Urteil des HessVGH vom 08.03.2011

VGH Kassel: aufschiebende wirkung, grundstück, gebäude, satzung, beitragsbemessung, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, beitragspflicht, dokumentation

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 B 14/11
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 11 KAG HE
Abwasserbeitrag für Außenbereichsgrundstück
Leitsatz
Sieht eine Satzung für die Bemessung des Abwasserbeitrags den kombinierten
Grundstücks- und Geschossflächenmaßstab vor, ist eine Bestimmung der
Grundstücksfläche bei tatsächlich anschließbaren Außenbereichsgrundstücken nach der
bebauten oder gewerblich genutzten bzw. nach der aufgrund einer Baugenehmigung
bebaubaren oder gewerblich nutzbaren Fläche einschließlich einer Umgriffsfläche in
einer Tiefe von 8 m und der Geschossfläche nach der tatsächlichen oder genehmigten
Bebauung nicht zu beanstanden.
Bei der Anwendung dieser Regelung sind nicht nur die Flächen der Gebäude
zugrundezulegen, in denen zum Zeitpunkt der Beitragsentstehung tatsächlich konkret
Schmutzwasser anfällt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des
Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. Dezember 2010 - 2 L 1930/10.GI -
abgeändert.
Der Antrag wird in vollem Umfang abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.748,44 €
festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners - eines Abwasserverbandes - gegen den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 10. Dezember 2010, mit dem
dieses die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen deren
Heranziehung zu einem Abwasserbeitrag teilweise angeordnet hat, ist zulässig und
auch begründet. Anders als das Verwaltungsgericht hat der Senat unter
Berücksichtigung der Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Bescheides des Antragsgegners über die Heranziehung der
Antragstellerin zu einem Abwasserbeitrag für ihr im Außenbereich liegendes
Grundstück, die es nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §
80 Abs. 5 VwGO entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3
VwGO rechtfertigen, ganz oder teilweise die aufschiebende Wirkung ihrer Klage
anzuordnen.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Beitragspflicht für das
im Außenbereich liegende Grundstück der Antragstellerin mit der Fertigstellung
der Abwassersammelleitung in der Straße vor dem Grundstück im April 2008 dem
Grunde nach entstanden ist.
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Auch der Höhe nach ist der Heranziehungsbescheid des Antragsgegners bei der
im Eilverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung nicht zu
beanstanden. Gem. § 10 Abs. 2 der Entwässerungssatzung - EWS - des
Antragsgegners vom 3. November 2004 in der zuletzt geänderten Fassung der
VIII. Änderungssatzung vom 17. November 2009 bemisst sich der Beitrag für die
Sammelleitungen nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche.
Gemäß § 11 Abs. 3 EWS gilt bei Grundstücken im Außenbereich als
Grundstücksfläche die bebaute oder gewerblich genutzte/aufgrund einer
Baugenehmigung bebaubare oder gewerblich nutzbare Fläche einschließlich einer
Umgriffsfläche in einer Tiefe von 8 m - vom jeweils äußeren Rand der baulichen
oder gewerblichen Nutzung/Nutzbarkeit gemessen. Die Geschossfläche bestimmt
sich bei bebauten Außenbereichsgrundstücken (zu ermitteln nach den
Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen, auch für ausgebaute Teile von
Dach- und Kellergeschossen) nach der genehmigten oder bei nicht genehmigten
oder geduldeten Gebäuden nach der tatsächlichen Bebauung. Diese Regelung ist
nach Auffassung des Senats nicht zu beanstanden.
Für die Grundstücke im beplanten und unbeplanten Innenbereich bemisst die
Satzung den mit dem Beitrag abzugeltenden Vorteil der
Inanspruchnahmemöglichkeit der Abwasserentsorgung nach einer Kombination
aus der Grundfläche des Buchgrundstücks und der darauf bezogenen zulässigen
Geschossfläche. Maßgeblich ist demnach nicht der Umfang der tatsächlichen
Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung, sondern der
Grad der baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit des Grundstücks. Darin drückt
sich der mit dem Abwasserbeitrag abgegoltene Vorteil aus. Eine vorteilsgerechte
Beitragsbemessung erfordert aber auch eine Satzungsregelung über die
Einbeziehung von tatsächlich angeschlossenen Außenbereichsgrundstücken. Da
allerdings für Außenbereichsgrundstücke eine bauliche oder gewerbliche
Nutzbarkeit grundsätzlich nicht besteht, stellt die Satzung des Antragsgegners
insofern beanstandungsfrei auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung
bzw. auf die aufgrund einer konkreten Baugenehmigung zulässige bauliche oder
gewerbliche Nutzung einschließlich einer Umgriffsfläche, die die zulässige
Errichtung von Gebäuden erfordert, ab, um den beitragspflichtigen Vorteil zu
bemessen (vgl. Lohmann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand:.
September 2010, § 8 Rn. 879a).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner diese
Regelung auch - soweit bei summarischer Betrachtung erkennbar - richtig auf das
Grundstück der Antragstellerin angewandt. Dabei hat er die dort tatsächlich
vorhandenen Gebäude mit ihrer jeweiligen Umgriffsfläche aufgenommen und
danach die Grundstücksfläche und nach den Gebäuden die Geschossfläche
bemessen. Sollten insofern Einzelheiten der Berechnung infrage gestellt werden,
müssten diese im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geklärt werden. Anders als
vom Verwaltungsgericht (unter Bezugnahme auf Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8
Rn. 1033 ff) angenommen, erfordern die Regelungen in § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 2
EWS bei Außenbereichsgrundstücken keine Reduzierung auf die Fläche der
vorhandenen Gebäude, in denen tatsächlich zum Zeitpunkt der Möglichkeit des
Anschlusses Schmutzwasser zur Beseitigung anfällt. Zu Recht verweist der
Bevollmächtigte des Antragsgegners insofern darauf, dass maßgeblich für die
möglichkeit
dagegen die tatsächliche Inanspruchnahme. Auch bei der Beitragsbemessung für
Grundstücke im beplanten und unbeplanten Innenbereich wird nicht darauf
abgestellt, ob in den dort tatsächlich errichteten Gebäuden zum Zeitpunkt der
Beitragsentstehung jeweils Schmutzwasser anfällt. Vielmehr wird der
Gesamtbereich der zulässigen Nutzbarkeit zur Bemessung des mit dem Beitrag
abzugeltenden Vorteils zu Grunde gelegt, was auch dort - insbesondere bei
Gewerbegrundstücke - zu der Höhe nach erheblichen Beiträgen führen kann.
Nichts anderes gilt insofern für tatsächlich bebaute Außenbereichsgrundstücke.
Auch dort besteht die Inanspruchnahmemöglichkeit für die gesamten
Baulichkeiten, auch wenn diese zum Zeitpunkt der Beitragsentstehung nicht - oder
nicht in allen Gebäuden - konkret wahrgenommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über den
Streitwert auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 47 Gerichtskostengesetz - GKG -.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 in
Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.