Urteil des HessVGH vom 14.10.1996

VGH Kassel: mündliche prüfung, prüfer, innere medizin, prüfungskommission, psychiatrie, wohnsitz im ausland, beginn der frist, praktische ausbildung, chirurgie, beratung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 2777/93
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 12 Abs 1 GG, Art 19
Abs 4 GG, § 15 ÄApprO, §
33 ÄApprO
(Mündliche Prüfung: Umfang der Protokollierung;
Begründung einer Prüfungsleistung)
Tatbestand
Der Kläger erstrebt eine Verbesserung der Note des im Dritten Abschnitts der
Ärztlichen Prüfung erzielten Ergebnisses.
Am 12. Dezember 1990 nahm der Kläger an der Prüfung im Dritten Abschnitt der
Ärztlichen Prüfung teil, zu der er zuvor ordnungsgemäß geladen worden war. Seine
Prüfungsleistung wurde mit der Note "befriedigend" bewertet. An der Prüfung
nahmen als Vorsitzender der Prüfungskommission Prof. Dr. S sowie als weitere
Mitglieder Prof. Dr. A, Prof. Dr. P und Prof. Dr. B teil. Ausweislich der Niederschrift
über die mündliche Prüfung begann die Prüfung um 12.15 Uhr und endete um 1.30
Uhr. In dem Feld "Gegenstand der Prüfung" des Prüfungsprotokolls sind
stichwortartig einzelne Prüfungskomplexe aufgelistet. Nähere Angaben zum Ablauf
der Prüfung, zu dem Prüfungsverhalten des Klägers sowie zu den Benotungen der
einzelnen Prüfer für die auf ihren Fachgebieten gezeigten Leistungen des Klägers
finden sich in dem Protokoll nicht.
Mit am 19. Dezember 1990 beim Hessischen Landesprüfungsamt für Heilberufe
eingegangenem Widerspruch vom 14. Dezember 1990 begehrte der Kläger die
Abänderung des Ergebnisses dieser Prüfung mit dem Ziel, seine Prüfungsleistung
mit der Note "gut" zu bewerten. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus,
sein Prüfer im Fach Psychiatrie, Prof. Dr. B vom Stadtkrankenhaus in O, sei ihm
gegenüber voreingenommen gewesen. Aufgrund verschiedener Umstände müsse
er, der Kläger, davon ausgehen, daß es zwischen Prof. Dr. B und Prof. Dr. H, der
ihn in einem früheren, inzwischen annullierten Prüfungsverfahren geprüft habe,
persönliche Verbindungen gebe, was sich auf das Prüfungsverfahren ausgewirkt
habe. Die Prüfung im Fach Psychiatrie müsse aber auch inhaltlich bemängelt
werden; zwischen ihm und Prof. Dr. B sei es im Rahmen des Prüfungsgesprächs
mehrfach zu Divergenzen gekommen; auch habe ihm Prof. Dr. B des öfteren keine
Gelegenheit gegeben, unklar gebliebene Punkte zu erläutern. Schließlich sei im
Verlaufe der Fachprüfung Psychiatrie seitens eines anderen Fachprüfers mehrfach
interveniert und nachgefragt worden, ob man die gestellte Frage denn tatsächlich
würde beantworten können müssen oder ob schlicht festgestellt werde, daß es
einer Frage offensichtlich an klinischer Relevanz mangele. Im Anschluß an seine
Befragung habe ihm Prof. Dr. S nach kurzer Beratung mitgeteilt, seine
Prüfungsleistung müsse mit "befriedigend" beurteilt werden; dabei handele es sich
aber um eine "gute Drei". Zwei Prüfer hätten ihn nach Beendigung der Prüfung
jedoch wissen lassen, er sei in ihrem Fach "gut" gewesen; die Gesamtnote "gut" sei
lediglich an der Haltung des psychiatrischen Prüfers gescheitert. Nach alledem
gehe er davon aus, daß seine Beurteilung im Fach Psychiatrie nicht nach
objektiven und nachvollziehbaren Sachkriterien erfolgt sei, wobei eine
Benachteiligung auch darin liege, daß er sich ohne Verschulden der Prüfung habe
ein zweites Mal unterziehen müssen.
In der Folgezeit gaben die Prüfer gegenüber dem Hessischen Landesprüfungsamt
für Heilberufe schriftliche Stellungnahmen zum Ablauf der mündlichen Prüfung und
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für Heilberufe schriftliche Stellungnahmen zum Ablauf der mündlichen Prüfung und
zur Notenbildung ab. Prof. Dr. B (Fach Psychiatrie) erklärte am 14. Januar 1991, die
Prüfung des Klägers sei ordnungsgemäß abgelaufen, das Prüfungsurteil sei
übereinstimmend zustande gekommen. Er selbst sei gegenüber dem Kläger
weder voreingenommen gewesen noch von irgend jemandem vor der Prüfung
beeinflußt worden; die Note habe den gezeigten Leistungen entsprochen.
Prof. Dr. P (Fach Pharmakologie) trug am 28. Januar 1991 vor, die Prüfung sei
ordnungsgemäß durchgeführt worden; die Notenbildung sei korrekt gewesen. Das
Prüfungsurteil sei aufgrund einer Diskussion der vier Fachvertreter
ordnungsgemäß zustande gekommen. Den Vorwurf einer subjektiven
Urteilsbildung müsse er strikt zurückweisen. Zu den Einzelheiten der Prüfung im
Fach Psychiatrie (Prof. Dr. B) könne er nicht Stellung nehmen, da er davon zu
wenig verstehe; die Einschätzung des Prüfungsergebnisses sei noch während der
Prüfung "maximal befriedigend" gewesen. Im Fach Pharmakologie sei der Kläger
"gut" gewesen. Weiter heißt es in der Erklärung, wenn eine Leistung nicht vollbracht
wurde, "und sie wurde im Fach Psychiatrie nicht erbracht, sie wurde beileibe nicht
im Fach Chirurgie erbracht, und sie wurde soeben im Fach Innere Medizin
erbracht", so sei es Sache der Prüfer festzustellen, daß es eben keine Zwei,
sondern nur eine Drei gewesen sei; "und eine Drei ist eine gute Note". Im Fach
Pharmakologie habe der Kläger am Prüfungstag eine herausragende Leistung
erbracht; in diesem Fach sei er wirklich gut gewesen. Er halte es aber für
untragbar, wenn ein weiterer Prüfer erklärt habe, daß die Gesamtnote "gut"
lediglich am psychiatrischen Prüfer gescheitert sei.
Prof. Dr. S (Vorsitzender der Prüfungskommission, Fach Chirurgie) schilderte am
11. Januar 1991, die Prüfung habe in einer ruhigen Atmosphäre stattgefunden; der
Kandidat habe alle Gelegenheiten gehabt, seine Kenntnisse darzulegen. Die
Behauptung des Klägers, die Note "gut" sei an der Haltung des psychiatrischen
Prüfers gescheitert, sei völlig unberechtigt; die Prüfungskommission habe die
angefochtene Note einstimmig festgelegt.
Prof. Dr. A (Fach Innere Medizin) äußerte sich am 12. Februar 1991 zu der Prüfung
im Wahlfach Psychiatrie dahingehend, daß beginnend über das Grundsätzliche zur
Einteilung psychiatrischer Erkrankungen von dem Prüfling zum Teil sehr detaillierte
Angaben unter Bezug auf Literaturquellen gemacht worden seien. So sei er u. a.
zum äußeren Erscheinungsbild, zum Verhalten und Ausdruck, zur Störung von
Bewußtsein und Orientierung, zu Affekt- und Kontaktstörungen befragt worden.
Der Kläger habe in sehr gewählter Form zu allen Fragen Stellung genommen,
seine Antworten begründet und z. T. auch durch objektive Argumente und
Literaturzitate verteidigt. Inhaltlich sei es hier um sehr differenzierte Abstufungen
in der Beurteilung von Schizophrenien gegangen. Während der Prüfung habe er,
der Prüfer, den Eindruck gehabt, daß der Kandidat die im Fach Psychiatrie
gestellten Fragen in sehr differenzierter und abgewogener Weise beantwortet
habe. Die Diskussionen um bestimmte Definitionen seien ihm aus der Vielfältigkeit
des Faches Psychiatrie durchaus verständlich gewesen, er habe hieraus keinen
Hinweis auf mangelnde Kenntnisse ziehen können, zumal der Prüfling seins
Erachtens häufig nach anschließenden Argumentationen sogar Meinungen
verschiedener Autoren oder Schulen gegeneinander aufgelistet habe. Die Leistung
im Wahlfach Psychiatrie sei von dem Fachprüfer mit nur "ausreichend" beurteilt
worden. Zusammenfassend sei zu betonen, daß der Prüfungsablauf sicher
ordnungsgemäß gewesen und daß die Gesamtnote bei Zugrundelegung der
Einzelnoten ordnungsgemäß ermittelt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 1991, an den Kläger mittels
Postzustellungsurkunde am 22. April 1991 abgesandt, wies das Hessische
Landesprüfungsamt für Heilberufe den Widerspruch des Klägers zurück. Zur
Begründung heißt es, die beanstandete Prüfung habe weder in formaler noch in
inhaltlicher Hinsicht gegen Grundsätze des Prüfungsrechts verstoßen. Ausweislich
der Stellungnahmen der Prüfer habe die Prüfung in einer ruhigen und sachlichen
Atmosphäre stattgefunden; alle Prüfungsfragen einschließlich derer im Wahlfach
Psychiatrie hätten den Anforderungen des § 33 Approbationsordnung für Ärzte
entsprochen. Die Notenbildung sei korrekt zustande gekommen; außerhalb des
Prüfungsgeschehens liegende Aspekte hätten nicht berücksichtigt werden können.
Es seien auch keine Hinweise erkennbar, die auf eine Befangenheit des Prüfers
Prof. Dr. B schließen ließen. Prof. Dr. St der bei der Prüfung als neutraler
Beobachter zugegen gewesen sei, habe der Prüfungskommission lediglich
mitgeteilt, die Erstprüfung sei aus formalen Gründen aufgehoben worden.
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Am 11. Mai 1991 ging der Widerspruchsbescheid dem Kläger, der zum damaligen
Zeitpunkt seinen Wohnsitz in Großbritannien hatte, zu. Am 4. Juni 1991 hat der
Kläger Klage erhoben.
Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren erweitert
und vertieft. Er hat insbesondere betont, der den Prüfern zustehende
pädagogisch-wissenschaftliche Beurteilungsspielraum stehe einer Überprüfung der
Bewertungen nicht entgegen. Die Stellungnahme Prof. Dr. B sowie dessen
fachliche Ausführungen seien unsachlich und z. T. in grotesker Weise falsch
gewesen. In Fachkreisen werde berichtet, daß die Lehrauffassung von Prof. Dr. B
"privat und schwammig" sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Hessischen Landesprüfungsamtes für Heilberufe (Zeugnis über
die Ärztliche Prüfung) vom 17. Dezember 1990 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 19. April 1991 aufzuheben und
die Gesamtnote für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung auf "gut"
festzusetzen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die angefochtene Prüfung sei ordnungsgemäß verlaufen; die
Leistungen des Klägers seien zutreffend beurteilt worden. Im übrigen hat er sich
auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie auf die eingeholten
Stellungnahmen der Prüfer bezogen.
Mit Urteil vom 14. Juni 1993 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main die
Klage abgewiesen. Gegen das dem Kläger am 22. Oktober 1993 zugestellte Urteil
hat dieser am 28. Oktober 1993 Berufung eingelegt.
Im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 27. März 1995
hat der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Entscheidungen zu
verpflichten, den Kläger erneut an einer mündlichen Prüfung im dritten Abschnitt
der ärztlichen Prüfung teilnehmen zu lassen und für den Fall, daß die im Rahmen
dieser Prüfung erzielte Note besser sei als befriedigend, die Gesamtnote der
ärztlichen Prüfung neu festzusetzen;
die weitergehende Klage hat der Kläger zurückgenommen.
In diesem Termin ist das Verfahren ausgesetzt worden mit dem Ziel, der früheren
Prüfungskommission die Angelegenheit zur erneuten Bewertung der vom Kläger
absolvierten Prüfung vorzulegen. Unter dem 12. Mai 1995 hat Prof. Dr. P erklärt, er
sei seit drei Jahren emeritiert, zu einer erneuten Beratung über die Prüfung des
Klägers sehe er sich nicht mehr in der Lage. Seine Erinnerung an diese Prüfung
bleibe weit hinter seinen bereits vor Jahren abgegebenen schriftlichen
Stellungnahmen zurück. Der Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, daß es ihm nicht
möglich sei, die frühere Prüfungskommission erneut zusammentreten zu lassen.
Eine erneute Beratung und Beschlußfassung dieser Prüfungskommission mit dem
Ziel, die mündlichen Leistungen des Klägers zu bewerten, scheide somit aus. Er
hat allerdings eine schriftliche Stellungnahme Prof. Dr. B vom 16. Juni 1992
vorgelegt, die dieser in einem Dienstaufsichtsbeschwerdeverfahren gegenüber
dem Landesprüfungsamt für Heilberufe abgegeben hat. In dieser Stellungnahme
(Bl. 173 bis 175 der Akte) gibt Prof. Dr. B den Ablauf der Prüfung im Fach
Psychiatrie wieder und setzt sich mit dem Vorbringen des Klägers in dessen
Widerspruch inhaltlich auseinander. Er äußert insbesondere, daß der Kläger keine
einzige der von ihm gestellten Fragen umfassend beantwortet habe; auch habe
der Kläger Wichtiges von Unwichtigem nicht immer unterscheiden können und
zudem einige falsche Antworten gegeben. Bei diesem Sachverhalt sei die
Gesamtnote befriedigend nur deswegen zu vertreten gewesen, weil der Kläger
nicht in allen Fächern ähnlich lückenhaftes Prüfungswissen aufgewiesen habe wie
im Fach Psychiatrie.
Zur Berufungsbegründung bezieht sich der Kläger auf sein gesamtes bisheriges
Vorbringen, wobei er sich insbesondere mit den Stellungnahmen der Fachprüfer
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Vorbringen, wobei er sich insbesondere mit den Stellungnahmen der Fachprüfer
auseinandersetzt. Der Kläger betont, daß weder der Prüfungsverlauf noch die
formalen Aspekte der Prüfungsdurchführung oder die Ermittlung der Gesamtnote
bei Zugrundelegung der Einzelnoten streitig seien; streitig sei allein der
psychiatrische Teil der Prüfung. Er beanstande dabei nicht die inhaltliche
Gestaltung der Prüfung durch den psychiatrischen Prüfer und die z. T. schwierigen
Einzelfragen; sein Begehren richte sich allein gegen die Bewertung seiner Leistung
im Prüfungsfach Psychiatrie.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 1993
aufzuheben und unter Aufhebung der in dem Zeugnis über die Ärztliche Prüfung
vom 17. Dezember 1990 festgesetzten Note für den Dritten Abschnitt der
Ärztlichen Prüfung sowie des Widerspruchsbescheides des Hessischen
Landesprüfungsamtes für Heilberufe vom 19. April 1991 den Beklagten zu
verpflichten, die Gesamtnote für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung auf
"gut" festzusetzen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14.
Juni 1993 den Beklagten zu verpflichten, die mündliche Prüfung des Klägers im
Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung durch eine andere Prüfungskommission
neu durchführen zu lassen und für den Fall, daß die im Rahmen dieser Prüfung
erzielte Note besser ist als "befriedigend", die Gesamtnote der Ärztlichen Prüfung
neu festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seinen bisherigen Vortrag und weist insbesondere noch
einmal darauf hin, daß der Kläger keine Umstände vorgetragen habe, die den
rechtmäßigen Verlauf der Prüfung und die Findung des Prüfungsurteils ernsthaft
hätten in Frage stellen können. Die an der Prüfung beteiligten Prüfer hätten
sämtliche Einzelleistungen des Klägers in ihrer Gesamtheit angemessen
gewürdigt; dabei seien alle Prüfer davon ausgegangen, daß die vom Kläger in der
Prüfung gezeigten Einzelleistungen durchaus von unterschiedlicher Qualität
gewesen seien. Weil sie aber in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen
gerecht geworden seien (vgl. § 13 Abs. 2 ÄAppO), hätten sie insgesamt mit der
Note "befriedigend" bewertet werden müssen. Diesem Ergebnis habe auch das
Leistungsbild des Klägers im Fach Psychiatrie entsprochen, das sich gemessen an
dem Gesamtvolumen der Prüfung nur anteilig auf das Gesamtergebnis ausgewirkt
habe. Die Darlegungen des Klägers hätten auch keinem der
Prüfungskommissionsmitglieder Veranlassung gegeben, die getroffene
Prüfungsentscheidung im Nachhinein in Zweifel zu ziehen. Alle Prüfer hätten
unabhängig voneinander zu dem Vorbringen des Klägers Stellung genommen und
bei der Bewertung der Prüfungsleistung eine im Ergebnis übereinstimmende
Beurteilung abgegeben.
Die Verwaltungsvorgänge und Prüfungsunterlagen des Beklagten (4 Aktenhefter)
sind beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht
worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf
sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen;
insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni
1993 wirkungslos.
Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages unzulässig. Dem Begehren, den
Beklagten zu verpflichten, die Gesamtnote für den Dritten Abschnitt der Ärztlichen
Prüfung auf "gut" festzusetzen, steht der Einwand der Rechtskraft entgegen. Diese
(weitergehende) Klage hat der Kläger nämlich im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Senat am 27. März 1995 zurückgenommen, sodaß dieser
Teil des Streitgegenstandes damit der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis
entzogen ist. Dessen ungeachtet hätte der Kläger mit diesem Klageziel aber auch
in der Sache keinen Erfolg haben können, weil die Bewertung der Prüfungsleistung
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in der Sache keinen Erfolg haben können, weil die Bewertung der Prüfungsleistung
nicht vom Gericht, sondern nur von der dafür zuständigen Prüfungskommission
vorgenommen werden kann, was in der mündlichen Verhandlung ausführlich
dargelegt worden ist.
Im übrigen ist die Berufung jedoch begründet.
Der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag ist zulässig. Der Kläger erstrebt -
nach erneuter Durchführung einer mündlichen Prüfung - eine neue, bessere
Prüfungsnote und damit ein neues Zeugnis über den Dritten Abschnitt der
Ärztlichen Prüfung. Die Klagefrist (§ 74 VwGO) ist gewahrt, da es für den Beginn
der Frist auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zugangs des
Widerspruchsbescheides ankommt; im Zeitpunkt des Zustellungsversuchs hatte
der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland.
Der Klage fehlt auch nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis, da zum
gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Kläger
möglicherweise wieder nach Deutschland zurückkehrt, um sich hier um eine
Anstellung zu bemühen; dabei kann es auf die im Dritten Abschnitt der Ärztlichen
Prüfung erzielte Note entscheidend ankommen.
Die Verpflichtungsklage ist auch begründet (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn der Kläger
kann vom Beklagten die Wiederholung des Dritten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung (mündliche Prüfung) und - für den Fall, daß er dort ein besseres
Prüfungsergebnis als bei dem ersten Prüfungsversuch erzielt - die Erteilung eines
neuen Prüfungszeugnisses mit der besseren Note verlangen. Dieser Anspruch
besteht deshalb, weil die wegen eines effektiven Rechtsschutzes nötige rechtliche
Kontrolle der Prüfungsbewertung, ohne daß der Kläger dies zu vertreten hat, nicht
möglich ist.
Das den Verlauf der mündlichen Prüfung wiedergebende Protokoll und die in der
Folgezeit vom Beklagten eingeholten Stellungnahmen der Mitglieder der
Prüfungskommission geben das Prüfungsgeschehen nicht nachvollziehbar wieder.
Ausgehend von dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. April 1991
- 1 BvR 419/81 und 213/83 - (BVerfGE 84, 34) folgt bei berufsbezogenen Prüfungen
unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz
seines Grundrechts der Berufsfreiheit durch eine entsprechende Gestaltung des
Prüfungsverfahrens. Danach muß der Prüfling die Möglichkeit haben, vor allem
Einwände gegen die Bewertungen seiner Prüfungsleistungen bei der
Prüfungsbehörde "rechtzeitig und wirkungsvoll" vorzubringen, um ein "Überdenken"
dieser Bewertungen unter Berücksichtigung seiner Einwände zu erreichen und eine
Kontrolle zu ermöglichen. Damit dieser Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit
des Prüflings effektiv zu schützen, konkret ermöglicht werden kann, muß
gewährleistet sein, daß beispielsweise aus den Protokollen der mündlichen Prüfung
der wesentliche Prüfungsverlauf und die von den einzelnen Prüfern jeweils
vergebenen Teilnoten ersichtlich sind, wenn die Prüfung aus mehreren
Einzelprüfungen besteht oder sich auf verschiedene Gebiete erstreckt und die
Einschätzung der Prüfungsleistungen auf diesen Gebieten weitgehend durch
einzelne Fachprüfer erfolgt und für die gesamte Prüfung eine Gesamtnote
vergeben wird. Unterbleibt die Wiedergabe der Einzelnoten, kann im nachhinein
nicht ohne weiteres rekonstruiert werden, wie sich die Gesamtnote
zusammensetzt und welches Gewicht die einzelnen Prüfungsleistungen bei Bildung
der Gesamtnote nach Ansicht der Prüfer jeweils gehabt haben.
Bei der Beurteilung der Frage, welche Anforderungen an den Inhalt eines
Prüfungsprotokolls bei mündlichen Prüfungen zu stellen sind, geht der Senat in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil
vom 6. September 1995 - 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185, Urteil vom 31. März 1994
- 6 B 65.93 -, DVBl. 1994, 641 und vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE
91, 262) unter Berücksichtigung der neuen Prüfungsrechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluß vom 17. April 1991 - 1 BvR
419/81 und 213/83 -, BVerfGE 84, 34, 55) zunächst davon aus, daß Bestimmungen
in Prüfungsordnungen verfassungsrechtlich dann nicht zu beanstanden sind, wenn
sie außer der Protokollierung der Formalien einer mündlichen Prüfung (Name des
Prüflings, Prüfungsfach, Prüfungstag) lediglich vorschreiben, daß der Gegenstand
der Prüfung, das Prüfungsergebnis sowie etwaige schwere Unregelmäßigkeiten aus
der Niederschrift zu ersehen sein müssen. Weder das Grundrecht der
Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG noch die Rechtsschutzgarantie des Art. 19
Abs. 4 GG gebieten grundsätzlich eine darüber hinausgehende Protokollierung von
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Abs. 4 GG gebieten grundsätzlich eine darüber hinausgehende Protokollierung von
Fragen und Antworten in der mündlichen Prüfung.
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, bestehen an der
Wirksamkeit der die Durchführung von mündlichen Prüfungen regelnden
Bestimmung des § 15 Abs. 8 Approbationsordnung für Ärzte - ÄAppO - vom 28.
Oktober 1970 (BGBl. I S. 1458) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli
1987 (BGBl. I S. 1593) keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken,
da in dieser Regelung zum einen vorgesehen ist, daß mündliche Prüfungen als
Gruppenprüfungen durchgeführt werden können; zum anderen kann eine
beschränkte Öffentlichkeit dadurch hergestellt werden, daß die zuständige
Behörde zum mündlichen Termin Beobachter entsenden kann (§ 15 Abs. 5 Satz 1
ÄAppO); schließlich kann bis zu fünf bereits zur gleichen Prüfung zugelassenen
Studierenden der Medizin die Anwesenheit bei der Prüfung gestattet werden. Auf
diese Weise werden ausreichende verfahrensrechtliche Vorkehrungen getroffen,
um dem Prüfling auch im nachhinein die Aufklärbarkeit des Prüfungsablaufs im
gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht aber auch zu Recht darauf
hingewiesen, daß die oben genannten Grundrechte des Prüfungskandidaten das
Bestehen hinreichender verfahrensmäßiger Vorkehrungen verlangen, um das
Prüfungsgeschehen in der mündlichen Prüfung nachträglich noch aufklären zu
können (vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. April 1983 - 7 B 25.82 -, Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 173; Beschluß vom 23. Dezember 1993 - 6 B 19.93 -, Buchholz,
a. a. O., Nr. 326). In dem Urteil vom 31. März 1994 - 6 B 65.93 - (DVBl. 1994, 641)
hat das Bundesverwaltungsgericht ferner ausgeführt, daß die vorgenannten
verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zwingend durch eine Verschärfung der
Protokollierungspflicht etwa in der Weise zu erfüllen sind, daß bei mündlichen
Prüfungen das gesamte Prüfungsgeschehen einschließlich der Fragen und
Antworten genau zu dokumentierten ist; für eine tatsächlich wirksame gerichtliche
Kontrolle reiche es vielmehr aus, wenn dem Prüfling die prozeßüblichen
Beweismittel (Zeugen- und Parteivernehmung) zur Verfügung ständen, wobei
insoweit Prüfer, Mitprüfer, Mitprüflinge und Protokollführer, insbesondere aber auch
Zuhörer, die bei der Prüfung anwesend waren, in Betracht kommen. Vor allem die
Zulassung von Zuhörern eröffne dem Prüfling die Möglichkeit, durch diese
Herstellung einer beschränkten Öffentlichkeit in der mündlichen Prüfung eine
zusätzliche Garantie für den einwandfreien Prüfungsablauf zu erhalten.
Im vorliegenden Fall kann die Prüfungsentscheidung des Beklagten schon deshalb
keinen Bestand haben, weil sich auch unter Berücksichtigung der vorliegenden
Stellungnahmen der Mitglieder der Prüfungskommission aufgrund des Protokolls
über die mündliche Prüfung im Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nicht
ermitteln läßt, wie es letztlich zur Bildung der Abschlußnote in der mündlichen
Prüfung gekommen ist und welche Gesichtspunkte hierfür maßgebend waren. Aus
dem Protokoll geht lediglich hervor, daß der Kläger für die gesamte mündliche
Prüfung die Note "befriedigend" erhalten hat. Welche einzelnen Prüfungsleistungen
der Kläger im Rahmen seiner mündlichen Prüfung erzielt hat, geht aus dem
Protokoll nicht hervor. Daß die Prüfer aber hinsichtlich der einzelnen
Prüfungsleistungen des Klägers durchaus unterschiedliche Vorstellungen gehabt
haben und daß der Kläger in den einzelnen Prüfungsteilen wohl auch
unterschiedliche Prüfungsleistungen erbracht hat, wird aus den nachträglich
eingeholten Stellungnahmen der Prüfer deutlich. Nicht deutlich wird jedoch, wie die
Prüfer jeweils die einzelnen Prüfungsleistungen gewichtet und welchem Aspekt sie
bei der Bildung der Abschlußnote schließlich den Vorrang eingeräumt haben. Dies
wäre aber notwendig gewesen, weil die mündliche Prüfung sich auf mehrere
Gebiete erstreckt und für die Abschlußnote nicht nur der Gesamteindruck, den der
Prüfling hinterlassen hat, sondern auch die einzelnen Leistungen in den
Fachgebieten maßgebend sind.
In diesem Zusammenhang kommt es entscheidend auf § 33 ÄAppO an, der
bestimmt, daß während der mündlichen Prüfung des Dritten Abschnitts der
Ärztlichen Prüfung praktische Aufgaben aus den klinisch-praktischen Fachgebieten
einschließlich fächerübergreifender und allgemein-medizinischer Fragestellungen
zu stellen sind. In jedem Fall hat sich die Prüfung auf die Innere Medizin, die
Chirurgie sowie das Gebiet zu erstrecken, auf dem der Prüfling seine praktische
Ausbildung nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ÄAppO erfahren hat. Aus dieser Regelung
wird deutlich, daß die mündliche Prüfung neben den praktischen Aufgaben und den
in § 33 Abs. 2 Satz 3 Nummern 1 bis 3 ÄAppO erwähnten Gebieten zumindest drei
zentrale Fachgebiete der Prüfung betrifft, die den wesentlichen Kern der
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zentrale Fachgebiete der Prüfung betrifft, die den wesentlichen Kern der
mündlichen Prüfung ausmachen. Angesichts einer derartigen Vielschichtigkeit der
mündlichen Prüfung liegt es - wie hier - nahe, daß ein Prüfling schon im Rahmen
der Kernfächer unterschiedliche Prüfungsleistungen erbringt, die zu einer ganz
unterschiedlichen Beurteilung durch die einzelnen fachkundigen Prüfer führen.
Aufgabe der Prüfungskommission ist es, jeweils das Gewicht der einzelnen
Prüfungsleistungen festzulegen und - nach entsprechender Gewichtung - sich ein
Gesamturteil über die Prüfungsleistung bei gleichzeitiger Festsetzung der
Gesamtnote zu bilden. In diesem Zusammenhang regelt § 15 Abs. 9 ÄAppO, daß
die Prüfungskommission ihre Entscheidung mit Stimmenmehrheit trifft; bei
Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Diese
Regelung der Mehrheitsentscheidung kann sich sowohl auf das Gesamtergebnis
der Prüfung als auch auf die jeweiligen Teilleistungen der Prüfung erstrecken.
Daraus folgt, daß bei einer mündlichen Prüfung, die aus mehreren Einzelprüfungen
besteht, im Protokoll auch das jeweilige Teilergebnis festzuhalten ist, wenn es nicht
auf andere Weise festgehalten wird, so daß für Außenstehende jederzeit ersichtlich
ist, auf welcher Grundlage die Prüfungskommission die Gesamtnote gebildet hat
(vgl. Beschluß des Senats vom 8. August 1995 - 6 TG 830/95 - ESVGH 46, 34 =
DVBl. 1995, 1364).
Eine erneute Prüfung anstatt der nicht mehr möglichen erneuten Bewertung muß
aber jedenfalls deswegen erfolgen, weil es an einer dem gebotenen
Grundrechtschutz aus Art. 12 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG genügenden Begründung
der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung des Klägers fehlt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu in seinem Urteil vom 6. September 1995
(a. a. O.) ausgeführt, das aus dem Grundrechtsschutz der Art. 12 Abs. 1 und 19
Abs. 4 GG herzuleitende Informationsrecht des Prüflings richte sich grundsätzlich
auch auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung, d. h. auf die
Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen die Prüfer zu einer bestimmten
Bewertung der schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen gelangt seien. Die
Begründung der Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen könne nach Form,
Zeitpunkt, Umfang und Inhalt auf unterschiedliche Weise geschehen, wobei nach
den Umständen des Einzelfalls dem Grundrechtsschutz des Prüflings Rechnung
getragen werde, soweit dies unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten den Prüfern
zumutbar sei. Der konkrete Inhalt des geltend gemachten Begründungsanspruchs
bei mündlichen Prüfungsleistungen hänge davon ab, wie spezifiziert der Prüfling
sein Verlangen darlege. Anders als bei der Bewertung von schriftlichen
Prüfungsarbeiten müßten die Prüfer ihre Gründe aber nicht in jedem Fall, sondern
nur dann schriftlich darlegen, wenn der Prüfling dies rechtzeitig und unter Angabe
entsprechender Gründe verlangt habe und zu diesem Zeitpunkt eine schriftliche
Zusammenfassung der Bewertung unter zumutbaren Bedingungen noch möglich
sei.
Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall eine Begründung der von der
Prüfungskommission nach Durchführung der mündlichen Prüfung des Klägers
getroffenen Entscheidung unverzichtbar ist, um feststellen zu können, wie die
Prüfungskommission letztlich die Prüfungsnote für die mündliche Prüfung ermittelt
hat und welche einzelnen Gesichtspunkte für diese Notenbildung ausschlaggebend
waren. Zwar dürfte eine derartige Begründungspflicht nicht schon im Zeitpunkt der
Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses über die mündliche Prüfung bestanden
haben; da der Kläger aber unverzüglich nach der Prüfung sachlich fundierte Rügen
schriftlich erhoben hat, hätte die Prüfungskommission unter Berücksichtigung
dieser Rügen eine einheitliche Begründung ihrer Prüfungsentscheidung abgeben
müssen. Die von den Prüfern jeweils individuell abgegebenen Stellungnahmen
reichen demgegenüber nicht aus, um als Begründung der Prüfungsentscheidung
gelten zu können. Zwar lassen die schriftlichen Stellungnahmen der einzelnen
Mitglieder der Prüfungskommission zumindest teilweise erkennen, welche
Erwägungen die Prüfer jeweils angestellt haben; aus den Stellungnahmen geht
aber nicht hervor, wie die Prüfungskommission in ihrer Gesamtheit die
Prüfungsleistungen des Klägers gewichtet und bewertet hat und wie sie letztlich zur
Bildung der Gesamtnote gekommen ist.
Aber selbst wenn man die Stellungnahmen der einzelnen Mitglieder der
Prüfungskommission als ausreichende Begründung der mündlichen
Prüfungsleistungen des Klägers ansehen wollte, ist die Prüfungsentscheidung
wegen struktureller Begründungsmängel fehlerhaft. Die Notenbildung ist nämlich
nicht mehr nachvollziehbar, da sich die Aussagen der Prüfer zu den erzielten
Prüfungsleistungen nicht unerheblich widersprechen und recht unvollständig sind.
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Vergleicht man die Stellungnahmen der einzelnen Fachprüfer, sind Divergenzen
unübersehbar. Prof. B hat zunächst lediglich ausgeführt, die Notenbildung sei
korrekt zustande gekommen, die Note selbst habe den gezeigten Leistungen
entsprochen. Diese Aussage ist inhaltsleer und läßt eine nachträgliche
Überprüfung nicht zu. In seiner weiteren Stellungnahme vom 16. Juni 1992 hat
Prof. B sodann geschildert, welche Prüfungsleistungen der Kläger im einzelnen
erbracht bzw. nicht erbracht und auf welche Fragen er welche Antworten gegeben
habe. Diese Ausführungen geben aber den Verlauf der Einzelprüfung im Fach
Psychiatrie lediglich aus der Sicht eines Prüfers wieder; eine verwertbare
Stellungnahme der übrigen Mitglieder der Prüfungskommission zu dieser von Prof.
B abgegebenen Schilderung der Prüfung liegt nicht vor.
Des weiteren soll der Kläger nach Ansicht zweier Fachprüfer (Prof. P in
Pharmakologie und Prof. A in Innerer Medizin) in diesen Fächern jeweils gute
Prüfungsleistungen erbracht haben; andererseits soll er in den Fächern Psychiatrie
und Chirurgie, vor allem aber in dem Fach Chirurgie (vgl. die Aussage von Prof. P),
gute Leistungen nicht erbracht haben. Dies steht in Widerspruch zu der Äußerung
von Prof. B, der nach seiner Darstellung die Gesamtnote "befriedigend" nur
deshalb vertreten konnte, weil der Kläger in den übrigen Fächern (mit Ausnahme
des Faches Psychiatrie) kein ähnlich lückenhaftes Prüfungswissen aufgewiesen
habe; Prof. B schätzt damit die Leistung des Klägers im Fach Psychiatrie als
schlechteste Leistung ein. Dieser Vortrag ist zwar mit der Schilderung von Prof. A
in Einklang zu bringen, der angegeben hat, Prof. B habe die Leistung des Klägers
im Fach Psychiatrie mit "ausreichend" bewertet, deckt sich aber nicht mit der
Einschätzung von Prof. P. Aus alledem wird deutlich, daß die vom Kläger im
Rahmen der mündlichen Prüfung erbrachten Prüfungsleistungen offenbar sehr
unterschiedlich bewertet worden sind, wobei zwischen den einzelnen Fachprüfern
wahrscheinlich größere Differenzen bestanden haben. Angesichts einer derartigen
Sachlage ist es unverzichtbar, die einzelnen für die jeweiligen Prüfungsfächer
maßgebenden Teilnoten gesondert auszuweisen und anschließend die
Gesamtnote entsprechend zu begründen. Anderenfalls ist die Prüfungsbewertung
im nachhinein nicht mehr nachvollziehbar und damit auch gerichtlich nicht mehr
überprüfbar. Im übrigen widersprechen sich die Angaben der Prüfer auch bezüglich
der Hintergründe der Prüfung. Prof. P äußert dazu, er sei von Prof. St, der als
Vertreter des Landesprüfungsamtes bei der Prüfung anwesend war, hierüber nicht
informiert worden; demgegenüber hat Prof. St ausgeführt, er habe auf Nachfrage
der Prüfungskommission die Prüfer darüber informiert, daß es sich nicht um eine
Wiederholungsprüfung, sondern um eine erneute Erstprüfung handele.
Leidet die Prüfung des Klägers nach alledem an den zuvor beschriebenen Fehlern,
ist die Prüfungsentscheidung insgesamt fehlerhaft. Dem Kläger muß Gelegenheit
gegeben werden, die mündliche Prüfung erneut abzulegen. Eine nachträgliche
neue Bewertung der seinerzeit absolvierten Prüfung durch die alte
Prüfungskommission ist nicht möglich, weil insoweit keine geeigneten
Bewertungsunterlagen zur Verfügung stehen und die seinerzeitige
Prüfungskommission mit einer erneuten Bewertung nicht mehr betraut werden
kann, da die Emeritierung und das fehlende Erinnerungsvermögen eines Prüfers
eine neuerliche Beratung und Beschlußfassung der Kommission nicht mehr
zulassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO; im Hinblick auf
den Umfang des zurückgenommenen und des abgewiesenen Teiles der Klage
erscheint es angemessen, dem Kläger ein Drittel der Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.