Urteil des HessVGH vom 25.08.1994

VGH Kassel: bebauungsplan, rechtlich geschütztes interesse, beteiligung am verfahren, verordnung, öffentliche bekanntmachung, privates interesse, öffentliches recht, landschaftsplan, stadt, ausweisung

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 2204/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 VwGO, § 29 Abs 1 Nr 1
BNatSchG
(Zur Verbandsbeteiligung nach BNatSchG § 29 Abs 1)
Leitsatz
1. Zur Frage der Ungültigkeit eines Bebauungsplans wegen Verstoßes gegen
Mitwirkungsrechte eines Verbandes aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, wenn eine
entgegenstehende Landschaftsschutzverordnung nicht vor Inkrafttreten des
Bebauungsplans für dessen Geltungsbereich aufgehoben ist.
2. Einzelfalleiner wegen eines Bekanntmachungsfehlers unwirksamen Ausweisung eines
Landschaftsschutzgebietes.
Gründe
Der Antragsteller, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen den
Bebauungsplan R 5 mit Landschaftsplan "Rodgau-Ringstraße - zwischen Alter Weg
und L 3405" in den Stadtteilen Jügesheim und Hainhausen der Stadt Rodgau. Der
Bebauungsplan enthält die Festsetzungen für den Weiterbau der Rodgau-
Ringstraße zwischen der Landsstraße 3405 (Offenbacher Landstraße) im Norden
bis zum Anschluß an den Bebauungsplan R 3 im Süden.
Die Trasse durchschneidet das als Landschaftsschutzgebiet B 34 b 2 durch die
Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen im Landkreis Offenbach am Main
durch den Kreisausschuß des Landkreises Offenbach am Main ausgewiesene 8,2
ha große Vogelschutzgehölz Sandhof (veröffentlicht in der Offenbach-Post Nr. 148
vom 30.06.1961).
Bei der Bekanntmachung der Verordnung wurde eine Planzeichnung, eine Karte
oder ein Lageplan nicht mitveröffentlicht. Auch die Bezeichnung und die Lage des
Landschaftsschutzgebietes werden in dem Text der Verordnung nicht erwähnt. § 1
LSchVO verweist auf die in der Landschaftsschutzkarte bei dem Kreisausschuß mit
grüner. Farbe eingetragenen und in einem besonderen Verzeichnis unter Nr. B 1
bis B 87 aufgeführten Landschaftsteile in dem Umfang, der sich aus der
Eintragung in der Landschaftsschutzkarte ergibt.
Nach den Angaben in der Begründung zum Bebauungsplan ist die Rodgau-
Ringstraße im Flächennutzungsplan der Stadt Rodgau dargestellt. Der von der
Gemeindekammer in der Sitzung am 06.03.1985 beschlossene
Flächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt vom 06.07.1987-(StAnz.
1987, S. 1535) stellt die Straßenführung und die Verkehrsgrünflächen der Rodgau-
Ringstraße dar.
Der Bebauungsplan R 5 wurde wie folgt aufgestellt: Die Gemeindevertretung der
Gemeinde Rodgau beschloß in ihrer Sitzung vom 29.03.1979 die Aufstellung eines
Bebauungsplans für die Rodgau-Ringstraße. In ihrer Sitzung vom 20.06.1986
billigte die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rodgau den geänderten
Entwurf vom Juli 1986 und beauftragte den Magistrat, den Bebauungsplan mit
Begründung erneut öffentlich auszulegen.
Mit Schreiben vom 08.08.1986 haben der Antragsteller. und die Hessische
6
7
8
9
10
11
12
13
Mit Schreiben vom 08.08.1986 haben der Antragsteller. und die Hessische
Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. u. a. darauf hingewiesen, daß
die Trasse ein Landschaftsschutzgebiet zerschneide. Die Antragsgegnerin hat über
die Stellung nahmen von Trägern öffentlicher Belange sowie Bedenken und
Anregungen von privater Seite in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung
vom 26.09.1986 entschieden und ihren Beschluß vom 20.06.1986 zu dieser
Frageaufrechterhalten. Dieser lautet wie folgt
"Da seitens der zuständigen Naturschutzbehörden keine Bedenken gegen die
Straßenplanung im Bereich des ausgewiesenen Landschaftsschutzgebietes
vorgetragen wurden, führen die Bedenken des Deutschen Bund für Vogelschutz
nicht zu einer Änderung der Planung. Die in ihrem Umfang als sehr gering
einzuschätzende Beeinträchtigung des Vogelschutzgehölzes "Sandhof" im Hinblick
auf Verlärmung, Schadstoffimmission und mögliche Änderung der
Bodenfeuchtigkeit werden bewußt in Kauf genommen. Auf die vorgesehene
Ausgleichsmaßnahme und die damit ermöglichte Vernetzung des bisher isoliert
liegenden Vogelschutzgehölzes wird hingewiesen."
In ihrer Sitzung vom 26.09.1986 beschloß die Stadtverordnetenversammlung der
Stadt Rodgau den Bebauungsplan als Satzung.
Mit Verfügung vom 17.02.1987 genehmigte der Regierungspräsident in Darmstadt
den Bebauungsplan.
Unter dem 04.05.1988 hat der Kreisausschuß des Kreises Offenbach - Amt für
Umwelt, Natur- und Denkmalschutz - Untere Naturschutzbehörde - eine
Ausnahmegenehmigung nach § 4 LSchVO Vogelschutzgehölz Sandhof erteilt und
unter dem 12.05.1989 um ein Jahr bis zum 03.05.1990 verlängert.
Am 06.10.1988 wurde, die Genehmigung des Bebauungsplans ortsüblich
bekanntgemacht.
Mit Schriftsätzen vom 23.07.1990, eingegangen am 27.07.1990, hat der
Antragsteller einen Normenkontrollantrag.gestellt und den Erlaß einer
einstweiligen Anordnung beantragt (4 NG 2205/90). Zur Begründung trägt er vor:
Der Antragsteller habe ein rechtlich geschütztes Interesse an der begehrten
Feststellung, das darin bestehe, daß Bebauungspläne, die die Substanz von
Landschaftsschutzgebieten erheblich beeinträchtigten, nur dann zustande
kommen dürften, wenn das Landschaftsschutzgebiet zuvor in einem förmlichen
Verfahren unter Beteiligung des Antragstellers aufgehoben worden sei. Werde ein
Bebauungsplan unter Umgehung der Anhörungsrechte des Antragstellers
aufgestellt, sei effektiver Rechtsschutz nur dann gegeben, wenn der Antragsteller
die Gültigkeit des Bebauungsplans selbst angreifen könne. Nach Auffassung des
Antragstellers sei die Landschaftsschutzverordnung wirksam. Insbesondere sei der
örtliche Geltungsbereich der Verordnung mit ausreichender Bestimmtheit
bekanntgemacht worden. Zum einen verweise die Verordnung auf die beim
Kreisausschuß des Landkreises Offenbach vorhandene Landschaftsschutzkarte
und die dort mit grüner Farbe eingetragenen und in, einem besonderen
Verzeichnis aufgeführten Landschaftsteile. Die räumliche Umgrenzung des
Vogelschutzgehölzes Sandhof sei somit eindeutig nachvollziehbar. Es müsse auch
als eine Überspannung der Formvorschriften angesehen werden, in diesem Falle
einen Hinweis auf die grundsätzliche Einsichtsmöglichkeit sowie die Bezeichnung
der Dienststunden zu verlangen.. Es sei auch davon auszugehen, daß die
Antragsgegnerin die Unterschutzstellung des Gebietes zumindest nicht
angegriffen habe und sich deshalb mit der Berufung auf die Nichtigkeit in
Widerspruch zu ihrem eigenen früheren Verhalten setze (venire contra
factumproprium).
Die Rodgau-Ringstraße hätte nicht durch aneinander gereihte Bebauungspläne ins
Werk gesetzt werden dürfen. Im Hinblick auf Dimension und Planungsabsicht sei
die Rodgau-Ringstraße eine Ortsumgehung im Sinne des § 8 des Hessischen
Straßengesetzes - HStrG -. Sie hätte deshalb von vornherein nur über eine
Planfeststellung oder Bebauungspläne, die die Planfeststellung gemäß § 33 Abs. 2
HStrG ersetzten, ins Werk gesetzt werden können. Eine Ausnahmegenehmigung
gemäß § 4 LSchVO hätte für die geplante Straßenbaumaßnahme nicht erteilt
werden dürfen. Diese komme nur bei relativ geringen Eingriffen in Betracht, nicht
aber bei Eingriffen, die in die Substanz eines geschützten Gebietes eingriffen oder
dieses gänzlich zerschnitten und damit für ökologische Belange praktisch wertlos
machten. In derart gravierenden Fällen müsse der Allgemeinheit, durch das
besondere Verfahren der Änderung der Landschaftsschutzverordnung deutlich
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
besondere Verfahren der Änderung der Landschaftsschutzverordnung deutlich
gemacht werden, daß und in welchem Umfang in ein Landschaftsschutzgebiet
eingegriffen werde. Die Straßentrasse zerschneide das 1,1 km breite
Landschaftsschutzgebiet in der Mitte. Selbst wenn die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung für zulässig gehalten würde, wäre der Landschaftsschutz
nicht wirksam aufgehoben worden, weil die Genehmigung erst nach Inkrafttreten
des Bebauungsplans erteilt worden sei. Ein Bebauungsplan, der ein
Landschaftsschutzgebiet tangiere, könne erst dann Wirksamkeit entfalten, wenn
das Landschaftsschutzgebiet zuvor entsprechend verändert worden sei. Die
Beeinträchtigung des Mitwirkungsrechts des Antragstellers im Verfahren auf
Änderung der Landschaftsschutzverordnung müsse sich aber direkt auf die
Gültigkeit des in Rede stehenden Bebauungsplans auswirken, weil dessen
Wirksamkeit gerade eine rechtmäßige Änderung der tangierten
Landschaftsschutzverordnung voraussetze (vgl. auch zur Antragsbefugnis "wegen
der eigenartigen Verzahnung von Änderungsverordnung und Bebauungsplan" Bay.
VGH, U. v. 22.07.1985 - Nr. 9 N 84 A 1336 - NuR 1986, S. 77 f.). Es könne auch
keine entscheidungserhebliche Rolle spielen, ob ein im verzahnten Verfahren
Beteiligter die Grundlage einer Eingriffsermächtigung angreife oder die
Eingriffsermächtigung selbst.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Bebauungsplan R 5 mit Landschaftsplan "Rodgau-Ringstraße - zwischen
Alter Weg und L 3405" in den Stadtteilen Jügesheim und Hainhausen der Stadt
Rodgau für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Normenkontrolle abzulehnen.
Sie trägt vor: Der Antragsteller sei - entgegen seiner Behauptung - nicht in einem
ihm zustehenden Beteiligungsrecht verletzt worden. Er sei als Verband im Sinne
des § 29 BNatSchG angehört worden. Sein Ortsverband habe mit Schreiben vom
19.06.1984 und 27.12.1985 ausführlich Stellung genommen. Wie man "wegen der
eigenartigen Verzahnung von Landschaftsschutzverordnung und Bebauungsplan"
einen Nachteil und damit die Antragsbefugnis darlegen wolle, sei nicht
nachvollziehbar. Die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs,
wonach eine entgegenstehende Landschaftsschutzverordnung vor Inkrafttreten
eines Bebauungsplans insoweit aufgehoben sein muß, als sie von ihm und seiner
Durchsetzung betroffen wird (Hess. VGH, U. v. 27.07.1988 - 3 UE 1870/84 - AgrarR
1989, 255 = ESVGH.Bd. 38, 310 - NuR 1989, 87; B. v. 05.07.1989 - 4 N 1064/88 -
ESVGH Bd. 40, 23 - NuR 1990, 468 = NVwZ-RR 1990, 297), werde für unrichtig
angesehen. Auch nach Außerkrafttreten.des § 5 Abs. 6 BBauG 1960 wirkten die
sogenannten Rückweichklauseln der hessischen Landschaftsschutzverordnungen
dergestalt, daß die landschaftsschutzrechtlichen Regelungen außer Kraft träten.
Darauf komme es im vorliegenden Fall jedoch nicht an, weil die LSchVO für das
Vogelschutzgehölz Sandhof nicht wirksam sei. Sie sei nicht ordnungsgemäß in
Kraft gesetzt worden.
Dem Senat liegen folgende Unterlagen vor:
- die Gerichtsakten mit dem Aktenzeichen 4 NG 2205/90, - der
Verbandsflächennutzungsplan des Umlandverbandes Frankfurt - Stand: November
1988 -, - der Bebauungsplan R 5 mit Landschaftsplan nebst
Aufstellungsunterlagen (5 Ordner), - die Hauptsatzung der Stadt Rodgau vom
12.12.1986, - die Landschaftsschutzverordnung des Landkreises Offenbach am
Main von 19.06.1961 nebst Unterlagen (1 Vorgang), - die Ausnahmegenehmigung
der unteren Naturschutzbehörde des Kreises Offenbach vom 04.05.1988 und - der
Verlängerungsbescheid vom 12.05.1989 nebst Unterlagen (2 Vorgänge).
Sie waren Gegenstand der Beratung.
II.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, da eine mündliche Verhandlung nicht
erforderlich ist (§ 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Der Antragsteller wendet sich im Wege der
Normenkontrollklage gegen einen Bebauungsplan und damit gegen eine im Rang
unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem
24
25
26
27
unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von dem
Hessischen Verwaltungsgerichtshof, wenn nicht schon nach § 47 Abs. 1 Nr. 1
VwGO so jedenfalls gemäß Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 dieser Vorschrift überprüft werden
kann.
Der Antrag des Antragstellers ist jedoch unzulässig, der Antragsteller ist nicht
antragsbefugt.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann u. a. jede natürliche Person, die durch eine
Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer
Zeit zu erwarten hat, den Antrag auf Normenkontrolle stellen. Der Senat hat unter
einem solchen Nachteil seit dem Beschluß vom 19.12.1969 (Az.: IV N 8/86, BRS 22
Nr. 31) die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen verstanden.
Darunter fallen absolute Rechte, subjektive öffentliche Rechte, wie Nachbarrechte,
aber auch die privaten Belange des Bürgers, die nach § 1 Abs. 7 BBauG (jetzt: § 1
Abs. 6 BauGB) zu beachten sind (Beschluß des Senats vom 26.06.1973 - IV N 1/72
- BRS 27 Nr. 172). Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 09.11.1979 - IV
N 1.78 - IV N 2.79 bis 4.79 -, BVerwGE 59, 87 = BRS 35 Nr. 24 = NJW 1980, 1061)
stellt hinsichtlich des Nachteils darauf ab, ob der Antragsteller durch die
Rechtsvorschrift verletzend in einem Interesse betroffen wird, bzw. in absehbarer
Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den
Inhalt dieser Rechtsvorschrift als privates Interesse des Antragstellers in der
Abwägung berücksichtigt werden müßte.
Der Antragsteller hat durch den Bebauungsplan R 5 keinen Nachteil erlitten oder
zu erwarten.
Zwar ist in der Rechtsprechung zwischenzeitlich anerkannt, daB den anerkannten
Verbänden in § 29 Abs. 1 BNatSchG ein selbständig durchsetzbares subjektiv-
öffentliches Recht auf Beteiligung am Verfahren eingeräumt worden ist (BVerwG,
Urteil vom 31.10.1990 - 4 C 7.88 - BRS 50 Nr. 225, NVwZ 1991, 162 <164>
und Hess. VGH, Beschluß vom 11.07.1988 - 2 TH 740/88 -, NVwZ 1988, 1040 und
U. v. 11.02.1992 NuR 1992, 382 zu § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG; Beschluß vom
09.03.1988 - 3 N 3703 und 3735/87 - ESVGH Bd. 38 S. 170 = RdL 1988, 303 =
UPR 1988, 354 zu § 29 Ab 1 Nr. 1 BNatSchG; B. v. 28.05.1993 - 3 N 3920/87 und 3
N 3922/87 -); der Antragsteller hat jedoch keinen Nachteil erlitten oder zu
erwarten, weil er im Aufstellungsverfahren des angefochtenen Bebauungsplans mit
Landschaftsplan angehört und damit an der Vorbereitung eines Planes im Sinne
des § 6 BNatschG beteiligt worden ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Entgegen der
Annahme des Antragstellers hängt die Wirksamkeit des Bebauungsplans auch
nicht davon ab, daß die Ausweisung des Vogelschutzgehölzes Sandhof als
Landschaftsschutzgebiet vor Inkrafttreten des Plans unter Beteiligung des
Antragstellers aufgehoben wurde. Allerdings ist die Auffassung des Antragstellers
zutreffend, daß für dasselbe Gebiet nicht gleichzeitig Festsetzungen landschafts-
und naturschutzrechtlicher Art und mit ihnen unverträgliche Festsetzungen durch
Bebauungsplan bestehen können. Aus diesem Grunde muß vor Inkrafttreten eines
Bebauungsplans eine etwa entgegenstehende Landschaftsschutzverordnung
aufgehoben werden (Hess. VGH, U. v. 27.07.1988, a.a.O.; B. v. 28.05.1993 - 3 N
3920/87 und 3 N 3922/87 -); auf Auslegungsfragen, die sich insofern stellen
können, kommt es hier nicht an. Die im Aufhebungsverfahren gemäß § 29 Abs. 1
Nr. 1 BNatSchG gebotene Beteiligung eines Verbandes ist auch nicht lediglich die
teilweise Wiederholung der Beteiligung des Verbandes im Rahmen der Aufstellung
eines Bebauungsplans mit Landschaftsplan. Sie erfolgt in einem anderen
Verfahren gegenüber einer anderen Behörde. Dies spricht dafür, daß ein
Bebauungsplan, der ohne vorherige Änderung einer entgegenstehenden
Landschaftsschutzverordnung in kraft gesetzt wird, auch wegen Verstoßes gegen
die Beteiligungsvorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ungültig ist. Die
Rechtsprechung hat eine vergleichbare Schlußfolgerung in Anwendung des § 29
Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG gezogen. Nach dieser Bestimmung ist den anerkannten
Naturschutzverbänden im Planfeststellungsverfahren über ein Vorhaben, das mit
einem Eingriff in Natur und Landschaft verbunden ist, Gelegenheit zur Äußerung
und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben, soweit
nicht in anderen Rechtsvorschriften eine inhaltsgleiche oder weitergehende Form
der Mitwirkung vorgesehen ist. Nach der genannten Rechtsprechung kommt eine
Verletzung des den anerkannten Naturschutzverbänden zustehenden subjektiven
öffentlichen Rechts auf Beteiligung auch dann in Betracht, wenn ein Vorhaben
rechtswidrig ohne Planfeststellung durch (bloße) Plangenehmigung zugelassen
werden soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 17.11.1992 - 10 S 2234/92 -, NuR
1993, 144; OVG Lüneburg, Urteil vom 27.01.1992 - 3 A 221/88 -, UPR 1992, 394;
28
29
30
31
32
33
34
1993, 144; OVG Lüneburg, Urteil vom 27.01.1992 - 3 A 221/88 -, UPR 1992, 394;
Bay. VGH, Beschluß vom 15.04.1991 - 8 CE 91.30 -, NVwZ 1991, 1009). Dies sei
geboten, da sonst ein Verstoß gegen die Beteiligungsvorschrift des § 29 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 BNatSchG sanktionslos bliebe, wenn einem anerkannten Verband die
Anfechtungsbefugnis in Fällen versagt würde, in denen die zuständige Behörde
nicht das gesetzlich vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren mit
Verbandsbeteiligung durchführe, sondern stattdessen in ein
Plangenehmigungsverfahren ohne ein solches Recht ausweiche. Es kann
dahingestellt bleiben, ob die vorstehenden Rechtsgedanken auf die Durchführung
eines Bebauungsplanverfahrens unter den genannten Voraussetzungen
Anwendung finden (vgl. zur Anwendbarkeit auf die Durchführung eines
Bebauungsplanverfahrens ohne Landschaftsplan gemäß § 4 HeNatG Hess. VGH,
B. v. 28.05.1993 - 3 N 3920/87 und 3 N 3922/87 -; B. v. 25.02.1988 - 3 NG 3923/87
- ESVGH Bd. 38, 162), denn die Ausweisung des Landschaftsschutzgebietes
Vogelschutzgehölz Sandhof war unwirksam. Aus diesem Grunde bedurfte es, für
den mit der Straßenplanung bzw. dem Bau der Straße verbundenen Eingriff in
Natur und Landschaft weder einer Änderung der Verordnung noch einer
Ausnahmegenehmigung. Der örtliche Geltungsbereich des
Landschaftsschutzgebietes war nicht mit ausreichender Bestimmtheit
bekanntgemacht worden. Es wurde dem rechtsstaatlichen Gebot der Klarheit von
Rechtsnormen nicht gerecht, daß das Landschaftsschutzgebiet in der Verordnung
weder benannt noch der örtliche Geltungsbereich - wenn auch nur grob -
umschrieben war. Es fehlte die als Anlage mitveröffentlichte Übersichtskarte wie in
der nunmehr geltenden Verordnung zum Schutze von Landschaftsteilen in den
Landkreisen Offenbach und Main-Kinzig-Kreis "Landschaftsschutzverordnung im
Altkreis Offenbach" vom 30. November 1993 (StAnz. 1994 S. 665)
beziehungsweise die Wiedergabe des Verzeichnisses der unter Schutz gestellten
Landschaftsteile und - soweit erforderlich - von Lageplänen in der
Bekanntmachung, die in später verkündeten Rechtsverordnungen der unteren
Naturschutzbehörde (vgl. etwa die Verordnung zum Schutze der Naturdenkmale
im Kreis Offenbach - Naturschutzverordnung - vom 28. September 1992 -
veröffentlicht in der Offenbach-Post Nr.98 vom,28.04.1993) enthalten sind. Der
Senat hat im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht
entschieden, daß aus rechtsstaatlichen Gründen an die Verkündung von
naturschutzrechtlichen Verordnungen bestimmte Mindestanforderungen gestellt
werden. Diese Rechtsprechung ist im Hinblick auf die öffentliche Bekanntmachung
des örtlichen Geltungsbereichs folgendermaßen zusammengefaßt worden:
Verordnungen müssen die Abgrenzung des Gebietes entweder,
a) wenn es sich mit Worten eindeutig erfassen läßt (z. B. "die Insel X"), in ihrem
Wortlaut umreißen oder
b) durch eine als Anlage im Verkündungsblatt beigegebene Landkarte genau
ersichtlich machen ..., oder
c) bei bloß grober Umschreibung im Wortlaut durch Verweisung auf eine an der zu
benennenden Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für
jedermann. einsehbare Landkarte, deren archivmäßige Verwahrung zu sichern ist,
angeben (BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - I C 74.61 - BVerwGE 17, 192 f. Urteil
vom 26.05.1964 - I C 182.58 - BVerwGE 19, 7 f.; Urteil vom 10.08.1966 - IV C 60.65
-; Urteil vom 27.01.1967 - IV, C 105.65 - BVerwGE 26, 129 f.; Beschluß vom
29.12.1982 - 4 B 233.82 BRS 39, Nr. 238; Hess. VGH, Beschluß vom 31.10.1988`-
4 TH 2937/86 - HessVGRspr. 1989, 51 = NVwZ-RR 1989, 627 = RdL 1989, 627; vgl.
auch Hess. VGH, B. v. 27.02.1990 - 3 N 728/84 = NuR 1992, 480; B. v. 16.05.1991
- 4 N 1134/86 -).
An dieser Auffassung ist festzuhalten.
Wegen des Verfahrensmangels der nicht ordnungsgemäßen Verkündung ist die
Ausweisung des Landschaftsschutzgebietes Vogelschutzgehölz Sandhof nichtig
und vermag aus diesem Grunde keine Beteiligungsrechte des Antragstellers im
Zusammenhang mit der Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplans
zu begründen.
Die Voraussetzungen für die Vorlage der Sache an das Bundesverwaltungsgericht
gemäß § 47 Abs. 5 VwGO liegen nicht vor.
Da der Antragsteller unterlegen ist, hat er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten
des Verfahrens zu tragen.
35 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Gerichtskostengesetzes in der Fassung vor Inkrafttreten des Art. 1 Nr. 7a des
Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (KostRÄndG
1994) vom 24.06.1994 (BGBl. I S. 1325) i.V.m. § 73 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.