Urteil des HessVGH vom 23.06.2010

VGH Kassel: befangenheit, unparteilichkeit, auskunft, quelle, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, einkünfte, zivilprozessrecht, willkür, ausnahmefall

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 D 1034/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 117 Abs 2 ZPO, § 54 Abs
1 VwGO, § 42 ZPO
(Keine Befangenheit eines Richters im
Prozesskostenhilfeverfahren wegen Prüfung der
finanziellen Verhältnisse)
Leitsatz
Die Aufforderung, Erklärungen und Nachweise von Tatsachenangaben vorzulegen,
begründet keine Besorgnis der Befangenheit, da das Oberverwaltungsgericht auch im
Beschwerdeverfahren gegen einen Prozesskostenhilfe wegen angenommener nicht
hinreichender Erfolgsaussicht der Klage versagenden Beschluss gehalten ist, die
finanziellen Verhältnisse des Antragstellers zu prüfen.
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen die Richterin am Hessischen
Verwaltungsgerichtshof Fischer wegen Besorgnis der Befangenheit wird
zurückgewiesen.
Gründe
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Einleitung von
Aufsichtsmaßnahmen. Zur Erreichung dieses Zieles hat der Antragsteller am 18.
Februar 2010 Klage erhoben und am 21. März 2010 den Antrag auf Gewährung
von Prozesskostenhilfe gestellt. Am 27. April 2010 hat das Verwaltungsgericht
Frankfurt am Main den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die nach
§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg
der Klage sei zu verneinen. Mit Schreiben vom 30. April 2010, bei Gericht am 1.
Mai 2010 eingegangen, hat der Antragsteller Beschwerde gegen die ablehnende
Entscheidung eingelegt. Nach Übersendung der Akten an den
Verwaltungsgerichtshof forderte die Berichterstatterin des 6. Senats den
Antragsteller am 7. Mai 2010 auf, zu seinen Einkünften detailliert Auskunft zu
geben. Mit Schreiben vom 11. Mai 2010 erklärte der Antragsteller, er habe keine
Einkünfte und habe seine Vermögensverhältnisse vollständig offen gelegt. Die
Berichterstatterin teilte dem Antragsteller daraufhin am 12. Mai 2010 mit, er
müsse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe seine Vermögensverhältnisse
offen legen und belegen, wie er seinen Lebensunterhalt bestreite. Mit Schreiben
vom 15. Mai 2010 lehnte der Antragsteller die Richterin am Hessischen
Verwaltungsgerichtshof Fischer als befangen ab und erklärte zur Begründung, der
Inhalt der bisherigen Schriftsätze sei absurd und das Verfahren basiere auf reiner
Willkür.
Das Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg. Nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung
mit § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO die
Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die
Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen
Sachverhalt handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger
Würdigung Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung
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Würdigung Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung
des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 -,
BVerfGE 82, 30/38; Beschluss vom 03.03.2004 - 2 BvR 54/04 -, NVwZ 2004, 855).
Dass ein abgelehnter Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts
oder bei dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Auffassung vertritt als ein
Beteiligter, reicht regelmäßig nicht aus, um die Besorgnis der Befangenheit zu
begründen; das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht offensichtlich
willkürlich sind (BVerwG, Beschluss vom 23.10.2007 - 9 A 50/07 u.a. -, NVwZ-RR
2008, 140).
Gemessen an diesen Grundsätzen ergeben sich weder aus den genannten
Schreiben der Berichterstatterin noch aus deren dienstlichen Äußerung oder der
Sachbehandlung und Verfahrensweise insgesamt Gründe für ein Misstrauen gegen
die Unparteilichkeit der Richterin.
Der Antragsteller leitet seine Besorgnis der Befangenheit letztlich aus einer
unterschiedlichen - d.h. von der seinigen abweichenden - Rechtsauffassung von
der Aufklärungstiefe des Verfahrens auf Gewährung von Prozesskostenhilfe her.
Auch unter Würdigung des klägerischen Vorbringens im Ablehnungsgesuch vom
15. Mai 2010 ist aber die Annahme nicht gerechtfertigt, die in den
vorangegangenen Aufforderungsschreiben zum Ausdruck kommende
Rechtsauffassung der Berichterstatterin zur Frage des Nachweises von
gegebenenfalls erzielten Einkünften bzw. des vorhandenen Vermögens oder
Nachweisen der Unterhaltung des Antragstellers durch Dritte - hier die Eltern und
andere Personen - entferne sich so weit von den anerkannten rechtlichen -
insbesondere verfassungsrechtlichen - Grundsätzen, dass sie aus der Sicht der
Parteien nicht mehr verständlich sei und dadurch den Eindruck einer willkürlichen
Einstellung der Richterin des 6. Senats erwecke. Im Verfahren auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe sind von dem zur Entscheidung berufenen Gericht nicht nur die
Erfolgsaussichten einer Klage in einem summarischen Verfahren zu beurteilen,
sondern auch die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers zu prüfen. Die
finanziellen Verhältnisse sind durch entsprechende Erklärungen und durch Vorlage
entsprechender Belege darzulegen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Da das Verwaltungsgericht
Frankfurt am Main die von dem Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe allein
wegen der dort vertretenen Ansicht nach fehlenden hinreichenden Aussicht der
Klage auf Erfolg abgelehnt, jedoch keine Prüfung der finanziellen Verhältnisse des
Antragstellers vorgenommen hat, ist dies im Beschwerdeverfahren nachzuholen.
Dabei ist das erkennende Gericht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zu
geben, die unvollständigen Angaben zu belegen (vgl. Nieders. OVG, Beschluss
vom 25.08.2006 - 2 PA 1148/06 -, NVwZ-RR 2007, 142).
Von einem oben dargestellten Ausnahmefall einer willkürlichen Einstellung des
Gerichts abgesehen kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die
Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, weil
die Überprüfbarkeit der Richtigkeit richterlicher Handlungen und Entscheidungen
allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Es gibt auch keine Anhaltspunkte
dafür, dass die abgelehnte Richterin aufgrund der in den genannten Schreiben
zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung innerlich so unverrückbar festgelegt
und Gegenargumenten gegenüber derart verschlossen wäre, dass sie über das
Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht mehr unbefangen und unparteiisch
entscheiden könnte.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.