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind somit gegeben. Der
beschließende Senat hat allerdings nicht nur über die Rechtmäßigkeit der mit
Bescheid des Bundesamtes und mit Urteil des Verwaltungsgerichts getroffenen
(ablehnenden) Entscheidung über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens
vor dem Bundesamt, sondern auch über die vom Kläger begehrte
Asylanerkennung gemäß Art. 16a Abs. 1 GG und die Feststellung des Vorliegens
der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu entscheiden. Die
Verwaltungsgerichte sind gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO
verpflichtet, die Streitsache spruchreif zu machen; sie sind demzufolge nicht
befugt, die Sache zur Entscheidung über den (weiteren) Asylantrag an das
Bundesamt "zurückzuverweisen", sondern müssen auch hierüber selbst
entscheiden (BVerwG, 10.02.1998, a.a.O.; Hess. VGH, 23.03.1998 -- 12 UE
2918/96.A --; OVG Nordrhein-Westfalen, 21.01.1999 -- 10 A 1495/98.A --).
2.
Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG
steht dem Kläger nicht zu.
Asylrecht als politisch Verfolgter im Sinne des mit dem früheren Art. 16 Abs. 2
Satz 2 GG übereinstimmenden Art. 16a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr
in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für
Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten
hat (BVerfG, 02.07.1980 -- 1 BvR 147/80 u.a. --, BVerfGE 54, 341 = EZAR 200 Nr.
1). Wer unverfolgt seinen Heimatstaat verlassen hat, ist nur dann als
Asylberechtigter anzuerkennen, wenn ihm aufgrund eines beachtlichen
Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung droht (§ 28 AsylVfG; BVerfG,
26.11.1986 -- 2 BvR 1058/85 --, BVerfGE 74, 51 = EZAR 200 Nr. 18; BVerwG,
20.11.1990 -- 9 C 74.90 --, BVerwGE 87, 152 = EZAR 201 Nr. 22). Eine Verfolgung
ist in Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als
politisch im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse,
Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die
politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 -- 2 BvR 478/86
u.a. --, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 -- 9 C 874.82 --,
BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 -- 9 C 185.83 --, BVerwGE 69,
320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen
Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den
subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 -- 2 BvR
502/86 u.a. --, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl.
BVerwG, 19.05.1987 -- 9 C 184.86 --, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19).
Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere
Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und
wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen
asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort
herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 -- 1
BvR 147/80 u.a. --, a.a.O., u. 01.07.1987 -- 2 BvR 478/86 u.a. --, a.a.O.; BVerwG,
18.02.1986 -- 9 C 16.85 --, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer
derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger
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derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger
Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die
Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung
abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG,
03.12.1985 -- 9 C 22.85 --, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Die
Prüfung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erfordert eine qualifizierende
Betrachtungsweise, die neben der Eintrittswahrscheinlichkeit auch die zeitliche
Nähe des befürchteten Eingriffs berücksichtigt (BVerwG, 14.12.1993 -- 9 C 45.92 --
, EZAR 200 Nr. 30). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war,
kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die
Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen ist (BVerfG, 02.07.1980 -- 1 BvR 147/80 u.a. --, a.a.O.; BVerwG,
25.09.1984 -- 9 C 17.84 --, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m.w.N.). Die
Asylanerkennung kann wegen anderweitigen Verfolgungsschutzes, insbesondere
nach Einreise aus einem sicheren Drittstaat ausgeschlossen sein (Art. 16a Abs. 2
GG; §§ 26a, 27, 29 Abs. 1 und 2 AsylVfG, Anlage I zum AsylVfG; vgl. vor allem
BVerfG, 14.09.1996 -- 2 BvR 1516/93 --, BVerfGE 94, 49 = EZAR 208 Nr. 7).
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen
Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre
fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie
eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien
nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den
Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 -- 9 C 141.83 --, EZAR 630
Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 -- 9 C 27.85 --, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR
1986, 79, u. 23.02.1988 -- 9 C 32.87 --, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch
den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG,
22.03.1983 -- 9 C 68.81 --, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 --
9 C 473.82 --, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der
allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die
vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer
Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 -- 9 C 74.81 --, BVerwGE 66, 237 =
EZAR 630 Nr. 1). Die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung kann schließlich nur
festgestellt werden, wenn sich das Gericht in vollem Umfang die Überzeugung von
der Wahrheit des von dem Asylbewerber behaupteten individuellen
Verfolgungsschicksals verschafft, wobei allerdings der sachtypische
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen ist (BVerwG, 12.11.1985 -- 9 C 27.85 --, a.a.O.).
Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger mit der Geltendmachung der
Vorkommnisse in der Türkei nach seiner Rückkehr im Herbst 1988 mangels
Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG 1992 i.V.m. § 51 Abs. 1
bis 3 VwVfG ausgeschlossen ist, geht der Senat davon aus, dass der Kläger bis zu
seiner Ausreise aus der Türkei im Jahre 1992 weder wegen seiner Zugehörigkeit
zur kurdischen Volksgruppe noch aus individuellen Gründen politisch verfolgt war.
Der somit unverfolgt ausgereiste Kläger kann seine Anerkennung als
Asylberechtigter auch nicht aufgrund eines im Sinne von § 28 AsylVfG beachtlichen
Nachfluchtgrundes verlangen.
Ein Nachfluchtgrund setzt voraus, dass dem Asylbewerber aufgrund von
Umständen, die nach seiner Ausreise aus seinem Heimatland eingetreten sind, für
den Fall seiner Rückkehr dort gegenwärtig und in absehbarer Zeit politische
Verfolgung droht. Dabei ist zu unterscheiden zwischen objektiven
Nachfluchtgründen, die durch Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers
unabhängig von seiner Person ausgelöst wurden, und subjektiven
Nachfluchtgründen, die der Asylbewerber nach Verlassen des Heimatstaates aus
eigenem Entschluss geschaffen hat (§ 28 AsylVfG; BVerfG, 26.11.1986 -- 2 BvR
1058/85 --, a.a.O.). Für die Prognose der Verfolgungsgefahr ist der Maßstab
anzulegen, ob dem unverfolgt ausgereisten Asylbewerber politische Verfolgung bei
einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht
(BVerwG, 31.03.1981 -- 9 C 286.80 --, EZAR 200 Nr. 3,25.09.1984 -- 9 C 17.84 --,
a.a.O., 03.12.1985 -- 9 C 22.85 --, a.a.O.).
Der Kläger kann sich bereits deshalb nicht mit Erfolg auf asylrechtlich beachtliche
Nachfluchtgründe berufen, weil es im ersten Asylverfahren an jeglichen
Feststellungen des Inhaltes fehlt, dass sich der Kläger bereits damals
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Feststellungen des Inhaltes fehlt, dass sich der Kläger bereits damals
entsprechend seiner politischen Überzeugung betätigt habe, und die Aktivitäten in
der Türkei nach seiner Wiedereinreise im Jahre 1988 aus Rechtsgründen nicht
berücksichtigungsfähig sind. Die vom Kläger angeführten exilpolitischen
Tätigkeiten weisen demzufolge nicht die erforderliche Verknüpfung zu einer schon
vor der Ausreise vorhandenen festen, bereits erkennbar betätigten Überzeugung
im Sinne des § 28 AsylVfG auf.
3.
Der Asylantrag des Klägers hat auch insoweit keinen Erfolg, als dieser die
Feststellung begehrt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner
Person vorliegen (§ 13 Abs. 2 AsylVfG).
Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht einen Staat abgeschoben werden,
in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Vorschrift erfasst
grundsätzlich alle Fälle drohender politischer Verfolgung im Heimatland des
Ausländers oder in einem Drittstaat. Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG
genießt daher grundsätzlich auch derjenige, dessen Asylbegehren im Rahmen des
Art. 16a Abs. 1 GG deshalb keinen Erfolg hat, weil er sich nur auf asylrechtlich
unbeachtliche subjektive Nachfluchtgründe berufen kann (BVerfG, 26.05.1993 -- 2
BvR 20/93 --, DVBl. 1993, 1001; Hess. VGH, 24.11.1997 -- 12 UE 725/94 --).
Aufgrund der den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 1998
bekannt gegebenen Erkenntnisgrundlagen geht der Senat im Anschluss an die
ständige Rechtsprechung des früher für Asylstreitverfahren türkischer
Staatsangehöriger allein zuständigen 12. Senats des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofes davon aus, dass untergeordnete politische
Betätigungen in Deutschland türkischen Sicherheitskräften in der Regel nicht
bekannt werden und deshalb nicht zu Ermittlungen und Verfolgungsmaßnahmen in
der Türkei führen. Eine politische Verfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten in
Deutschland droht demgemäß erst dann mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit,
wenn diese Betätigung für die kurdische Sache in hervorgehobener Weise erfolgt
und den türkischen Sicherheitskräften bekannt geworden ist. Dies kommt
regelmäßig erst dann in Betracht, wenn der Aktivist als exponiertes Mitglied einer
staatsfeindlichen Gruppe innerhalb oder außerhalb dieser Gruppe einen
Bekanntheitsgrad erlangt, der die Aufmerksamkeit eines möglichen Spitzels
innerhalb der Gruppe oder von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes
außerhalb der Gruppe erregt. Es muss sich also bei ihm um einen exponierten
Regimegegner handeln (Hess. VGH, 23.11.1992 -- 12 UE 2590/89 --, 24.01.1994 --
12 UE 200/91 --, 05.02.1996 -- 12 UE 4176/95 --; im Ergebnis ebenso: VGH Baden-
Württemberg, 28.11.1996 -- A 12 S 3481/95 --; OVG Hamburg, 05.04.1994 -- Bf V
12/92 --; Niedersächsisches OVG, 16.05.1995 -- 11 L 6012/91 --; OVG Rheinland-
Pfalz, 21.10.1994 -- 13 A 12464/93 --; OVG des Saarlandes, 28.06.1996 -- 9 R
80/93 --, 26.06.1996 -- 9 R 70/92 --); eine bloße Teilnahme an
Vereinsversammlungen und Demonstrationen genügt dagegen nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger im Schriftsatz vom 24.
März 1999 benannten Stellungnahmen bzw. Gutachten oder den den Beteiligten
mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Oktober 1999 ergänzend bekannt gegebenen
aktuelleren Erkenntnisgrundlagen. Der Kläger weist zwar im Schriftsatz vom 24.
März 1999 darauf hin, dass in letzter Zeit zahlreiche Einzelfälle von
abgeschobenen Kurden bekannt geworden seien, die bei oder nach der Einreise in
die Türkei politischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen seien, ohne
zuvor an exponierter Stelle oppositionell tätig geworden zu sein, und verweist
insoweit auf eine -- in Fotokopie beigefügte -- Stellungnahme von amnesty
international vom 3. Februar 1999 sowie auf Gutachten von Oberdiek an das VG
Sigmaringen vom 22. September und 20. Oktober 1998, von Kaya an das VG
Sigmaringen vom 15. Januar 1999 und von amnesty international an das VG Berlin
vom 24. Februar 1999.
Die dort genannten "Referenzfälle" sind indessen nicht geeignet, eine beachtliche
Wahrscheinlichkeit dafür zu begründen, dass bereits bei untergeordneter
exilpolitischer Betätigung mit politischer Verfolgung bei oder nach der Einreise in
die Türkei zu rechnen sei. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die
Gründe, aus denen die betreffenden Rückkehrer bei oder nach der Einreise in die
Türkei menschenrechtswidrig behandelt worden sind bzw. sein sollen, oft nur
Türkei menschenrechtswidrig behandelt worden sind bzw. sein sollen, oft nur
schwer recherchieren und verifizieren lassen. Diese Einschätzung ergibt sich
sowohl aus dem Gutachten von Oberdiek an das Verwaltungsgericht Sigmaringen
(vgl. S. 26) als auch aus der Stellungnahme von amnesty international vom 3.
Februar 1999 (vgl. S. 1 f.). Unabhängig davon, dass in einer Vielzahl der Fälle Art
und Ausmaß der behaupteten Misshandlung nicht bekannt sind bzw. der
Wahrheitsgehalt der gemachten Angaben zweifelhaft ist, lässt sich einem Teil der
genannten Fälle keinerlei Aussagekraft für die Beantwortung der Frage
entnehmen, ob ein erhöhtes Rückkehrrisiko für kurdische Asylbewerber bereits bei
untergeordneten exilpolitischen Aktivitäten besteht. Das gilt zunächst für
diejenigen Fälle, in denen vermutet wird, dass die jeweiligen Rückkehrer
verschwunden sind, ohne dass nähere Einzelheiten bekannt sind (beispielsweise:
Orhan Sengül, Ismail Cakir, Abdussemat Alper sowie dessen Bruder, Oruc Esingen,
Ibrahim Ekemen, Mehmet Huley Bat, Cebrail Köksal, Yusuf Isik, Mehmet Emin
Senocak, Metin Akbel mit Familie, Halim Bugra, Ibrahim Toprak, Zülfü Demirkan,
Halil Ibrahim Cicek, Ali Polat, Sait Babat). Ebenso wenig aussagekräftig sind die
Fälle, in denen zwar Misshandlung oder Folter behauptet bzw. bestätigt wird, aber
nicht einmal bekannt ist, ob die jeweiligen Rückkehrer in der Bundesrepublik
Deutschland überhaupt exilpolitisch tätig waren oder eine solche Tätigkeit
vermutet wurde (beispielsweise: Frau Doruk, Familie Salikara, Süleyman Yadirgi,
Necmettin Akgün, Seyfettin Sulimaz, Attila Özcan, Abdulhalim Sis, Habip und
Hazar Demir, Ramazan Antli, Mehmet Osoy, Ali Gül Sahindal, Ibrahim Halil Cicek,
Musa Akinci, Mihdi Öksüz, Edip Damlar, Imam Gemlik, Haydar Alkas sowie die in
dem Gutachten von Kaya an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 15.01.1999
genannten weiteren Personen, die für einen Tag festgenommen und misshandelt
worden sein sollen). Nicht aussagekräftig im vorgenannten Sinne sind auch
diejenigen Fälle, in denen Besonderheiten in der Person des jeweiligen Rückkehrers
vorliegen, die zur Festnahme und gegebenenfalls Misshandlung oder Folter geführt
haben können (beispielsweise per Haftbefehl Gesuchte wie: Haki Paktas Ulutop
bzw. Sahin Dogan, der eine zehnmonatige Haftstrafe verbüßt, deren Grund nicht
bekannt ist, ebenso Abdulselam Gündogdu, der bereits in Deutschland in Haft war;
Hasan Ocak, der vermutlich ermordet wurde, allerdings kein Asylbewerber war;
Abdul Menaf Düzenli, Irfan Yalcin, Ibrahim Avci und Ali Osoy, die dem
Militärgefängnis bzw. dem Kreiswehrersatzamt überstellt wurden). Von den
verbleibenden "Referenzfällen" weisen einige die Besonderheit auf, dass bei der
Einreise in die Türkei PKK-Symbole bzw. Propagandamaterial im Gepäck der
betreffenden Rückkehrer gefunden worden sein sollen (beispielsweise: Riza Askin,
Ayse und Ahmed Karakus, Osman Akgün). Den Fall Ramazan und Zübeyde Cetin
bezeichnet Oberdiek in seinem Gutachten vom 22. September 1998 selbst als
unrecherchierbar aufgrund widersprüchlicher Angaben. Selbst wenn man die
verbleibenden "Referenzfälle" (Murat Fani, Ayhan Bugrahan, Abdurrahman und
Ayse Tekin, "Rodi", Familie Dogan, Veysel Eserti, Hasan Kutgan, Ali S., Salih Berkil,
Mehmet Ali Akbas, Ahmed G., Murtaza Özgüner, Müslim Atis, Ahmet und Selime
Alptekin, Hüzni Almaz und Osman Demir) für aussagekräftig hält -- obwohl in
einigen Fällen wiederum Besonderheiten vorliegen dürften und in anderen nur
wenig Informationen vorliegen -- und eine Dunkelziffer berücksichtigt, lässt sich
eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass bereits bei untergeordneter
exilpolitischer Betätigung mit politischer Verfolgung bei oder nach der Einreise in
die Türkei zu rechnen sei, nicht begründen. Dabei ist davon auszugehen, dass die
einzukalkulierende Dunkelziffer entsprechend den Ausführungen von Oberdiek in
seinem Gutachten an das Verwaltungsgericht Sigmaringen (vgl. S. 39 f.) etwa bei
fünfzig Prozent anzusiedeln sein dürfte; die Angaben von Kaya in seinem
Gutachten vom 15. Januar 1999 -- wonach etwa achtzig Prozent aller
abgeschobenen, aus Kurdistan stammenden Asylbewerber festgehalten, verhört
und misshandelt würden -- sind demgegenüber nicht belegt. Die Zahl der
verbleibenden Referenzfälle einschließlich einer einzukalkulierenden Dunkelziffer
von etwa fünfzig Prozent ist indessen im Verhältnis zur Gesamtzahl der
abgeschobenen Rückkehrer -- nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom
7. September 1999 im Jahr 1998 6.640 Personen und im Zeitraum von Januar bis
Juli 1999 2992 Personen -- derart gering, dass jedenfalls nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass eine asyl- bzw.
abschiebungsrechtlich relevante Rückkehrgefährdung auch bei solchen Personen
besteht, die sich nicht exponiert exilpolitisch betätigt haben. Schließlich lassen sich
auch den den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 4. Oktober 1999
mitgeteilten aktuelleren Erkenntnisgrundlagen keine substantiierten Hinweise
darauf entnehmen, dass seit der Verhaftung von Abdullah Öcalan aus Deutschland
abgeschobene türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich
exilpolitisch betätigt haben, auch dann Repressionen ausgesetzt gewesen sind,
wenn die exilpolitische Betätigung nicht in exponierter Form erfolgt ist (im Ergebnis
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wenn die exilpolitische Betätigung nicht in exponierter Form erfolgt ist (im Ergebnis
ebenso: Niedersächsisches OVG, 28.01.1999 -- 11 L 2551/96 --; OVG Rheinland-
Pfalz, 11.06.1999 -- 10 A 11424/98 --; OVG Nordrhein-Westfalen, 15.09.1999 -- 8 A
2285/99.A --).
Der Kläger ist auch unter Berücksichtigung sämtlicher von ihm vorgetragenen
exilpolitischen Aktivitäten nicht als exponierter Regimegegner anzusehen, so dass
ihm politische Verfolgung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
In der Klageschrift vom 16. März 1994 hat der Kläger lediglich vorgetragen, er
beteilige sich an Aktivitäten der PKK; er nehme an Demonstrationen und
Abendveranstaltungen teil. Unabhängig davon, dass diese Angaben
unsubstantiiert sind, genügt eine bloße Teilnahme an Demonstrationen und
Abendveranstaltungen nicht, um von einer exilpolitischen Betätigung in
exponierter Form ausgehen zu können. Anlässlich seiner Vernehmung als
Beteiligter durch das Verwaltungsgericht am 21. Mai 1997 hat der Kläger sein
diesbezügliches Vorbringen zwar dahingehend konkretisiert, dass er sich an
angemeldeten Demonstrationen und Kulturabenden beteilige; die letzte
Demonstration, an der er teilgenommen habe, sei am 26. April 1997 in Düsseldorf
gewesen. Er habe sich jedes Jahr an den Newroz-Feierlichkeiten beteiligt, sei auch
zu Demonstrationen nach Bonn gefahren und habe sich an Kurdistan-Festivals
beteiligt. Er habe auch Aufgaben gehabt, er sei Ordner bei Demonstrationen
gewesen. Auch die so beschriebenen Aktivitäten des Klägers, einschließlich der
Ausübung der Funktion eines Ordners bei Demonstrationen, heben den Kläger
allerdings nicht besonders aus dem Kreis der exilpolitisch tätigen Kurden hervor.
Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1998 hat der Bevollmächtigte des Klägers
ergänzend vorgetragen, der Kläger habe am 1. Mai 1998 zusammen mit anderen
Kurden am Schloßpark in Wiesbaden einen Stand des "Kurdischen Roten
Halbmonds" betrieben und Flugblätter verteilt. Am 16. Mai 1998 habe er
zusammen mit ca. 150 anderen Kurden an einer Protestveranstaltung vor dem
türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main teilgenommen, die sich gegen
den Einmarsch der türkischen Armee in Südkurdistan richtete. Dabei hätten sie
gegen die Türkei gerichtete Parolen sowie Parolen zur Unterstützung des
kurdischen Befreiungskampfes gerufen. Aus dem Konsulatsgebäude heraus seien
Videoaufnahmen gemacht worden, so dass davon auszugehen sei, dass die
Demonstrationsteilnehmer identifiziert werden könnten. Am 12. September 1998
habe er am Internationalen Kurdischen Kultur-Festival in Den Haag teilgenommen.
Er sei für den angemieteten Reisebus, der von Flörsheim über Hofheim nach
Holland gefahren sei, verantwortlich gewesen und habe im Bus über Mikrofon eine
politische Rede an die Mitfahrer gehalten; am Veranstaltungsort habe er deutlich
sichtbar als Ordner fungiert. Selbst diese exilpolitischen Aktivitäten lassen den
Kläger nicht als derart herausragend erscheinen, dass die türkischen
Sicherheitskräfte ein Interesse an der Identifizierung gerade seiner Person haben
könnten. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus der Liste von
Protestveranstaltungen in der Zeit vom 14. November 1998 bis zum 3. März 1999,
an denen der Kläger eigenen Angaben zufolge aktiv teilgenommen hat. Schließlich
rechtfertigt auch die Gesamtschau der vom Kläger geltend gemachten
exilpolitischen Aktivitäten nicht die Schlussfolgerung, er könnte einen
Bekanntheitsgrad erlangt haben, der die Aufmerksamkeit eines möglichen Spitzels
innerhalb der Gruppe oder von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes
außerhalb der Gruppe erregt hätte.
B.
Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Feststellung von
Abschiebungshindernissen auch § 53 AuslG nicht zu.
Unabhängig davon, dass das Bundesamt die Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens mit Bescheid vom 6. Oktober 1993 abgelehnt hat, war es
verfahrensrechtlich auch zu der Feststellung ermächtigt, dass
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen.
Für Folgeanträge, über die nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG 1992 die
Ausländerbehörde nach bisher geltendem Recht, sondern das Bundesamt gemäß
§ 71 AsylVfG 1992 zu entscheiden hat, ergibt sich die gleichzeitige Zuständigkeit
des Bundesamtes für den Erlass der Abschiebungsandrohung und
dementsprechend für die Feststellung von Abschiebungshindernissen aus § 71
Abs. 4 AsylVfG 1992, § 34 AsylVfG sowie aus § 50 AuslG bzw. § 24 Abs. 2 AsylVfG.
Dies gilt nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 4 AsylVfG 1992 auch für den Fall, dass
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Dies gilt nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 4 AsylVfG 1992 auch für den Fall, dass
ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, weil die Voraussetzungen des §
51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Obwohl § 71 Abs. 4 AsylVfG 1992 die
Kompetenz hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nicht
ausdrücklich nennt, sondern lediglich über die Verweisung von § 34 AsylVfG auf §
50 AuslG ausdrücklich nur § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG in Bezug nimmt, steht dies einer
Zuständigkeit zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nicht entgegen. Die
allgemeinen Regelungen, die für alle Asylanträge -- also auch für Folgeanträge --
gelten, insbesondere § 24 Abs. 2 AsylVfG, sollten mit der Vorschrift des § 71
AsylVfG 1992 nicht etwa abbedungen werden (Hess. VGH, 15.07.1997 -- 3 UZ
4074/95 --, DVBl. 1997, 1399; 17.09.1999 -- 12 UZ 1422/97.A --; VGH Baden-
Württemberg, 20.07.1999 -- A 9 S 96/99 --; für eine alleinige verfahrensrechtliche
Ermächtigung des Bundesamtes zur Feststellung von Abschiebungshindernissen
nach § 53 AuslG mit Bindungswirkung für die Ausländerbehörden vgl. auch:
BVerwG, 20.04.1999 -- 9 C 29.98 --, InfAuslR 1999, 373, und 07.09.1999 -- 1 C 6/99
--; a. A.: OVG Rheinland-Pfalz, 22.01.1999 -- 10 A 11912/96 --, EZAR 224 Nr. 17).
Für die Geltendmachung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG im
Folgeantragsverfahren ist allerdings ebenfalls die Vorschrift des § 51 VwVfG zu
berücksichtigen, und zwar nicht in analoger Anwendung von § 71 Abs. 1 AsylVfG
1992 nur die Absätze 1 bis 3 des § 51 VwVfG, sondern in unmittelbarer Anwendung
des § 51 VwVfG -- einschließlich der in Absatz 5 enthaltenen Korrekturmöglichkeit -
- als allgemeine Regelung des Verwaltungsverfahrensgesetzes
(Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz, a.a.O., § 71 Rdnr. 149.2 f.;
Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., 1999, § 71 AsylVfG Rdnr. 42; BVerwG, 07.09.1999
-- 1 C 6.99 --).
Die Frage des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 1 AuslG
wegen der konkreten Gefahr, der Folter unterworfen zu werden, hat das
Bundesamt im Erstverfahren nicht geprüft, da die Vorschrift im Zeitpunkt der
Entscheidung des Bundesamtes über den Asylerstantrag des Klägers nocht nicht
galt. Der Katalog der Abschiebungsverbote und -hindernisse in § 53 AuslG 1990
gibt zwar weitgehend nur die schon früher geltende Rechtslage wieder;
Anhaltspunkte dafür, dass die Ausländerbehörde derartige
Abschiebungshindernisse geprüft hätte, lassen sich dem Bescheid vom 2.
November 1989 dagegen nicht entnehmen. Daraus folgt, dass der Kläger im
Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 1 AuslG mit
den von ihm behaupteten Tatsachen nicht gemäß § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG
ausgeschlossen ist.
Ein Anspruch auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 1
AuslG steht dem Kläger jedoch selbst unter Berücksichtigung des von ihm
behaupteten Vorverfolgungsschicksals nicht zu. Dabei ist das Verwaltungsgericht
in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils zu Recht davon
ausgegangen, dass der Kläger nicht glaubhaft gemacht habe, dass er nach seiner
Rückkehr in die Türkei einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass der geschilderte
Geschehensablauf teilweise unsubstantiiert, teilweise widersprüchlich und
insgesamt nicht nachvollziehbar sei, ist der Kläger im weiteren Verlauf des
Verwaltungsstreitverfahrens nicht entgegen getreten; der Bevollmächtigte des
Klägers hat sich vielmehr darauf beschränkt, einen Anspruch des Klägers auf
Anerkennung als Asylberechtigter und Feststellung der Voraussetzungen der §§ 51
und 53 AuslG allein aus seiner exilpolitischen Tätigkeit herzuleiten. Aufgrund der
Feststellungen des Senats, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung
sämtlicher von ihm vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit weder mit politischer Verfolgung noch mit Repressionen bei
oder nach der Einreise in die Türkei zu rechnen hat, kann auch von einer konkreten
Gefahr, in der Türkei der Folter unterworfen zu werden, nicht mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
C.
Da die Berufung des Klägers keinen Erfolg hat, hat dieser die Kosten des
Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Berufungszulassungsverfahrens
zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO), wobei gemäß § 83b Abs. 1 AsylVfG Gerichtskosten
nicht erhoben werden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf einer
entsprechenden Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167
111
entsprechenden Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167
VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.