Urteil des HessVGH vom 30.03.1987

VGH Kassel: befangenheit, mangelnde sorgfalt, klageerweiterung, zusammenwirken, aufmerksamkeit, gesamteindruck, unparteilichkeit, beteiligter, sorgfaltspflicht, subjektiv

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 TE 1546/86
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 42 ZPO
Leitsatz
Fall einer erfolgreichen Richterablehnung, die auf mehrere - verfahrensübergreifende -
Sorgfaltsverstöße der abgelehnten Richter gestützt ist.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Verwaltungsgericht das
Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am
Verwaltungsgericht P. und die Richterin am Verwaltungsgericht R. abgelehnt. Die
hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers ist zulässig und hat auch in der
Sache Erfolg.
Nach § 54 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der
Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis
der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen
die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei ist nicht ausschlaggebend,
ob sich ein Richter unbefangen fühlt und ob er tatsächlich unbefangen ist. Unter
Beachtung des Zwecks der gesetzlichen Regelung, das Vertrauen der Beteiligten
in die Unparteilichkeit des mit ihrer Sache befaßten Richters zu erhalten, ist allein
entscheidend, ob für einen besonnenen und ruhig abwägenden Beteiligten von
seinem Standpunkt aus aufgrund zumindest glaubhaft gemachter objektiver
Umstände der Eindruck entstehen muß, der betreffende Richter stehe seinem
Anliegen nicht mehr unparteiisch und unvoreingenommen gegenüber.
Der Kläger stützt sein Ablehnungsgesuch in wesentlichen auf die Befürchtung, die
von ihm abgelehnten beiden Richter bearbeiteten seinen Rechtsfall nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt. Er beruft sich hierfür auf eine Reihe von Vorfällen, die sich
teils im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren, teils in anderen von ihm bei der
IV. Kammer des Verwaltungsgerichts Darmstadt anhängig gemachten
Verwaltungsstreitverfahren gegen dieselbe Beklagte zugetragen haben. daß der
durch objektive Umstände erzeugte Eindruck, der Richter widme sich dem
Rechtsfall nicht mit der gebührenden Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die Ablehnung
dieses Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen vermag, ist
allgemein anerkannt (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschluß vom 6. Dezember 1977 -
20 W 917/77 -, MDR 1978 S. 409; OLG Celle, Beschluß vom 9. Februar 1984 - 9 W
126/83 -, AnwBl. 1984 S. 502). Die von dem Kläger vorgetragenen Sachverhalte
sind zwar nicht alle geeignet, diesen Eindruck im Zusammenwirken mit anderen
Sachverhalten zu rechtfertigen. Auch nach Aussonderung der insoweit
ungeeigneten bzw. nach § 43 ZPO wegen rügeloser Einlassung in eine
Verhandlung oder rügeloser Antragstellung nicht berücksichtigungsfähigen
Sachverhalte bleiben jedoch Ablehnungsgründe übrig, die bei einer
Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Klägers die begründete Sorge aufkommen
lassen können, gerade bei Bearbeitung seines Rechtsfalles werde von seiten der
abgelehnten Richter nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen.
Ausgangspunkt dieser Gesamtbetrachtung ist der Sachverhalt, der für den Kläger
den Anlaß bildete, den Vorsitzenden Richter P. und die Richterin R. als befangen
abzulehnen: das Übersehen der Klageerweiterung in den Schriftsätzen des Klägers
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abzulehnen: das Übersehen der Klageerweiterung in den Schriftsätzen des Klägers
vom 10. Januar 1984 und 9. Dezember 1984 in den beim Verwaltungsgericht
Darmstadt anhängigen Klageverfahren IV/2 E 2074/82 und IV/2 E2075/82. In dem
angefochtenen Beschluß wird diese Unachtsamkeit als ein "in der Tat...schwerer
Verfahrensfehler" bezeichnet, der "den Anspruch des Klägers auf Gewährung des
rechtlichen Gehörs" berührt Dem pflichtet der Senat bei. Im Gegensatz zur
Auffassung des Verwaltungsgerichts verliert dieser Fehler im Hinblick auf seine
Geeignetheit als Ablehnungsgrund nicht etwa deshalb entscheidend an
Bedeutung, weil sich nicht sagen läßt, daß die Nichtberücksichtigung der
Klageerweiterung bewußt erfolgt sei, um dem Kläger wegen Nichterreichens der
"Berufungssumme" (§ 4 Abs. 1 Ziff 1 des Entlastungsgesetzes vom 31. März 1978,
BGBl. I S.446) künftig die Möglichkeit einer Berufung gegen ein klageabweisendes
Urteil zu nehmen. Für eine auf mangelnde Sorgfalt gestützte Richterablehnung
kommt es nicht darauf an, ob dem Richter die Absicht unterstellt werden kann,
dem betroffenen Prozeßbeteiligten einen prozessualen Nachteil zuzufügen.
Nachlässigkeiten bei der Bearbeitung eines Rechtsfalles, die nicht völlig
geringfügiger Natur sind, können als solche die Besorgnis der Befangenheit
auslösen. Der den abgelehnten Richtern im vorliegenden Fall zur Last gelegte
Sorgfaltsverstoß bei der Ermittelung des Klagebegehrens ist nicht geringfügig,
sondern wiegt im Gegenteil schwer; denn der Kläger hatte die Erweiterung des
ursprünglichen Klageantrags in zwei zum Verfahren IV/2 E 2074/82 und zwei
weiteren zum Verfahren IV/2 E 2075/82 gereichten, insgesamt also vier
Schriftsätzen recht eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. In
den Schriftsätzen vom 10. Januar 1984 war der neue erweiterte - Klageantrag
jeweils durch Einrückung besonders hervorgehoben. Und in dem zum Verfahren
IV/2 E 2074/82 gereichten Schriftsatz vom 9. Dezember 1984, auf den dann
wiederum der zum Verfahren IV/2 E 2075/82 gereichte Schriftsatz gleichen
Datums ausdrücklich hinweist, finde, sich rechtliche Ausführungen zur Frage der
Zulässigkeit der Klageerweiterung mit Rechtsprechungszitaten. Damit dürfte
selbst einem flüchtigen Leser nicht entgehen, daß der Kläger sein ursprünglich
eingeschränktes Anfechtungsbegehren erweitert hatte und nunmehr den
Heranziehungsbescheid in vollem Umfang anfocht. Soweit es in dem
angefochtenen Beschluß heißt, die abgelehnten Richter könnten die Schriftsätze
vom 9. Dezember 1984 als solche nicht übersehen haben, weil sie das in dem
einleitenden Satz dieser Schriftsätze erklärte Einverständnis des Klägers mit einer
Entscheidung im schriftlichen Verfahren zur Kenntnis genommen und demgemäß
am 5. Februar 1985 ohne mündliche Verhandlung entschieden hätten, mildert dies
das Gewicht des Sorgfaltsverstoßes nicht. Denn selbstverständlich hätte der g e s
a m t e Inhalt der genannten Schriftsätze und nicht nur der die weitere Abwicklung
des Verfahrens erleichternde erste Satz registriert und bei der Entscheidung im
schriftlichen Verfahren berücksichtigt werden müssen. Gerade weil im schriftlichen
Verfahren entschieden wurde, mußte mit besonderer Aufmerksamkeit geprüft
werden, welchen Klageantrag der Kläger stelle; denn die Möglichkeit, auf einen in
mündlicher Verhandlung gestellten Antrag zurückzugreifen, gab es nicht.
Trotz der Schwere des vorstehend behandelten Sorgfaltsverstoßes neigt der Senat
zu der Ansicht - und insoweit würde er dem Verwaltungsgericht zustimmen - , daß
sich auf diesen Verstoß a l l e i n die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten
Richter gegenüber dem Kläger nicht stützen läßt. Auch Richter sind nur Menschen,
denen in einer schwachen Stunde Fehler wie das Übersehen von Schriftsätzen
und/oder Anträgen bei der Entscheidungsfindung unterlaufen können. Das Gesetz
selbst trägt diesem Umstand Rechnung, indem es für verwaltungsgerichtliche
Verfahren in § 119 VwGO die Möglichkeit der Tatbestandsberichtigung und in § 120
VwGO die Möglichkeit der Urteilsergänzung zuläßt. Aus der Tatsache, daß einem
mit dem Rechtsfall befaßten Richter einmal eine Unachtsamkeit dieser Art
unterläuft, kann deshalb ein besonnener, ruhig abwägender Prozeßbeteiligter in
aller Regel noch nicht den Eindruck gewinnen, dieser Richter sei - aus welchen
Gründen auch immer - nicht bereit, seinem Rechtsfall die gebührende
Aufmerksamkeit und Sorgfalt zu widmen. Diesen Eindruck wird ein Beteiligter
regelmäßig erst dann gewinnen dürfen, wenn es sich nicht mehr um einen
einmaligen Sorgfaltsverstoß des Richters ihm gegenüber handelt. Wiederholen
oder häufen sich Unachtsamkeiten oder Ungeschicklichkeiten bei der
Verfahrensabwicklung, so kann dies früher oder später - je nach Gewicht der
Sorgfaltsverstöße in ihrer Gesamtheit - einem hiervon betroffenen
Prozeßbeteiligten Anlaß sein, an der Bereitschaft des Richters zu sorgfältiger
Arbeitsweise in seinem - bzw. seinen - Verfahren zu zweifeln. Objektiv mag zwar
selbst die Häufung von Sorgfaltsverstößen zu Lasten eines bestimmten
Prozeßbeteiligten noch ein unglücklicher e Zufall, der Richter also in Wahrheit n i c
h t befangen sein; das schließt es aber - wie oben bereits ausgeführt wurde, nicht
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h t befangen sein; das schließt es aber - wie oben bereits ausgeführt wurde, nicht
aus, jedenfalls die von dem Betroffenen subjektiv empfundene Besorgnis der
Befangenheit als berechtigt anzusehen.
Bei Anlegung dieses Maßstabes ist bei beiden von dem Kläger abgelehnten
Richtern das Ablehnungsgesuch, soweit es auf die Vernachlässigung der
richterlichen Sorgfaltspflicht gestützt wird, begründet; denn wenn auch bei weitem
nicht alle Ablehnungsgründe, die der Kläger geltend macht, stichhaltig sind, so
ergeben sich doch aus einigen der von ihm benannten Sachverhalte weitere
Sorgfaltsverstöße, die im Zusammenwirken mit dem oben behandelten
gewichtigeren - Verstoß die Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht des Klägers
rechtfertigen.
Bei der Richterin R. sind dies Sachverhalte, die der Kläger schon in einem früheren
Verfahren - dem inzwischen abgeschlossenen Verfahren IV/2 E 613/81 wegen
Heranziehung zur Grundsteuer als Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit
geltend gemacht hatte: die Unterzeichnung des mit falscher
Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschlusses vom 24. Juni 1982, mit dem das
Verwaltungsgericht das damalige Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden
Richter P. in dem obengenannten Verwaltungsstreitverfahren abgelehnt hatte, und
die Anmahnung der Klagebegründung im Verfahren IV/2 E 2075/82, obwohl diese
schon seit fast einem Jahr vorlag. Für sich allein betrachtet handelt es sich um
relativ geringfügige Versehen, die in den Augen einer vernünftig und besonnen
abwägenden Prozeßpartei noch nicht den Eindruck erwecken können, der Richter
sei ihr gegenüber voreingenommen. Deshalb hat auch der 11. Senat des
Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluß vom 2. Februar 1984 - 11 TE 252/84 -
hieraus noch keine Befangenheit der Richterin R. hergeleitet. Eine andere
Beurteilung ist aber jetzt geboten, nachdem der Richterin R. mit dem Übersehen
der Klageerweiterung in den Schriftsätzen des Klägers vom 10. Januar und 9.
Dezember 1984 ein weiterer Fehler unterlaufen ist, der als solcher relativ schwer
wiegt. Aufgrund einer Gesamtbetrachtung aller Vorgänge kann sich jetzt für den
Kläger in der Tat der Eindruck ergeben, die Richterin lasse es bei der Bearbeitung
gerade seiner Rechtsfälle an der notwendigen Sorgfalt fehlen, sie nehme
insbesondere seinen schriftlichen Vortrag nicht mit der gebotenen Gründlichkeit
zur Kenntnis und zeige so eine gewisse Indifferenz gegenüber seinen rechtlichen
Anliegen.
Bei dem Vorsitzenden Richter P. ist es sein früheres Verhalten im Verfahren IV/V E
613/81 (später: IV/2 E 613/81), welches in Verbindung mit dem ihm jetzt
unterlaufenen Fehler des Übersehens der Klageerweiterung den Kläger zu dem
Schluß kommen lassen darf, der Richter widme sich seinem Anliegen nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt. In dem vorgenannten Verfahren hatte der Vorsitzende
Richter P. Verfügungen an den Kläger so formuliert, daß sich für diesen der
Eindruck ergeben konnte, er solle im Interesse einer schnellen Erledigung des
Rechtsstreits zu einer bestimmten prozessualen Verhaltensweise - Abgabe einer
Erledigungserklärung - gedrängt werden, obwohl andere Verhaltensweisen
ebenfalls in Betracht kamen. Mit dem auf diesen Vorfall gestützten
Ablehnungsgesuch hatte seinerzeit der Kläger in dem Beschwerdeverfahren V TE
58/82 bei dem beschließenden Senat Erfolg. Die Tatsache, daß sich nunmehr im
vorliegenden Verfahren ein erneuter - wenn auch etwas anders gearteter -
Sorgfaltsverstoß ergeben hat, dem schon für sich allein erhebliches Gewicht
zukommt, berechtigt den Kläger bei einer Gesamtbetrachtung, den Vorsitzenden
Richter P. auch in diesem Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit
abzulehnen.
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die obengenannten früheren
Sorgfaltsverstöße der abgelehnten Richter könnten deshalb nicht berücksichtigt
und in eine Gesamtbetrachtung mit dem jetzigen Sorgfaltsverstoß einbezogen
werden, weil sie dem Kläger schon vor dem mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1984
erklärten Verzicht auf mündliche Verhandlung bekannt gewesen seien, ohne daß
er sie damals zum Anlaß für eine Ablehnung der betreffenden Richter in den
Verfahren IV/2 E 2074/82 und IV/2 E 2075/82 genommen habe, kann nicht gefolgt
werden. Zwar ist der Verlust des Ablehnungsrechts gem. § 43 ZPO i.V.m. § 54 Abs.
1 VwGO durch rügeloses Einlassen in eine mündliche Verhandlung oder rügelose
Antragstellung auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren denkbar (vgl. Bay.VGH,
Beschluß vom 5. Dezember 1979 - Nr. 274 VI 78 -, BayVBl. 1980 S. 343 f.). Durch
nicht rechtzeitige Geltendmachung "verwirken" können dadurch aber nur
Ablehnungsgründe, deren Wirkung sich in einem abgeschlossenen Sachverhalt,
der als solcher das Ablehnungsgesuch stützt, erschöpft. Wirken Ablehnungsgründe
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der als solcher das Ablehnungsgesuch stützt, erschöpft. Wirken Ablehnungsgründe
weiter, indem sie sich mit späteren Vorgängen zu einem "Gesamteindruck"
verbinden, den der Prozeßbeteiligte von dem (den) Richter(n) erhält und auf den er
sodann sein Ablehnungsgesuch stützt, so hindert ein vor Entstehung des
Gesamteindrucks gestellter Antrag oder die Einlassung in eine mündliche
Verhandlung ihre Geltendmachung nicht. So aber verhält es sich bei den oben
genannten Sorgfaltsverstößen, auf die sich der Kläger beruft. Diese haben erst im
Zusammenwirken mit einem weiteren - besonders gewichtigen - ä Sachverhalt,
nämlich dem Übersehen der Klageerweiterungsanträge des Klägers in den
Verfahren IV/2 E 2074/82 und IV/2 E 2075/82 den maßgeblichen Gesamteindruck
begründet, der für den Kläger die Besorgnis der Befangenheit der beiden Richter in
den vorgenannten Verfahren auslöste und ihn veranlaßte, das Ablehnungsgesuch
zu stellen. Mit einem Ablehnungsgesuch vor Erklärung des Verzichts auf mündliche
Verhandlung, welches lediglich auf die ihm damals bekannten Sachverhalte
gestützt gewesen wäre, hätte der Kläger gar keinen Erfolg haben können, da diese
Sachverhalte für sich allein nicht gewichtig genug waren, um die Besorgnis der
Befangenheit zu rechtfertigen. Unerheblich ist auch, daß sich die früheren
Sorgfaltsverstöße, die der Kläger den abgelehnten Richtern zur Last legt, zum Teil
in a n d e r e n von ihm betriebenen Verfahren ereignet haben. Denn aus ihnen
leitet sich im Zusammenwirken mit dem neuen Sorgfaltsverstoß in den Verfahren
IV/2 E 2074/82 und IV/2 E 2075/82 für den Kläger die Befürchtung ab, die Richter
seien generell nicht bereit, sich denjenigen Verfahren mit der erforderlichen
Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu widmen, die er als Kläger betreibe. Der von dem
Kläger geltend gemachte Ablehnungsgrund des Mangels an richterlicher Sorgfalt
ist damit "verfahrensübergreifend". Dies gilt auch, soweit die Ablehnung des
Vorsitzenden Richters P. auf dessen Verhalten in dem Verfahren IV/V E 613/81
(später IV/2 E 613/81) gestützt wird. Es mag sein, daß der Senat das im damaligen
Verfahren gestellte Ablehnungsgesuch vornehmlich wegen einer
Voreingenommenheit des Richters in der Sache für begründet erklärte. Dies aber
schließt es nicht aus, das damalige Verhalten des Vorsitzenden Richters P. unter
dem Aspekt des Mangels an gebotener Sorgfalt und Fürsorge für den Kläger
verfahrensübergreifend in eine Gesamtbetrachtung mit dem neuen
Sorgfaltsverstoß einzubeziehen und so erneut zu berücksichtigen.
Da aus den vorstehend dargelegten Gründen das Ablehnungsgesuch des Klägers
bei beiden Richtern begründet ist, kommt es nicht darauf an, daß alle anderen
Sachverhalte, mit denen der Kläger die Besorgnis der Befangenheit zusätzlich
begründet, eine Ablehnung nicht zu rechtfertigen vermögen. Für die gegen die
Richterin R. erhobenen Vorwürfe, ihre Sorgfaltspflicht auch durch langsame
Arbeitsweise - spätes Anfordern von Behördenunterlagen verletzt und eine
besondere Behördenfreundlichkeit an den Tag gelegt zu haben, gibt der
Sachverhalt nicht genügend her. Unberechtigt erscheinen dem Senat auch die an
den Vorsitzenden Richter P. gerichteten Vorwürfe, er trage für Fehler der
Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Darmstadt die Verantwortung, greife
nicht genügend durch, um Mängel in der Arbeitsweise der Richterin R. abzustellen
und habe zudem dadurch seine richterliche Aufklärungs- und Hinweispflicht
verletzt, daß er dem Kläger nicht selbst schon auf die Zweckmäßigkeit eines
Antrags auf Tatbestandsberichtigung und Urteilsergänzung hingewiesen habe. Zu
dem letztgenannten Vorwurf ist zu sagen, daß es für den Vorsitzenden Richter P.
durchaus eine Ermessensfrage war, ob er die Klarstellung, was der Kläger mit
seinen als Berufung und Streitwertbeschwerde bezeichneten Rechtsbehelfen
bezwecke, selbst herbeiführen oder aber - vorsichtshalber - dem
Verwaltungsgerichtshof, an den sich die Rechtsbehelfe ihrer Bezeichnung nach
richteten, überlassen solle. Hier konnte sich Vorsitzender Richter P. so oder so
entscheiden. Zurückweisen muß der Senat auch den Vorwurf des Klägers,
Vorsitzender Richter P. habe in unzulässiger Weise seinen - des Klägers -
Parteivortrag kritisiert, indem er sich in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 25.
Mai 1982 zum Ablehnungsgesuch im Verfahren IV/V E 613/81 der Formulierung
bedient habe, er - der Kläger - "konstruiere" einen Ablehnungsgrund. Der
Gebrauch des Wortes "konstruieren" erscheint dem Senat verhältnismäßig milde,
vergleicht man den Ausdruck mit den Schärfen, die die Formulierungen des
Klägers aufweisen; so tauchen z.B. in den Schriftsätzen des Klägers zur
Charakterisierung der von ihm beanstandeten Arbeitsweise der abgelehnten
Richter und der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Darmstadt die Worte
"Schlamperei", "Schludrigkeit", "Schludereien", "Schnodderigkeit" auf; und der
Richterin R. wirft der Kläger vor, sie habe in ihrer dienstlichen Stellungnahme vom
9. September 1985 "der Wahrheit zuwider" angegeben, bei der
Entscheidungsfindung die gesamte einschlägige Rechtsprechung berücksichtigt zu
haben. Was schließlich die von dem Kläger vermißte Auseinandersetzung mit dem
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haben. Was schließlich die von dem Kläger vermißte Auseinandersetzung mit dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 1982 BVerwG 8 C 46.81 - in
den Entscheidungsgründen der unter Mitwirkung der abgelehnten Richter zu
zustandegekommen Urteile des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 5. Februar
1985 angeht, so weist der Senat daraufhin, daß sich das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts auf von Gemeinden berechnete Umsatzsteuer bei der
Erhebung von Wasseranschluß b e i t r ä g e n bezieht, nicht aber auf
Umsatzsteuer, die einer Gemeinde von dem mit der Verlegung eines
Hausanschlusses beauftragten Unternehmer in Rechnung gestellt worden ist und
die sie nunmehr aufgrund ihres Kostenerstattungsanspruchs nach § 12 KAG als
Teil der von ihr verauslagten Kosten erstattet verlangt; von daher dürfte das
obengenannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in dem vom
Verwaltungsgericht Darmstadt entschiedenen Fällen gar nicht einschlägig sein.
Selbst wenn aber obergerichtliche Rechtsprechung einschlägig ist, läßt sich aus
der Tatsache allein, daß sie in einem Urteil keine Erwähnung findet, noch nicht der
Schluß ziehen, die Richter hätten diese Rechtsprechung nicht gekannt, sie
übersehen oder sie sogar bewußt unberücksichtigt gelassen; darauf kann also kein
die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigender Sorgfaltsverstoß gestützt werden.
Da gleichwohl das vorliegende Ablehnungsgesuch begründet ist, wie weiter oben
dargelegt wurde, muß der Beschwerde des Klägers stattgegeben werden. Einer
Kostenentscheidung bedarf es nicht, da die Beschwerde Erfolg gehabt hat und die
durch sie verursachten Kosten somit Kosten des Rechtsstreits sind, in dem die
Richterablehnung erfolgt ist.
Dieser Beschluß ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.