Urteil des HessVGH vom 27.07.2000

VGH Kassel: rechtliches gehör, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, immaterialgüterrecht, nachfluchtgrund, dokumentation, anfechtung, zustellung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 UZ 2691/98.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 78 Abs 3 Nr 3 AsylVfG
1992, § 138 Nr 3 VwGO
(Asylprozeß: Gehörsrüge wegen unzulässiger Bezugnahme
auf den Beteiligten unbekannte Gerichtsentscheidung)
Gründe
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt und begründet
worden (§ 78 Abs. 4 Sätze 1 bis 4 AsylVfG).
Der Antrag ist auch begründet; denn mit ihm ist zu Recht geltend gemacht, dass
die Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG zuzulassen ist.
Mit dem Zulassungsantrag ist zu Recht gerügt, das Verwaltungsgericht habe
rechtliches Gehör versagt (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO). Der
Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. dazu Fritz, ZAR 1984,
189) verschafft den Verfahrensbeteiligten ein Recht darauf, sich zu allen
entscheidungserheblichen Tatsachen zweckentsprechend und erschöpfend zu
erklären und Anträge zu stellen (§§ 86 Abs. 2 und 3, 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 VwGO,
BVerfG, 15.01.1980 -- 2 BvR 920/79 --, BVerfGE 53, 109; Kopp, VwGO, 9. Aufl.,
1992, Rdnr. 19 § 108 m.w.N.), und verpflichtet das Gericht darüber hinaus, das
Vorbringen und die Anträge der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auch in
Erwägung zu ziehen (BVerfG, 09.02.1982 -- 1 BvR 1379/80 --, BVerfGE 60, 1; Hess.
VGH, 10.03.1989 -- 12 TE 1580/88 --, InfAuslR 1989, 256). Die Verwaltungsgerichte
sind aufgrund Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO
verpflichtet, das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse zu stützen, zu
denen die Beteiligten sich zuvor äußern konnten, und die Gründe in dem Urteil
anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Sie dürfen
deshalb nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, die von einem
Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht im einzelnen bezeichnet zum Gegenstand
des Verfahrens gemacht wurden und zu denen die Beteiligten sich äußern konnten
(vgl. dazu grundsätzlich und m.w.N. Hess. VGH, 13.01.1994 -- 12 UZ 2930/93 --,
EZAR 633 Nr. 22 = ESVGH 44, 173; vgl. auch BVerfG -- Kammer --, 18.02.1993 --
2 BvR 1869/92 --, InfAuslR 1993, 146). Unzureichend ist daher, soweit es die
Feststellung von Tatsachen angeht, die bloße Bezugnahme auf andere
Gerichtsentscheidungen, auch wenn das Verwaltungsgericht deren wesentlichen
Inhalt wiedergibt und sich deren Entscheidungsfindung anschließt (BVerfG --
Kammer --, 06.07.1993 -- 2 BvR 514/93 --, AuAS 1993, 249; Hess. VGH, a.a.O.).
Aufgrund einer derartigen Gehörsversagung ist die Berufung zuzulassen, ohne
dass zu prüfen ist, ob das angegriffene Urteil hierauf beruht (Hess. VGH, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil das rechtliche Gehör des
Klägers dadurch verletzt, dass es zum Beleg für die Annahme, es fehle an einem
erheblichen subjektiven Nachfluchtgrund, lediglich auf die Entscheidung des Hess.
Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 1997 -- 12 UE 4660/96.A -- verwiesen hat,
ohne diese Entscheidung zuvor in das Verfahren einzuführen, um den Beteiligten
Gelegenheit zu einer sachgerechten Stellungnahme der darin verwerteten
Erkenntnisquellen zu geben. Dies war jedoch erforderlich, da das
Verwaltungsgericht die Entscheidung über die subjektiven Nachfluchtgründe im
angegriffenen Urteil allein auf diese Gerichtsentscheidung gestützt hat. Die
Beteiligten konnten auch nicht durch die Kenntnisnahme des in der
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Beteiligten konnten auch nicht durch die Kenntnisnahme des in der
Erkenntnisquellenliste aufgeführten Urteils des Hess. Verwaltungsgerichtshofs
gleichen Datums in der Sache 12 UE 500/96 Kenntnis von den vom
Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Tatsachengrundlagen erhalten, da in
dieser Entscheidung nicht auch diejenigen Erkenntnisquellen aufgeführt und
verwertet worden sind, die in der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen
Entscheidung in der Sache 12 UE 4660/96.A angeführt und verwertet worden sind.
Das Verfahren wird gemäß § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG als Berufungsverfahren
fortgesetzt, ohne dass es der Einlegung einer Berufung bedarf. Innerhalb eines
Monats nach Zustellung dieses Beschlusses ist die Berufung bei dem Hess.
Verwaltungsgerichtshof zu begründen; die Begründung muss einen bestimmten
Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung enthalten (§
124a Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 VwGO). Die Begründungsfrist kann auf einen vor
ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 124a
Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens folgt der künftigen
Kostenentscheidung im Berufungsverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.