Urteil des HessVGH vom 24.03.1998

VGH Kassel: örtliche zuständigkeit, ausweisung, amerika, sicherheit, sitten, gesundheit, aufenthaltserlaubnis, erhaltung, sorgerecht, körperverletzung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 TZ 1048/98
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 2 Nr 5 FreundschVtr
USA
(Ausweisungsschutz aufgrund FreundschVtr USA Art 2 Nr
5)
Leitsatz
Aus der Bestimmung in Art. II Nr. 5 des Freundschafts-, Handels- und
Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten
Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954 läßt sich kein über die Regelungen des
Ausländergesetzes hinausreichender Ausweisungsschutz entnehmen.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers, die Beschwerde gegen den im Tenor der
vorliegenden Entscheidung näher bezeichneten Beschluß des Verwaltungsgerichts
Gießen zuzulassen, ist gemäß § 146 Abs. 5 VwGO statthaft, bleibt in der Sache
aber ohne Erfolg. Unter keinem der in der Antragsschrift vom 12. März 1998
geltend gemachten Zulassungsgründe kommt die von dem Antragsteller
erstrebte Zulassung der Beschwerde gegen den Eilbeschluß der Vorinstanz vom
16. Februar 1998 in Betracht.
Zunächst vermag der Senat den Ausführungen des Antragstellers in der
Antragsschrift keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen
Entscheidung im Sinne der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu entnehmen.
Der Antragsteller vertritt insoweit die Auffassung, er genieße entgegen der
Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts als Staatsangehöriger der Vereinigten
Staaten von Amerika einen über die Bestimmungen des Ausländergesetzes
hinausreichenden besonderen Ausweisungsschutz aufgrund des Freundschaft-,
Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Regelung in Art. II Nr. 5 des
vorgenannten Vertrages, der unmittelbar aufenthaltsrechtliche Bedeutung habe,
sei so zu verstehen, daß von ausländerrechtlichen Maßnahmen abzusehen sei,
sofern die Maßnahmen nicht zum Erhalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
und zum Schutz der guten Sitten und der öffentlichen Gesundheit notwendig, d. h.
unumgänglich seien. Dies bedeute zugleich, daß eine Ausweisung nur dann
rechtlich möglich sei, wenn die Maßnahme zwingend geboten bzw. durch
besonders schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung
gerechtfertigt sei. Dies bedeute wiederum, daß sich aus dem Vertrag ein
besonderer Ausweisungsschutz herleiten lasse, so daß die Vorinstanz gehalten
gewesen sei, die Ausweisung anhand des Maßstabes nach § 48 AuslG zu
überprüfen.
Dieser Rechtsauffassung vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach der in der Antragsschrift genannten Regelung des Art. II Nr. 5 des
Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29. Oktober 1954
(vgl. Gesetz vom 7. Mai 1956, BGBl. II, S. 487) berühren die Bestimmungen des
Art. II (d. h. die in den Nrn. 1 bis 4 dieses Artikels geregelten Rechte von
Staatsangehörigen des einen Vertragsstaates auf dem Staatsgebiet des anderen
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Staatsangehörigen des einen Vertragsstaates auf dem Staatsgebiet des anderen
Vertragsstaates) nicht das Recht beider Vertragsteile, Maßnahmen zu treffen, die
zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zum Schutz der guten
Sitten und der öffentlichen Gesundheit notwendig sind. Der Wortlaut dieser
vertraglichen Bestimmung bietet für die von dem Antragsteller in seinem
Zulassungsantrag vorgenommene Auslegung, die Ausweisung sei nach dem
Vertrag nur aus zwingenden bzw. nur aus besonders schwerwiegenden Gründen
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich, keine Grundlage. Durch die oben
genannte Regelung in Art. II Nr. 5 des Vertrages vom 29. Oktober 1954 haben es
sich die Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika
vielmehr gerade vorbehalten, die nach ihrem jeweiligen nationalen Recht
notwendigen Maßnahmen gegenüber Staatsangehörigen des anderen
Vertragsteils zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zum
Schutz der guten Sitten und der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen und damit
gegebenenfalls auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen, soweit
diese nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht zulässig und erforderlich sind.
Der Wille der Vertragsparteien, bezüglich der Anwendung des nationalen Rechts
auf Staatsangehörige des anderen Vertragsteils einschränkende Verpflichtungen
einzugehen, hätte in dem Vertragstext deutlich zum Ausdruck kommen müssen.
Derartige Einschränkungen, wie etwa das Erfordernis zwingender Gründe der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder das Vorliegen besonders
schwerwiegender Gründe für die Ausweisung, sind indessen, anders als etwa in Art.
3 Abs. 2 und 3 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13. Dezember
1955 (BGBl. 1959 II S. 998), gerade nicht aufgenommen worden.
Erfolglos macht der Antragsteller weiterhin geltend, für den Erlaß der
angefochtenen Ausweisungsverfügung sei nicht die Ausländerbehörde des
Wetteraukreises örtlich zuständig gewesen, sondern vielmehr die
Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden, weil er - der Antragsteller -
auch während seines Gefängnisaufenthaltes in Friedberg Kontakt zu seinem in
Wiesbaden lebenden Sohn gehalten habe und er sich nach seiner Haftentlassung
auch wiederum in Wiesbaden polizeilich angemeldet habe. Die Vorinstanz hat in
der Begründung des angefochtenen Beschlusses zur Frage der örtlichen
Zuständigkeit der Ausländerbehörde für den Erlaß der Ausweisungsverfügung
ausgeführt, daß es dahingestellt bleiben könne, ob der Landrat des
Wetteraukreises für den Erlaß der Ausweisungsverfügung gemäß § 100 Abs. 1 Satz
2 HSOG örtlich zuständig gewesen sei, denn eine eventuelle Verletzung der
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit sei gemäß § 46 HVwVfG unbeachtlich,
weil im vorliegenden Verfahren eine andere Entscheidung im der Sache nicht hätte
getroffen werden können. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe - so die
Vorinstanz - in seinen Urteilen vom 28. Oktober 1996 - 12 UE 628/96 - und - 12 UE
3542/96 - entschieden, daß im Bereich des Ausländerrechts die Aufhebung einer
Ausweisungsverfügung, die unter Verstoß gegen Vorschriften über die örtliche
Zuständigkeit ergangen sei, ausscheide, wenn die Ausweisung als sogenannte Ist-
Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG oder - wie im vorliegenden Fall - als
sogenannte Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG ergehe. Welche rechtliche
Bedeutung im Hinblick hierauf die nach Meinung des Antragstellers fehlende
örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde des Wetteraukreises für die
Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 10. Mai 1996 haben soll, geht aus
den Darlegungen in der Antragsschrift nicht hervor.
Ernstlichen Zweifeln begegnet der erstinstanzliche Beschluß nach Ansicht des
Antragstellers weiterhin deshalb, weil in die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der
ergangenen Ausweisungsverfügung auch eine Verurteilung des Antragstellers aus
dem Jahre 1987 durch das Landgericht Wiesbaden einbezogen worden sei. Diese
Verurteilung könne - so der Antragsteller - die Ausweisung nicht mehr
rechtfertigen, da ihm durch die Ausländerbehörde in Wiesbaden am 18. Dezember
1992 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Dieser Einwand
geht schon deshalb fehl, weil die Ausweisung des Antragstellers sowohl in dem
Ausgangsbescheid vom 10. Mai 1996 als auch in dem Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom 14. November 1996 allein auf die am 14.
Dezember 1995 - d. h. nach der Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis -
erfolgte Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht Wiesbaden wegen
gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer nicht zur
Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr gestützt worden ist. Durch
diese Verurteilung sind allein, d. h. auch ohne die zuvor erfolgten strafrechtlichen
Verurteilungen, die Voraussetzungen für eine sogenannte Regelausweisung nach §
47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfüllt. Inwiefern es rechtlichen Bedenken begegnen könnte,
daß die Ausländer- und die Widerspruchsbehörde und ihnen folgend auch das
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daß die Ausländer- und die Widerspruchsbehörde und ihnen folgend auch das
Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluß das der ersten Verurteilung
zugrundeliegende Verhalten des Antragstellers zur Beantwortung der Frage mit
herangezogen haben, ob besondere Umstände gegeben sind, die ein Absehen
von der Regelausweisung rechtfertigen können, geht aus den Ausführungen zur
Begründung des Zulassungsantrages nicht hervor.
Ohne Erfolg macht der Antragsteller schließlich geltend, das Verwaltungsgericht
habe zu Unrecht angenommen, er - der Antragsteller - könne den Kontakt zu
seinem in Deutschland lebenden Sohn von den Vereinigten Staaten von Amerika
aus auch brieflich aufrechterhalten. Durch einen solchen brieflichen Kontakt allein
könne weder das ihm gewährte Umgangsrecht noch gar ein gemeinsames
Sorgerecht, das von ihm, der Kindesmutter und dem Jugendamt einvernehmlich
zu einem späteren Zeitpunkt für wünschenswert gehalten werde, ausgeübt
werden.
Dieses Vorbringen enthält nichts, was die Einschätzung des Verwaltungsgerichts in
Frage stellen könnte, die räumliche Trennung des Antragstellers von seinem
nichtehelichen Sohn stelle ungeachtet der hierdurch eintretenden Härte keinen
Umstand dar, der ein Absehen von der Regelausweisung rechtfertigen könne. Es
bedarf hierbei keiner weiteren Erörterung, ob die bloße Ausübung eines
Umgangsrechts durch den nichtehelichen ausländischen Vater eines deutschen
Kindes überhaupt als ein die Abweichung von der in § 47 Abs. 2 AuslG als Regel
vorgeschriebenen Ausweisung rechtfertigender Lebenssachverhalt anerkannt
werden kann (vgl. hierzu: BVerfG - 3. Kammer des Zweiten Senats -, Beschluß
vom 10. August 1994 - 2 BvR 1542/94 -, InfAuslR 1994, 394). Wie das
Verwaltungsgericht in der Begründung seines Beschlusses - von dem Antragsteller
unbeanstandet - festgestellt hat, beschränkt sich die Beziehung des Antragstellers
zu seinem Sohn bereits jetzt überwiegend auf einen brieflich geführten Kontakt. Im
Hinblick hierauf tritt durch die Ausweisung des Antragstellers keine wesentliche
Erschwerung des ihm zugestandenen Umgangsrechts ein. Schließlich ist auch die
bloße Erwartung des Antragstellers, mit der Kindesmutter zusammen künftig das
gemeinsame Sorgerecht für das Kind ausüben zu können, kein Grund für ein
Absehen von der in § 47 Abs. 2 AuslG als Regel vorgeschriebenen Ausweisung.
Eine solche künftige Änderung der gegenwärtigen Regelung über die Ausübung
des Sorgerechtes könnte allenfalls im Rahmen eines Antrags des Antragstellers
auf Befristung der Ausweisung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG Berücksichtigung
finden.
Der vorliegenden Rechtssache kommt schließlich auch nicht die ihr von dem
Antragsteller in seinem Zulassungantrag beigelegte grundsätzliche Bedeutung im
Sinne der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die von dem Antragsteller
insoweit als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, ob der
Freundschaftsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika günstigere Regelungen gegenüber den
Vorschriften des allgemeinen Ausländerrechts enthält, läßt sich - wie bereits
ausgeführt - ohne weiteres verneinen. Der Durchführung eines
Beschwerdeverfahrens zur Klärung dieser Frage bedarf es also nicht.
Da der Antragsteller mit seinem Rechtsmittel erfolglos bleibt, hat er die Kosten
des Antragsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Antragsverfahren
folgt aus §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.