Urteil des HessVGH vom 19.11.1992

VGH Kassel: bebauungsplan, grünfläche, gemeinde, auflage, grundstück, bekanntmachung, verfügung, freifläche, normenkontrolle, öffentlich

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 N 2463/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 3 BauGB, § 1 Abs 4
BauGB, § 1 Abs 7 BauGB, §
9 Abs 1 Nr 15 BauGB, § 9
Abs 8 BauGB
(Normenkontrolle: Genehmigung eines Bebauungsplan
unter Auflage einer Klarstellung redaktioneller Natur -
Entbehrlichkeit eines Beitrittsbeschlusses;
"Negativplanung")
Leitsatz
1. Enthält die Verfügung, mit der ein Bebauungsplan genehmigt wird, die Auflage, daß
aus Gründen der Rechtssicherheit die im Bebauungsplan in der Rubrik "nachrichtliche
Übernahme/Kennzeichnung" aufgenommene Festlegung des Geltungsbereichs des
Bebauungsplans in die Rubrik "Festsetzungen" umzusetzen ist, so ist dies eine
Klarstellung redaktioneller Natur und bedarf keines erneuten (Beitritts-)Beschlusses der
Gemeindevertretung.
2. Die Begründung eines Bebauungsplans ist nicht Bestandteil seines normativen
Inhalts und braucht daher von der Gemeindevertretung nicht ausdrücklich beschlossen
zu werden.
3. Die mit der Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche bewirkte Verhinderung eines
Altenheims stellt nur dann eine wegen Verstoßes gegen § 1 Abs 3 BauGB unzulässige
"Negativplanung" dar, wenn sie vorgeschoben ist, um diese Nutzung zu verhindern.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den
Bebauungsplan Nr. 7 "Das S. - die Untere A." der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin plant in N. ein Altenheim mit 48 Plätzen und einer
Erweiterungsmöglichkeit auf 68 Plätze sowie ein Freizeitzentrum zu errichten. Die
Kosten für das Altenheim veranschlagt die Antragstellerin mit 6 Mio. DM und die
Kosten für das Freizeitzentrum mit 3,8 Mio. DM. Nachdem die vorplanerischen
Verhandlungen der Antragstellerin mit der Antragsgegnerin sowie weiteren
Fachbehörden positiv verlaufen waren und die Antragstellerin von dem früheren
Bürgermeister der Antragsgegnerin aufgefordert worden war, die vorgesehenen
Grundstücke zu erwerben, erwarb die Antragstellerin im Jahre 1982 für ihr
Vorhaben die Grundstücke Gemarkung N., Flur 11, Flurstücke 137/3 und 160/5,
wofür sie einschließlich Verzugszinsen bis zum 30.06.1987 1.795.771,25 DM
aufwandte.
Am 21.12.1982 stellte die Antragstellerin bei der Bauaufsicht des Landkreises
Fulda einen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung für ihr Vorhaben. Die
Antragsgegnerin hatte ihr Einvernehmen hierzu erteilt. Während der Prüfung des
Bauantrags durch die untere Bauaufsichtsbehörde hat die Antragsgegnerin das
Bauleitplanverfahren für den von der Antragstellerin angefochtenen
Bebauungsplan durchgeführt. Dieser Bebauungsplan weist die Grundstücke der
Antragstellerin als öffentliche Grünfläche aus. Nach der Begründung des
Bebauungsplans ist es das Ziel der Planung, für die Bevölkerung der Gemeinde
eine größere, wohnungsnahe Freifläche als Angebot für Erholung und Freizeit zu
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eine größere, wohnungsnahe Freifläche als Angebot für Erholung und Freizeit zu
entwickeln und planerisch abzusichern. Bei der geplanten öffentlichen Grünfläche
seien insbesondere die Lage in der Talaue am Ortsrand und auch die Historie des
Standorts in der Planungskonzeption berücksichtigt worden.
Die Bauleitplanung für die betroffenen Grundstücke stellt sich wie folgt dar:
In dem mit Verfügung des Regierungspräsidenten in Kassel vom 12.05.1986
genehmigten Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin sind die Grundstücke der
Antragstellerin als öffentliche Grünfläche dargestellt.
Durch Beschluß vom 13.06.1984 hat die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin
die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 7 beschlossen. Dieser Beschluß wurde am
22.06.1984 in der "N. Rundschau", dem amtlichen Bekanntmachungsorgan der
Antragsgegnerin, öffentlich bekanntgemacht. Am 12.05.1986 beschloß die
Gemeindevertretung der Antragsgegnerin die Erweiterung des Geltungsbereichs,
die Bürgerbeteiligung sowie die Offenlegung des Planentwurfs. Die Offenlegung
erfolgte in der Zeit vom 02.06. bis 02.07.1986. Die öffentliche Auslegung war zuvor
in der "N. Rundschau" Nr. 21 vom 23.05.1986 öffentlich bekanntgemacht worden.
Eine Bürgerversammlung zur Erörterung von Ziel und Zweck der Planung fand am
23.06.1986 statt. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23.06.1986 hat die
Firma A.-S. HochTief-Industriebau GmbH, Grundstücksverwaltung KG, als
Rechtsvorgängerin der Antragstellerin Einwendungen gegen den Planentwurf
erhoben. Sie hat unter Hinweis auf die Zustimmung des Gemeindevorstands zu
der von ihr geplanten Einrichtung eines Altenstifts sowie eines Freizeitzentrums
und die von ihr bereits erbrachten Aufwendungen für den Erwerb der Grundstücke
mit näherer Begründung geltend gemacht, daß die vorgesehene Ausweisung
dieser Grundstücke als öffentliche Grünfläche ihre privaten Belange nicht
gebührend berücksichtige.
Der Entwurf des Bebauungsplans wurde in der Zeit vom 19.01. bis 20.02.1987
erneut zur allgemeinen Einsichtnahme ausgelegt, nachdem dies zuvor in der "N.
Rundschau" Nr. 1/2 vom 09.01.1987 öffentlich bekanntgemacht worden war.
Die Gemeindevertretung der Antragsgegnerin hat in ihrer Sitzung vom 19.03.1987
die Einwendungen der Antragstellerin zurückgewiesen und gleichzeitig den
Bebauungsplan Nr. 7 als Satzung beschlossen. Der Regierungspräsident in Kassel
genehmigte den Bebauungsplan mit Verfügung vom 19.06.1987. Die Verfügung
enthält folgende "Auflage": "Redaktionell sind aus Gründen der Rechtsklarheit und
somit der Rechtssicherheit die irrtümlich im Bebauungsplan in der Rubrik
"nachrichtliche Übernahme/Kennzeichnung" aufgenommenen Festsetzungen
"Geltungsbereich des Bebauungsplans", "Flußgewässer" und "Werksbahn"
entsprechend ihrem Rechtscharakter in die Rubrik "Festsetzungen" umzusetzen
und entsprechend zu erläutern". Die Genehmigungsverfügung wurde in der "N.
Rundschau" Nr. 29 vom 17.07.1987 öffentlich bekanntgemacht.
Am 04.09.1987 hat die Antragstellerin Normenkontrollklage bei dem Hessischen
Verwaltungsgerichtshof erhoben. Sie ist der Auffassung, sie habe durch den
Bebauungsplan einen Nachteil erlitten, denn danach sei für ihre Baugrundstücke,
die sie mit beträchtlichem finanziellen Aufwand erworben habe, eine öffentliche
Grünfläche festgesetzt worden. Durch den Bebauungsplan sei eine bisher
mögliche Bebauung ausgeschlossen worden. Ihre von der Planung betroffenen
Flächen lägen im Innenbereich, weil sie von Bebauung umschlossen seien. Das
Gebiet, das sich jenseits der Kemmete an ihr Grundstück anschließe, sei bebaut
und die östlich und südöstlich folgenden Grundstücke seien durch den "Delta-
Markt" und den Sportplatz geprägt.
Der Bebauungsplan sei bereits aus formellen Gründen unwirksam. Der in der
öffentlichen Bekanntmachung des Bebauungsplans gegebene Hinweis auf die
Verfristung in § 155 a BBauG sei falsch, weil das BauGB die Verfristung in den §§
214 und 215 regele. Dies sei ein beachtlicher Verfahrensfehler. Der
Bebauungsplan habe Regelungen mit Festsetzungscharakter lediglich mit
Hinweischarakter versehen. Die Auflage des Regierungspräsidenten sei materiell-
rechtlicher Art und habe von der Gemeindevertretung erneut beschlossen werden
müssen. Es fehle an einer wirksamen Festsetzung des Geltungsbereichs des
Bebauungsplans im Sinne des § 9 Abs. 7 BBauG. Der Bebauungsplan sei auch
wegen mangelhafter Begründung fehlerhaft. Die Begründung sei nicht von der
Gemeindevertretung beschlossen worden. Sie enthalte darüber hinaus keine
Aussage, warum auf den Grundstücken der Antragstellerin eine öffentliche
Grünfläche ausgewiesen sei.
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Der Bebauungsplan sei auch aus materiell-rechtlichen Gründen fehlerhaft. Der
Bebauungsplan sei nicht erforderlich, weil er nur dazu diene, ihr bisher nach § 34
BauGB zulässiges Vorhaben zu verhindern. Die Antragsgegnerin habe die
besonderen Belange älterer Menschen angesichts ihrer Konzeption eines
Seniorenstifts mißachtet. Aufgrund des regionalen Raumordnungsplans ergebe
sich ein Bedarf an Altenheimplätzen für die Gemeinde N.. Die Antragsgegnerin
habe bei der Abwägung ihre privaten Belange nicht gebührend berücksichtigt. Es
liege bereits eine unvollständige Zusammenstellung des Abwägungsmaterials vor.
Ihre privaten Belange und Interessen seien überhaupt nicht berücksichtigt worden,
d. h. ihre Bedeutung verkannt worden. Auch stehe der von der Antragsgegnerin
vorgenommene Ausgleich der von der Planung berücksichtigten Belange zu den
privaten Belangen der Antragstellerin außer Verhältnis. Der Mangel im
Abwägungsvorgang sei wesentlich darin zu sehen, daß die Antragsgegnerin bei
ihren Planüberlegungen von einem Außenbereichsgrundstück ausgegangen sei,
während es sich tatsächlich um ein Gebiet nach § 34 BBauG handele. Die Mängel
im Abwägungsvorgang seien erheblich im Sinne des § 155 Abs. 2 BBauG.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan der Gemeinde N. Nr. 7 "Das S. - die Untere A." für
unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Antrag sei unzulässig. Die Antragstellerin habe nicht
dargelegt, daß sie durch den Bebauungsplan einen Nachteil erlitten oder in
absehbarer Zeit zu erwarten habe. Das von der Antragstellerin vorgesehene
Projekt sei auch bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans unzulässig. Es sei dann
als Außenbereichsvorhaben zu beurteilen und als sonstiges Vorhaben im Sinne
des § 35 Abs. 2 BBauG unzulässig, weil ihm öffentliche Belange entgegen stünden.
Es würde der Darstellung des Flächennutzungsplans widersprechen, die
Wasserwirtschaft gefährden, Belange des Naturschutzes und der
Landschaftspflege und die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen.
Selbst wenn ein geringfügiger Teil der Grundstücke als Innenbereichsgebiet
anzusehen wäre, stünde einer Bebauung der Schutz der Fließgewässer und der
Talauen entgegen. Bei der in der Genehmigungsverfügung enthaltenen "Auflage"
handele es sich um eine redaktionelle Klarstellung. Die Begründung des
Bebauungsplans sei ausreichend. Sie habe gerade die Einwendungen der
Antragstellerin besonders sorgfältig beraten und darüber beschlossen. Die
Begründung sei nicht Teil der Beschlußfassung. Sie müsse lediglich anläßlich der
Beschlußfassung der Gemeindevertretung vorgelegen haben und von ihrem Willen
mitgetragen worden sein.
Der Bebauungsplan sei auch materiell nicht zu beanstanden. Der Hinweis auf das
Raumordnungsgutachten der regionalen Planungsgemeinschaft Osthessen sei
nicht geeignet, die durch die Gemeinde vorgenommene gerechte Abwägung der
öffentlichen und privaten Belange miteinander und untereinander in Zweifel zu
ziehen. Raumordnungsgutachten und Raumordnungsberichte könnten keine die
Bauleitplanung der Gemeinde beeinflussenden Ziele der Raumordnung und
Landesplanung haben. Ziele der Raumordnung und Landesplanung könnten
keinesfalls dazu führen, daß private Investoren unter Berufung hierauf den
Gemeinden eine bestimmte Erfüllung derselben aufdrängen dürften. Im
vorliegenden Fall seien bei der Planung Umweltverträglichkeitserwägungen höher
bewertet worden als private Investitionswünsche der Antragstellerin.
Zwei Ordner Aufstellungsunterlagen betreffend den Flächennutzungsplan, zwei
Ordner Aufstellungsunterlagen betreffend den Bebauungsplan Nr. 7 sowie ein
Hefter Hauptsatzungsunterlagen der Antragsgegnerin waren Gegenstand der
Beratung.
II.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, weil der Senat eine mündliche
Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
Der Normenkontrollantrag ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragstellerin
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Der Normenkontrollantrag ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Antragstellerin
wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan der
Antragsgegnerin, der nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO i.V.m. § 11 Abs. 1
HessAGVwGO der Überprüfung in einem Normenkontrollverfahren durch den
Hessischen Verwaltungsgerichtshof unterliegt.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, denn sie hat durch den angefochtenen
Bebauungsplan einen Nachteil erlitten. Einen Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2
Satz 1 VwGO kann geltend machen, wer vorträgt, durch die angegriffene Norm
mehr als nur unwesentlich in einem Interesse beeinträchtigt zu werden, das bei
Aufstellung des Bebauungsplans als beachtenswerter privater Belang gemäß § 1
Abs. 6 BauGB (§ 1 Abs. 7 BBauG) in die Abwägung hätte eingestellt werden
müssen, aber nicht oder nicht genügend berücksichtigt worden ist (BVerwG,
Beschluß vom 09.11.1979 - 4 N 1.78 - 4 N 2.79 bis 4.79 -BVerwGE, 59, 87
<100>; Beschluß des Senats vom 02.06.1992 - 3 N 1366/91 -; Battis-
Krautzberger-Löhr, BauGB, 3. Aufl., § 10 Rdnr. 15). Diese Voraussetzungen sind
hier erfüllt. Die Antragstellerin hat durch den Bebauungsplan einen Nachteil
erlitten. Sie wird durch den Plan in der künftigen Nutzung der Grundstücke Flur 11
Flurstücke 137/3 und 160/5 eingeschränkt. Durch die Festsetzung der Nutzungsart
"öffentliche Grünfläche, Parkanlage" sind die Grundstücke nur noch in dem
ausgewiesenen Umfang nutzbar, während sie ohne den Bebauungsplan zumindest
als landwirtschaftliche Flächen im Außenbereich nutzbar und im Rahmen des § 35
BBauG auch bebaubar waren.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn der angefochtene Bebauungsplan ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin rügt, der Bebauungsplan
sei verfahrensfehlerhaft zustandegekommen, weil die Antragsgegnerin bei der
öffentlichen Bekanntmachung der Genehmigung des Bebauungsplans einen auf §
155 a BBauG gestützten Hinweis gegeben habe, kann ihr nicht gefolgt werden.
Nach § 215 Abs. 2 BauGB ist bei Inkraftsetzen eines Bebauungsplans - dies erfolgt
nach § 12 Satz 4 BauGB mit seiner Bekanntmachung - auf die Voraussetzungen
für die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften und
von Mängeln der Abwägung sowie der Rechtsfolgen (Abs. 1) hinzuweisen. Der bei
der Bekanntmachung des Bebauungsplans gegebene Hinweis der
Antragsgegnerin wird nicht den Anforderungen eines Hinweises nach § 215 Abs. 2
BauGB gerecht, denn er bezeichnet weder die in § 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
aufgeführten Verfahrens- und Formvorschriften noch legt er dar, daß Mängel der
Abwägung nur beachtlich sind, wenn sie innerhalb von sieben Jahren geltend
gemacht worden sind. Der Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB ist jedoch nicht
Wirksamkeitsvoraussetzung des ortsüblich bekanntgemachten Bebauungsplans,
sondern nur Voraussetzung für das Unbeachtlichwerden der genannten
Rechtsverstöße nach rügelosem Fristablauf. Er ist nicht Bestandteil des bekannt
gemachten Bebauungsplans und hat auch nicht in anderer Weise normativen
Charakter (vgl. Gaentzsch, Berl. Komm. z. BauGB, § 215 Rdnr. 2; Battis-
Krautzberger-Löhr, a.a.O., § 215 Rdnr. 2).
Es stellt auch keinen Verfahrensfehler dar, daß die Gemeindevertretung der
Antragsgegnerin zu der mit einer "Auflage" versehenen Genehmigungsverfügung
des Regierungspräsidenten in Kassel keinen erneuten Beschluß (sog.
Beitrittsbeschluß) gefaßt hat. Ein derartiger Beitrittsbeschluß ist nämlich dann
nicht erforderlich, wenn die Genehmigungsauflage lediglich der Klarstellung der
Behebung von offenbaren Unrichtigkeiten oder der Vermeidung von
Mißverständnissen dient, also "redaktioneller Natur" ist, den Inhalt des
Bebauungsplans aber unberührt läßt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 14.08.1989,
NVwZ-RR 1990, 122 <123>; OVG Saarland, Beschluß vom 06.07.1984, UPR
1985, 142 <143>; Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: Dezember 1965,
§ 6 Rdnr. 22 b). Im vorliegenden Fall ist die in der Genehmigungsverfügung des
Regierungspräsidenten in Kassel enthaltene "Auflage" lediglich redaktioneller
Natur. Dies ergibt sich eindeutig aus ihrem Wortlaut, wonach sie "redaktionell aus
Gründen der Rechtsklarheit" erfolgt und keine materiellen Änderungen enthält. Der
Geltungsbereich des Bebauungsplans ist zeichnerisch dargestellt und in der
Legende des Plans unter der Überschrift "nachrichtliche
Übernahme/Kennzeichnung" lediglich falsch bezeichnet worden. Dies ist in der
Genehmigungsverfügung des Regierungspräsidenten redaktionell klargestellt
worden. Zu Unrecht sieht die Antragstellerin in einer derartigen Verfahrensweise
den klassischen Fall des Eingriffs in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Die
Grenzen des Bebauungsplans sind von der Antragsgegnerin eindeutig festgelegt
worden und hieran hat die Genehmigungsbehörde nichts geändert.
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Es stellt auch keinen Verfahrensfehler dar, daß die Begründung des
Bebauungsplans nicht von der Gemeindevertretung der Antragsgegnerin
ausdrücklich beschlossen worden ist. Nach § 9 Abs. 8 Satz 1 BauGB, (BBauG) ist
dem Bebauungsplan eine Begründung beizufügen. Aus der gesetzlichen
Formulierung "beizufügen" und den Vorschriften der §§ 3 Abs. 2 Satz 1 und 12
Satz 4 BauGB ergibt sich, daß die Begründung nicht Teil des Bebauungsplans,
insbesondere nicht Bestandteil des normativen Inhalts ist. Die Beschlußfassung
mit Satzungscharakter erstreckt sich somit nicht auf die Begründung (vgl. Ernst-
Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand: Mai 1990, § 10 Rdnr. 6; Battis-Krautzberger-
Löhr, a.a.O., § 9 Rdnr. 135). Darüber hinaus kann aus dem Umstand, daß die
Niederschrift über die Sitzung der Gemeindevertreter als Ergebnis lediglich
festhält, der Bebauungsplan sei als Satzung beschlossen worden, nicht schon
gefolgert werden, die Gemeindevertretung habe die Begründung nicht mit
beschlossen oder die Begründung habe der Beschlußfassung nicht zugrunde
gelegen. Für eine derartige Annahme müssen konkrete Anhaltspunkte gegeben
sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1984 - 4 C 28.83 -, DVBI. 1985, 112
<114>, Gaentzsch, BauGB, § 9 Rdnr. 39). Sie sind vorliegend weder geltend
gemacht worden noch sonstwie ersichtlich.
Die dem Bebauungsplan beigefügte Begründung verstößt nicht gegen § 9 Abs. 8
Satz 2 BauGB, wonach in der Begründung die Ziele, Zwecke und wesentlichen
Auswirkungen des Bebauungsplans darzulegen sind. Die Antragstellerin rügt
insoweit, aus der Begründung ergäbe sich nicht, warum die in ihrem Eigentum
stehenden und bereits mit einer privaten Planung bedachten Grundstücke als
"öffentliche Grünfläche" festgesetzt worden seien. Dies trifft nicht zu. Abgesehen
davon, daß eine Begründung nicht die gemeindliche Motivation für die Gesamtheit
der planerischen Festsetzung vollständig darlegen, insbesondere nicht zu jeder
möglicherweise strittigen Frage etwas aussagen und nicht die das einzelne
Grundstück betreffende Problematik näher ausleuchten muß (vgl. BVerwG,
Beschluß vom 07.05.1971 - IV C 76.68 -, DÖV 1971, 633 und Beschluß vom
03.11.1992 - 4 NB 28.92 -; Gaentzsch, a.a.O., § 9 Rdnr. 40), hat die
Antragsgegnerin in der Begründung die von der Antragstellerin aufgeworfene
Frage beantwortet. Sie hat dort dargelegt, sie wolle mit dem Bebauungsplan für
die Gemeindebewohner eine größere, wohnungsnahe Freifläche als Angebot für
Erholung und Freizeit entwickeln. Bei der geplanten öffentlichen Grünfläche seien
insbesondere die Lage in der Talaue am Ortsrand und auch die Historie des
Standortes in der Planungskonzeption berücksichtigt. Damit ist sie den
Anforderungen des § 9 Abs. 8 Satz 2 BBauG gerecht geworden.
Der Bebauungsplan ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
Er verstößt nicht gegen § 233 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 3 BBauG, wonach die
Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen haben, sobald und soweit es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Da das durch Art. 14 Abs.
1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsrecht durch die Bauleitplanung inhaltlich
ausgeformt und beschränkt wird, besteht das Erfordernis einer Rechtfertigung der
Bauleitplanung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Daher ist
eine Bauleitplanung unzulässig, soweit sie zu einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung nicht in Beziehung steht (BVerwG, Urteil vom 05.07.1974 - IV C 50.72 -
, BVerwGE 45, 309 <312>). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht
erfüllt. Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind als "Negativplanung" nicht
schon dann wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BBauG (BauGB) nichtig, wenn ihr
Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen
besteht. Sie sind nur dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen der
Gemeinde entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung
zu verhindern (BVerwG, Beschluß vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90 -, BBauBl. 1991,
763). Nach der vorgenannten Entscheidung, der der Senat folgt, kommt es darauf
an, ob eine bestimmte Planung, auch wenn sie durch den Wunsch, ein konkretes
Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist, für die städtebauliche Entwicklung
und Ordnung erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BBauG ist. Erforderlich im Sinne
der vorgenannten Bestimmung ist ein Bebauungsplan, soweit er nach der
planerischen Konzeption der Gemeinde erforderlich ist, d. h., ob die getroffene
Festsetzung in ihrer positiven Zielsetzung gewollt ist. Die Festsetzung darf nicht
nur das vorgeschobene Mittel sein, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen
(BVerwG, Beschluß vom 18.12.1990, a.a.O.). Nach der Begründung des
Bebauungsplans ist für die Festsetzung der öffentlichen Grünfläche der
Talauenschutz und der Schutz dieses historischen Standortes Ziel und Zweck der
Planung. Dieses Planungsziel kann mit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 15
BBauG (BauGB), wonach im Bebauungsplan u. a. die öffentlichen Grünflächen
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BBauG (BauGB), wonach im Bebauungsplan u. a. die öffentlichen Grünflächen
festgesetzt werden können, verfolgt werden.
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen § 1 Abs. 4 BBauG (BauGB), wonach
die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung Landesplanung anzupassen sind.
Das Vorbringen der Antragstellerin, nach dem Raumordnungsbericht der
ehemaligen regionalen Planungsgemeinschaft Osthessen fehlten im
Grundversorgungbereich N. 49 Altenheimplätze und 31 Altenwohnheimplätze, ist
nicht geeignet, einen Rechtsverstoß gegen die vorgenannte Vorschrift zu
begründen, weil im vorliegenden Fall kein konkreter Standort für ein Altenheim
bezüglich der Grundstücke der Antragstellerin regionalplanerisch und für die
Antragsgegnerin verbindlich festgesetzt worden ist, und - was hier allerdings keiner
näheren Erörterung bedarf - die Regionalplanung grundsätzlich auch nicht befugt
wäre, für alle möglichen überörtlich bedeutsamen Einrichtungen konkrete
Standorte innerhalb der Gemeinde festzulegen (vgl. Gaentzsch, a.a.O., § 1 Rdnr.
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Der Bebauungsplan ist auch nicht wegen Verstoßes gegen das aus § 1 Abs. 7
BBauG (§ 1 Abs. 6 BauGB) folgende Gebot der gerechten Abwägung verletzt.
Dieses Gebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht
stattgefunden hat, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt worden ist,
was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, wenn die Bedeutung der
betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen von der
Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der
zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Das
Abwägungsgebot ist nicht verletzt, wenn sich der Planungsträger innerhalb des so
gezogenen Rahmens für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die
Zurückstellung eines anderen Belangs entscheidet (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts seit Urteil vom 12.12.1969 - IV C 105.66 - BVerwGE 34,
301 <309>; Battis-Krautzberger-Löhr, a.a.O., § 1 Rdnr. 93; Gaentzsch, Berl.
Komm. z. BauGB, § 1 Rdnr. 69).
Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe betreffend der
planerischen Festsetzung für ihre Grundstücke überhaupt keine Abwägung
vorgenommen, weil sich im Abwägungsmaterial hierüber nichts finde. Die
Antragstellerin hat durch ihre Bevollmächtigten bereits mit Schriftsatz vom
23.06.1986 ausführlich auf ihre privaten Planungsabsichten und die insoweit
entgegenstehende Ausweisung einer öffentlichen Grünfläche im Planentwurf
hingewiesen. Mit diesem Vorbringen hat sich die Gemeindevertretung der
Antragsgegnerin ausführlich in ihrer Sitzung vom 22.12.1996 beschäftigt und es
bei dem Beschluß über den Bebauungsplan als Satzung in ihre Erwägungen
eingestellt, wie sich aus der Beschlußvorlage zu dieser Sitzung ergibt.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 31.08.1989 - 3 N 954/85 - ausgeführt,
daß eine Gemeinde dann nicht alle abwägungsrelevanten Belange in ihre
Abwägung eingestellt habe, wenn sie bei der Ausweisung einer privaten Grünfläche
außer acht gelassen habe, daß das Grundstück aufgrund seiner
bauplanungsrechtlichen Beurteilung nach § 34 BBauG Baulandqualität besitze.
Eine vergleichbare Situation, wie sie in dem vorgenannten Beschluß zugrunde
gelegen hat, ist hier nicht gegeben, denn die von dem angefochtenen
Bebauungsplan betroffenen Grundstücke der Antragstellerin waren vor dem
Inkrafttreten des Bebauungsplans nicht bebaubar. Entgegen der Auffassung der
Antragstellerin lagen ihre von dem Bebauungsplan betroffenen Grundstücke vor
seinem Inkrafttreten nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im
Sinne des § 34 Abs. 1 BBauG. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück
in einem Bebauungszusammenhang liegt, ist maßgebend, ob die
aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der
Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt (BVerwG, Urteil vom
06.11.1968 - IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20 <21>; Urteil des Senats vom 04.12.1986
- 3 OE 66/83 -). Hierfür dürfen allerdings geographisch-mathematische Maßstäbe
allein nicht ausschlaggebend sein; vielmehr ist eine echte Wertung und Bewertung
des konkreten Sachverhalts vorzunehmen. Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung,
ob die durch die betroffenen Grundstücke der Antragstellerin sowie die nördlich
und östlich angrenzenden Grundstücke gebildete Freifläche den bis an den Z-weg
sowie westlich der Kemmete sich unstreitig erstreckenden
Bebauungszusammenhang unterbricht. Dies ist zu bejahen. Eine freie Fläche
unterbricht den Zusammenhang, wenn sie so groß ist, daß sie in den
Möglichkeiten ihrer Bebauung von der vorhandenen Bebauung nicht mehr geprägt
werden kann (BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227). Sie
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werden kann (BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227). Sie
kann auch aus einem ausgedehnten Grundstück bestehen, das eine im Verhältnis
zu seiner Größe völlig untergeordnete Bebauung aufweist. Für die Beurteilung der
Zusammengehörigkeit einer Bebauung ist nach der Verkehrsauffassung von
Bedeutung, ob das Landschaftsbild Einschnitte aufweist, die, wie etwa ein Fluß, ein
Graben oder eine Straße, dem Innenbereich eine sich aus der Situation ergebende
Grenze ziehen (vgl. Gaetzsch, a.a.O., § 34 Rdnr. 5). Unter Beachtung der
vorstehenden Kriterien ergibt sich hier folgendes: Der Geltungsbereich des
Bebauungsplans umfaßt ein Gebiet, das im Norden spitz zulaufend von der
Kemmete (im Nordwesten) und von der F. (im Osten) begrenzt wird. Im südlichen
Bereich des Plangebiets befindet sich das ehemalige Schloß, das jetzt als
Schulgebäude genutzt wird. Bis auf das Schulgebäude ist der gesamte Bereich
unbebaut. Dabei umfaßt der unbebaute Bereich, der als öffentliche Grünfläche
ausgewiesen ist, eine Fläche von 5,82 ha und der als Fläche für den
Gemeindebedarf ausgewiesene Schloßbereich eine Fläche von 1,65 ha. Damit
bilden die von Kemmete und F. eingeschlossenen Grundstücke eine durch
natürliche Grenzen gebildete Freifläche, die so groß ist, daß von einem
Bebauungszusammenhang mit der angrenzenden Bebauung nicht mehr
gesprochen werden kann. Die Grundstücke der Antragstellerin waren daher nicht
nach § 34 BBauG bebaubar.
Die Antragsgegnerin hat damit die privaten Belange der Antragstellerin, nämlich
den Wunsch, auf den von ihr erworbenen, nicht bebauten Grundstücken ein
Altenstift und ein Freizeitzentrum zu errichten, in ihre Abwägung eingestellt. Daß
sie dabei dem öffentlichen Interesse an der Festsetzung einer öffentlichen
Grünfläche Vorrang vor dem privaten Investitionsabsichten der Antragstellerin
eingeräumt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Vorziehen und
Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des vorgegebenen Rahmens ist die
erkennbare planerische Entschließung der Gemeinde über die städtebauliche
Entwicklung und Ordnung und kein aufsichtlich oder gerichtlich nachvollziehbarer
Vorgang.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der
unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Senat hat die
Bedeutung der Sache für die Antragstellerin geschätzt und mit 20.000,-- DM
bewertet. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß sich das Interesse der Antragstellerin
im vorliegenden Normenkontrollverfahren nicht an der von ihr aufgestellten
Gewinnerwartung orientieren kann. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Umfange
sie durch den Bebauungsplan in der Nutzung ihrer Grundstücke eingeschränkt
worden ist. Dies bewertet der Senat mit dem vorgenannten Betrag.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.