Urteil des HessVGH vom 22.10.1985

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, aus wichtigen gründen, wohnwagen, verfügung, camping, vollziehung, zeltplatz, unterlassen, grundstück

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TH 1864/85
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 1 Nr 4 BauO HE, §
2 Abs 1 S 2 BauO HE, § 87
Abs 1 BauO HE
(Baugenehmigungspflichtige Wohnwagen-Aufstellung)
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Verfügung des
Antragsgegners vom 24. 07. 1985, mit der dieser dem. Antragsteller aufgegeben
hat, die ungenehmigte Nutzung seines auf dem im Außenbereich der Gemeinde
Pickenbach gelegenen Grundstücks Flur 19 Nr. 54/2 zur überwiegend ortsfesten
Benutzung aufgestellten Wohnwagens mit Vorzelt zu unterlassen.
Mit Verfügung vom 21.07.1985 erging gegenüber dem
Grundstückseigentümer, der Raiffeisenbank Nördliche Bergstraße, die Verfügung,
den Abbruch der acht auf dem Grundstück Flur 19 Nr. 54/1, 54/2 aufgestellten
Wohnwagen mit Vorzelt zu dulden. Bereits mit Verfügung vom 15.11.1984 war
gegenüber dem Pächter des Grundstücks, Herrn W. L., eine naturschutzrechtliche
Anordnung ergangen, mit der ihm untersagt wurde, die Grundstücke als Camping-
bzw. Wohnwagendauerabstellplatz zu nutzen bzw. eine solche Nutzung durch
Dritte zu dulden. Der Widerspruch gegen den angeordneten Sofortvollzug des
Nutzungsverbotes, wurde vom Verwaltungsgericht zurückgewiesen und die
Entscheidung durch Beschluß des Senats vom 20.03.1985 (4 TH 202/85) bestätigt.
Im vorliegenden Verfahren hat das Verwaltungsgericht
mit Beschluß vom 30.08.1985, dem Antragstellerbevollmächtigten zugestellt am
04.09.1985, die aufschiebende Wirkung des. Widerspruchs des Antragstellers vom
01.08.1985 gegen die in der Verfügung vom 24.07.1985 enthaltene Androhung
eines Zwangsgeldes angeordnet und den Antrag des Antragstellers auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom
01.08.1985 im übrigen zurückgewiesen.
Am 16.09.1985 hat der Antragsteller Beschwerde
eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß insoweit aufzuheben, als der Antrag
zurückgewiesen wurde und nach Antrag zu erkennen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Verwaltungsvorgänge liegen vor und waren Gegenstand der Beratung.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, denn der Antragsgegner hat den
Sofortvollzug für das in der Verfügung vom 24.07.1985 ergangene Gebot an den
Antragsteller, die Nutzung seines Wohnwagen. mit Vorzelt zu unterlassen,
rechtmäßig eingeordnet.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des gegen
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Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung des gegen
einen für sofort vollziehbar erklärten
Verwaltungsakt eingelegten Rechtsbehelfs auf Antrag des Betroffenen
wiederherstellen. Ein solcher Antrag ist nicht begründet, wenn das öffentliche
Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes dem
privaten Interesse des Betroffenen, die Vollziehung bis zur Entscheidung über
seinen Rechtsbehelf aufzuschieben, vergeht (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Dies ist
nach ständiger Rechtsprechung des Senats dann der Fall, wenn die Vollziehung
eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes aus wichtigen Gründen sofort
erfolgen muß, also eilbedürftig ist (Hess. VGH, B. v. 20. 03.1981 - IV TH 20/81 -
BRS 38 Nr. 66, B. v. 10.11.1976 - IV TH 70/76 - HessVGRspr. 1976, 90 = BRS 30
Nr. 182).
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß es sich bei dem
Wohnwagen mit Vorzelt um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 HBO
handelt. Nach dieser Vorschrift sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden
verbundene, aus Baustoffen und Bauteilen hergestellte Anlagen. Gemäß § 2 Abs.
1 Satz 2 HBO besteht eine Verbindung mit dem Boden auch dann, wenn die
Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest
benutzt zu werden. Ebenso wie Anlagen, die geeignet sind, wiederholt aufgestellt
und zerlegt zu werden, dem gewöhnlichen bauaufsichtlichen Verfahren
unterworfen sind, wenn sie dauernd oder langfristig auf einem und demselben
Platz aufgestellt werden, ohne den Standort zu verändern und keine fliegenden
Bauten i.S. des § 106 Abs. 1 Satz 1 HBO sind (Hess.VGH, B. v. 27.1.1984 - 4 TH
277/84 - BRS 42 Nr. 151 = Hess.VGRspr. 1984, 81) sind auch ortsfest benutzte
Wohnwagen bauliche Anlagen. Auch der Wohnwagen des Antragstellers, der nach
seinem eigenen Vorbringen bereits seit einem Jahr auf dem Grundstück steht, wird
ortsfest benutzt.
Bei seiner Aufstellung handelt es sich um einen baugenehmigungspflichtigen
Vorgang im Sinne des § 87 Abs. 1 HBO, da der Abstellplatz seinerseits nicht als
Dauercampingplatz (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 HBO) genehmigt ist. Nach dieser Vorschrift
gilt u. a. auch ein Camping- und Zeltplatz als bauliche Anlage und ist seinerseits
gemäß § 87 Abs. 1 HBO baugenehmigungspflichtig. Zwar bleibt der überwiegend
ortsfest benutzte Wohnwagen eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2
HBO, auch wenn er auf einem als Dauercampingplatz genehmigten Platz
aufgestellt wird (a. A. Simor, BayBauO, Art. 2 Rdnr. 116 S. 43, der Wohnwagen auf
ausdrücklich als Dauercampingplätzen genehmigten Plätzen nicht als bauliche
Anlagen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBauO, ansieht). Die
Baugenehmigung schließt die Nutzungsgenehmigung ein. Aus diesem Grunde
können Wohnwagen und Zelte auf einem als Dauercampingplatz genehmigten
Platz ohne weiteres zeitlich uneingeschränkt aufgestellt werden (so im Ergebnis
auch Simon, a. a. 0.). Fehlt es - wie hier - an einer Genehmigung zur Nutzung
eines Grundstücks als Camping- und Zeltplatz, so ist sowohl die Nutzung des
Platzes als auch die Aufstellung der Wohnwagen auf diesem formell illegal.
Der Verstoß gegen die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts, die ihren
Niederschlag in einem präventiven gesetzlichen Bauverbot gefunden hat (§ 96
Abs. 7 HBO), reicht für die Begründung des sofortigen Vollzuges des
Nutzungsverbotes aus (vgl. Hess. VGH, B v. 08. 07. 1982 - IV TH 40/82
HessVGRspr. 1983, 6 m.w.N.), wenn die Bauaufsichtsbehörde die Anordnung - wie
hier geschehen - mit der formellen Illegalität der Anlage begründet hat.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß die Anordnung, einen Wohnwagen im
Außenbereich zu entfernen, zu den Falltypen, gehört, in deren der Senat auch eine
Anordnung unter Sofortvollzug für zulässig halten würde. Denn die Beseitigung
kann in diesem Fall einem Nutzungsverbot gleichgestellt werden, weil sie ohne
Substanzverlust zu bewerkstelligen ist (vgl. Hess. VGH, B.v. 30.05.1984 - IV TH
61/83 - BRS 42 Nr. 220 - HessVGRspr. 84, 91 m. w. N.).
Danach ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kastenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Streitwert bemißt sich nach der Bedeutung der Sache für den Antragsteller (§§
14 Abs. 1 i. V. m. 13 Abs. 1 GKG). Die Festsetzung für das Beschwerdeverfahren
folgt der Festsetzung der ersten Instanz insoweit, als der erstinstanzliche
Streitgegenstand auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist.
20 Hinweis: Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2
Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.