Urteil des HessVGH vom 20.05.1988

VGH Kassel: anhörung, aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, öffentliches interesse, vollziehung, stellungnahme der behörde, nutzungsänderung, verwaltungsakt, video

1
2
3
4
5
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TH 3616/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 28 Abs 1 VwVfG HE, § 28
Abs 2 VwVfG HE, § 28 Abs
3 VwVfG HE, § 45 Abs 2 Nr
3 VwVfG HE, § 45 Abs 1 Nr
3 VwVfG
(Fehlende Anhörung: Voraussetzung für wirksame
Nachholung im gerichtlichen Eilverfahren)
Gründe
Der Antragsteller ist Mieter eines Ladens im Erdgeschoß des Hauses Gemarkung
Frankfurt am Main, Flur 4, Flurstück 17/4, Zeil 23, in Frankfurt am Main, das einer
Erbengemeinschaft gehört. Baurechtlich genehmigt mit Bauschein vom
16.08.1977 ist die Nutzung als Laden (Freizeit-Oberbekleidung) einschließlich
Vorraum, Lager- und Personalraum. Ohne Baugenehmigung begann der
Antragsteller, 38 Video-Kabinen von je 90 cm x 120 cm Größe, eine Theke und
andere Einrichtungsgegenstände einzubauen. Er beabsichtigt den Verkauf von
Video-Kassetten und anderen Erotika sowie den Verleih von Video-Kassetten.
Außerdem sollen Video-Kassetten vorgeführt werden, nach dem Vortrag des
Antragstellers jedoch nur den potentiellen Käufern, die sie interessierende Filme
ansehen könnten. In der Presse wurde am 01.10.1987 darauf hingewiesen, daß am
folgenden Tage ein Sex-Shop mit 42 Film-Kabinen eröffnet werden solle.
Mit Verfügung vom 01.10.1987 ordnete die Bauaufsichtsbehörde der
Antragsgegnerin die Sicherstellung der Räume im Wege der Versiegelung und die
sofortige Vollziehung der Verfügung an. Gegen 15.30 Uhr desselben Tages
erschienen an Ort und Stelle Beamte der Bauaufsichtsbehörde und des
Ordnungsamtes der Antragsgegnerin sowie der Kriminalpolizei. Dem Antragsteller
wurde die genannte Verfügung ausgehändigt. Außerdem erhielt er einen roten
Zettel, wonach die bereits begonnene und nicht genehmigte Nutzungsänderung
"hiermit untersagt" wurde. Äußerungen zu einem noch zu erlassenden
Nutzungsverbot wurden dem Antragsteller gegenüber nicht abgegeben. Am
02.10.1987 legte der Antragsteller Widerspruch ein, den er nicht begründete und
über den bisher nicht entschieden ist. Das die Verfügung vom 01.10.1987
betreffende gerichtliche Eilverfahren ist unter dem Aktenzeichen 4 TH 3354/87
ebenfalls beim Senat anhängig.
Mit Verfügung vom 06.10.1987, dem Antragsteller zugestellt am 09.10.1987,
forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Bauarbeiten einzustellen
und untersagte die Ingebrauchnahme bzw. Nutzung der ungenehmigten Anlage.
Weiterhin ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung an und drohte für
den Fall, daß der Antragsteller dem Nutzungsverbot drei Tage nach Zustellung
zuwiderhandele, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 3.000,- DM an.
Der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 13.10.1987 Widerspruch ein, über den
bisher noch nicht entschieden ist.
Ebenfalls am 13.10.1987 hat der Antragsteller den vorliegenden Eilantrag gestellt
und vorgetragen, vor Erlaß der Verfügung vom 06.10.1987 habe keine Anhörung
stattgefunden. Die Antragsgegnerin habe von dem ihr durch § 102 HBO
eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Die sofortige Vollziehung sei
nicht ausreichend begründet. Eine Nutzungsänderung liege nicht vor. Die
Verfügung sei zumindest insoweit rechtswidrig, als der nicht mit Kabinen belegte
Raumanteil ebenfalls betroffen sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
6
7
8
9
10
11
12
13
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Stadt
Frankfurt am Main vom 6. Oktober 1987 - Az.: 63.253.2 Sa/Li - wiederherzustellen
bzw. - soweit er sich gegen die Zwangsgeldandrohung richtet anzuordnen,
hilfsweise,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Stadt
Frankfurt am Main vom 6. Oktober 1987 - Az.: 63.253.2 Sa/Li - wiederherzustellen,
soweit es sich um das Einzelhandelsgeschäft (Verkauf von Video-Kassetten,
Magazinen und anderen Erotika sowie den Verleih von Video-Kassetten) handelt,
zuzüglich einer angemessenen Zahl von Kabinen, in denen sich potentielle Käufer
die sie interessierenden Filme ansehen können, und die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs anzuordnen, soweit er sich gegen die Zwangsgeldandrohung
richtet.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat vorgetragen, die Anordnung der Baueinstellung und das Nutzungsverbot
seien zu Recht ergangen. Der Antragsteller sei in ausreichendem Umfang
angehört worden. Bereits am 01.10.1987 sei ihm der Hinweis auf das noch
ausstehende Nutzungsverbot in Form des sogenannten "roten Zettels" zur
Kenntnis gebracht worden. Er habe somit Gelegenheit gehabt, sich zu den für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Verfügung selbst sei erst am
06.10.1987 ergangen. Der Antragsteller habe die Gelegenheit zur Stellungnahme
nicht genutzt. Selbst wenn man dies nicht als Anhörung ansehen wollte, könne die
Anhörung gemäß § 45 HVwVfG bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheides
nachgeholt werden. Zudem nehme die Antragsgegnerin im Rahmen des
Eilverfahrens zu dem Vorbringen des Antragstellers Stellung. Seine Äußerungen
würden damit nochmals von der Antragsgegnerin überprüft. Auch bei sorgfältiger
Beachtung der Auffassung des Antragstellers bleibe es bei der bisherigen
Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluß vom 29.10.1987 abgelehnt
und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Verfügung vom 06.10.1987
sei offensichtlich rechtmäßig. Die ordnungsgemäß begründete Anordnung der
sofortigen Vollziehung liege im öffentlichen Interesse. Der Antragsteller sei vor
Erlaß des Verwaltungsaktes angehört worden. Die Antragsgegnerin habe ihm
einen Mängelanzeige ausgehändigt, in der auf, die Genehmigungspflichtigkeit der
Nutzungsänderung hingewiesen worden sei und ihn damit unter Angabe des
tragenden Grundes von dem drohenden behördlichen Einschreiten in Kenntnis
gesetzt. Es liege eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor. Der
geplante Betrieb stelle eine Vergnügungsstätte im Sinne der
Baunutzungsverordnung dar. Die Nutzungsänderung mache auch eine
bauordnungsrechtliche Überprüfung im Hinblick auf den Brandschutz und die
Fluchtwege erforderlich. Der Antragsteller habe die gewerbliche Nutzfläche
ausgedehnt. Dies und die geänderte Art der Nutzung mache eine Überprüfung der
Nutzungsänderung im Hinblick auf die zahl der erforderlichen Stellplätze
notwendig. Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei nicht ersichtlich.
Er könne insbesondere nicht daraus hergeleitet werden, daß der beabsichtigte
Verkauf und der beabsichtigte Verleih, von Video-Filmen sowie der Verkauf von
Magazinen und Erotika keine bauplanungsrechtlich relevante Nutzungsänderung
darstelle und deshalb die Nutzungsuntersagung insoweit aufzuheben sei, als die
genannten Verkaufsflächen davon betroffen seien. Denn der gesamte Betrieb
bedürfe im Hinblick auf das Bauordnungsrecht der Überprüfung. Auch die
Zwangsgeldandrohung begegne keinen rechtlichen Bedenken.
Gegen den am 04.11.1987 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am
16.11.1987 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, eine Anhörung sei vor der
Zustellung des Nutzungsverbotes nicht erfolgt. Der sogenannte "rote Zettel" habe
sich nicht an ihn, sondern an Herrn H., einen Bekannten, mit dem der
Antragsteller nach seinen Angaben geschäftlich zusammenarbeitet, gerichtet. Bei
Zustellung und Übergabe der Verfügung vom 01.10.1987 hätten die Vertreter der
Antragsgegnerin kategorisch jede Erörterung oder Diskussion abgelehnt. Weiterhin
macht der Antragsteller Rechtsausführung en zum Inhalt der Verfügung vom
06.10.1987.
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober
1987 aufzuheben und dem in der ersten Instanz gestellten Eilantrag bzw. dem
Hilfsantrag vom, 26. Oktober 1987 stattzugeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Hilfsantrag für unzulässig. Zum einen sei er zu unbestimmt, zum
anderen könne das Nutzungsverbot, das sich auf die Gesamtfläche beziehe, nicht
in einzelne Nutzungsarten aufgesplittet werden. Die angegriffene Verfügung stütze
sich auf die formelle Illegalität. Aus diesem Grund müsse in diesem Verfahren
nicht auf die materielle Illegalität oder Legalität des Vorhabens eingegangen
werden. Eine Anhörung im Sinne des § 28 HVwVfG habe stattgefunden. Mit
Aushändigung des roten Zettels sei der Antragsteller über den drohenden Erlaß
des Nutzungsverbots ausreichend informiert worden.
Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin (1 roter Heftstreifen) sowie die Akte
des Parallelverfahrens VG Frankfurt am Main - IV/1 H 2880/87 = Hess. VGH - 4 TH
3354/87 (mit einem roten Heftstreifen Verwaltungsvorgängen sowie mit zwei
Liegenschaftsakten betreffend das Haus Zeil 23 in Frankfurt am Main) haben
vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen
und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und
fristgemäß erhoben (§§ 146, 147 VwGO). Sie ist auch begründet.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen die Verfügung vom 06.10.1987 ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Widerspruch und Anfechtungsklage haben regelmäßig aufschiebende Wirkung (§
80 Abs. 1 VwGO). Die Behörde kann jedoch ausnahmsweise die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage dadurch beseitigen, daß sie nach § 80
Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnet. Sie ist zu
einer solchen Anordnung aber nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der
Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines
Beteiligten geboten er scheint. Die Behörde muß also vor Erlaß der Anordnung
einerseits die Interessen der Öffentlichkeit und eines etwaigen Beteiligten an einer
sofortigen Durchführung der Maßnahme so wie andererseits die
entgegenstehenden Interessen des Betroffenen an dem Bestand der
aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegeneinander abwägen.
Eine ähnliche Prüfung hat das Gericht anzustellen, wenn es gemäß § 80 Abs. 5
VwGO um vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen
Vollziehung eines Verwaltungsaktes angegangen wird. Dem sogenannten
Stoppantrag ist stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt, gegen den Widerspruch
erhoben ist, offensichtlich rechtswidrig ist; in diesem Fall kann kein öffentliches
Interesse an einer sofortigen Vollziehung bestehen. Umgekehrt ist der
Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt
offensichtlich rechtmäßig, seine Anfechtung auch nicht etwa wegen eigenen
Ermessens der Widerspruchsbehörde aussichtsreich und seine Vollziehung
eilbedürftig ist, wofür sich je nach Sachgebiet, so auch im Baurecht, bestimmte
Falltypen heraus bilden können. In allen andere n Fällen entscheidet bei
summarischer Beurteilung des Sachverhalts eine reine Abwägung der beteiligten
öffentlichen und privaten Interessen, die für oder gegen die Dringlichkeit der
Vollziehung sprechen, über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Auf die
Eilbedürftigkeit der Vollziehung wegen der besonderen Wichtigkeit und Dringlichkeit
einer sofortigen Vollziehung, die auch falltypisch gegeben sein kann, kann nicht
allein wegen der Belange des Betroffenen sondern schon wegen der Wahrung des
Regel- Ausnahme- Verhältnisses der Absätze 1 und 2 des § 80 VwGO nicht
verzichtet werden. Die Regel bleibt, daß sich die Vollstreckung eines
Verwaltungsaktes, gegen den Widerspruch erhoben wird, an ein abgeschlossenes
Hauptsacheverfahren anschließt. Das entspricht der langjährigen Rechtsprechung
des beschließenden Senats (vgl. Beschlüsse vom 28.06.1965 - B IV 21/65 -,
ESVGH 15, 153/154; Beschluß vom 14.07.1981 - IV TH 25/71 -, BRS 24 Nr. 205;
ständige Rechtsprechung).
23
24
25
26
27
28
29
Die Verfügung vom 06.10.1987 ist offensichtlich rechtswidrig, denn der
Antragsteller ist nicht nach § 28 Abs. 1 HVwVfG angehört worden; die
Anhörungspflicht ist nicht nach § 28 Abs. 2 oder Abs. 3 HVwVfG entfallen; auch ist
die Anhörung nicht gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 3 HVwVfG nachgeholt worden.
Nach § 28 Abs. 1 HVwVfG ist den Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen
wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die
Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine derartige Anhörung hat hier
nicht stattgefunden. Zunächst ist festzuhalten, daß der Antragsteller nicht
schriftlich angehört wurde. Die Sicherstellungsverfügung vom 01.10.1987 enthält
keinen Hinweis darauf, daß der Erlaß eines Nutzungsverbots, verbunden mit einer
Baueinstellungsverfügung, beabsichtigt war. Auch anläßlich der Aushändigung der
Verfügung vom 01.10.1987 am Nachmittag dieses Tages ist der Antragsteller
nicht auf den geplanten Erlaß einer derartigen Verfügung hingewiesen worden.
Insbesondere stellt die Aushändigung des "roten Zettels" keine Anhörung
hinsichtlich eines noch zu erlassenden Nutzungsverbots dar. Der Zettel bezieht
sich lediglich auf die gleichzeitig erlassene Sicherstellungsverfügung vom
01.10.1987. Mit dem Zettel teilt die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die
auf der Liegenschaft durchgeführte Besichtigung habe zu Beanstandungen
geführt. Die bereits begonnene und nicht genehmigte Nutzungsänderung in dem
Erdgeschoßraum der Liegenschaft werde hiermit" untersagt. Der Zettel
beschränkt sich somit nach seinem Wortlaut allein auf die am 0 1.10.1987
getroffenen Anordnungen und läßt keinerlei Schluß darauf zu, daß später noch
zusätzliche Anordnungen ergehen sollten.
Die Verpflichtung zur Anhörung ist auch nicht nach § 28 Abs. 2 HVwVfG entfallen.
Nach dieser Vorschrift kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach
den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere bei durch die
Vorschrift im einzelnen geregelten Fällen. Selbst wenn die Voraussetzungen des §
28 Abs. 2 HVwVfG erfüllt wären, hätte die Antragsgegnerin nur wirksam von der
Anhörung absehen können, indem sie unter Berufung auf diese Vorschrift eine
Ermessensentscheidung hinsichtlich des Verzichts auf die Anhörung getroffen
hätte (vgl. den Senatsbeschluß vom 04.12.1986 - 4 TH 1500/86 - NVwZ 1987, 510;
Kopp, VwVfG, 4. Aufl., 1986, Rdnr. 30 zu § 28). Dieses Ermessen hat die
Antragsgegnerin - wie die im Streit stehende Verfügung zeigt - nicht ausgeübt.
Auch der Umstand, daß die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der
Verfügung angeordnet hat, genügt für sich allein nicht, um die Anhörungspflicht
entfallen zu lassen (vgl. Hess.VGH, Beschluß vom 04.12.1986, a.a.O., m.w.N. aus
der Rechtsprechung).
Nach § 28 Abs. 3 HVwVfG konnte die Anhörung ebenfalls nicht unterbleiben, denn
ein zwingendes öffentliches Interesse steht der Anhörung nicht entgegen. Gemeint
sind hier besonders wichtige öffentliche Interessen, die gegenüber dem Zweck der
Anhörung und gegenüber den Interessen des Betroffenen daran unzweifelhaft
Vorrang haben, z.B. der Schutz von Menschenleben oder die Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Aufl., 1986, Rdnr. 57 zu § 28).
Ein derartig gewichtiges Interesse, das durch das Unterlassen der Anhörung hätte
geschützt werden können, ist vorliegend nicht ersichtlich.
Die Antragsgegnerin hat die Anhörung auch nicht in Anwendung von § 45 Abs. 1
Nr. 3 HVwVfG nachgeholt. Nach dieser Vorschrift ist die Verletzung der
Anhörungspflicht unbeachtlich, wenn die Anhörung nachgeholt wird, wobei gemäß
Abs. 2 die Anhörung nur bis zum Abschluß eines Vorverfahrens oder, falls ein
Vorverfahren nicht stattfindet, bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage
nachgeholt werden kann. Da hier im Verwaltungsverfahren eine Anhörung weder
vorgenommen noch nachgeholt wurde, hätte sie nur durch die Stellungnahmen
der Beteiligten im gerichtlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO
nachgeholt werden können. Dies ist nicht geschehen.
Zunächst ist allerdings festzuhalten, daß es grundsätzlich möglich ist, durch
Stellungnahmen im gerichtlichen Eilverfahren die Anhörung nachzuholen. Der
Senat hat in seinen Beschlüssen vom 04.12.1986 ( - 4 TH 1500/86 - NVwZ 1987,
510) und 22.01.1988 ( - 4 TH 1418/87 - ) diese Frage noch offen gelassen, da in
beiden Fällen der Behördenvortrag im Gerichtsverfahren lediglich der Verteidigung
der erlassenen Anordnungen diente, ohne daß ergänzende Erwägungen angestellt
worden waren, die als neue Ermessensentscheidung Ober das im gerichtlichen
Aussetzungsverfahren vom Antragsteller Vorgetragene hätten angesehen werden
30
31
32
33
34
Aussetzungsverfahren vom Antragsteller Vorgetragene hätten angesehen werden
müssen.
Der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat unter Hinweis auf Sinn
und Zweck des § 45 Abs. 1 Nr. 3 HVwVfG die Frage verneint (Beschluß vom
15.09.1987 - 3 TH 2165/87 - und Beschlüsse vom 25.04.1988 ;- 3 TH 546/88 und 3
TH 1331/88 -). An dieser weitergehenden Auffassung hält der 3. Senat allerdings
nicht länger fest; er verlangt aber, daß die Nachholung der Qualität einer
vorherigen Anhörung gleich kommt.
In der übrigen Rechtsprechung und in der Literatur ist die angesprochene Frage
streitig. Gegen die Nachholung durch das. Wechseln von Schriftsätzen im
Eilverfahren wird eingewandt, Sinn und Zweck des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geböten
es, die Nachholung bei Ermessensentscheidungen im Rahmen eines
Verwaltungsverfahrens vorzunehmen, das geeignet sei, aufgrund neuer
Ermessensbetätigung zu einer Abänderung des Verwaltungsakts zu führen. Dazu
reiche die Anhörung in einem gerichtlichen Verfahren nicht aus (BVerwG, Urteil
vom 15.12.1983 - 3 C 27/82 - NVwZ 1984, 577; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß
vom 17.01.1979 - 2 B 268/78 - DÖV 1979 606; Stelkens in
Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 2. Aufl., 1983, Rdnr. 14 zu § 45; Klappstein in
Knack, VwVfG, 2. Aufl., 1982, Rdnr. 3.3 zu § 45; Meyer in Meyer/Borgs, VwVfG, 2.
Aufl., 1982, Rdnr. 26 zu § 45). Daß die Heilung nur durch eine nachträgliche
Berücksichtigung des Vorbringens des Betroffenen im Verwaltungsverfahren
eintrete, folge aus § 45 Abs. 2 VwVfG (Ganter, DÖV 1984, 972). Mit der
Durchführung des Widerspruchsverfahrens allein trete eine Heilung des Mangels
der Anhörung nicht ein. Es müsse sich um eine Über die Durchführung des
Widerspruchsverfahrens hinausgehende Maßnahme handeln. Dafür liefere der
Wortlaut des § 45 Abs. 2 VwVfG Anhaltspunkte, der die Heilung bis zum Abschluß
des Vorverfahrens, nicht Heilung durch das Vorverfahren vorsehe. Mit der
Vorschrift des § 28 VwVfG habe die Rechtsstellung der Beteiligten verstärkt werden
sollen. Es seien deshalb hohe Anforderungen an die Heilung zu stellen (OVG
Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 19.01.1981- 4 A 2718/79 - DVBI 1981, 689 f.;
Stelkens, a.a.O.).
Eine vermittelnde Meinung hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Münster
in einer früheren Entscheidung vertreten (Beschluß vom 16.12.1977 - IV B 2122/77
- NJW 1987, 1764 f.). Eine Heilung könne auch während des
verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens, entweder in diesem selbst oder im
behördlichen Widerspruchsverfahren herbeigeführt werden. Allerdings sei in diesen
Fällen die sofortige Vollziehung vom Verwaltungsgericht befristet auszusetzen,
sofern die Behörde nicht freiwillig auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichte. Denn
dem Beteiligten müsse eine Äußerung ermöglicht werden, bevor eine später nicht
mehr rückgängig zu machende Maßnahme vollzogen werde. Der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof vertritt den Standpunkt, eine Heilung von
Anhörungsmängeln sei im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens gemäß § 80
Abs. 5 VwGO möglich (BayVGH, Beschluß vom 16.02.1983 Nr. 22 CS 82 A 2498 -
BayVBl 1983, 595 = GewA 1983, 231). Es seien keine Gesichtspunkte zu
erkennen, die die Heilung eines Anhörungsmangels im verwaltungsgerichtlichen
Eilverfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO als ausgeschlossen erscheinen lassen
könnten. § 45 Abs. 2 VwVfG und gleichlautend Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG setzten
der behördlichen Heilungsbefugnis eine zeitliche Grenze. Ein Gebot, diese
Nachholungsbefugnis allein im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens auszuüben,
sei der Vorschrift nicht zu entnehmen. Unabhängig hiervon sei im übrigen nicht
einzusehen, warum die für eine Heilung des Anhörungsmangels erforderlichen
Erklärungen der Behörde ihren verfahrensrechtlichen Gehalt dadurch einbüßen
sollten, daß sie im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens abgegeben würden.
Auch der beschließende Senat hält es grundsätzlich für möglich, daß in
schriftsätzlichen Äußerungen in einem Eilverfahren die Nachholung der Anhörung
liegen kann § 45 Abs. 2 HVwVfG steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift sagt
nichts darüber, ob die Anhörung nur in einem Verwaltungsverfahren oder auch
durch Wechseln der Schriftsätze in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren
vorgenommen werden kann. Sie nimmt den Abschluß des Vorverfahrens bzw. die
Klageerhebung lediglich als zeitliche Grenze. Deshalb muß die Frage der
Nachholung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Anhörung
beantwortet werden.
Die Anhörung nach § 28 HVwVfG stellt eine Gewährung des rechtlichen Gehörs
dar. Das rechtliche Gehör ist auch dann gewährt, wenn die Behörde die
35
36
37
38
dar. Das rechtliche Gehör ist auch dann gewährt, wenn die Behörde die
Einwendungen des Betroffenen im gerichtlichen Eilverfahren zur Kenntnis nimmt,
sie zum Gegenstand einer neuen Entscheidung macht und das Ergebnis der
Entscheidung in Form eines Schriftsatzes an das Verwaltungsgericht übermittelt,
das den Schriftsatz an den Betroffenen weiterleitet. Es ist nicht recht einsichtig,
daß der Gesetzeszweck etwa nicht erreicht werden könnte, wenn dem Betroffenen
Gelegenheit gegeben wird, sich im Zuge eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO
zu den maßgeblichen Tatsachen zu äußern; erforderlich ist allerdings, daß die
zuständige Verwaltungsbehörde (und nicht etwa nur das Gericht) seine
Stellungnahme zur Kenntnis nimmt, sich mit ihr auseinandersetzt und
entscheidet, ob sie an ihrer früheren Entscheidung festhalten will oder nicht
(Laubinger, Verwaltungsarchiv Bd. 72, 1981, S. 333 ff., 342; so im Ergebnis auch
Mandelartz, DVBl 1983, 112 ff., 115). Wesentliche Voraussetzung für eine
wirksame Nachholung der Anhörung - dies gilt sowohl für die Nachholung der
Anhörung in einem Verwaltungsverfahren als auch für die Nachholung der
Anhörung im gerichtlichen Eilverfahren ist, daß die Qualität der Anhörung nicht
hinter derjenigen zurückbleibt, die sie im Normalfall des § 28 Abs. 1 HVwVfG hat.
Hierbei sind grundsätzlich zwei Stufen der Anhörung zu unterscheiden, nämlich die
eigentliche Anhörung, d.h. die Gelegenheit, zu den entscheidungserheblichen
Tatsachen Stellung zu nehmen, und die Entscheidung über die eventuell
erhobenen Einwendungen.
Zur Durchführung der ersten Stufe muß die Behörde grundsätzlich zu erkennen
geben, daß sie den Betroffenen nachträglich anhören will. Die diesbezügliche
Erklärung der Behörde muß aus der Sicht des objektiven Erklärungsempfängers
dahin verstanden werden können, daß der Betroffene Gelegenheit erhält, sich zu
den für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen (erneut) zu äußern und
abschließend vorzutragen. Es muß auch klar gemacht werden, daß die Behörde
den eventuell erfolgenden Tatsachenvortrag prüfen und unter Würdigung aller -
auch der neu vorgebrachten - Gesichtspunkte eine Entscheidung darüber treffen
wird, ob sie den Verwaltungsakt aufrechterhält oder nicht. Eine Frist muß dem
Betroffenen zwar nicht gesetzt werden. Doch muß die für eine Reaktion des
Betroffenen zur Verfügung stehende Zeit unter Berücksichtigung der
Besonderheiten des Einzelfalls angemessen lang sein, um ausreichend vortragen
zu können. Eine Fristsetzung dürfte sich daher der Klarheit halber empfehlen.
Dieses Hinweises auf eine Gelegenheit zur Stellungnahme bedarf es naturgemäß
dann nicht, wenn der Betroffene - sei es im Verwaltungsverfahren, sei es mit
einem Schriftsatz im gerichtlichen Aussetzungsverfahren - ausreichend
vorgetragen und sich damit die Gelegenheit zur Stellungnahme quasi selbst
gegeben hat. In diesem Fall würde es eine leere Förmelei darstellen, von der
Behörde zu verlangen, daß sie dem Betroffenen eine zusätzliche Gelegenheit zur
Stellungnahme gibt. Der Anhörungsmangel wird jedoch nicht allein dadurch
geheilt, daß dem Betroffenen Gelegenheit zur Einlegung und Begründung des
Widerspruchs gegeben wird. Da eine Überprüfung des im Fehlen der vorherigen
Anhörung liegenden Verfahrensfehlers immer nur aufgrund eines Widerspruchs
erfolgt, würde § 45 Abs. 1 Nr. 3 HessVwVfG andernfalls leerlaufen (vgl. die
Beschlüsse des 3. Senats des Hess. VGH vom 25.04.1988 - 3 TH 546/88 - und 3
TH 1331/88 -).
In jedem Fall ist Voraussetzung einer wirksamen Nachholung der Anhörung, daß
die Behörde unter Berücksichtigung des Vortrags des Betroffenen darüber
entscheidet, ob sie den Verwaltungsakt aufrechterhält und daß sie dein
Betroffenen diese Entscheidung mitteilt. Die Erklärung mag ausdrücklich oder auch
nur sinngemäß dahin lauten, die Behörde habe die Argumente des Antragstellers
überprüft und gewürdigt und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Verfügung
aufrechterhalten bleibe, sie muß jedoch objektiv klar und eindeutig sein. Die
Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren darf sich nicht
auf die Verteidigung der einmal getroffenen Verwaltungsentscheidung
beschränken. Die Behörde muß zeigen, daß sie ein etwaiges Vorbringen des
Betroffenen zur Kenntnis genommen und bei ihrer erneuten Entscheidung
berücksichtigt hat. Dies hat der Senat bereits im Beschluß vom 04.12.1986 unter
Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden
(HessVGH, Beschluß vom 04.12.1986, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 14.10.1982 -
BVerwG 3 C 46.81 - BVerwGE 66, 111 ff., 114; vgl. auch Krasney, NVwZ 1986, 337
ff., 343). Daran ist festzuhalten.
Der Senat hält es für zweckmäßig und der Rechtsklarheit dienlich, wenn diese
Erklärung der Behörde - wie auch der Hinweis auf den Beginn der Nachholung -
39
40
41
42
Erklärung der Behörde - wie auch der Hinweis auf den Beginn der Nachholung -
außerhalb des gerichtlichen Eilverfahrens an den Betroffenen gerichtet wird. Beide
Erklärungen können aber auch im gerichtlichen Eilverfahren abgegeben werden,
wenn der die Behörde im Prozeß vertretende beauftragte Bedienstete dies mit
gleicher Rechtswirkung wie im Verwaltungsverfahren tun kann.
Eine derartige Erklärung der Behörde im Gerichtsverfahren hat zwei Bedeutungen.
Sie ist zum einen prozessuale Erklärung im Rahmen des gerichtlichen
Eilverfahrens. Sie ist aber auch eine im Rahmen des Nachholungsvorgangs
abgegebene Stellungnahme des Verwaltungsverfahrens (so auch BayVGH,
Beschluß vom 16.02.1983, a.a.O.). Dem steht die grundsätzlich unterschiedliche
Zielrichtung des gerichtlichen Eilverfahrens und des Verwaltungsverfahrens nicht
entgegen. Der Unterschied besteht darin, daß aufgrund, der Durchführung eines
Verwaltungsverfahrens Verwaltungsakte erlassen werden, während im
gerichtlichen Eilverfahren diese Verwaltungsakte einer rechtlichen Prüfung in dem
für den vorläufigen Rechtsschutz erforderlichen Umfang unterzogen werden. Beide
Verfahren stehen aber in einem inneren Zusammenhang. Dies wird daran
deutlich, daß der Antragsteller seinen Antrag auf Anordnung oder
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO
unmittelbar an die Behörde richten kann. Diese Vorschrift und die für das
entsprechende gerichtliche Eilverfahren geltende Regelung des § 80 Abs. 5 VwGO
befassen sich mit demselben Verwaltungsakt. Es geht inhaltlich um dasselbe
Rechtsverhältnis und um denselben Lebenssachverhalt. Die Verfahren führen zwar
zu getrennten Entscheidungen, berühren sich aber in der Sache.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß die Nachholung der Anhörung durch
das Wechseln von Schriftsätzen im gerichtlichen Aussetzungsverfahren möglich
ist. Dem Antragsteller muß aber grundsätzlich - wie auch im Fall der außerhalb des
Gerichtsverfahrens durchgeführten Nachholung - durch die Behörde erkennbar
gemacht werden, daß er die Gelegenheit erhält, abschließend vorzutragen und
daß die Behörde unter Würdigung des eventuell erfolgenden Vortrags neu über
den Verwaltungsakt, nämlich über dessen Aufrechterhaltung, entscheiden wird.
Eines besonderen Hinweises auf die Anhörung bedarf es nur dann nicht, wenn der
Betroffene umfassend vorgetragen hat, sich also die Gelegenheit zur
Stellungnahme selbst gegeben hat. In jedem Fall ist es aber erforderlich, daß die
Behörde eine Entscheidung über die Einwendungen trifft und dem Antragsteller
das Ergebnis mitteilt.
Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend zu der Schlußfolgerung, daß
die Anhörung nicht nachgeholt ist. Der Antragsteller hat seinen Widerspruch nicht
begründet, aber schon mit seinem Eilantrag vom 12.10.1987 und in weiteren
Schriftsätzen zur Sache vorgetragen. Gleichwohl liegt darin keine Nachholung der
Anhörung. Die Antragsgegnerin hat zwar mit Schriftsatz vom, 20.10.1987
ausgeführt, sie nehme im Rahmen dieses Eilverfahrens zu dem Vorbringen des
Antragstellers Stellung, seine Äußerungen würden damit nochmals von ihr
überprüft. Auch bei sorgfältiger Beachtung der Auffassung des Antragstellers
bleibe es bei der bisherigen Entscheidung. Trotz des letzten Satzes der zitierten
Textpassage erfüllt die Antragsgegnerin hiermit nicht die oben genannten
Anforderungen. Die Erklärung muß objektiv klar und eindeutig sein. Daran fehlt es,
denn wenn die Antragsgegnerin mitteilt, sie nehme im Rahmen dieses
Eilverfahrens zu dem Vorbringen des Antragstellers Stellung, seine Äußerungen
würden damit nochmals von ihr überprüft, so läßt diese Formulierung auch den
Schluß zu, daß die Antragsgegnerin eventuell später erfolgende Einwendungen des
Antragstellers berücksichtigen und sodann über die Aufrechterhaltung der
Verfügung erneut entscheiden werde. Selbst wenn man zugunsten der
Antragsgegnerin davon ausgeht, daß sie die vom Antragsteller bis zum
20.10.1987 gemachten Einwendungen überprüft und sodann die Entscheidung
getroffen hat, die Verfügung vom 06.10.1987 aufrechtzuerhalten, fehlt es an der
ersten Stufe des Anhörungsvorgangs. Bis zum Schriftsatz vom 20.10.1987 hat die
Antragsgegnerin den Antragsteller nicht darauf hingewiesen, daß er die
Gelegenheit erhalte, abschließend vorzutragen, und daß sie unter Würdigung des
eventuell erfolgenden Vortrags neu Ober die Aufrechterhaltung der Verfügung
entscheiden werde. Erst die zitierte Passage im Schriftsatz vom 20.10.1987 kann
als Einleitung der Nachholung der Anhörung verstanden werden. In der Folgezeit
ist jedoch keine (erneute) Entscheidung Ober die Frage der Aufrechterhaltung der
Verfügung ergangen, so daß es insofern an der zweiten Stufe des
Anhörungsvorgangs fehlt.
Der Antragsteller hat sich die Gelegenheit zur Stellungnahme auch nicht selbst
42
43
44
45
Der Antragsteller hat sich die Gelegenheit zur Stellungnahme auch nicht selbst
gegeben. Eines Hinweises auf eine Gelegenheit zur Stellungnahme bedarf es zwar
nicht, wenn der Betroffene ausreichend - d.h. aus seiner Sicht abschließend -
vorgetragen hat, er also auch bei der Gewährung einer nochmaligen Gelegenheit
zur Stellungnahme erkennbar nicht weiter vorzutragen beabsichtigt. Der
Antragsteller hat mit seinem Eilantrag vom 12.10.1987 in Kopie den Eilantrag vom
02.10.1987 betreffend die Verfügung vom 01.10.1987 vorgelegt. In diesem
Eilantrag ist auf Seite 4, vorletzter Absatz, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß
eine weitere Begründung vorbehalten bleibe. Der das vorliegende Verfahren
betreffende Eilantrag vom 12.10.1987 enthält keine Hinweise darauf, daß der
Antragsteller mit ihm abschließend vorgetragen hat. Vielmehr trägt er auf Seite 3
ausdrücklich vor, daß keine Anhörung stattgefunden habe. Er macht damit
deutlich, daß er sich durch seinen Vortrag des Rechts auf Anhörung nicht begeben
will. Auch in den Schriftsätzen vom 19.01.1988, 07.03.1988 und 28.04.1988 hat
der Antragsteller sich auf die unterlassene Anhörung berufen.
Nach allem ist der Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO
stattzugeben.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 16, 20 Abs. 3, 25 Abs. 1
Satz 3 GKG. Da der Antragsteller Mieter ist, geht der Senat in Anlehnung an Nr. 6
b seiner ab 01.01.1986 geltenden Streitwertrichtlinien für den
Hauptsachestreitwert des Nutzungsverbots von § 16 GKG aus, so daß insoweit der
1-jährige Mietzins, mithin 147.713,64 DM, zugrundezulegen ist. Für die
Baueinstellungsverfügung legt der Senat als Hauptsachestreitwert den 1-fachen
Hilfsstreitwert zugrunde. Die Androhung der Ersatzvornahme bewertet er mit der
Hälfte der für die Ersatzvornahme veranschlagten Kosten. Von dem so ermittelten
Hauptsachestreitwert legt der Senat gemäß seiner ständigen Rechtsprechung im
Eilverfahren 2/3 zugrunde.
Hinweis: Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2
Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.