Urteil des HessVGH vom 09.04.1984

VGH Kassel: behörde, gerät, widerspruchsverfahren, ausnahmefall, pfändung, informationspflicht, feststellungsklage, vollmacht, eigentümer, verwaltungsrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 UE 149/84
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 14 Abs 3 S 3 VwVfG
(Information des Verfahrensbevollmächtigten durch die
Behörde über direkte Verhandlungen mit seinem
Mandanten)
Tatbestand
Der Kläger sucht die Feststellung zu erreichen, daß die Beklagte verpflichtet war,
ihre Entscheidung in einem Widerspruchsverfahren ihm als
Prozeßbevollmächtigten des Widerspruchsführers mitzuteilen.
Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 22. Mai 1981 Widerspruch gegen die
Pfändung eines Fernsehgerätes im Namen von dessen Eigentümer, Herrn Ludwig
W., und dessen Schwester, Frau Ursula S., die das Gerät mitbenutzte, eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 1. Juni 1981, der am 2. Juni 1981 bei dem Fernmeldeamt in
Fulda einging, legte er die Vollmacht beider Widerspruchsführer vor.
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten enthalten aus der Zeit seit dem 22. Mai
1981 folgende Vermerke:
"Lt. fmdl. Rückspr. mit RA Becker wurde klargestellt, daß eine Beauftragung durch
Ludwig W. (angebl. Eigentümer) bisher fehlt. RA will Vollmacht und entsprechende
Erklärung bis Anfang Juni vorlegen. Sollte das nicht möglich sein, will er den
Widerspruch zurückziehen. Eine Erklärung durch Ludwig W. über sein noch
vorhandenes Eigentumsrecht ist erforderlich, da vermutet werden kann, daß Frau
S. in den vergangenen 5 Jahren Eigentum an dem Gerät erworben hat (durch
Schenkung oder Vergütung für Betreuung), zumal sich das Gerät eindeutig in
ihrem Gewahrsam (Küche befand.
(Namenszeichen unleserlich) FAm 25/5.81"
"Lt. fmdl. Rückspr. mit Herrn W. erklärt dieser, daß das FS-Gerät nach wie vor sein
Eigentum sei. W. versicherte außerdem, auf seine Schwester zwecks Aufnahme
der ständigen Zahlungsversprechen einzuwirken. Demnächst 1. Zahlung = 100,--
DM angekündigt, die Schwester warte noch auf das Kindergeld. Das FS-Gerät wolle
er wieder haben und abholen. Wohlwollende Prüfung zugesagt.
(Namenszeichen unleserlich) 11/6."
Die Worte " Wohlwollende Prüfung" in dem Vermerk vom 11.6. ersetzen das
ursprünglich an dieser Stelle stehende Wort " Herausgabe ", das durchgestrichen
wurde.
Auf die vorstehenden Vermerke folgen noch die drei nachfolgenden:
"Bei einer erneuten fmdl. Rücksprache bestand Herr W. auf einer baldigen
Abholung bzw. Herausgabe seines Gerätes.
(Namenszeichen unleserlich) 9/7.81 "
"Frau S. erschien am 21.07.81 etwa um 16 Uhr bei BZ und zahlte 100,-- DM.
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Fröhlich, 21.07.81"
"Bei persönlicher Vorsprache des Herrn W. am 23.07.81 wurde ihm das FS-Gerät
ausgehändigt. Siehe Vermerk auf der Rückseite der Pfändungsverhandlung. W.
erklärte, daß Frau S. nächste Woche eine weitere Rate zahlen will.
Fröhlich, 23.07.81
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 1981 - eingegangen beim Verwaltungsgericht am 28.
Juli 1981 - hat der Kläger als Bevollmächtigter des Herrn W. Klage mit dem Antrag
erhoben:
"Die Pfändung des Farbfernsehgerätes Sanyo nova color 2000 des Klägers vom
20. Mai 1981 in Gestalt des mündlich erteilten Abhilfe- bzw.
Widerspruchsbescheides von Anfang Juni 1981 wird aufgehoben". Dieser
Rechtsstreit ist in der Hauptsache für erledigt erklärt worden.
Weiter hat der Kläger im eigenen Namen am gleichen Tage Feststellungsklage
erhoben, mit der er die Rechtswidrigkeit der Verfahrensweise der Beklagten
festgestellt wissen wollte. Er hat gerügt, die Beklagte habe durch ihre
Verfahrensweise ihn als Prozeßbevollmächtigten seiner Mandanten dauernd und
nachhaltig umgangen. Ein Bediensteter der Beklagten habe sich nur einmal vor
der Einreichung der Vollmacht telefonisch an ihn gewandt. Im übrigen sei mit
seinen Mandanten unmittelbar verhandelt worden. Dazu hat der Kläger im
einzelnen vorgetragen, der Bedienstete M. der Beklagten habe zwischen dem 11.
Juni und 21. Juli 1981 mehrmals bei Herrn W. angerufen und ihm angeboten, er
könne das Gerät gegen Zahlung von 100,00 DM in Fulda abholen. Die 100,00 DM
könnten entweder er oder seine Schwester zahlen. Diese Anrufe seien die
eigentliche Entscheidung über den Widerspruch vom 22. Mai 1981 gewesen. Seine
Mandantin, Frau S., habe dann die 100,00 DM bezahlt, weil sie nicht gewollt habe,
daß Herr W. aufgrund Ihrer Gebührenrückstände das Gerät weiter habe entbehren
müssen.
Der Kläger hat unter Berufung auf das Urteil des VGH München vom 17. Oktober
1975 - Nr. 52 VI 71 - NJW 1976 S. 1117, beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, die Entscheidung über den
Widerspruch der Ursula S. und des Ludwig W. vom 22. Mai 1981 gegen die
Pfändung des Farbfernsehgeräts Sanyo nova color 2000 des Ludwig W. durch das
Fernmeldeamt - Beitreibungsstelle in Fulda - vom 20. Mai 1981 dem Kläger
mitzuteilen (zuzustellen),
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, die Entscheidung über den Widerspruch dem Kläger
mitzuteilen (zuzustellen).
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, Herr W. habe sich am 11. Juni 1981 fernmündlich bei der
Beklagten gemeldet und. seine Eigentumsrechte an dem Fernsehgerät geltend
gemacht. Am 21. Juli 1981 habe dann Frau S. 100,00 DM bezahlt. Die Zahlung sei
unabhängig von der Regelung der Eigentumsrechte an dem Fernsehgerät geleistet
worden. Am 23. Juli 1981 sei dann die Pfändung aufgehoben und dem Eigentümer
das Farbfernsehgerät übergeben worden. Damit sei dem Widerspruch in vollem
Umfang abgeholfen worden. Ein Widerspruchsbescheid habe nicht ergehen
müssen. Sie sei auch davon ausgegangen, daß zwischen dem Kläger und seinem
Mandanten die Verfahrensweise im Hinblick auf die Erledigung des
Widerspruchsverfahrens abgesprochen gewesen sei. Hätte sich der Kläger wegen
Mitteilung der Entscheidung über den Widerspruch an sie gewandt, so wäre sie
einem solchen Ersuchen auf jeden Fall nachgekommen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch am 4. August 1982 beratenen
Gerichtsbescheid mit der Begründung abgewiesen, sie sei unzulässig, weil ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen
sei, ihm die Abhilfeentscheidung mitzuteilen, nicht dargetan sei. Als Rechtsanwalt
habe er keinen Anspruch auf Zustellung bzw. Mitteilung aller
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habe er keinen Anspruch auf Zustellung bzw. Mitteilung aller
Verfahrenshandlungen der Behörde gegenüber dem Mandanten. Nach § 73 Abs. 3
Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO- sei im Widerspruchsverfahren nur der
Widerspruchsbescheid bei Vorliegen einer schriftlichen Prozeßvollmacht an den
Bevollmächtigten zuzustellen ( § 8 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungszustellungsgesetz -
VwZG - ). Ein Widerspruchsbescheid sei jedoch nicht ergangen. Vielmehr habe die
Behörde dem Widerspruch abgeholfen. Die Abhilfeentscheidung habe aber nach
Wortlaut, Sinn und Zweck des § 14 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes -
VwVfG - dem Bevollmächtigten weder zugestellt noch mitgeteilt werden müssen.
Die nach dieser Bestimmung bestehende Informationspflicht bezwecke, daß ein
Rechtsanwalt der ihm obliegenden Aufgabe nachkommen könne. Die
Aufgabenstellung des Klägers sei jedoch durch die Verhaltensweise der Beklagten
nicht beeinträchtigt worden. Es habe sich zur zweckmäßigen Erledigung des
Vorverfahrens angeboten, dem vorsprechenden Widerspruchsführer die
Abhilfeentscheidung bekanntzugeben und das Gerät zurückzugeben. Außerdem
habe die Behörde davon ausgehen dürfen, daß der Widerspruchsführer seinen
Bevollmächtigten über die ergangene Entscheidung informieren werde.
Gegen den am 1. September 1982 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger
am 30. September 1982 Berufung eingelegt. Er rügt, das Verwaltungsgericht sei
unzutreffend davon ausgegangen, daß sich sein Mandant an die Beklagte
gewendet hätte. Die Initiative sei von der Beklagten ausgegangen, die sich
unmittelbar an seinen Mandanten mit dem Angebot gewandt habe, er könne das
Gerät gegen Zahlung von 100,00 DM in Fulda abholen.
Er meint, er habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die Beklagte
zu seinen Ungunsten verfahrensfehlerhaft vorgegangen sei, weil er jederzeit
wieder zur Wahrung der Rechte von Mandanten darauf bestehen müsse, daß er
über unmittelbare Verhandlungen zwischen der Beklagten und Mandanten sowie
etwa ergehende Entscheidungen informiert werde. Selbst wenn im Einzelfall die
unmittelbare Verhandlung einmal zweckmäßig sei, wäre es rechtswidrig, wenn er
von jeder Mitwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen werde.
Der Kläger beantragt,
den am 4. August 1982 beratenen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts
Frankfurt am Main aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war,
den Kläger von Inhalt und Ergebnis der Verhandlungen mit seinen Mandanten im
Widerspruchsverfahren und den getroffenen Maßnahmen zu verständigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, zunächst sei es nicht zu beanstanden, wenn sie
unmittelbar mit anwaltlich Vertretenen verhandele. Die direkte Verhandlung sei
zweckmäßig, weil sie eher zu einer Einigung führe. Ob der Bevollmächtigte von den
Verhandlungen unterrichtet werde, liege in ihrem Ermessen. Die von dem Kläger
begehrte Feststellung käme nur in Betracht, wenn ihr Ermessen auf Null reduziert
sei, wovon sich jedoch nicht ausgehen lasse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten
dieses Verfahrens sowie des Rechtsstreits VI/1 E 3368/81 - VG Frankfurt am Main -
und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten ( 1 Heft) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch auf die
begehrte Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet war, ihn von Inhalt und
Ergebnis der Verhandlungen mit seinen Mandanten im Widerspruchsverfahren
sowie den getroffenen Maßnahmen zu verständigen.
Der Wortlaut dieses im zweiten Rechtszug gestellten Antrags geht zwar über das
hinaus, was der Kläger bei dem Verwaltungsgericht beantragt hat, bei dem er
begehrt hat, ihn, die "Entscheidung über den Widerspruch mitzuteilen
(zuzustellen)". Im Berufungsverfahren ist jedoch klargestellt worden, daß der
Kläger festgestellt wissen will, daß es rechtswidrig war, wenn er von Verhandlungen
mit seinen Mandanten und der darauf beruhenden Freigabe des Pfandstückes
nicht durch die Beklagte informiert wurde. Ob sich dieses Begehren schon
hinreichend deutlich aus dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers ergibt oder
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hinreichend deutlich aus dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers ergibt oder
insoweit eine - zulässige - Klageerweiterung vorliegt, kann dahingestellt bleiben.
Die Feststellungsklage ist zulässig. Sie zielt auf die Klärung. der rechtlichen
Beziehungen ab, die sich zwischen der Beklagten und dem Kläger aufgrund des
von ihm für seine Mandanten eingelegten Widerspruchs gegen eine Entscheidung
der Beklagten ergaben und hat eine feststellungsfähige Berechtigung zum
Gegenstand. Die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO - ) dient der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses und damit der gerichtlichen Klärung der rechtlichen
Beziehungen, die sich aus einem bestimmten Sachverhalt aufgrund einer
öffentlich-rechtlichen Regelung für das Verhältnis mehrerer Personen
untereinander ergeben (BVerwG, Urteil vom 28. November 1975 - VII C 47.73 -
BVerwGE 50, 11 [19]).
Obwohl das Widerspruchsverfahren beendet ist, hat der Kläger auch noch ein
berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Als Rechtsanwalt, der
geschäftsmäßig die Rechtsberatung und die Vertretung in rechtlichen
Angelegenheiten betreibt, muß er jederzeit damit rechnen, daß die Beklagte ihre
Verfahrensweise ihm gegenüber wiederholt, wenn er Mandanten ihr gegenüber zu
vertreten hat. Diese Wiederholungsgefahr begründet ein berechtigtes Interesse im
Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO (vgl. OVG Münster, Urteil vom 3. Dezember 1958 - III
A 356/58 - OVGE 14, 247; VGH München, Urteil vom 17. Oktober 1975 - Nr. 52 VI
71 - NJW 1976 S. 1117; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl.
1981, Rdnr. 21 zu § 43; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 1984, Rdnr. 25
zu § 43). Das berechtigte Interesse hinsichtlich der Feststellung eines
Rechtsverhältnisses wird zwar häufig entfallen, wenn das Rechtsverhältnis endet.
Das gilt jedoch nicht für die Fälle, in denen es auch fortdauernde Wirkungen hat, zu
denen auch präjudizielle gehören, das heißt solche, die für die spätere Behandlung
gleichartiger Vorgänge bedeutsam sind. Beharrt eine Behörde auf einer von einem
Rechtsanwalt beanstandeten Verfahrensweise, dann besteht auch nach Abschluß
des Verfahrens in Hinblick auf das in gleichartigen Fällen zu erwartende künftige
Verhalten der Behörde ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß diese
Verfahrensweise fehlerhaft gewesen sei.
Die Feststellungsklage ist begründet, denn der Kläger konnte gemäß § 14 Abs. 3
Satz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - verlangen, daß die Beklagte
ihn unaufgefordert davon verständigte, daß sie sich an Mandanten selbst gewandt
hatte. Diese Verständigung schließt die Information über Art und Ergebnis der
Verhandlung ein. Wenn die Beklagte - wie hier - mehrfach unmittelbar mit einem
anwaltlich vertretenen Widerspruchsführer verhandelte, dann hatte sie den
Verfahrensbevollmächtigten zu informieren, falls nicht ein Ausnahmefall vorlag.
Dies ergibt sich aus der Formulierung als Sollvorschrift ("wendet sich die Behörde
an den Beteiligten, so soll der Bevollmächtigte verständigt werden"). Entgegen der
Ansicht des Beklagten räumt eine "Sollvorschrift" den Behörden nicht schlechthin
einen Ermessensspielraum ein mit der Folge, daß ein gegen die Behörde geltend
gemachter Anspruch nur in Fällen der sogenannten Ermessensreduzierung auf
Null bestände. Vielmehr gehören "Sollvorschriften." grundsätzlich zum
"zwingenden" Recht, das strikt zu beachten ist und von dem abzuweichen, im
Regelfalle keine Möglichkeit besteht. Im Gegensatz zu Vorschriften, in, denen das
imperative "muß " steht, sind die Rechtsfolgen bei Verletzung einer "Sollvorschrift"
allerdings weniger schwerwiegend. So sind im Falle des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO
("die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Streitgegenstand bezeichnen
und soll einen bestimmten Antrag enthalten") die Angaben, die gemacht werden
müssen, notwendiger Inhalt der Klage, deren Fehlen anders als das der Angaben,
die gemacht werden "sollen", zur Unzulässigkeit der Klage führt. Die Verbindlichkeit
des Gebots wird, wie auch der allgemeine Sprachgebrauch erkennen läßt (Beispiel:
"Du sollst nicht töten") dadurch nicht in Frage gestellt.
Daneben kann die Verwendung des Imperativs "soll" darauf hindeuten, daß das
Gebot zwar für den Regelfall zu gelten hat, in Ausnahmefällen aber in einer
zweckentsprechenden Weise abgewichen werden darf (vgl. Wolff/Bachof,
Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 31 IIb; Hans Schneider, Gesetzgebung, 1982,
Rdnr. 622). Ein Beispiel dafür ergibt sich aus den Sätzen 1 und 2 des § 14 Abs. 3
VwVfG. Nach diesen Bestimmungen soll sich die Behörde an den Bevollmächtigten
wenden, kann sich jedoch an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur
Mitwirkung verpflichtet ist.
Da Fallgestaltungen denkbar sind, in denen sich eine Behörde auf Anregung des
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Da Fallgestaltungen denkbar sind, in denen sich eine Behörde auf Anregung des
Bevollmächtigten an seinen Mandanten wendet und abgesprochen wird, daß die
Information des Bevollmächtigten durch den Mandanten erfolgt, gebietet auch
eine sachgerechte Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG, das imperative "soll"
als Gebot für den Regelfall und Räumung eines Ermessensspielraums für atypische
Ausnahmefälle aufzufassen (ebenso Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl.
1983, Rdnr. 21 i.V.m. Rdnr. 19 zu § 18).
Ein atypischer Ausnahmefall, der es gerechtfertigt hätte, daß die Beklagte den
Kläger von ihren Verhandlungen mit seinen Mandanten nicht informierte, lag nicht
vor. Wenn die Beklagte meint, die Information sei entbehrlich gewesen, weil die
Pfandfreigabe den Mandanten begünstigt habe, ändert dies nichts daran, daß der
Gesetzgeber mit den Regelungen in § 14 Abs. 3 VwVfG grundsätzlich festgelegt
hat, daß der Bevollmächtigte der Verhandlungs- und Gesprächspartner der
Behörde ist und nicht der Beteiligte (Mandant), so daß selbst dann, wenn
ausnahmsweise mit dem Beteiligten selbst verhandelt wird, der Bevollmächtigte
schon deshalb informiert werden muß, damit er über den Verfahrensstand
vollständig unterrichtet ist. Abgesehen davon ist nach der Darstellung des durch
den Beteiligten informierten Klägers die in der Pfandfreigabe liegende
Begünstigung nur deshalb erfolgt, weil zuvor 100,00 DM gezahlt wurden. Die
Darstellungen, wie es dazu gekommen ist, gehen auseinander. Es wäre aber
zumindest möglich, daß es zu dieser Zahlung nicht gekommen wäre, wenn die
Beklagte mit dem Kläger als Prozessbevollmächtigten und nicht mit seinen
Mandanten verhandelt hätte.
Die von der Beklagten für ihre Verfahrensweise angeführte Begründung, es sei im
Verwaltungsinteresse zweckmäßig gewesen, mit dem Beteiligten zu verhandeln
und den Kläger nicht zu informieren, läßt erkennen, daß die Beklagte, die generell
einen Ermessensspielraum für sich in Anspruch nimmt, selbst nicht von einem
Ausnahmefall ausgeht, sondern die Ausnahmevoraussetzungen regelmäßig für
sich in Anspruch nehmen möchte, was sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren läßt.
Auch der Begründung des Verwaltungsgerichts, das in dem angefochtenen
Gerichtsbescheid eine Informationspflicht der Beklagten verneint hat, ist nicht zu
folgen. Es ist zwar richtig, daß die in § 14 Abs. 3 Satz 3 VwVfG festgelegte
Informationspflicht bezweckt, daß ein Rechtsanwalt den ihm nach Maßgabe der
Gesetze obliegenden Aufgaben nachkommen kann. Wenn es weiter heißt, die
Aufgabenstellung des Klägers sei "in concreto durch die Verhaltensweise der
Beklagten nicht beeinträchtigt" worden, so läßt sich dem nicht folgen. Es wurde
bereits oben ausgeführt, daß ein Bevollmächtigter stets über den Verfahrensstand
informiert sein muß, um beurteilen zu können, ob, wann und wie er weitere
Schritte unternehmen muß. Dazu gehört auch die Information über eine
Beendigung des Verfahrens. - Im übrigen obliegt die Beurteilung der Frage, ob und
welche Schritte für den Beteiligten zu unternehmen sind, dem Bevollmächtigten
als Wahrer der Interessen seines Mandanten und nicht der Behörde.
Auch die Erwägung, die Behörde habe davon ausgehen dürfen, daß der
Widerspruchsführer seinen Bevollmächtigten informieren werde, entband die
Beklagte nicht von ihrer Informationspflicht, denn die Möglichkeit, daß Mandanten
ihre Bevollmächtigten von unmittelbaren Verhandlungen zwischen Behörden und
ihnen in Kenntnis setzen, besteht allgemein. Dennoch hat der Gesetzgeber die
Information der Bevollmächtigten durch die Behörden vorgeschrieben. Da unter
keinem Gesichtspunkt ein Ausnahmefall vorliegt, hatte die Beklagte den Kläger
über die Verhandlungen mit seinen Mandanten zu informieren.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167
VwGO, 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozeßordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.