Urteil des HessVGH vom 05.05.1987

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, stand der technik, landesgrenze, freileitung, mast, landschaft, vorläufiger rechtsschutz, öffentliches interesse, aufschiebende wirkung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 R 1327/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 BBahnG, § 42 VwGO
Leitsatz
1. Eine Gemeinde ist in einstweiligen Rechtsschutzverfahren antragsbefugt, wenn sie
gegenüber einem Planfeststellungsbeschluß geltend machen kann, daß bei
Verwirklichung der Planung gemeindliches Eigentum beeinträchtigt wird. In ihrer
Planungshoheit ist sie nur dann beeinträchtigt, wenn eine hinreichend bestimmte
Planung vorliegt und durch den Planfeststellungsbeschluß eine nachhaltige Störung zu
befürchten ist. Natur- und landschaftsschutzrechtliche Belange kann sie nur geltend
machen, wenn sie in Eigentumsrechten berührt wird.
2. Zur bundesbahnrechtlichen Planfeststellung für den Neubau eines 110-kV-
Bahnstromleitung.
Gründe
Die Antragstellerin wendet: sich gegen die Feststellung des Plans für die Errichtung
der 110-kV-Bahnstromleitung Gemünden - Fulda Abschnitt Unterwerk Mottgers
hessisch/bayerische Landesgrenze im Zusammenhang mit dem Bau der
Neubaustrecke Hannover/Würzburg.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin folgender Grundstücke in der Gemarkung
Altengronau:
Nr. Flur Flurstück-Nr. Nutzungsart
1. 11 95 Grünland
2. 11 56 A
3. 11 71 Weg
4. 12 56 Wasser
5. 12 6 Hv.
6. 12 47 Weg
7. 12 L.H.
8. 12 46 Weg
9. 9 69 Sinn
10. 9 70 Sinn
11. 10 37 Weg
12. 10 41 Weg
13. 10 33 Weg
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14. 10 31 Weg
15. 10 27 Weg
16. 10 12 S
17. 10 17 Weg
18. 10 7 Weg
19. 10 36 Weg
20. 10 5 Weg
21. 11 63 Weg
22. 11 52 Brachland
23. 11 93 Weg
24. 11 109 Weg
25. 14 51 Weg
26. 14 45 Grünland
27. 14 54 Weg
28. 13 2 Wasser
29. 13 7 Wasser
30. 13 1 Grünland und Hutung
31. 13 15 Wasser
32. E 6 Weg.
Alle Grundstücke liegen im Außenbereich der Gemeinde Sinntal, Ortsteil
Altengronau. Einige Grundstücke liegen im geplanten Naturschutzgebiet
"Schachblumenwiesen Altengronau", das durch Verordnung vom 13. Februar 1984
einstweilig sichergestellt wurde. Die Sicherstellung endete am 14. Februar 1987.
Auf dem Grundstück 11/52. soll die Hälfte des Mastes Nr. 18 errichtet werden. Für
die übrigen Grundstücke ist lediglich eine Überspannung planfestgestellt. Das
Grundstück 14/45 ist zu einem jährlichen Pachtzins von 200,-- DM verpachtet.
Der hier angefochtene Planfeststellungsbeschluß betrifft die Errichtung einer
Bahnstromleitung für den Zugbetrieb auf der Neubaustrecke Hannover/Würzburg.
Die Neubaustrecke soll mit den gleichen Fahrzeugen und gleicher Betriebsweise
befahren werden können wie das übrige Streckennetz der Deutschen Bundesbahn.
Die hierfür benötigte elektrische Energie soll über eine 110-kV-Bahnstromleitung
geliefert werden. Diese Bahnstromleitung soll an das übrige
Bahnstromleitungsnetz der Deutschen Bundesbahn, das mit den
Bahnstromnetzen der Österreichischen Bundesbahn und der Schweizerischen
Bundesbahnen verbunden ist., zusammengeschlossen werden. Die
Neubaustrecke der Deutschen Bundesbahn ist nahezu vollständig vollziehbar
planfestgestellt. Für die Errichtung der Bahnstromleitung werden davon
unabhängige Planfeststellungsverfahren durchgeführt. Mit dem angefochtenen
Beschluß soll der Trassenteil der Bahnstromleitung Gemünden-Fulda, der an den
südlichen Planfeststellungsabschnitt Gemünden-Hess./Bayerische Landesgrenze
anschließt, planfestgestellt: werden. Die Planung betrifft. den Leitungsabschnitt
vom Mast. 01 am Unterwerk Mottgers bis zum Mast (01) an der Hess./Bayerischen
Landesgrenze in Höhe des Neubaustrecken (NBS)- Bau-km 248, 950 und den Bau
des Unterwerkes "Mottgers" (110-kV-Freiluftschaltanlage und
Schaltanlagengebäude). Der Mast. (01) in der Nähe der hessisch/bayerischen
Landesgrenze ist Bestandteil des südlich angrenzenden
Planfeststellungsabschnittes Gemünden- Hess./Bayerische Landesgrenze, der
bestandskräftig planfestgestellt ist.
Die Trasse der Bahnstromleitung führt von der Hess./Bayerischen Landesgrenze
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Die Trasse der Bahnstromleitung führt von der Hess./Bayerischen Landesgrenze
am südlichen Rand des "Grauberges" durch den nördlichen Teil des geplanten
Naturschutzgebietes "Schachblumenwiesen Altengronau". Diese Trassenführung
stützt sich auf die Trasse, die aus dem Raumordnungsverfahren hervorgegangen
ist., das der Regierungspräsident in Kassel durchgeführt und mit: Verfügung vom
08.08.1977 abgeschlossen hat. Der hier streitige Abschnitt der Trasse führt im
hessischen Teil durch das Landschaftsschutzgebiet "Vogelsberg-Hessischer
Spessart", in Bayern durch die Naturparke "Spessart" und "Bayerische Rhön".
Im Hinblick auf das wertvolle Vorkommen der "Echten Schachblume" in der
Sinntalaue und die Auswirkungen auf die Vogelwelt holte die Antragsgegnerin ein
Gutachten des Büros Professor Kagerer, Ismaning, "Vergleichende
Standortuntersuchung aus Sicht der Landschaftspflege und des Naturschutzes",
und von Günther Banse, Ingenieurbüro für Landschaftsökologie, Ismaning, eine
"ornithologische Stellungnahme zur geplanten Hochspannungsleitung im Sinntal"
ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens und der
Stellungnahme Bezug genommen.
Auf Antrag der Antragsgegnerin führten der Regierungspräsident in Darmstadt
gemäß § 73 Hess. VwVfG und die Regierung von Unterfranken gem. §§ 72 ff Bay.
VwVfG das Anhörungsverfahren durch.
Der Plan wurde vom 6.12.1982 - 7.1.1983 in der Gemeinde Sinntal ausgelegt. Im
Laufe des Anhörungsverfahrens wurden zahlreiche Behörden und Träger
öffentlicher Belange gehört. Sie und private Betroffene erhoben Einwendungen, die
für den hessischen Bereich im Termin vom 27. Juni 1985 in Sinntal-Sterbfritz
erörtert. wurden. Für den bayerischen Bereich verzichtete die Regierung von
Unterfranken auf einen Erörterungstermin. Die Antragstellerin erhob im Laufe des
Anhörungsverfahrens Einwendungen gegen das Planvorhaben. Sie machte
geltend, daß die vorgesehene Trassierung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung
der Landschaft des Sinntales beitrage, was auch zu einer Verminderung der
Erholungsfunktion von Altengronau und dem staatlich anerkannten Erholungsort
Jossa führe. Durch den Bau der Stromleitungsmasten werde in das geschützte
Vorkommen der Schachblume eingegriffen. Darüber hinaus werde die
landwirtschaftliche Nutzung der betroffenen Grundstücke erheblich beeinträchtigt.
Im Zuge des Baues der Bundesbahnneubaustrecke sei die landwirtschaftliche
Nutzfläche ohnehin schon wesentlich vermindert: worden, so daß weitere
Beeinträchtigungen und Landverluste für die Bahnstromleitung nicht mehr
hinnehmbar seien. Bereits im Raumordnungsverfahren habe sich die Gemeinde
dafür ausgesprochen, die Trasse durch den Hochwald zu führen oder diesen zu
Überständern oder die Bahnstromleitung zu verkabeln.
Aufgrund der Einwendungen der Bezirksdirektion für Forsten und Naturschutz im
Hinblick auf den Schutz des Schachblumenvorkommens wurde im
Planänderungsverfahren der Trassenverlauf im Naturschutzgebiet zwischen Mast
Nr. 21 und Mast Nr. 26 so geändert, daß die Trasse näher am Waldrand verläuft.
Der geänderte Plan wurde nochmals vom 18.11.1985 bis 20.12.1985 in der
Gemeinde Sinntal ausgelegt.
Durch Beschluß vom 9. April 1986 - Az. 25N N 253 Na (P1) - stellte die
Bundesbahndirektion Nürnberg den Plan für den Neubau der 110-kV-
Bahnstromleitung Gemünden-Fulda Abschnitt: Unterwerk Mottgers
Hess./Bayerische Landesgrenze und des Unterwerkes Mottgers unter teilweiser
Berücksichtigung und Zurückweisung der Einwendungen fest und ordnete die
sofortige Vollziehung an. Zum Schutz des Grundwassers in der weiteren und in der
engeren Schutzzone des Wasserschutzgebietes Sinntal-Altengronau wurden
Auflagen verfügt, die eine Untergrundverunreinigung beim Mastbau ausschließen
sollen. Die Gründung der Maste ist: mit: dem Hessischen Landesamt für
Bodenforschung und dem Wasserwirtschaftsamt. Friedberg abzustimmen. Zum
Schutz der Oberflächengewässer - von der geplanten Baumaßnahme sind die Sinn
und die Schmale Sinn betroffen - und um hier nachteilige Veränderungen
auszuschließen, sind ebenfalls Auflagen verfügt, die den Bau der Mastfundamente
und die Erhaltung des vorhandenen Bewuchses betreffen. Zum Schutz von Natur
und Landschaft wurde auferlegt:, die Erstellung der Gründungen und Maste im
geplanten Naturschutzgebiet durch geeignete Bauverfahren und in Winterarbeit.
durchzuführen, die Bodenpressung auf das ortsübliche Maß zu beschränken,
Maßnahmen zur Erhaltung des Schachblumenbestandes an Maststandorten zu
treffen, die im geplanten Naturschutzgebiet vorhandene 20-kV-Leitung des
Überlandwerkes Unterfranken auf Kosten der Antragsgegnerin zu entfernen und
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Überlandwerkes Unterfranken auf Kosten der Antragsgegnerin zu entfernen und
außerhalb des geplanten Naturschutzgebietes zu verkabeln, zwischen Mast Nr. 7.1
und Mast: Nr. (01) das Erdseil mit Markierungen zu versehen, welche die
Anprallgefahr für Vögel verringern und die Leitungsmaste mit einem unauffälligen
dunklen Anstrich zu versehen. Zur Planbegründung ist im wesentlichen ausgeführt,
die Erstellung der 110-kV-Bahnstromleitung sei für den Betrieb der Neubaustrecke
Hannover-Würzburg erforderlich. Die Trasse sei durch das Naturschutzgebiet zu
verlegen. Die ursprünglich geplante Trasse quer durch den Wald über den
Grauberg sei .im Raumordnungsverfahren abgelehnt worden und die jetzt
planfestgestellte Trasse sei das Ergebnis schwieriger Verhandlungen. Die Führung
über den Grauberg zerstöre ein zusammenhängendes Waldgebiet. Eine
Verkabelung der Trasse komme aus grundsätzlichen technischen Erwägungen
nicht in Betracht. Die "Nichtverfügbarkeit" bei Kabelverlegung sei etwa hundertmal
so groß wie bei Freileitungen. Eine Kabelstrecke sei siebenmal bis fünfzehnmal.
teurer als eine Freileitung, die Belastbarkeit und das Betriebsverhalten von
Freileitungen seien günstiger als das von Kabeln. Die Antragsgegnerin betreibe ihr
Bahnstromnetz als ".indukt.iv gelöschtes Netz". Durch den Einbau von
Kabelstrecken sei die "Löschfähigkeit" des Netzes nicht mehr gegeben. Darüber
hinaus weise eine Freileitung auch in ihren Auswirkungen auf die Umwelt einige
Vorteile gegenüber der Kabelstrecke auf. Die Freileitung sei zwar
landschaftsstörend und stelle eine gewisse Gefahr für Vögel dar. Bei einer
Kabelverlegung entstehe jedoch eine Kabeltrasse, die von jeder Bebauung absolut
freizuhalten sei. und darüber hinaus nur mit schwachwurzelnden Gewächsen
bepflanzt werden könne. Niederdruckölkabel, die technisch allein in Betracht
kämen, stellten eine stete Gefahr für das Grundwasser dar. Außerdem seien bei
einer Kabeltrasse die Eingriffe in die Landschaft während der Bauzeit
unvergleichlich größer als bei einer Freileitung.
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist im wesentlichen
ausgeführt, bei Verzögerungen im Bereich des Planfeststellungsbeschlusses
entstünden erhebliche Schäden, weil sich Verzögerungen voll und uneinholbar auf
die Inbetriebnahme des selbständigen betriebsfähigen Streckenabschnitts Fulda-
Würzburg zum Fahrplanwechsel Frühjahr 1988 auswirken würden. Der
Streckenabschnitt diene der Entlastung des schon jetzt mit am stärksten
befahrenen Abschnittes Gemünden-Würzburg. Die Bauausführung im
Naturschutzgebiet müsse bei gefrorenem Boden erfolgen, weshalb mit den
Bauvorbereitungen im Sommer 1986 begonnen werden müsse. Für die Aufnahme
des Betriebes auf dem Neubaustreckenabschnitt im Frühjahr 1988 sei die
Einspeisung der elektrischen Zugförderungsenergie durch das noch zu errichtende
Unterwerk Mottgers unbedingte Voraussetzung. Das Unterwerk Mottgers könne
nur elektrisch versorgt werden, wenn das im Planfeststellungsverfahren enthalten
ca. 8 km lange Leitungsstück fertiggestellt sei. Die Finanzierung für das Vorhaben
sei. sichergestellt.
Der festgestellte Plan einschließlich des Planfeststellungsbeschlusses lag in der
Zeit vom 12. bis 27. Mai. 1986 (einschließlich) in der Gemeindeverwaltung Sinntal
während der Dienstzeit zur allgemeinen Einsicht: aus. Auf die Auslegung wurde
durch ortsübliche Bekanntmachung am 2. Mai 1986, und zwar durch
Veröffentlichung im "Mitteilungsblatt für die Gemeinde Sinntal", hingewiesen. In der
Gemeindeverwaltung Markt Zeitlofs lag der festgestellte Plan vom 12.5.1986 bis
27.5.1986, in der Verwaltungsgemeinschaft Burgsinn vom 26.5.1986 bis 10.6.1986
aus.
Der Antragstellerin wurde der Beschluß am 2. Mai 1986 zugestellt. Sie erhob am
20. Mai 1986 Klage und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlangung
einstweiligen Rechtsschutzes.
Zur Begründung trägt sie vor, sie sei antragsbefugt., weil sie durch den
Planfeststellungsbeschluß in ihrer Planungshoheit verletzt. werde. Die
Planungshoheit umfasse auch das Recht einer Gemeinde auf Planung und
Regelung der Bodennutzung in ihrem Gebiet.
Dieses Recht werde durch eine überörtliche Fachplanung, die das Gemeindegebiet
berühre, dann beeinträchtigt, wenn bereits eine bestimmte Planung für das in
Anspruch genommene Gebiet vorliege. Im konkreten Fall sehe der
Flächennutzungsplan der Antragstellerin für das Gebiet, in welchem die
Bahnstromleitung verlaufen solle, eine landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche
Nutzung vor. Von daher hätte die Antragsgegnerin über die geplante
Baumaßnahme das Einvernehmen herstellen bzw. jedenfalls einen Versuch hierzu
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Baumaßnahme das Einvernehmen herstellen bzw. jedenfalls einen Versuch hierzu
vornehmen müssen.
Sie sei auch als Eigentümerin der im Planfeststellungsbereich liegenden
Grundstücke antragsbefugt. Direkt betroffen in ihrem Eigentum sei sie durch die
Errichtung des Mastes Nr. 18, der zur Hälfte auf dem Grundstück 11/52 errichtet
werden solle. Daß es sich hierbei um Brachland handele, berühre allenfalls das
Maß der Beeinträchtigung, beseitige jedoch nicht die Betroffenheit.
Die planfestgestellte Bahnstromleitung durchschneide ein aus
naturschutzrechtlichen Gründen erhaltenswertes Gebiet. Die Naturschutzbelange
seien von der Antragsgegnerin falsch abgewogen worden. Bei der Trassenauswahl
hätte der Führung der Trasse durch den Wald oder einer Überständerung, wobei
sich der Holzeinschlag auf eine Minimum reduziere, der Vorzug gegeben werden
müssen. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin die Möglichkeit. der
Verkabelung nicht ausreichend abgewogen. Die Verkabelung sei heutzutage
technisch realisierbar. Beziehe man, wie das sogenannte ATW-Gutachten, die
sozialen Kosten einer Freileitung mit ein, so stelle sich bei einer
Gesamtbetrachtung die Verkabelung sogar als kostengünstiger dar.
Gründe für die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses seien nicht
vorhanden. Die Antragsgegnerin könne sich nicht darauf berufen, daß die
Neubaustrecke bald in Betrieb gehen müsse. Sie habe die Dringlichkeit und
Eilbedürftigkeit:, auf die sie den Sofortvollzug stütze, selbst hervorgerufen, weil sie
nicht rechtzeitig geplant habe. Allein der Umstand, daß die Nichtnutzung des
bereitgestellten Kapitals volkswirtschaftlich mit erheblichen Beträgen zu Buche
schlage, könne den Sofortvollzug ebenfalls nicht rechtfertigen. Daß die
Daseinsvorsoge die Dringlichkeit des Vorhabens begründen könne, sei außerdem
nicht. ersichtlich.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß
vom 9. April 1986 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, der Antrag sei unzulässig, auf die Verletzung von
Naturschutzbelangen könne die Antragstellerin sich nicht berufen, da Naturschutz
nicht Gegenstand subjektiver Rechte der Gemeinde als öffentlich- rechtlicher
Selbstverwaltungskörperschaft sei. Beeinträchtigungen des Orts- und
Landschaftsbildes könnten Gemeinden nur insoweit. im Klageweg rügen, als
dadurch zugleich konkret Planungen der Gemeinde beeinträchtigt würden.
Derartige Planvorhaben seien von der Antragstellerin nicht. dargelegt worden. Die
Festsetzung landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Nutzung in einem
Flächennutzungsplan könne als entgegenstehende Planung nicht angesehen
werden, weil der Flächennutzungsplan ohne rechtliche Außenwirkung sei und weil
die Bahnstromleitung der im Flächennutzungsplan vorgesehenen Nutzung nicht,
entgegen stehe. Unzutreffend sei auch, daß die Antragsgegnerin ein
"Einvernehmen" mit der Antragstellerin hätte herstellen müssen.
Darüber hinaus sei der Planfeststellungsbeschluß offensichtlich rechtmäßig.
Was die Trassenwahl angehe, seien alle notwendigen Belange von ihr abgewogen
worden. Die Alternative der Waldüberspannung erfordere so viel Holzeinschlag,
daß sie abgelehnt werden müsse. Eine Überständerung komme nicht in Betracht.,
weil auch hierfür der Wald durchschnitten werden müsse und darüber hinaus eine
erhebliche Landschaftsbeeinträchtigung hinzunehmen sei, da die
Bahnstromleitung über einen Bergrücken geführt werden müsse. Bei. der
planfestgestellten Trasse, die aus dem Raumordnungsverfahren hervorgegangen
sei., halte sich die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes in Grenzen. Eine
Verkabelung sei ausführlich im Planfeststellungsbeschluß behandelt: worden und
komme aus technischen Gründen nicht in Betracht. Es gebe auch in der
Bundesrepublik mit. Ausnahme einer kleinen Strecke, deren Mängel und
Schwierigkeiten die Unmöglichkeit bestätigten, keine verkabelten 110-kV-
Bahnstromleitungen. Das Mitführen der Bahnstromleitung durch den Tunnel
komme ebenfalls nicht in Betracht. Durch die erforderlichen Abstände der 110-kV-
L.eitung von den Tunnelwänden sei eine Vergrößerung der Tunnelquerschnitte
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L.eitung von den Tunnelwänden sei eine Vergrößerung der Tunnelquerschnitte
erforderlich, die vollkommen unvertretbar wäre. Außerdem sei die Kabelverlegung
an der Tunnelinnenwand aus Sicherheitsgründen zum Schutz der Reisenden
abzulehnen. Die Mitauflage der Bahnstromleitung auf die derzeit vorhandene
Bahnstrecke Würzburg- Fulda sei von vornherein nicht in Betracht gekommen. Die
vorhandenen Masten reichten nicht; aus, um eine 110-kV-Leitung mitzutragen.
Darüber hinaus müßten bei dem Neubau von Masten Streckenstillegungen
erfolgen, was bei. der Inanspruchnahme dieser Strecke völlig unvertretbar sei.
Außerdem führe die Strecke teilweise durch Wohngebiet, so daß die
Beeinträchtigung durch erhöhte Masten und erweiterte Schutzstreifen
Wohnbevölkerung treffe. Darüber hinaus müßten auch hierbei Waldstücke
durchschnitten werden. Die Mitauflage einer Bahnstromleitung auf die
Oberleitungsmasten sei bisher nur bei der von dem Antragsteller selbst erwähnten
kleinen Strecke erfolgt.. Die technischen Schwierigkeiten seien aber bei. einer
großen Hauptstrecke völlig anderer Natur und kaum zu bewältigen.
Die von dem Planvorhaben betroffenen Naturschutzbelange seien von ihr
abgewogen worden. Sie habe eine Reihe fachkundiger Stellungnahmen eingeholt.
Es sei auch das Gutachten von Professor Kagerer berücksichtigt worden und die
darin eingeschlossene Stellungnahme von Herrn Banse. Im wesentlichen habe der
Planfeststellung zugrundegelegen die größenmäßige Einzigartigkeit, des
Schachblumenbestandes im Sinntal, der schön ausgebildete Eichen-,
Buchenmischwald im Altengronauer Wald, der Wert. des Geländes als Durchzugs-
und Rastgebiet für verschiedene Zugvögelarten, der Wert von Naßwiesen für
Insekten und Amphibiensukzession, der optische und landschaftsästhetische
Belang der Nichtbeeinträchtigung des Sinntales durch Freileitungen. Die
naturschutzrechtliche Sicherstellungsverordnung sei ebenfalls in die Abwägung
eingestellt worden. Durch geeignete Bauverfahren und Durchführung der
Bauarbeiten in der Winterzeit werde der Eingriff in den Schachblumenbestand
möglichst gering gehalten. Außerdem werde als Ausgleich die 20-kV-Leitung
außerhalb des geplanten Naturschutzgebietes verkabelt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die von den Beteiligten zu den
Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der
Gerichtsakten 2 A 1326/86 Bezug genommen. Folgende Behördenvorgänge,
Stellungnahmen und Gutachten sind beigezogen und zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht. worden:
- die Akten des Raumordnungsverfahrens des Regierungspräsidenten in Kassel 93
c 08-05 a Bundesbahnergänzungsstrecke, Fulda-Landesgrenze, Landesgrenze
Bayern/Hessen bis Landrückentunnel mit Abschlußschreiben, ein Ordner
- Anhörungsakte des Regierungspräsidenten in Darmstadt Az. IV 1/36-66 c 10/01 -
S - 1/82 Sinntal - Neubaustrecke Hannover Würzburg, 110-kV-Bahnstromleitung,
Uw Mottgers-Hess./Bayerische Landesgrenze, ein Ordner
folgende Planfeststellungsunterlagen:
- Bauwerksverzeichnis und Erläuterungsbericht (mit Blaueintrag)
- Übersichtslageplan Maßstab 1: 250.000, Übersichtslageplan Maßstab 1: 25.000
(mit Blaueintrag)
- Mastskizzen, Fundamentskizzen
- Lagepläne Maßstab 1: 2000, Maßstab 1: 1000 (Überholbahnhof Mottgers), Blatt
2, 6 und 7 mit Blaueintrag
- Höhenpläne Maßstab 1: 2000/500 (Deckblatt zu Blatt 6, Blatt 2 mit Blaueintrag)
- Unterwerk Mottgers, Grundrisse und Schnitte, Ansichten ( Deckblatt )
- Verzeichnis der Grundeigentümer (mit Blaueintrag)
- Luftbilder mit der planfestgestellten Trasse des Bahnstromleitungsabschnittes
- Gutachten Professor Dr. Ingenieur Hermann Kärner vom 20.5. 1985 für das
Bauverwaltungsamt der Stadt Lüneburg
- Gutachten zu Problemen der raumordnungsgerechten Verlegung von Leitungen
für elektrische Energie, erstellt im Auftrag des Hessischen Ministers für
Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 30. Mai 1984
- vergleichende Standortuntersuchung aus Sicht der Landschaftspflege und des
Naturschutzes - 110-kV-Bahnstromleitung Gemünden-Fulda, Abschnitt Uw
Mottgers-Hess./Bayerische Landesgrenze von Professor K. Kagerer, vom März
1984 mit der ornithologischen Stellungnahme zur geplanten
Hochspannungsleitung im Sinntal von Günther Banse, Ingenieurbüro für
Landschaftsökologie.
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II.
Die Antragstellerin ist - in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO - im
Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO antragsbefugt, weil sie die Verletzung eigener
Rechte durch die Planfeststellung geltend machen kann. Allerdings kann sich die
Antragstellerin nicht auf die-mögliche Verletzung ihrer kommunalen
Planungshoheit. berufen. Sie hat nicht hinreichend substantiiert dargetan, daß sie
durch den Planfeststellungsbeschluß in ihrer Planungshoheit verletzt sein kann.
Zwar umfaßt die Planungshoheit das der Gemeinde als
Selbstverwaltungskörperschaft zustehende Recht auf Planung und Regelung der
Bodennutzung in ihrem Gebiet. Sie schließt auch das Recht ein, sich gegen
Planungen anderer Planungsträger zur Wehr zu setzen, die eigene Vorhaben
beeinträchtigen können (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Urteil. vom 21 . Mai 1976 - IV C 38.74 - BVerwGE
51 , 6 ff., 13 f.). Allerdings kann eine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne von § 42
Abs. 2 VwGO nur geltend gemacht werden, wenn für das betroffene Gebiet bereits
eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung vorliegt: Kind die Störung
dieser Planung durch den überörtlichen Fachplan "nachhaltig" ist. (BVerwG, Urteil
vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 ff., 261 ff,; Urteil. vom 11. Mai
1984 - 4 C 83.80 - DÖV 1985, 113 f.). Zwar liegt hier mit. dem
Flächennutzungsplan, der für das Gebiet der Bahnstromleitung landwirtschaftliche
und forstwirtschaftliche Nutzung vorsieht., eine hinreichend konkrete Planung vor.
Darauf, daß der Flächennutzungsplan als vorbereitender Bauleitplan (§ 1 Abs. 2
Bundesbaugesetz) keine rechtsverbindlichen Festsetzungen trifft:, kommt es nicht
an. Es reicht aus, daß die gemeindliche Planung hinreichend bestimmt ist
(BVerwG, Urteil vom 30. Mai. 1984, a.a.O.; Urteil vom 11. Mai 1984, a.a.O.; Die
Antragstellerin hat jedoch nicht dargetan, daß der Planfeststellungsbeschluß
gewichtige Auswirkungen auf die gemeindlichen Planungsvorstellungen hat. Der
Gesamtcharakter des Bereichs als land- und forstwirtschaftlich genutzter Fläche
bleibt trotz der Bahnstromleitung erhalten. Die landwirtschaftliche Nutzung wird
nur in einem relativ geringfügigen Maße beeinträchtigt, was die planerischen
Vorgaben im Grundsatz nicht berührt. Gleiches gilt auch für den Bereich der
forstwirtschaftlichen Nutzung. Nur in einem schmalen Bereich des
Flächennutzungsplanes können die einzelnen Grundstücke nicht mehr ihrer
ursprünglichen Nutzung entsprechend bewirtschaftet werden; die
gesamtplanerischen Vorstellungen der Antragstellerin bedürfen insoweit aber
keiner Änderung. Die verbleibende Beeinträchtigung ist: derart geringfügig, daß sie
nicht als "nachhaltiger" Eingriff in das Planungsrecht der Antragstellerin begriffen
werden kann.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht: auf die Geltendmachung landschafts- und
naturschutzrechtlicher Belange berufen. Ihr steht nämlich nicht das generelle
Recht zu, öffentliche Belange unabhängig von eigener Betroffenheit geltend zu
machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1984, a.a.O.; Urteil vom 21. Mai 1976 - IV
C 38.74 - BVerwGE 51, 6 ff.; Bay.VGH, Beschluß vom 19. November 1985 - 2.0 Cs.
85 A. 2.304 u.a. - UPR 1986, 154 ff.).
Jedoch kann sich die Antragstellerin darauf berufen, daß durch die
Bahnstromleitung ihr Eigentum beeinträchtigt wird. Zwar genießt
gemeindeeigenes Eigentum nicht den grundrechtlichen Schutz von Art:. 14 Abs. 1
Satz 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluß vom 18. Juli 1982 - 2 BvR 1187.80 - BVerfGE 61,
82 ff., 105 ff.). Die fehlende Grundrechtsfähigkeit schließt jedoch nicht aus, daß die
Gemeinden sich als Rechtsträger gegen Beeinträchtigungen .ihrer Rechte wenden
können. Da Gemeinden als juristische Personen des Öffentlichen Rechts rechtlich
Eigentümer sein können, stehen ihnen auch alle Rechte zu, die die einfachen
Gesetze gewähren (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Mai 1984 - 7 OVG A 15/84 -
DVBl. 1984, 89!5 f., Bay.VGH, Urteil vom 23. August: 1985 - 11 B 83 A. 2163
BayVBl. 1986, 241 ff.; wohl auch Bay.VGH, Beschluß vom 22. November 1974 - Nr.
136 VI 74 - Bay.VGHE 27 n.F. <1974>, 115 ff., 12.2; anderer Auffassung, aber
ohne Begründung OVG Münster, Urteil vom 10. November 1982 - 20 A. 106/80 -).
Der Antragstellerin steht insoweit ein Anspruch auf rechtsfehlerfreie Abwägung
ihrer eigenen mit den entgegenstehenden öffentlichen Belangen zu (vgl. hierzu
VGH Mannheim, Beschluß vom 10. Dezember 1984 - 5 S 2203/84 - NVwZ 1985,
432; Kügel, Der Planfeststellungsbeschluß und seine Anfechtbarkeit, S. 218; Jarass,
Die Gemeinde als "Drittbetroffener", DVBl. 1976, 732 ff.).
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80
Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 VwGO ist. jedoch nicht begründet, weil das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 9.
April 1986 das Interesse der Antragstellerin, einstweilen von Vollzugsmaßnahmen
verschont zu bleiben, überwiegt.
Ob sich der angefochtene Planfeststellungsbeschluß vom 9. April 1986 im
Klageverfahren als rechtmäßig erweisen wird, ist im Ergebnis noch offen.
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit. des angefochtenen
Planfeststellungsbeschlusses bestehen nach summarischer Prüfung keine
Bedenken. Die von zahlreichen Einwendern, darunter auch der Antragstellerin,
erhobenen Einwendungen sind im Anhörungstermin am 27. Juni 1985 erörtert
worden. Soweit der Plan zum Schutz des Schachblumenbestandes geändert wurde
(waldnaher Trassenverlauf zwischen Mast. Nr. 21 und Nr. 26), wurde der Plan vom
18. November 1985 bis 20. Dezember 1985 erneut ausgelegt. Die Einwendungen,
die sich nicht erledigt hatten, wurden in dem angefochtenen
Planfeststellungsbeschluß zurückgewiesen.
Die Bundesbahndirektion Nürnberg war nach § 36 Abs. 4 Bundesbahngesetz vom
13. Dezember 1951 (BGBl. I, S. 955) in der Fassung vom 18. Februar 1986 (BGBl. I
S. 265) - BBahnG - i.V.m. der Ermächtigung des Vorstandes der Antragsgegnerin
vom 4. Januar 1982 (VkBl. 82, S. 90) für den Erlaß des
Planfeststellungsbeschlusses zuständig. Der Senat hält an seiner Auffassung, daß
§ 36 Abs. 4 BBahnG keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken
unterliegt, fest (vgl. Beschluß vom 1.4.1985 - 2 TH 1805/84, NVwZ 1986, S. 668 ff;
ebenso BayVGH, Beschluß vom 23.8.1985 - 11 B 83 A.2163 UPR 1986, 147 ff. =
BayVBl. 1986, 241 ff.; a.A. Schenke, Organisatorische Regelungen mit
Außenwirkung durch Verwaltungsvorschriften, DÖV 1986, 190 ff.).
Die materielle Ermächtigung zur bundesbahnrechtlichen Fachplanung ist der
Antragsgegnerin in § 36 BBahnG eingeräumt.
Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BBahnG dürfen neue Anlagen der Deutschen Bundesbahn
nur dann gebaut, bestehende Anlagen nur darin geändert werden, wenn der Plan
zuvor festgestellt worden ist. Mit dieser Ermächtigung ist der
Planfeststellungsbehörde ein umfassendes Planungsermessen eingeräumt, das in
seinem Wesen am zutreffendsten durch den Begriff der planerischen
Gestaltungsfreiheit umschrieben ist. Ihrem Gegenstand nach erstreckt sich die
planerische Gestaltungsfreiheit. in umfassender Weise auf schlechthin alle
planerischen Gesichtspunkte, die zu möglichst optimaler Verwirklichung der
gesetzlich jeweils vorgegebenen Planungsaufgabe, aber auch zur Bewältigung der
von dem Planungsvorhaben in seiner räumlichen Umgebung erst aufgeworfenen
Probleme von Bedeutung sind (so BVerwG, Urteil. vom 14. Dezember 1979 - 4 C
10/77 BVerwGE 59, 253 ff., 256 = NDW 1980, 2368; Urteil vom 12. Juli 1985 - 4 C
40.83 - BVerwGE 72, 15 ff., .20 = NVwZ 1985, 736 ff. = DVBl. 1985 , 1 141 ff).
Planerische Gestaltungsfreiheit bedeutet allerdings nicht schrankenlose
Planungsbefugnis. Es entspricht dem Wesen rechtsstaatlicher Planung, daß diese
rechtlichen Bindungen unterworfen ist:. Materielle Schranken folgen zum einen aus
dem Erfordernis einer der jeweiligen fachplanungsgesetzlichen Zielsetzung
entsprechenden Rechtfertigung des konkreten Planvorhabens, die auch gegenüber
Art.. 14 Abs. 3 GG standhalten muß, zum anderen aus gesetzlichen
Planungsleitsätzen und schließlich aus den Anforderungen, die sich aus dem
Abwägungsgebot ergeben (ständige Rechtsprechung des BVerwG a.a.O.).
Der angegriffene Planfeststellungsbeschluß weist eine ausreichende
Planrechtfertigung auf. Eine hoheitliche Fachplanung trägt ihre Rechtfertigung nicht
bereits in sich selbst, sondern sie muß, gemessen an den Zielen des jeweils
zugrundeliegenden Fachplanungsgesetzes, erforderlich sein und - angesichts der
enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Planfeststellung (vgl. § 37 BBahnG) - vor
Art. 14 Abs. 3 GG standhalten (BVerwG, Urteil. vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -
NJW 1975, 1373 ff. = BVerwGE 48, 56 ff.). Die objektive Erforderlichkeit ist jedoch
nicht erst gegeben, wenn die Verwirklichung des Vorhabens unabweislich ist.,
sondern bereits dann, wenn seine Verwirklichung "vernünftigerweise geboten" ist
(BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, 110 ff. = NJW 1979, 64
ff; Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 ff. = DVBl. 1985, 900
ff.). Diesen Anforderungen genügt der Plan für die Errichtung der
Bahnstromleitung. Nach § 4 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG), § 4
BBahnG ist die Antragsgegnerin verpflichtet, unter Wahrung wirtschaftlicher
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BBahnG ist die Antragsgegnerin verpflichtet, unter Wahrung wirtschaftlicher
Grundsätze irr Übereinstimmung mit. dem allgemeinen Wohl und dem öffentlichen
Verkehrsbedürfnis ihre Anlagen nach dem jeweiligen Stand der Technik zu
erneuern, zu ersetzen und weiterzuentwickeln, ihren Reise- und Güterverkehr zu
bedienen und auszugestalten, ihr Netz auszubauen und der Entwicklung
anzupassen. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin ein Ausbauprogramm
entwickelt, das den Eisenbahnverkehr verbessern soll. Dem soll der Neubau der
Streckenverbindung Hannover-Würzburg dienen. Mit dem Ausbauprogramm .ist
aber auch festgelegt., daß die Neubaustrecken mit gleichen Fahrzeugen und mit
gleicher Betriebsweise befahren werden können wie die bisherigen Strecken. Dar-
aus ergibt sich die Notwendigkeit der Elektrifizierung. Die Rechtfertigung für die
Neubaustrecke selbst bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Überprüfung. Im
Streckenabschnitt südlich Fulda bis Würzburg, in dem die hier streitige
Bahnstromleitung liegt, ist der Neubau der Fahrtrasse fast: vollständig
bestandskräftig planfestgestellt. Die Antragstellerin kann auch nicht. darauf
verwiesen werden, den benötigten Strom aus dem privaten Stromnetz zu
entnehmen. Wie die Antragsgegnerin ausgeführt hat, ist sie aus technischen und
wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, die Bahnstromversorgung im
wesentlichen mit. eigenen Bahnstromleitungen durchzuführen. Die Zuführung
elektrischer Energie aus dem Netz der öffentlichen Energieversorgung erfolgt nur
in einem verhältnismäßig geringen Umfang (etwa 15 %). Die Umwandlung des
benötigten Stromes aus dem mit einer Spannungsfrequenz von 50 Hz
betriebenen öffentlichen Netz in die Frequenz 16 2/3 Hz, mit der das
Hahnstromnetz betrieben wird, erfolgt durch elastische Frequenzumformer großer
Leistung, was sich gegenüber dem Einsatz dezentraler Kleinumformer, die bei
vermehrter Entnahme von Strom aus dem öffentlichen Netz erforderlich würden,
als kostengünstiger darstellt. Bei dem Einsatz dezentraler Kleinumformer müßten
außerdem wirtschaftlich und technisch aufwendigere Maßnahmen getroffen
werden, um den benötigten Bahnstrom ständig zuführen zu können. Hinzu kommt
hierbei die Verteuerung der Bahnstromenergie dadurch, daß auch die erheblich
teurere Spitzenenergie der öffentlichen Energieversorgungsunternehmen mit:
einbezogen werden müßte.
Dem steht nicht entgegen, daß die Antragsgegnerin künftig einen nicht
unerheblichen Teil ihres benötigten Stromes von dem Gemeinschaftskernkraftwerk
Kornwestheim beziehen wird. Dieser Strom wird mit einer Frequenz von 50 Hz
erzeugt, zentral auf 16 2/3 Hz umgeformt und aus den oben erwähnten
technischen und wirtschaftlichen Gründen über eine eigene Stromtrasse
transportiert. Der Stromtransport über das öffentliche Stromnetz wäre wegen des
für die Durchleitung zu zahlenden Entgelts nicht: billiger als der Bau einer eigenen
Stromtrasse. Darüber hinaus hat. die Antragsgegnerin den Betrieb ihres
gesamten Streckennetzes im Verbund mit den österreichischen Bundesbahnen
auf eine eigene Bahnstromleitung ausgelegt. Die Veränderung dieser Konzeption
würde einen beträchtlichen wirtschaftlichen Mehraufwand fordern. Es ist deshalb
davon auszugehen, daß die Antragsgegnerin mit dem Bau einer neuen
Bahnstromtrasse die Elektrifizierung der Neubaustrecke sicherstellen und damit
der oben beschriebenen ihr gesetzlich auferlegten Verpflichtung nachkommen
kann. Die von dem Antragsteller aufgezeigte Alternative ist zwar möglich, aber
technisch und im Ergebnis auch wirtschaftlich aufwendiger. Der Senat hat deshalb
keinen Zweifel, daß die Errichtung einer eigenen Bahnstromtrasse im Sinne der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vernünftigerweise geboten ist.
Daß es ausschließlich nur diese Möglichkeit und keinerlei andere Formen der
Realisierung der Bahnstromleitung geben darf, ist im Sinne der Erforderlichkeit des
Vorhabens nicht notwendig (vgl. Urteil des BVerwG vom 6. Dezember 1985 - 4 C
59.82 - NJW 1986, S. 1508 ff.).
Die Frage, wie die 110-kV-Bahnstromleitung realisiert wird (Verkabelung,
Mitführung auf dem vorhandenen Oberleitungsgestänge der schon bestehenden
Bahntrasse, Trassenwahl), berührt nicht die Planrechtfertigung. Sie ist wesentlicher
Bestandteil des Planungsermessens und bei der Abwägung der für und gegen das
Vorhaben sprechenden Belange zu beantworten (ständige Rechtsprechung des
BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 ff =
DVBl. 1985, 900 ff. = NJW 1986, 80 ff.; Beschluß vom 19. September 1985 - 4 B
86.85 -).
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluß verstößt auch nicht gegen
Planungsleitsätze im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In
Betracht käme hier allenfalls ein Verstoß gegen §§ 1, 2 und 8
Bundesnaturschutzgesetz (- BNatSchG - vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.
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Bundesnaturschutzgesetz (- BNatSchG - vom 20. Dezember 1976, BGBl. I S.
3574, in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Juni 1980, BGBl. I S. 649), §§ 1 und
13 Hessisches Naturschutzgesetz (- HENatG - vom 19. September 1980, GVBl. I
S. 309), wenn diese Vorschriften gesetzliche Planungsleitsätze enthielten. Das ist
jedoch nicht der Fall. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind
Planungsleitsätze seit je begriffen worden als planzielbestimmende Vorschriften für
die jeweilige Fachplanung, die sich aus dem Fachplanungsgesetz und anderen für
die Fachplanung einschlägigen Normierungen ergeben können (vgl. etwa Urteil
vom 14. Februar 1975 - IV C 21.74 -, NJW 1975, 1373 ff. = BVerwGE 48, 56 ff.).
Allerdings bedeutet: das nicht, daß alle einschlägigen gesetzlichen Zielvorgaben
eine strikte Beachtung fordern und nicht mehr durch andere öffentliche Belange
zurückgedrängt. werden könnten (so klarstellend BVerwG, Urteil vom 22. März
1985 - 4 C 73.82 -, BVerwGE 71, 163 ff, 165 = DVBl. 1985, 899 f.) . Vielmehr
bezeichnet der Begriff "Planungsleitsatz" nur solche gesetzlichen Regelungen, die
bei öffentlichen Planungen strikte Beachtung verlangen und deswegen nicht im
Rahmen der planerischen Abwägung überwunden werden können. Davon zu
unterscheiden sind gesetzliche Bestimmungen, die keine absolute Geltung
beanspruchen, sondern bei denen die mit; ihnen verfolgten Ziele bei öffentlichen
Planungen in der Abwägung mit anderen Belangen zurücktreten können, wie dies
etwa bei einem Optimierungsgebot der Fall ist (BVerwG, a.a.O.).
Bei den so definierten Voraussetzungen sind die §§ 1, 2, und 8 BNatSchG, §§ 1, 13
HENatG nicht als gesetzliche Planungsleitsätze zu betrachten, sondern gesetzliche
Optimierungsgebote, die bei der Abwägung der von der Planung berührten
öffentlichen und privaten Belange ein besonderes Gewicht erhalten (so
ausdrücklich zu § 1 BNatSchG BVerwG, Urteil vom 22. März 1985, a.a.O.). S. 165;
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30. Juli 1985 - 5 S 2553/84 - DVBl. 1986, 364
ff., 367 zu §§ 10 und 11 des Baden-Württembergischen Naturschutzgesetzes vom
21. Oktober 1975, die mit § 1 BNatSchG vergleichbar sind). Daß §§ 1, 2 BNatSchG
Regelungen darstellen, die eine Relativierung durchaus zulassen, zeige; § 1 Abs. 2
BNatSchG, auf den sich § 2 Abs. 1 BNatSchG bezieht. Danach sind die
Anforderungen, die sich aus Abs. 1 der Vorschrift ergeben, und die sonstigen
Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft abzuwägen, was eine
strikte und nicht überwindbare Bindung im Sinne des oben definierten Begriffs des
Planungsleitsatzes ausschließt. Ähnliches gilt für § 8 Abs. 2 BNatSchG, der
zunächst von seinem Wortlaut her eine strikte Bindung nahelegt. Abs. 2 von § 8
BNatSchG kann jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Abs. 3 der gleichen
Vorschrift. schreibt ebenso wie § 1 Abs. 2 BNatSchG die Abwägungserheblichkeit
der in Abs. 2 beschriebenen Belange fest und enthält ein Optimierungsgebot. im
Hinblick auf die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes (vgl. hierzu Gaentzsch,
Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 1986, S. 89 ff., 91 vgl. auch
Ronellenfitsch, Eingriffe in Natur und Landschaft bei der wasserwirtschaftlichen
Planfeststellung, VA 1986, 177 ff. 184). Ähnliches gilt. für die Regelungen des
Hessischen Naturschutzgesetzes. Daß Natur- und Landschaftsschutz nicht in
jedem Falle absolute Geltung beanspruchen, sondern aus überwiegenden Gründen
des Gemeinwohls zurückgedrängt werden können, ergibt sich bereits aus der
Abwägungsvorschrift des § 2 Abs. 2 HENatG. Aber auch § 6 Abs. 2 HENatG zeigt:
keinen strikten Geltungsanspruch auf, sondern läßt eine Abwägung mit
Gemeinwohlbelangen zu.
Im Ergebnis wird das auch von der Literatur letztlich nicht anders gesehen. Soweit
Regelungen des BNatSchG als gesetzlicher Planungsleitsatz angesehen werden (
so Steinberg, Planrechtfertigung und Planungsleitsätze in der straßenrechtlichen
Planfests , NVwZ 1 986 , 81 2 ff , 81 4) , wird ihnen nicht: die Bedeutung einer
unüberwindbaren Planungsschranke zugewiesen. Vielmehr werden sie als
Planungs- und Abwägungsdirektiven begriffen, die bestimmen, welche Belange in
die Abwägung einzustellen sind und gegebenenfalls wie .ihre Gewichtigkeit
festzulegen ist (so Steinberg, a.a.O.). in diesem Sinne aber auch Salzwedel.,
Bundesbehörden- und Naturschutzrecht, NuR 1984, S. 166 ff.., 169 ff.; vgl. auch
Erbguth/Püchel, materiell-rechtliche Bedeutung des Umweltschutzes in der
Fachplanung, NuR 1984, S. 209 ff). Werden derartige Regelungen aber dem
Bereich der planerischen Abwägung und damit: dem Planungsermessen
zugeordnet, ist ihnen nicht mehr die Bedeutung eines "Planungsleitsatzes" im
Sinne der oben definierten neueren Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts beizulegen mit der Folge, daß die Anwendung
derartiger Vorschriften nur der eingeschränkten verwaltungsrichterlichen Kontrolle
unterliegt.
Ob der Planfeststellungsbeschluß dem Abwägungsgebot genügt, kann noch nicht.
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Ob der Planfeststellungsbeschluß dem Abwägungsgebot genügt, kann noch nicht.
abschließend beurteilt werden. Die Einhaltung des planungsrechtlichen
Abwägungsgebots verlangt., daß - erstens - eine rechtliche Abwägung überhaupt.
stattfindet, daß - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was
nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, und daß - drittens - weder die
Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der
Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven
Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.. Innerhalb des so
gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht: verletzt, wenn sich
die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen
Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die
Zurückstellung eines anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von
der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr im Gegenteil
ein wesentliches Element. der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt. sich im Rahmen
des Abwägungsgebots daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die
abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend
bestimmt hat und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten
Abwägungsmaterials die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung
eingehalten hat (so das Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Februar 1975 -
IV C .21.74 -. a.a.O.; Urteil vom 7. Juli 1978 - IV C 79.76 - BVerwGE 56, 110 ff. =
NJW 1979, 64 ff.; Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 -, BVerwGE 71, 166 ff.).
Diese Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen sind allerdings nicht. abstrakt zu erörtern,
sondern stets im Hinblick auf die individuelle Rechtsbetroffenheit des jeweiligen
Klägers. Jedoch kann der Eigentümer eines durch die Planfeststellung mit
enteignender Wirkung betroffenen Grundstücks die Verletzung des
Abwägungsgebots grundsätzlich auch mit der Begründung geltend machen,
öffentliche Belange (z.B. des Naturschutzes oder des Landschaftsschutzes) seien
nicht. hinreichend beachtet worden (BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 - 4 C 80.79
- BVerwGE 67, 74 ff.; auch Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256
ff., 2.70 f.). Das folgt für den privaten Eigentümer aus dem Eigentumsschutz nach
Art.. 14 GG, der vor einem Eigentumsentzug schützt, der nicht zum Wohle der
Allgemeinheit erforderlich oder nicht gesetzmäßig ist (Art. 14 Abs. 3 GG). Eine von
der Verwaltung gesetzwidrig durchgeführte Enteignung würde sowohl den
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignung als auch das Grundrecht aus Art.
14 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen. Da der Planfeststellungsbeschluß über die
Zulässigkeit der Enteignung entscheidet (§ 37 BBahnG), muß der Beschluß als
solcher den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit. entsprechen. Deshalb kommt. es
auch nicht darauf an, ob ein Abwägungsmangel speziell auf der Verletzung von
Vorschriften beruht., die die Belange des betroffenen Eigentümers schützen
sollen. Das gilt auch für das Eigentum der Antragstellerin, die sich nicht auf den
Schutz von Art.. 14 GG berufen kann. Aus dem auch einer Gemeinde zustehenden
Recht auf ordnungsgemäße Abwägung der verschiedenen Belange folgt ihr
Anspruch, daß ihr privatrechtlich geschütztes Eigentum nur in Anspruch
genommen werden darf, wenn sich die Abwägung als insgesamt rechtmäßig
erweist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich ein Abwägungsfehler nicht auf das
Eigentum der Gemeinde auswirken kann, d. h., wenn auch bei. ordnungsgemäßer
Abwägung das Ausmaß der Inanspruchnahme gemeindlichen Eigentums gleich
bleibt.
Ob die Antragsgegnerin bei der Auswahl der Leitungstrasse dem Abwägungsgebot
genügt hat, kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung noch nicht
abschließend beurteilt werden.
Die Frage der Trassenauswahl sowie der technischen Durchführung ist als Teil. des
Abwägungsvorganges der richterlichen Prüfung nur mit den oben aufgezeigten
Beschränkungen zugänglich, ob nämlich die Antragsgegnerin die Grenzen der ihr
eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 -, a.a.O.; Urteil vom 27.
März 1980 - 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 34; Urteil vom 22. März
1974 - IV 42.73 -, Buchholz 442.40 § 6 Luftverkehrsgesetz Nr. 6).
Ein in diesem Sinne abwägungsrelevanter Fehler wäre anzunehmen, wenn die
Antragsgegnerin eine naheliegende Trassenvariante nicht gewählt hätte, durch die
die mit der Planung angestrebten Ziele unter geringeren Opfern an
entgegenstehenden öffentlichen und privaten Belangen hätten verwirklicht werden
können (BVerwG, Urteil vom 22. März 1985 - 4 C 15.83 - a.a.O.; Soweit die
Antragstellerin die Trassenführung über den Grauberg quer durch den Staatsforst
anstrebt, .ist der Antragsgegnerin ein Abwägungsfehler nicht unterlaufen. Sie hat
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anstrebt, .ist der Antragsgegnerin ein Abwägungsfehler nicht unterlaufen. Sie hat
sowohl die Trasse entlang der Neubaustrecke über den Grauberg als auch die
Trasse, die fast. über die Spitze des Grauberges führen soll, erwogen. Die
Antragsgegnerin hat gegenübergestellt die Inanspruchnahme privaten
Grundeigentums einerseits und die forstlichen Belange, die durch die
Trassenführung über den Grauberg beeinträchtigt würden, andererseits. Es ist
nicht zu beanstanden, wenn sie unter Berücksichtigung der verschiedenen
Stellungnahmen der Forstbehörden die Zerschneidung des geschlossenen
Waldgebietes um den Grauberg ablehnt. Das gilt auch für die Trasse über die
Spitze des Grauberges (kleine Waldüberspannung), die in ihrem wesentlichen
Verlauf bereits Gegenstand des Raumordnungsverfahrens gewesen und dort
wegen des notwendig werdenden Waldaufhiebes als mit den Belangen der
Landesplanung und Raumordnung nicht: vereinbare Trasse verworfen worden ist.
Dabei hat eine entscheidende Rolle gespielt. daß bei. dieser Trassierung über den
Grauberg der Waldaufhieb so groß würde, daß Folgeschäden entstünden (z.B.
Windwurf, bei Wiederaufforstung erst nach 30 Jahren gleicher Bestand), die nicht
hinnehmbar seien. Auch wenn bei dieser Trassierung die Gesamttrasse wesentlich
kürzer würde, würde doch ein jetzt zusammenhängendes Waldgebiet mitten
durchschnitten werden. Die Antragsgegnerin hat bei. ihren Erwägungen auch
berücksichtigt, daß eine Waldüberspannung technisch möglich ist. Bei einer
Waldüberspannung müßten die Masten aber etwa 60 bis 80 m hoch werden, was
eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstellt. Derart: hohe
Masten auf dem Rücken des Grauberges würden weithin sichtbar sein. Darüber
hinaus müßte auch bei einer Überspannung des Waldes erheblicher Aufhieb
erfolgen. Pro Mast. müßten etwa 625 m2 Wald gerodet; werden, darüber hinaus
würden zur Versorgung der Masten entsprechende Versorgungswege erforderlich.
Die Antragsgegnerin hat sich auch nicht derart an das Ergebnis des
Raumordnungsverfahrens gebunden gefühlt., daß sie sich gehindert gesehen
hätte, für den konkreten Fall eine eigene Abwägung vorzunehmen. Zutreffend ist,
daß die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Ermessensausübung nicht an die
landesplanerische Beurteilung des vorangegangenen Raumordnungsverfahrens
gebunden ist. Jedoch muß die Planfeststellungsbehörde die
raumordnungsrechtlichen und landesplanerischen Vorschriften beachten, so daß
das Raumordnungsrecht die Rechtmäßigkeit der Planfeststellung unmittelbar
beeinflussen kann. Die Planfeststellungsbehörde hat das Ergebnis des
Raumordnungsverfahrens in ihre Abwägung mit: einzubeziehen (vgl. Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 1985 - 4 C 40.83 -, NVwZ 1985, S. 736 ff.).
Die Antragsgegnerin hat die im Raumordnungsverfahren gegen ihre
ursprünglichen Vorstellungen festgelegte Trasse dem Planfeststellungsverfahren
zugrunde gelegt, jedoch im Laufe des Verfahrens immer wieder die dagegen
sprechenden Belange berücksichtigt und abgewogen (vgl. z.B. Schreiben vom 18.
Februar 1985 an der RP Darmstadt, Bl. 117 der Anhörungsakte). Daß sich die
Antragsgegnerin die im Raumordnungsverfahren vorgetragene Argumentation,
wonach insbesondere ökologische Belange gegen die Trassierung durch den Wald
sprechen, zu eigen gemacht hat., läßt eine andere Beurteilung nicht zu.
Schließlich ist. die insoweit vorgenommene Abwägung im
Planfeststellungsbeschluß auch nicht deshalb fehlerhaft, weil. der Beschluß selbst
nicht mehr im einzelnen zwischen beiden Trassierungen unterscheidet, sondern
nur noch insgesamt die Trasse über den Grauberg einschließlich der Alternative
Waldüberspannung erwähnt und ablehnt. Zwar gilt auch für den
Planfeststellungsbeschluß das Begründungsgebot (§ 69 Abs. 2 VwVfG, § 39 Abs. 1
VwVfG). Die Begründung dient einerseits der Information der Betroffenen und
andererseits der wirksamen gerichtlichen Kontrollmöglichkeit. Jedoch braucht die
Begründung nicht so umfassend zu sein, daß sich erschöpfend allein aus ihr alle
für die Entscheidung maßgebenden Einzelheiten ergeben müßten. § 39 VwVfG
geht davon aus, daß die Begründung die wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Gründe enthalten muß. Die Begründung eines
Planfeststellungsbeschlusses muß deshalb die für die Planung wichtigsten Punkte
ansprechen. Im Interesse der Überschaubarkeit des Beschlusses sollte sie sogar
nicht auf alle Einzelheiten eingehen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 27. März 1980 - 4 C 34.79 - Buchholz 407.4 Nr. 34 zu § 17 FStrG). Dem wird
die Begründung des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die Ablehnung der
Waldtrasse gerecht.
Es liegt: ein Abwägungsfehler auch nicht deshalb vor, weil die Antragsgegnerin in
dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluß die Alternativen, die
Bahnstromleitung entweder auf die vorhandene Bahntrasse Flieden-Gemünden
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Bahnstromleitung entweder auf die vorhandene Bahntrasse Flieden-Gemünden
oder auf die Trasse der Neubaustrecke mit aufzulegen, nicht geprüft hat.. Zwar ist
der Abwägungsvorgang fehlerhaft, wenn die Planfeststellungsbehörde ernsthaft in
Betracht kommende Planungsvarianten nicht beachtet.. Das setzt: jedoch voraus.
daß eine bestimmte Alternativlösung sich nach Lage der Dinge anbietet oder gar
aufdrängt (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. z.B.
Urteil vom 30. Mai 1984 - 4 C 58/81 - BVerwGE 69, 256 ff., 273). Die alternativen
Führungen der Bahnstromleitung bieten sich aber nach Lage der Dinge weder an
noch drängen sie sich auf. In das Planfeststellungsverfahren wurden sie weder von
den beteiligten Behörden noch den Betroffenen eingebracht. Die Antragsgegnerin
mußte diese Alternativen im Planfeststellungsbeschluß nicht von sich aus
abwägen, weil sie nach ihren eigenen Überlegungen so viele Nachteile mit sich
bringen, daß sie gegenüber den übrigen Möglichkeiten von vornherein
auszuscheiden waren. Eine Auflage auf die bereits bestehende Bahnstromleitung
würde zu ganz erheblichen Mehrkosten führen, weil die jetzt. bestehenden
Tragmasten wesentlich verstärkt werden müßten. Das wäre nur unter erheblichen
Schwierigkeiten realisierbar, weil der Zugbetrieb auf der Bahnstrecke zum Teil
lahmgelegt werden müßte. Außerdem würden erheblich größere und breitere
Tragmasten mit. entsprechend erweiterten Schutzzonen erforderlich. Im Bereich
der bestehenden Trasse würde ebenfalls Grundstückseigentum Dritter in Anspruch
genommen. Darüber hinaus führt: die derzeitige Bahntrasse zum Teil durch
Wohngebiet, in dem eine Stromleitungstrasse zu kaum zumutbaren
Beeinträchtigungen führen würde. Bei einer derartigen Alternative müßten u.a. im
Hinblick auf die notwendigen Schutzstreifen erhebliche Waldflächen in Anspruch
genommen werden. Das Mitführen der Bahnstromleitung auf den
Oberleitungsmasten der Neubaustrecke bringt erhebliche, nur mit
unverhältnismäßigem Aufwand zu bewältigende technische Probleme mit sich, wie
die Antragsgegnerin in ihrer Ausarbeit.ung vom 14. November 1986 (die der
Antragstellerin übersandt wurde) ausgeführt hat. Zwar ist diese Variante technisch
realisierbar, wie sich an der Elektrifizierung der Strecke Emden-Leer zeigt. Jedoch
sind die zu erstellenden Bauwerke bei der Neubaustrecke kaum für eine
mitzuführende 110-kVBahnstromleitung auszulegen. Im übrigen sind die
Auswirkungen im Störungsfall unter Berücksichtigung der zu beachtenden
Sicherheitsabstände und die damit verbundenen Auswirkungen auf der
elektrischen Zugbetrieb erheblich. Außerdem müßten bei der Neubaustrecke für
die Tunnelstrecken Tunnelüberführungen oder Umgehungen geschaffen werden,
da bei einer Mitauflage auf das Oberleitungsgestänge die Tunnelquerschnitte
unverhältnismäßig vergrößert werden müßten, was einen nicht zu vertretenden
wirtschaftlichen Mehraufwand zur Folge hätte.
Ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot liegt. auch nicht in der Entscheidung der
Antragsgegnerin gegen eine Erdverkabelung der Stromleitung. Die
Antragsgegnerin hat die Frage der Verkabelung und die dafür und dagegen
sprechenden Gesichtspunkte im Planfeststellungsbeschluß ausführlich erörtert
(vgl. S. 53 bis 62 des Planfeststellungsbeschlusses). Dabei hat sie insbesondere
erwogen, daß eine Verkabelung der Bahnstromleitung optisch das Natur- und
Landschaftsbild nicht stört. Dem hat sie die Nachteile gegenübergestellt, die sich
aus einer Verkabelung im Vergleich zu einer Freileitungsstrecke ergeben. Hierbei
hat sie auf verschiedene wesentliche Gesichtspunkte abgestellt: Die
Erdverkabelung ist wesentlich teurer als der Bau einer Freileitung, die
"Nichtverfügbarkeit" ist wegen der durchschnittlichen Schadenshäufigkeit und der
durchschnittlichen Reparaturdauer bei. Erdverkabelung erheblich größer als bei
Freileitungen; die Belastbarkeit ist bei Freileitungen günstiger als bei Verkabelung.
Darüber hinaus ist sie davon ausgegangen, daß das Herstellen einer Kabeltrasse
in der Bauphase einen wesentlich größeren Eingriff in die Landschaft darstellt als
das Errichten einer Freileitung. Infolge des Aushebens und späteren
Wiederverfüllens des Kabelgrabens und durch den Transport von bis zu ca. 10
Tonnen schweren Kabeltrommeln sind die Eingriffe in die Landschaft während der
Bauzeit: wesentlich größer als beim Errichten einer Freileitung. Reparaturarbeiten
an einer Kabeltrasse sind wegen der umfangreichen Erdbewegungen wesentlich
komplizierter als bei Freileitungen. In die Abwägung der Antragsgegnerin ist auch
eingeflossen, daß die Verkabelung zum Teil in öffentlichen Wegen erfolgen kann.
Gleichwohl wird aber auch Privateigentum in Anspruch genommen werden
müssen. Eine Kabeltrasse weist aber bei der Inanspruchnahme eines
Grundstückes ebenfalls Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung auf, weil die
Trasse selbst von größerem Bewuchs freigehalten werden muß und darüber hinaus
durch die Wärmeabgabe der Boden austrocknet, so daß auch die Bewirtschaftung
der Kabeltrasse erschwert. wird. Bei einer Kabeltrasse durch den Wald müßte
ebenfalls eine Schneise geschlagen werden, auf der Bäume auch nach Abschluß
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ebenfalls eine Schneise geschlagen werden, auf der Bäume auch nach Abschluß
der Verlegungsarbeiten nicht: wieder angepflanzt, werden könnten. Wie sich aus
der Anhörungsakte ergibt, hat: die Antragsgegnerin auch das sogenannte ATW-
Gutachten (Gutachten zu Problemen der raumordnungsgerechten Verlegung von
Leitungen für elektrische Energie, erstellt im Auftrag des Hessischen Ministers für
Landentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten vom 30. Mai 1984)
berücksichtigt und sich mit den dort gefundenen Ergebnissen auseinandergesetzt
(vgl. z.B. Schreiben der Antragsgegnerin vom 28. März 1985 an den RP in
Darmstadt.). Sie hat sich aus grundsätzlichen technischen Erwägungen dem
Ergebnis des Gutachtens nicht anschließen können, weil die Voraussetzungen,
unter denen das Gutachten die Erdverkabelung von Stromleitungen empfiehlt, für
das 110-kV-Netz der Antragsgegnerin nicht zutreffen und auch nicht: geschaffen
werden können. Die von der Antragsgegnerin .ihrer Abwägung zugrunde gelegten
Tatsachen werden erhärtet durch das von ihr berücksichtigte Gutachten im "Falle
Lüneburg" (Gutachten von Prof. Dr. Ing. Hermann Kärner vom 20. Mai 1985,
erstellt für das Bauverwaltungsamt der Stadt Lüneburg zur Frage der technischen
Realisierbarkeit der Verkabelung einer im Ortsteil Ortmissen der Stadt Lüneburg
geplanten 110-kVBahnstromfreileitung). Auch Prof. Kärner legt: seiner
Begutachtung die Besonderheiten des 110-kV-Bundesbahnnetzes zugrunde, das
mit 16 2/3 Herz statt mit 50 Herz betrieben wird. Er kommt: im wesentlichen zu
den gleichen Ergebnissen wie die Antragsgegnerin und vertritt die Auffassung, daß
die Verkabelung keine universell einsetzbare Alternative ist, sondern ein spezieller
Lösungsweg, der bei Betrachtung des Gesamtnetzes der Deutschen Bundesbahn
nur in unabdingbaren Ausnahmesituationen beschritten werden sollte.
Nach der beim derzeitigen Sachstand allein möglichen summarischen Prüfung
spricht viel dafür, daß ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot auch nicht vorliegt,
soweit die Antragsgegnerin die Verlegung der Bahnstromtrasse durch den Tunnel
bis zum Unterwerk Mottgers als Kabeltrasse ("Tunnelvariante") nicht: ausdrücklich
abgewogen hat. Zwar war sie im Anhörungsverfahren verschiedentlich auf diese
Möglichkeit hingewiesen worden. Jedoch sprachen aus ihrer Sicht so viele
Gesichtspunkte gegen die Verkabelung an sich, aber auch gegen die Verlegung
einer Kabeltrasse durch den Tunnel, daß die Ablehnung dieser Variante neben der
Abhandlung der allgemeinen Verkabelungsproblematik keiner gesonderten
Begründung bedurfte.
Das von der Antragsgegnerin gefundene Abwägungsergebnis wäre jedoch
möglicherweise zu beanstanden, wenn sich die "Tunnelvariante" gegenüber dem
Bau einer Freileitung als technisch und wirtschaftlich gleichwertig darstellen würde.
Unabhängig von der Frage der Löschfähigkeit des Netzes beim Einbau von
Kabelstücken ist: den Sicherheitsbedenken der Antragsgegnerin entscheidende
Bedeutung beizumessen. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob es als
abwägungsfehlerhaft angesehen werden kann, wenn die Antragsgegnerin nicht
bereit ist, ein durch die Kabelverlegung im Tunnel wohl immer verbleibendes
Sicherheitsrisiko für die Zuginsassen hinzunehmen. Dem kann jedenfalls nicht.
entgegengehalten werden, daß bei anderen technischen Projekten auch
"Restrisiken" in Kauf genommen würden. Ebenfalls zweifelhaft erscheint, ob ein
Abwägungsfehler schon darin gesehen werden kann, daß die Antragsgegnerin die
von dem Gutachten des Antragstellers vorgeschlagenen VPE-Kabel nicht
verwenden will, weil noch keine Langzeiterfahrungen mit diesem Kabel vorliegen.
Auch Prof. Kärner hat in seinem Gutachten von der Verwendung von
Kunststoffkabeln wegen der unzureichenden Erfahrungen abgeraten. Schließlich
spricht viel dafür, daß es der - nicht vom Gericht. überprüfbaren - planerischen
Gestaltungsfreiheit der Antragsgegnerin unterliegt, wenn sie die "Tunnelvariante"
wegen der mit einer Kabelreparatur verbundenen Probleme ablehnt. Nach der
Planung wird die Neubaustrecke regelmäßig stark befahren sein, so daß für
Kabelreparaturen im Tunnel der Zugverkehr angehalten werden müßte, was bei
Reparaturen an einer Freileitung nicht der Fall wäre. Letztlich bedürfen diese
Fragen jedoch noch der abschließenden Klärung. Von dem Gewicht der gegen die
Tunnelvariante sprechenden Belange im einzelnen hängt ab, ob die Antragstellerin
die Trassenwahl fehlerfrei getroffen hat. Denn ihr Trassierungsermessen wird hier -
wovon sie auch selbst: ausgeht - durch die Belange des Natur- und
Landschaftsschutzes, die für die Tunnelvariante sprechen, wesentlich
eingeschränkt: mit der Folge, daß die Entscheidung für die planfestgestellte Trasse
dem Abwägungsgebot nur gerecht wird, wenn beachtliche allgemein technische,
sicherheitstechnische bzw. wirtschaftliche Gründe einer Verlegung der
Stromleitung im Fahrtunnel der Neubaustrecke entgegenstehen. Daß den
Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes bei der Trassenwahl ein erhebliches
Gewicht zukommt, ergibt sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:
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Die Qualifizierung naturschutzrechtlicher Regelungen (§§ 2 Abs. 2 , 6 Abs. 2
HENatG) als Optimierungsgebote entbindet: die Planfeststellungsbehörde nicht.
davon, das materielle Recht. der außerhalb des eigentlichen Fachplanungsrechtes
(hier: § 36 BBahnG) liegenden Sachgebiete zu beachten (vgl. Schultze,
Bundesfernstraßenbau und Verpflichtung des Bundes zu
Kompensationsmaßnahmen nach dem Natur- und Forstrecht der Länder, NuR
1986, S. 106 ff., 109; Deiseroth, US-Truppen- und deutsches Recht, Melsungen
1986, S. 69 ff., 77), wobei es nicht. darauf ankommt, ob es sich um Landes- oder
Bundesrecht handelt. Auch eine Bundesbehörde, die, wie im vorliegenden Fall, den
Plan feststellt, ist an die landesrechtlichen Vorschriften gebunden (vgl. BVerwG,
Urteil vom 16. Januar 1968 - I A 1.67 - BVerwGE 29, 52 ff.; Urteil vom 14. Februar
1969 - IV C 215.65 - BVerwGE 31, 263 ff., 266 f.; Urteil vom 8. Februar 1974 - VII C
16.71 - BVerwGE 44, 351 ff., 357 f.; Breuer, Die Bedeutung des § 8 BNatSchG für
Planfeststellungen und qualifizierte Genehmigungen nach anderen Fachgesetzen,
NuR 1980, S. 89 ff., 98 f.; Salzwedel, NuR 1984, S. 165 ff.; Kolodziejcok/Recken,
Naturschutz, Landschaftspflege, Bundesnaturschutzgesetz, § 8 Rdnr. 52 ff.).
Allerdings kann das Landesrecht dann keine absolute Geltung beanspruchen,
wenn es mit. den Interessen der Bundesbehörden an der Durchführung einer
Planung kollidiert. In diesem Fall hat: eine Abwägung unter Einbeziehung aller
relevanten Interessen zu erfolgen (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. die
Urteile vom 16. Januar 1968, 14. Februar 1969, 8. Februar 1974, a.a.O.;
Zusammenstellung bei Salzwedel a.a.O.).
Die geplante Bahnstromleitung stellt sich als Eingriff im Sinne des § 5 Abs. 1 Ziff. 1
HENatG-Errichtung einer bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 HBO - dar. Die
Baumaßnahme beeinträchtigt. auch die Landschaft, da sie in ihrem
Erscheinungsbild verändert wird, wobei hier entscheidend ins Gewicht fällt, daß die
Sinntalauen bisher noch wenig beeinträchtigt sind. Daran ändern auch alle
Bemühungen nichts, den Eingriff so gering wie möglich zu halten. Nach § 6 Abs. 2
HENatG darf der Eingriff nicht: vorgenommen werden, wenn Beeinträchtigungen
nicht zu vermeiden oder nicht auszugleichen sind. Vermeidbar im Sinne dieser
Vorschrift ist eine Beeinträchtigung, wenn sie unterlassen werden könnte, ohne
daß Nachteile für das mit dem jeweiligen Vorhaben verfolgte Ziel entstehen. Daß
die Beeinträchtigung der Landschaft. vermeidbar ist, wenn das geplante Vorhaben
gar nicht durchgeführt wird, meint das Gesetz nicht. Vielmehr ergibt sich aus den
Folgeregelungen, daß die Vermeidbarkeit sich darauf bezieht, daß eine
anderweitige Art der Durchführung nicht möglich erscheine (vgl. z.B. VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 30. Juli 1985 - 5 S 2553/84 - DVBl. 1986, 364 ff., 367 mit
Bezug auf Breuer, NuR 1980, S. 93; vgl. auch Kolodziejcok/Recken, a.a.O.). § 8
BNatSchG Rdnr. 19 f.). Unvermeidbar ist eine Beeinträchtigung aber auch dann,
wenn die Vermeidung der Beeinträchtigung als unverhältnismäßig anzusehen
wäre, also etwa der Aufwand für eine andere Trassenführung außer Verhältnis zu
dem dadurch erreichbaren Vorteil für Naturschutz oder Landschaftspflege stünde
(vgl. Breuer, a.a.O.; Kolodziejcok/Recken, a.a.O.; Das ist hier zweifelhaft. und
hängt: davon ab, ob die "Tunnelvariante" mit: vertretbarem technischem und
wirtschaftlichem Aufwand realisiert werden kann. In die Bewertung ist jedoch mit
einzustellen, daß den Belangen von Natur- und Landschaftsschutz ein besonderes
Gewicht. zukommt, weil ein Teil der geplanten Trasse durch das geplante
Naturschutzgebiet "Schachblumenwiese von Altengronau" führt, das im Zeitpunkt
der Planfeststellung durch Verordnung (vom 13. Februar 1984, StAnz S. 555)
einstweilig sichergestellt war.
Zusammenfassend ist; davon auszugehen, daß die Rechtmäßigkeit des
Abwägungsergebnisses, soweit die Rechte der Antragstellerin berührt sind, davon
abhängt, ob die Antragsgegnerin zu Recht: die "Tunnelvariante" ablehnt. Deshalb
muß der Ausgang des Klageverfahrens als noch offen angesehen werden.
Die vom Senat gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung
fällt zum Nachteil der Antragstellerin aus.
Die öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des
Planfeststellungsbeschlusses wiegen schwerer als das Interesse der
Antragstellerin, vom Vollzug einstweilen verschont zu bleiben. Zum einen tragen
die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe die Anordnung des
Sofortvollzuges. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin rechtfertigt der
zügige Weiterbau im Anschluß an die bereits fertiggestellten Trassenteile den
Sofortvollzug.
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Bei Projekten einer Größenordnung, wie sie der Bau der Neubaustrecke darstellt,
kann der Plan nicht mit einem einzigen Beschluß festgestellt werden, sondern es
sind Abschnitte zu bilden. Die Abschnitte können nur nacheinander geplant und
dann verwirklicht werden. Die Antragsgegnerin hat dargelegt, daß eine frühere
Planfeststellung der Bahnstromtrasse nicht. möglich war. Um das Projekt selbst
aber überhaupt noch in überschaubarer Zeit fertigzustellen, ist. es erforderlich, so
zügig wie möglich zu bauen. Im südlichen Bereich ist die Leitungstrasse bereits
fertiggestellt, so daß unmittelbar mit dem Bau daran angeschlossen werden
könnte. Darüber hinaus fällt hier ins Gewicht, daß bei der Bauausführung
besondere Artforderungen im Hinblick auf die Erhaltung der geschützten
Schachblume zu berücksichtigen sind, so daß die Antragsgegnerin auch bei
Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht: zu jeder beliebigen Zeit mit:
dem Bauen beginnen kann.
Zum anderen liegt es im allgemeinen öffentlichen Interesse, daß die
Neubaustrecke, die u.a. der Verbesserung der verkehrlichen Infrastruktur in den
angeschlossenen Gebieten dient und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der
Deutschen Bundesbahn Rechnung tragen soll, so schnell wie möglich in Betrieb
geht. Die bestehende Bahnstrecke muß dringend entlastet werden und es besteht
ein besonderes öffentliches Interesse an der besseren Erschließung des ost- und
nordhessischen Raumes mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wird mit dem Bau der
Bahnstromtrasse noch im Herbst 1987 begonnen, kann die Neubaustrecke im
Abschnitt Fulda-Würzburg bereits mit dem Sommerfahrplan 1988 in Betrieb
gehen.
Demgegenüber werden durch die Errichtung der Bahnstromleitung praktisch keine
irreparablen Zustände geschaffen. Sollte die Klage der Antragstellerin in der
Hauptsache Erfolg haben, kann die Stromleitung wieder rückgebaut werden. Die
Leitungsseile können ohne Probleme von den Masten wieder abgehängt, die
Masten beseitigt und die Fundamente entfernt werden.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen, weil sie unterlegen ist
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Bei der Streitwertfestsetzung geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon
aus, daß im Planfeststellungsverfahren das Interesse an einer Klage eines privaten
Eigentümers gegen die Inanspruchnahme eines im Außenbereich gelegenen
unbebauten Grundstückes mit 4.000,-- DM zu bewerten ist. Die Antragstellerin
wendet sich allerdings nicht nur gegen den Eigentumsentzug, sondern macht
gleichzeitig Allgemeinwohlbelange geltend. Deshalb schätzt der Senat ihr
Interesse an einer Klage auf 10.000,-- DM. Dieser Wert ist im Hinblick darauf, daß
hier nur vorläufiger Rechtsschutz begehrt ist, zu halbieren (§§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1
Satz 1 GKG in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975, BGBl. I
S. 3047).
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.