Urteil des HessVGH vom 17.07.1997

VGH Kassel: öffentliches recht, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, handel, hauptsache, vorläufiger rechtsschutz, juristische person, amtliche tätigkeit, unmittelbare gefahr, wertpapier

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
8. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 NG 2271/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 47 Abs 1 VwGO, § 47 Abs
2 S 1 VwGO, § 47 Abs 6
VwGO, § 29 Abs 1 S 1
BörsG, § 30 Abs 1 S 1
BörsG
(Normenkontrollverfahren bezüglich der Börsenordnung -
Antragsbefugnis eines Kursmaklers)
Tatbestand
Die Antragsteller sind Kursmakler an der Frankfurter Wertpapierbörse
(Antragsgegnerin) und Mitglieder der dortigen Kursmaklerkammer. Ihnen obliegt
nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BörsG die amtliche Feststellung der Börsenpreise von
Wertpapieren, die ihnen nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 Börsenordnung für die Frankfurter
Wertpapierbörse vom 16. Dezember 1994 (Amtl. Kursblatt der Frankfurter
Wertpapierbörse Nr. 6 vom 9. Januar 1995; zuletzt geändert durch Veröffentlichung
im Amtl. Kursblatt der Frankfurter Wertpapierbörse Nr. 117 vom 23. Juni 1997 -
BörsO -) zur Skontrobildung zugewiesen wurden. Das Skontro ist das Auftragsbuch
des Kursmaklers zur Erfassung der Kauf- und Verkaufsaufträge betreffend ein
Wertpapier. Bisher stellte der jeweilige skontroführende Kursmakler nach 29 Abs. 3
als Börsenpreis denjenigen Preis amtlich fest, welcher der wirklichen Geschäftslage
des Handels an seiner Börse entsprach. Nunmehr soll die Preisfeststellung in den
Werten (Aktien) des DAX-30 und in den DAX-Werten-31 bis 100 an sieben der acht
deutschen Wertpapierbörsen im Präsenzhandel im sogenannten
Dachskontroverfahren erfolgen. Hierbei wird je Wertpapier an einer Börse das
sogenannte Dachskontro geführt. An den anderen Börsen werden die
sogenannten Subskontren geführt.
Nachdem sie am 2. Mai 1995 eine entsprechende Absichtserklärung abgegeben
hatten, schlossen die Bayerische Börse, die Berliner Wertpapierbörse, die
Frankfurter Wertpapierbörse und die Rheinisch-Westfälische Börse und deren
jeweilige Träger einen sogenannten Kooperationsvertrag zur "Verbesserung der
Effizienz des Wertpapierhandels in Deutschland durch eine Kooperation der
vorgenannten Börsen", der zum 1. Januar 1996 in Kraft trat. Nach der Präambel
dieses Vertrages soll die Kooperation vorrangig einen effizienten, transparenten
und einheitlichen Preisbildung dienen, und sollen die Kosten für den Betrieb der
Kooperationsbörsen weiter gesenkt werden. Nach Ziffer 2.1 werden die
Kooperationspartner gemeinsam die Voraussetzungen für die einheitliche
Feststellung von gerechneten Kursen (Dachskontro) schaffen. Die gerechneten
Kurse sollen einheitlich auf der Basis der Orderlage der Kooperationsbörsen für die
DAX-30-Werte in Frankfurt und die DAX-Werte-31 bis 100 an der jeweiligen
Heimatbörse ermittelt werden. Soweit sie nicht schon Heimatbörse ist, wird nach
dieser Ziffer die zuständige Kooperationsbörse zwischen den
Kooperationspartnern einvernehmlich festgelegt. Außerdem verpflichteten sich die
Vertragspartner, einheitliche Regelungen in den jeweiligen Börsenordnungen der
Kooperationspartner vorbehaltlich der Genehmigung der jeweiligen
Aufsichtsbehörde zu schaffen, die den bereits an den Kooperationsbörsen
zugelassenen Unternehmen mit dem Recht zur Teilnahme an dem Börsenhandel
die Möglichkeit eröffnen, platzüberschreitende Geschäftsabschlüsse im
Dachskontro zu tätigen. Die Kooperationsbörsen verpflichteten sich in Ziffer 4.1,
soweit erforderlich ihre Preisfeststellungsregeln (Börsenordnung,
Geschäftsbedingungen zu vereinheitlichen.
Der Börsenrat der Antragsgegnerin beschloß am 19. Juni 1997, die §§ 27a, 30 neu
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Der Börsenrat der Antragsgegnerin beschloß am 19. Juni 1997, die §§ 27a, 30 neu
einzufügen und den § 68 Abs. 2 der Börsenordnung der Antragsgegnerin zu
ändern. Diese Bestimmungen lauten wie folgt:
1. "§27a Dachskontro
(1) Die Aufträge für Wertpapiere, die an mehr als einer Börse zum
Börsenhandel mit amtlicher Notierung zugelassen sind, werden zum Zwecke der
einheitlichen Feststellung des Eröffnungs-, Einheits- und Schlußpreises
(gerechnete Preise) an den beteiligten Börsen im Auftragsbuch des für die
Preisfeststellung an der Frankfurter Wertpapierbörse jeweils zuständigen
Kursmaklers erfaßt (Dachskontro) sofern diese Börsen eine Vereinbarung
getroffen haben, mittels derer festgelegt wird, in welchen Wertpapieren ein
Dachskontro an der Frankfurter Wertpapierbörse geführt wird.
(2) Wird zwischen den beteiligten Börsen vereinbart, daß ein Dachskontro in
einem an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Wertpapier an einer anderen
Börse geführt wird, so ist der für die Preisfeststellung an der Frankfurter
Wertpapierbörse jeweils zuständige Kursmakler verpflichtet, dem Kursmakler an
der Börse, an der das Dachskontro geführt wird, die ihm vorliegenden Aufträge
zum Zwecke der Feststellung gerechneter Preise anzuzeigen (Subskontro). Die
Einzelheiten werden durch die Geschäftsführung festgelegt.
(3) Der nach Maßgabe des Absatzes 1 zuständige Kursmakler wird als
Dachskontroführer, der gemäß Absatz 2 zur Anzeige verpflichtete Kursmakler als
Subskontroführer bezeichnet.
2. § 30 Preisfeststellung und Auftragsausführung im Dachskontroverfahren
(1) Der Dachskontroführer übermittelt auf der Basis der ihm vorliegenden und
von dem jeweiligen Subskontroführer angezeigten Aufträge (aggregierte
Auftragslage) einen Preisvorschlag an den jeweiligen Subskontroführer.
(2) Der Subskontroführer wird über die aggregierte Auftragslage informiert und
übernimmt bei seiner Preisfeststellung den Preisvorschlag des
Dachskontroführers. Bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des
Preisvorschlags erhebt der Subskontroführer Widerspruch beim
Dachskontroführer. Das Nähere regeln die Bedingungen für Geschäfte an der
Frankfurter Wertpapierbörse.
(3) Diejenigen Aufträge, die nur platzübergreifend (§ 68 Abs. 2) abgewickelt
werden können, werden vom Dachskontroführer an den Subskontroführer
übermittelt, bei dem ihre Abwicklung möglich ist; dieser ist zur Annahme der
Aufträge verpflichtet. Verbleibende Aufträge, die zum festgestellten Preis
ausgeführt worden sind, werden zu Aufgaben des Dachskontroführers und sind
ihm hierfür, soweit erforderlich, vom Subskontroführer zu übermitteln.
3. § 68 Abschluß von Geschäften
(1) Geschäfte an der Börse dürfen nur im Namen eines an der Frankfurter
Wertpapierbörse zugelassenen Unternehmens oder dort bestellten Kursmaklern
abgeschlossen oder zwischen solchen Unternehmen vermittelt werden.
(2) Dies gilt nicht für Geschäfte im elektronischen Handelssystem, im
Handelsverbund und solchen, die im Dachskontroverfahren abgeschlossen
werden. Zugelassene Unternehmen und bestellte Kursmakler anderer Börsen
stehen in diesen Fällen den an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassenen
Unternehmen und bestellten Kursmaklern gleich. Im Dachskontroverfahren gilt
dies auch für die Schließung von Aufgabegeschäften aus dem fortlaufenden
Handel und für im fortlaufenden Handel durchgeführte Schließungen von
Aufgabegeschäften aus dem Dachskontroverfahren."
Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung -
Börsenaufsichtsbehörde - genehmigte mit Erlaß vom 20. Juni 1997 die Änderung
der Börsenordnung, die somit am 1. Juli 1997 in Kraft trat. Die übrigen
Kooperationsbörsen erließen entsprechende Bestimmungen in ihrer jeweiligen
Börsenordnung, die von der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde ebenfalls
genehmigt wurden
Außerdem fügte der Börsenrat mit Wirkung vom 1. Juli 1997 den neuen § 5a
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Außerdem fügte der Börsenrat mit Wirkung vom 1. Juli 1997 den neuen § 5a
"Verfahren bei der Preisfeststellung im Dachskontroverfahren" in die Bedingungen
für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse ein. Der Text dieser Bestimmung
lautet wie folgt:
"§ 5a Verfahren bei der Preisfeststellung im Dachskontroverfahren
(1) Vor Aufruf des Wertpapiers durch den Dachskontroführer beendet der
Subskontroführer die Preisfeststellung im fortlaufenden Handel. Mit Aufruf des
Wertpapiers durch den Dachskontroführer gilt es auch als durch den
Subskontroführer aufgerufen. Der Dachskontroführer teilt dem jeweiligen
Subskontroführer mindestens eine Preistaxe auf Basis der aggregierten
Auftragslage mit; der Subskontroführer gibt diese Taxe bekannt.
(2) Nach Aufruf und Übermittlung der Taxe kündigt der Dachskontroführer die
Sperrung des elektronischen Orderbuches an; sie erfolgt frühestens zu dem von
der Geschäftsführung bestimmten Zeitpunkt. Der Subskontroführer kündigt
sodann seinerseits unverzüglich die Orderbuchsperre und die Beendigung der
Auftragsannahme für mündlich erteilte Aufträge an. Mit der Orderbuchsperre
durch den Dachskontroführer ist auch das Orderbuch des Subskontroführers
gesperrt. Nach Orderbuchsperre und Annahmeschluß durch den
Dachskontroführer werden keine Geschäftsangebote durch den Subskontroführer
mehr ausgerufen; im übrigen gilt § 5 entsprechend.
(3) Die aggregierte Auftragslage und der durch den Dachskontroführer
errechnete Preisvorschlag wird dem Subskontroführer mitgeteilt. Bei begründeten
Zweifeln an dessen Richtigkeit legt er innerhalb des von der Geschäftsführung
festgelegten Zeitraums Widerspruch beim Dachskontroführer ein. Letzterer nimmt
bei einem begründeten Widerspruch eine Korrektur des Preisvorschlags vor."
Mit Bekanntmachung vom 23. Juni 1997 teilte die Geschäftsführung der
Antragsgegnerin die Einführung des Dachskontros für die gerechneten Kurse
(Eröffnungs-, Kassa- und Schlußkurs) mit. Ab dem Tag der Einbeziehung eines
Wertpapiers in das Dachskontro seien vom Kursmakler vor der Feststellung eines
gerechneten Kurses für dieses Wertpapier alle für diesen Kurs relevanten
vorliegenden Aufträge in BOSS-CUBE einzugeben. Die Einführung des
Dachskontros in DAX- und MDAX-Werten erfolge stufenweise - wie nachfolgend
dargestellt - zum 1., 7. und 11. Juli 1997. Nach dieser Darstellung ist die
Antragsgegnerin der Dachskontroplatz für alle DAX-30-Werte. Die übrigen Werte
werden unterschiedlich den jeweiligen Kooperationsbörsen Frankfurt, Berlin,
Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart als Dach- bzw.
Subskontroplatz zugewiesen.
Nach dieser Aufstellung ist der Antragsteller zu 1) nunmehr Subskontroführer für
die Werte AVA und Douglas Holding. Für den Wert Karstadt ist er
Dachskontroführer.
Der Antragsteller zu 2) ist nunmehr Subskontroführer für die Werte Klöckner-
Werke, Kampa-Haus, Fr. Krupp Hoesch-Krupp, Plettac und Strabag-St.
Dachskontroführer ist dieser Antragsteller für die Werte Bilfinger + Berger,
Dyckerhoff-Vz., Heidelberger Zement St. und Thyssen.
Der Antragsteller zu 3) ist nunmehr Subskontroführer für die Werte AMB-Na. und
Victoria Holding. Dachskontroführer ist er für die Werte Deutsche Pfandbrief- u.
Hypobank, Hannover Rück, Volksfürsorge, Allianz, Commerzbank und Münchener
Rückversicherung-Na.
Der Antragsteller zu 4) ist Subskontroführer für die Werte FAG Kugelfischer, GEA-
Vz., Kiekert und Rheinmetall-St. Dachskontroführer ist der Antragsteller zu 4) für
die Werte Bayerische Motorenwerke-St. und Linde.
Die Antragsteller legten gegen diese Bekanntmachung Widerspruch ein, den die
Antragsgegnerin als unzulässig ansah. Der daraufhin von ihnen beim
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und der hilfsweise gestellte Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Anwendung der
Bekanntmachung bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, insoweit
ihnen als Subskontroführer die Befugnis zur Feststellung der gerechneten Kurse
entzogen werde, wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 11. Juli 1997 -
15 G 1734/97 - abgelehnt. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sah das
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15 G 1734/97 - abgelehnt. Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sah das
Verwaltungsgericht als unzulässig an, weil der Bekanntmachung der
Antragsgegnerin vom 23. Juni 1997 das Merkmal der Regelung im Sinne der
Definition eines Verwaltungsaktes fehle. Den Hilfsantrag lehnte es im wesentlichen
mit der Begründung ab, der Antrag sei zwar zulässig, jedoch unbegründet, weil das
Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht ersichtlich sei. Insoweit ging das
Verwaltungsgericht davon aus, daß sich aus den §§ 29 und 30 BörsG kein
individuelles Recht der Antragsteller als Kursmakler auf Feststellung bestimmter
Kurse entnehmen lasse. Außerdem verneinte das Verwaltungsgericht das
Vorliegen eines Anordnungsgrundes.
Bereits mit Schreiben vom 24. Juni 1997, eingegangen beim Gericht am 26. Juni
1997, haben die Antragsteller eine Normenkontrolle wegen der Gültigkeit der §§
27a und 30 BörsO der Antragsgegnerin anhängig gemacht, die unter dem
Aktenzeichen 8 N 2270/97 geführt wird. Zugleich haben sie beantragt, im Wege
des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die
Rechtsanwendung dieser Bestimmungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache
auszusetzen.
Zur Begründung ihres Antrages tragen die Antragsteller im wesentlichen vor, ihr
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei zulässig und begründet. Durch
das Dachskontroverfahren würden sie in ihrer Berufsausübung und somit in ihrem
Grundrecht aus Art 12 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Sie verlören die Aufgabe, die
Börsenpreise der Wertpapiere, die ihnen zur Skontrierung zugewiesen worden
seien, amtlich festzustellen. Außerdem seien sie während der Orderbuchsperre am
Handel mit Wertpapieren gehindert. Nach der Sperre sei der Zurufhandel nur beim
Dachskontroführer möglich. Zukünftig würden sich die Orderströme von den
Subskontroführern zu den Dachskontroführern verlagern, was bei ihnen zu
erheblichen finanziellen Einbußen führen werde.
Die §§ 27a und 30 BörsO habe der Börsenrat der Antragsgegnerin nicht nach § 3
Abs. 2 Nr. 1 BörsG auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 und 2 BörsO erlassen dürfen.
Mit den beanstandeten Regelungen werde in ihre Preisfeststellungshoheit nach §
29 Abs. 1 Satz 1 BörsG eingegriffen. Zudem verstießen diese Bestimmungen
gegen § 29 Abs. 3 BörsG, soweit die Dachskontri außerhalb der Frankfurter
Wertpapierbörse geführt würden, bei der 80 % des Wertpapierhandels abgewickelt
würden und die in der Endphase der Kursbildung vom Zurufhandel ausgeschlossen
sei.
Der Begriff der Börse beziehe sich sowohl in § 4 Abs. 2 Satz als auch in § 29 Abs. 3
BörsG auf die jeweilige Regionalbörse. Gebe die Antragsgegnerin im
Dachskontroverfahren die Preisfeststellungen an eine andere Börse ab, verlagere
sie ihre Selbstverwaltungstätigkeit an die andere Börse; denn die Preisfeststellung
gehöre zu den der Antragsgegnerin übertragenen Selbstverwaltungsaufgaben.
Diese Vorgehensweise sei unzulässig, wie sich auch daran zeige, daß die Länder,
die nach § 1 Abs. 2 BörsG für die Genehmigung von Börsen zuständig seien, ein
Dachskontroverfahren nicht einführen könnten. Eine quasi-Bundesbörse, die durch
die Dachskontri die Börsenpreisfeststellung bestimmter Wertpapiere an einzelnen
Börsen konzentriere und diese essentielle Börsenaufgabe anderen Handelsplätzen
entziehe, verstoße gegen die in Art. 83 ff. GG normierten Verwaltungstypen.
Die Regelung des Maklerwesens obliege dem Bundesgesetzgeber. Die
Zustimmung der Börsenaufsichtsbehörde könne Verstöße gegen die §§ 29 und 30
BörsG nicht heilen.
Ferner hätte die Antragsgegnerin nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BörsG die Interessen des
Handels - also auch die der Antragsteller als Kursmakler - berücksichtigen
müssen.
Schließlich verstoße die Neuregelung gegen § 11 Abs. 2 BörsG. Danach müßten
Börsenpreise ordnungsmäßig zustande kommen. Die ordnungsmäßige
Kursfeststellung werde von der Handelsüberwachungsstelle der jeweiligen Börse
überwacht. Diese Überwachung gehe ins Leere, wenn der Kursmakler den
"Preisvorschlag" des Dachskontroführers übernehmen müsse. Mit dem Begriff des
Preisvorschlages solle verschleiert werden, daß der Subskontroführer seine
Preisfeststellungshoheit verliere. Der Subskontroführer könne keinen vom
Dachskontroführer abweichenden Preis feststellen. Er habe lediglich ein
begrenztes Widerspruchsrecht, obwohl die vom Bundesgesetzgeber gewollte
Börsenstruktur dazu führe, daß bei den Regionalbörsen unterschiedliche Kurse
festgestellt würden. Das Dachskontroverfahren verletze daher ihr Teilhaberecht
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festgestellt würden. Das Dachskontroverfahren verletze daher ihr Teilhaberecht
aus § 29 Abs. 1 BörsG sowie ihr subjektiv-öffentliches Recht, ungestört Handel
betreiben zu können.
Ohne den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung würden sie irreversible
Schäden im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO und § 32 BVerfGG erleiden. Pro
betroffenes Wertpapier verminderten sich ihre Provisionsumsätze um ca.
40.000,00 DM. Diese Nachteile könnten auch nicht durch eine Verweisung auf
einen möglichen Amtshaftungsprozeß gegen die Antragsgegnerin ausgeglichen
werden. Insoweit würde die Antragsgegnerin nämlich die Kausalität des Schadens
bestreiten, welche von ihnen nur sehr schwierig nachgewiesen werden könne.
Deshalb bliebe ein Großteil der Schäden irreversibel.
Demgegenüber führe der Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung auf
Seiten der Antragsgegnerin zu dem einzigen Nachteil einer gewissen Verzögerung
bei der Einführung des Dachskontroverfahrens. Dies sei angesichts des bisherigen
zeitlichen Vorlaufes unbedenklich. Zudem sei die Börsenfunktion auch ohne das
Dachskontroverfahren gewährleistet. Kursunterschiede seien bisher ohne
Bedeutung geblieben. Der Anlegerschutz werde qualitativ nicht geändert.
Außerdem bestehe bereits jetzt ein platzübergreifender Handelsverbund nach § 13
BörsG.
Die Antragsteller beantragen,
die Rechtsanwendung des § 27a und des § 30 der Börsenordnung der
Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 23. Juni 1997 bis zur
Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO
abzulehnen.
Die Antragsgegnerin ist der Meinung, daß der Antrag bereits unzulässig sei. Es sei
nicht ersichtlich, daß die Antragsteller durch die Einführung des
Dachskontroverfahrens in subjektiven öffentlichen Rechten verletzt werden
könnten. Auf Grund entsprechender Beschlüsse ihrer Geschäftsführung nach § 10
Abs. 1 Nr. 6 BörsO seien die Antragsteller die skontroführenden Kursmakler in den
streitgegenständlichen Wertpapieren. Hieran ändere sich durch das
Dachskontroverfahren nichts. Sie würden lediglich aufgrund der Neuregelung
zusätzlich automatisch Dach- oder Subskontroführer. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6
BörsO könne die Geschäftsführung jederzeit Änderungen bei den Skontren
vornehmen. Bestehe mithin schon kein subjektiv-öffentliches Recht eines
Kursmaklers auf Beibehaltung der ihm zugewiesenen Skontren, so könne für die
Zuweisung der zusätzlichen Funktion im Dachskontroverfahren nichts anderes
gelten.
Selbst wenn die von den Antragstellern nur unsubstantiiert dargelegten
finanziellen Einbußen vorliegen würden, wäre keine Beeinträchtigung ihrer rechtlich
geschützten Interessensphäre ersichtlich. Ziel aller Preisfeststellungsregelungen
für den Präsenzhandel sei die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und fairen
Preisfeststellung im Interesse der Handelsteilnehmer und Anleger. Ersichtlich nicht
bezweckt sei hingegen die Sicherung wirtschaftlicher Besitzstände oder
Erwerbschancen der preisfeststellenden Kursmakler.
Es könne auch kein Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG geltend
gemacht werden, weil durch das Dachskontroverfahren keine Änderung der
Zuständigkeiten und Aufgaben der Kursmakler bei der Preisfeststellung erfolge
und insbesondere die allgemeinen Preisfeststellungsregeln weiterhin gälten.
Jedenfalls würden die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 6
VwGO nicht erfüllt. Bei dem in Anlehnung an § 32 BVerfGG anzulegenden strengen
Maßstab hätten die Antragsteller keine schweren Nachteile dargelegt. Außerdem
ergebe die summarische Prüfung der Normenkontrolle die mangelnden
Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Schließlich liege ein dringendes öffentliches
Interesse an der sofortigen Vollziehung der beanstandeten Rechtsvorschriften vor.
Die Antragsteller vermittelten auch im Dachskontroverfahren weiterhin die ihnen
erteilten Aufträge entweder bei ihr, der Antragsgegnerin, oder platzübergreifend
und erhielten dafür die entsprechende Courtage. Es bestünde kein Anlaß, Aufträge
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und erhielten dafür die entsprechende Courtage. Es bestünde kein Anlaß, Aufträge
an andere Börsen zu leiten. Zudem verbliebe bei jedem der Antragsteller die
Preisfeststellung für eine Anzahl weiterer Wertpapiere, aus denen sich Courtage-
Ansprüche ergäben. Aufträge der professionellen Anleger ergingen regelmäßig im
fortlaufenden Handel, der von der Einführung des Dachskontroverfahrens nicht
berührt werde. Schließlich sei es zwar zutreffend, daß aus organisatorischen
Maßnahmen eine Orderbuchsperre beim Subskontroführer erfolge, die eine
ordnungsgemäße Preisfeststellung aufgrund der aggregierten Auftragslage
ermöglichen solle, nicht berücksichtige Aufträge könnten jedoch nach
Preisfeststellung im fortlaufenden Handel ausgeführt werden.
Entgegen der Behauptung der Antragsteller sei das Dachskontroverfahren - wie
geplant und im Rechtsgutachten des Prof. Schneider, das die Antragsgegnerin
vorgelegt hat, zugrunde gelegt - eingeführt worden. Nach diesem Verfahren bleibe
es bei der Preisfeststellung durch die Antragsteller. § 30 BörsO i.V.m. § 5a der
Geschäftsbedingungen, die das Zusammenwirken von Dachskontroführer und
Subskontroführer regelten, verdeutliche, daß der Subskontroführer weiterhin eine
eigene Preisfeststellung an seiner Börse vorzunehmen habe. Damit werde § 29
Abs. 3 Satz 2 BörsG entsprochen, der davon ausgehe, daß der zuständige
Kursmakler den Börsenpreis festsetze. Wie sich aus § 30 Abs. 1 und 2 BörsO
ergebe, erhielten die Subskontroführer zwar vom Dachskontroführer in den
Gattungen, für die sie der örtliche Skontroführer seien, einen Preisvorschlag, der
aber für sie nicht bindend sei. Er bilde nur zusammen mit der aggregierten
Auftragslage die Basis für ihre Preisfeststellung. Bei der Feststellung des
Börsenpreises handelten die Subskontroführer somit weiterhin eigenverantwortlich
und weisungsfrei. Daß es in der Praxis zu einer einheitlichen Preisfeststellung
komme, sei zwar gewollt, aber rechtlich nicht gesichert.
Die §§ 27a und 30 BörsO fänden ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 2 Satz 1 BörsG.
Diese Bestimmung ermächtige die Börse dazu, in ihrer Börsenordnung die für
einen ordnungsgemäßen und effizienten Börsenhandel erforderlichen
Bestimmungen zu erlassen. Ziel des Dachskontros sei eine Verbesserung der
Liquidität durch die Bündelung der an den einzelnen Börsen vorliegenden Aufträge,
wodurch die Wahrscheinlichkeit der Auftragsausführung an ihrer Börse und
insgesamt erhöht werde. Zudem solle ein abgestimmter Preisfeststellungsprozeß
an den einzelnen Börsen erfolgen, der nach Möglichkeit zu einheitlichen Preisen an
allen Börsenplätzen führe. § 27 BörsO stelle eine organisatorische Regelung im
Sinne des § 4 Abs. 2 BörsG dar. Gleiches gelte für § 30 BörsO, der in Ergänzung
der allgemeinen Bestimmungen den organisatorischen Ablauf der Preisfeststellung
im Dachskontroverfahren regele. Die streitbefangenen Regelungen entsprächen
auch dem Grundsatz der Preisfeststellung entsprechend der wirklichen
Geschäftslage nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BörsG. Dies folge aus einer am Normzweck
orientierten Auslegung der Vorschrift. Der Begriff der Börse werde nach
überwiegender Auffassung nicht mehr in der Weise definiert, daß die
Ortsgebundenheit, d.h. das regelmäßige Zusammentreffen von
Handelsteilnehmern an einem Ort (Präsenzbörse), notwendige Voraussetzung für
das Vorliegen einer Börse sei. Wesentliches Kriterium des Börsenbegriffs sei die
Zentralisierung von Angebot und Nachfrage. Grund für diesen Wandel im
Verständnis des Börsenbegriffs sei die zunehmende Automatisierung des
Wertpapierhandels durch elektronische Unterstützungs- und Handelssysteme, die
den Handelsteilnehmern - unabhängig von ihrem Standort - die Teilnahme am
Börsenhandel ermöglichten. Die Preisfeststellung solle nicht durch
Sonderinteressen Dritter im außerbörslichen Bereich beeinflußt werden. Deshalb
sollten nur Geschäfte des Börsenhandels berücksichtigt werden. Das
Dachskontroverfahren trage dem in besonderer Weise Rechnung, als damit eine
Berücksichtigung der gesamten börslichen Auftragslage erfolgen solle. Zugleich
werde dadurch der Grundsatz der Kurswahrheit verwirklicht. Nunmehr sei auch die
Möglichkeit des platzübergreifenden Börsenhandels ausdrücklich in mehreren
Vorschriften des Börsengesetzes anerkannt (vgl. §§ 7a, 11 und 13 BörsG).
Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BörsG liege nicht vor. In Anlehnung an den in
§ 13 BörsG normierten Rechtsgedanken des platzübergreifenden Präsenzhandels
in einem Handelsverbund erfolge der überregionale Ausgleich der Orderlage. Die
aggregierte Auftragslage solle die wirkliche Geschäftslage des gesamten
überregionalen Börsenhandels wiedergeben. Gegenüber den derzeitigen
Verhältnissen stelle dies einen erheblichen Fortschritt für die Kurswahrheit und
damit den Anlegerschutz dar, weil durch die Erfassung der gesamten Auftragslage
sichergestellt sei, daß die an den einzelnen Börsen zu ermittelnden Preise dieser
auch tatsächlich entsprächen. Zudem werde ein Maximum an Aufträgen durch die
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auch tatsächlich entsprächen. Zudem werde ein Maximum an Aufträgen durch die
Konsolidierung der Auftragslage ausführbar.
Ein Grundrechtseingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Antragsteller nach
Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liege nicht vor. Ziel der streitbefangenen
Rechtsvorschriften sei nicht die Regelung der kaufmännischen Tätigkeit der
Antragsteller in ihrer Eigenschaft als Kursmakler, sondern die qualitative
Verbesserung des Preisfeststellungsprozesses im Interesse der übrigen
Handelsteilnehmer und Anleger. Die Preisfeststellung unter Nutzung des Systems
BOSSCUBE sei - wie bisher - in einem im wesentlichen unveränderten
organisatorischen Ablauf vorzunehmen. An den materiellen
Preisfeststellungsregeln, wie sie in der Börsenordnung niedergelegt seien, ändere
sich nichts.
Die streitbefangenen Regelungen seien in ihren mittelbaren Auswirkungen auch
nicht von einigem Gewicht, wie sich aus den bisherigen Darlegungen ergebe.
Selbst bei Annahme eines Eingriffes in die Berufsausübung, sei dem
Gesetzesvorbehalt entsprochen, da § 4 Abs. 2 BörsG eine ausreichende
Rechtsgrundlage darstelle und die Berufsausübungsregelungen gerechtfertigt
seien, weil sie unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten sinnvoll erschienen und im
allgemeinen Interesse geboten seien.
Sollte dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stattgegeben werden,
wäre dies ein erheblicher Rückschlag für die Handelsteilnehmer und Anleger, d.h.
für den Finanzplatz Deutschland insgesamt. Die mit dem Dachskontro
angestrebte Verbesserung der Liquidität und Preisbildung, die für einen
ordnungsgemäßen Börsenhandel und den Anlegerschutz als Rechtsgüter der
Allgemeinheit von großer Bedeutung sei, wäre einstweilen unmöglich. Zudem sei
zu berücksichtigen, daß sie - die Antragsgegnerin - im Zusammenhang mit der
Einführung des Dachskontroverfahrens Investitionen in Höhe von 2 Mio. DM
getätigt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Normenkontrollverfahrens 8 N
2270/97 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Die Börsenordnung ist eine der Überprüfung im Normenkontrollverfahren nach §
47 VwGO zugängliche Rechtsvorschrift (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 11
Abs. 1 HessAGVwGO); denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BörsG i.d.F. der
Bekanntmachung vom 17. Juli 1996 (BGBl. I S. 1030) erläßt der Börsenrat die
Börsenordnung als Satzung (siehe auch Schwark, Börsengesetz, 2. Aufl. 1994, § 4
Rdnr. 4).
Die Antragsteller sind entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin auch
antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, der für den Antrag nach § 47 Abs. 6
VwGO entsprechend gilt, kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend
macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihrem Recht verletzt
zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, den Antrag stellen. Während
das Gesetz mit dem Nachteilsbegriff in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO a.F. die
Antragsbefugnis in Normenkontrollverfahren bewußt weiter öffnete als in § 42 Abs.
2 VwGO die Klagebefugnis mit dem Begriff der Rechtsverletzung, greift das Gesetz
nunmehr für die Antragsbefugnis auf den Maßstab der Rechtsverletzung zurück,
wie er auch für die Klagebefugnis entscheidend ist. Die sich aus dem Wortlaut des
§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. ergebende Rechtslage entspricht dem Sinn des
Gesetzes, wie er durch die Gesetzesmaterialien bestätigt wird. Die bisher weit
gefaßte Antragsbefugnis sollte an die Regelung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2
VwGO angepaßt werden (vgl. BT-Drucksache 13/3993, S. 9 f.).
Eine Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO n.F. kann nach der
sogenannten Möglichkeitstheorie gegeben sein, wenn der Antragsteller Tatsachen
vorträgt, die eine Verletzung seines subjektiv-öffentlichen Rechtes als jedenfalls
denkbar erscheinen läßt. Die Antragsteller verweisen in diesem Zusammenhang
auf einen von ihnen behaupteten Eingriff in ihre sogenannte
Preisfeststellungshoheit nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BörsG durch die streitbefangenen
Neuregelungen in der Börsenordnung der Antragsgegnerin. Ferner tragen sie vor,
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Neuregelungen in der Börsenordnung der Antragsgegnerin. Ferner tragen sie vor,
daß sie infolge der Orderbuchsperre vor der Preisfeststellung zeitweise vom
Handel mit Wertpapieren, in denen sie Subskontroführer sind, ausgeschlossen
seien.
Auch wenn die Antragsteller wegen § 10 Abs. 1 Nr. 6 BörsO, nach dem die
Geschäftsführung der Antragsgegnerin die Geschäfte unter den Kursmaklern
verteilt, keinen Anspruch auf die Skontroführung in einem bestimmten Wertpapier
haben und ihnen mit der Einführung des Dachskontroverfahrens auch die
Skontrierung in anderen Wertpapieren verbleibt, muß es nach Ansicht des Senats
rechtlich zulässig sein, daß sie sich gegen mögliche Eingriffe in ihre Rechte und
Pflichten - hier nach §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 1 BörsG im Rahmen der
amtlichen Feststellung der Börsenpreise - mit Rechtsbehelfen zur Wehr setzen
können. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BörsG haben die Kursmakler vor Antritt ihrer
Stellung den Eid zu leisten, daß sie die ihnen obliegenden Pflichten getreu erfüllen
werden. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 7 BörsG hat die Börsenaufsichtsbehörde einen
Kursmakler zu entlassen, wenn er sich einer groben Verletzung seiner Pflichten
schuldig gemacht hat. Ein Kursmakler hat sein Amt weisungsfrei,
eigenverantwortlich und persönlich auszuüben, wie sich auch aus § 34a Abs. 1 Nr.
7 BörsG ergibt. Die amtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Kursfestsetzung
ist eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit der damit betrauten Stellen (Schwark, a.a.O.,
§ 29 Rdnr. 30) und gehört zur Selbstverwaltungstätigkeit der Börse im materiellen
Sinne (Schwark, a.a.O., § 29 Rdnr. 34).
Bei der Tätigkeit des Kursmaklers handelt es sich um einen staatlich gebundenen
Beruf, der ebenfalls in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt (vgl. BVerfG,
U. v. 11.06.1958 - 1 BvR 596/56 -, BVerfGE 7, 377 (398) und Schwark, a.a.O., § 30
Rdnr. 5).
Das Grundrecht der Antragsteller auf freie Berufsausübung könnte außerdem
insoweit tangiert sein, als sie in einer bestimmten Phase des
Dachskontroverfahrens vom Zurufhandel ausgeschlossen sind Ferner befürchten
sie Orderverlagerungen, die ihrer Ansicht nach zu Umsatzeinbußen führen können.
Auch wenn dadurch möglicherweise nur Gewinnchancen der Antragsteller entfallen
und insofern kein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gegeben sein könnte, ist
diese Frage im Rahmen der Begründetheitsprüfung in der Hauptsache zu
entscheiden. Nach Auffassung des Senats ist jedenfalls zu berücksichtigen, daß
die Antragsteller ein wirtschaftliches Unternehmen führen, das bestimmten
öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen als Kehrseite zu ihren öffentlich-rechtlichen
Befugnissen unterliegt. Die Antragsteller müssen die Betriebspflicht nach § 32 Abs.
1 BörsG und die dort normierte Anwesenheitspflicht während des Präsenzhandels
beachten. Zudem dürfen sie während dieses Handels an der Börse nur in den
ihnen zugewiesenen Waren oder Wertpapieren handeln. Nach § 32 Abs. 5 BörsG
darf ein Kursmakler, soweit nicht Ausnahmen zugelassen werden, kein sonstiges
Handelsgewerbe betreiben oder zu einem Kaufmann in einem Verhältnis eines
gesetzlichen Vertreters, Prokuristen oder Angestellten stehen. Schließlich muß ein
Kursmakler nach § 34a BörsG im Zusammenhang mit der Rechtsform seines
Unternehmens bestimmte Beschränkungen einhalten.
Den Antragstellern fehlt für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
nach § 47 Abs. 6 VwGO auch nicht das erforderliche allgemeine
Rechtsschutzbedürfnis. Da ihr einstweiliges Rechtsschutzverfahren nach §§ 80 Abs.
5, 123 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ohne Erfolg
geblieben ist, kann ein möglicher Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen
den Beschluß des Verwaltungsgerichts vom 11. Juli 1997 - 15 G 1734/97 - nach §
146 Abs. 4 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO entsprechend keinesfalls als
gleichwertiger Ersatz für den vorliegenden Antrag angesehen werden.
Der Antrag richtet sich auch zutreffend nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gegen die
Antragsgegnerin, da ihr Börsenrat die §§ 27a, 30 BörsO erlassen hat und die
Antragsgegnerin als Börse nach § 4 Abs. 5 BörsG in verwaltungsgerichtlichen
Verfahren unter ihrem Namen klagen und verklagt werden kann.
Allerdings liegen die materiellen Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen
Anordnung im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht vor. Nach
dieser Vorschrift kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung
erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen
Gründen dringend geboten ist. Bei der Auslegung und Anwendung dieser
Bestimmung, die sich an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom
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Bestimmung, die sich an § 32 BVerfGG anlehnt, sind die vom
Bundesverfassungsgericht zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze
heranzuziehen (vgl. Hess. VGH, B. v. 12.04.1995 - 5 NG 663/95 -). Wegen der
weittragenden Folgen, die der Erlaß einer einstweiligen Anordnung insbesondere
bei der Aussetzung des Vollzuges einer bereits in Kraft gesetzten Norm zeitigt, ist
danach - über die Anforderungen des § 123 VwGO hinausgehend - ein besonders
strenger Maßstab anzulegen.
Grundsätzlich müssen, wenn eine einstweilige Anordnung ergehen soll, die dafür
sprechenden Gründe so schwer wiegen, daß der Erlaß unabweisbar erscheint (vgl.
Bayerischer VGH, B. v. 09.02.1989 - 7 NE 89.36 -, NVwZ-RR 1990, 352), zumal
entsprechend dem Charakter des Normenkontrollverfahrens wie im Verfahren
nach § 32 BVerfGG nur eine gänzliche oder unter Umständen teilweise Aussetzung
der Wirksamkeit bzw. des Vollzuges des angegriffenen Rechtssatzes mit genereller
- d.h. nicht auf den Antragsteller beschränkter - Wirkung möglich ist (vgl. Kopp,
VwGO, 10. Aufl. 1994, § 47 Rdnr. 77 mit zahlreichen Nachweisen; Finkelnburg/Jank,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl. 1986, Rdnr. 470).
Bei der Würdigung der Umstände, die für oder gegen den Erlaß einer einstweiligen
Anordnung sprechen, hat die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache
lauten wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Antrag in der
Hauptsache erweist sich von vornherein als unzulässig oder die angegriffene Norm
als offensichtlich gültig oder als offensichtlich ungültig. Abgesehen von diesen
Ausnahmefällen hängt die Entscheidung ab von der Abwägung der Folgen, die
eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der
Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, mit den Folgen, die entstünden, wenn die
begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber
erfolglos bliebe (vgl. Hess. VGH, B. v. 12.04.1995 - 5 NG 663/95 -, m.w.N.).
Im Hinblick auf diese Ausführungen läßt es der Senat im Rahmen dieses
Verfahrens dahingestellt, ob das Dachskontroverfahren durch die Antragsgegnerin
und die weiteren Kooperationsbörsen überhaupt eingeführt werden konnte und ob
bejahendenfalls ein unzulässiger Eingriff in die Grundrechte der Antragsteller
vorliegt, weil die streitbefangenen Regelungen gegen höherrangige Bestimmungen
insbesondere des Börsengesetzes verstoßen oder weil sie nicht verhältnismäßig
sind.
Bei der hier vorzunehmenden Abwägung gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß
die Antragsteller bereits keine schweren Nachteile im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO
substantiiert vorgetragen und auch nicht glaubhaft gemacht haben. Auch andere
wichtige Gründe, die den Erlaß einer einstweiligen Anordnung dringend gebieten,
sind von den Antragstellern nicht angeführt worden und auch sonst nicht
ersichtlich.
Die Antragsteller befürchten, daß es infolge des Dachskontroverfahrens zu
Verlagerungen der Orderaufträge an die Kooperationsbörsen kommen werde, an
denen das Dachskontro geführt wird. Diese Verlagerung soll zu Umsatzeinbußen
führen, die pro Wertpapier ca. 40.000,00 DM oder mehr betragen sollen.
Es ist bereits nicht ersichtlich, daß das Dachskontroverfahren überhaupt zu
Umsatzeinbußen bei dem einzelnen Antragsteller führt. Vielmehr sind sämtliche
Antragsteller mindestens in einem Wertpapier Dachskontroführer, so daß
Verschiebungen sich auch zu ihren Gunsten ergeben können, u.a. mit der Folge,
daß erforderliche Aufgabegeschäfte dann auch einzig von ihnen getätigt werden
können. Außerdem führt das Dachskontroverfahren dazu, daß Aufträge, für die sie
auch weiterhin die Courtage erhalten, platzübergreifend an anderen
Kooperationsbörsen ausgeführt werden können.
Jedenfalls bleiben alle Antragsteller auch zukünftig Skontroführer in mehreren
Wertpapieren, die nicht von dem Dachskontroverfahren erfaßt werden, das zudem
auch nicht für den variablen Handel gilt Angesichts der üblichen Umsätze und
Gewinne von Kursmaklern kann die geschilderte Situation nicht die Annahme
schwerer Nachteile rechtfertigen. Wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch
den Vollzug einer Rechtsvorschrift entstehen, können im allgemeinen die
Aussetzung der Anwendung von Normen zum Gemeinwohl nicht begründen, es sei
denn, das glaubhafte Vorbringen des Antragstellers begründet die unmittelbare
Gefahr, daß sein Gewerbebetrieb zum Erliegen käme, falls er seine Tätigkeit nicht
mehr in der Form ausüben könnte, wie vor Erlaß der Rechtsvorschrift (vgl. BVerfG,
B. v. 19.06.1972 - 1 BvR 371/71 -, BVerfG 14, 153 u. B. v. 08.12.1993 - 2 BvR
2723/93 - Juris). Mangels schwerer Nachteile kann es der Senat offen lassen, ob es
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2723/93 - Juris). Mangels schwerer Nachteile kann es der Senat offen lassen, ob es
den Antragstellern unzumutbar wäre, bei Obsiegen in der Hauptsache einen
Ausgleich ihrer etwaigen finanziellen Schäden zu suchen, und inwieweit dabei ein
möglicher Amtshaftungsprozeß gegen die Antragsgegnerin aussichtsreich wäre.
Somit spricht das in §§ 27a und 30 BörsO zum Ausdruck gekommene Gemeinwohl
gegen die vorläufige Aussetzung dieser Bestimmungen bis zur Entscheidung in der
Hauptsache. Die Neuregelung soll der Verbesserung des Anlegerschutzes und der
Verbesserung der Liquidität der Unternehmen, deren Wertpapiere zum
Börsenhandel zugelassen sind, dienen. Der platzübergreifende Handel soll dazu
führen, daß insbesondere die Aufträge privater Anleger in größerem Umfang und
für sie zu günstigeren Bedingungen ausgeführt werden können. Die angestrebte
einheitliche Preisbildung soll zu einer breiteren Grundlage für die Feststellung der
(amtlichen) Börsenpreise führen, die ihrerseits häufig auch für den
Geschäftsverkehr außerhalb der Börse Bedeutung haben (vgl. z.B. §§ 234, 385,
453 BGB und §§ 253 Abs. 3, 400 Abs. 5 HGB).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100
Abs. 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs 1 Satz 1 GKG. Im
Hinblick auf die nur unsubstantiiert behaupteten Vermögenseinbußen schätzt der
Senat das Interesse eines jeden Antragstellers im Hinblick auf die Vorläufigkeit der
Entscheidung mit jeweils 20.000,00 DM.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.