Urteil des HessVGH vom 31.08.1987

VGH Kassel: vertreter, vollmachten, klagerücknahme, vertretungsmacht, rechtsnachfolger, beratung, besitz, kaufvertrag, grundstück, anforderung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 TE 1887/87
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 67 Abs 3 VwGO, § 92 Abs
2 VwGO, § 155 Abs 2
VwGO, § 173 VwGO, § 89
ZPO
(Klagerücknahme durch vollmachtlosen Vertreter)
Gründe
I.
Die Kläger waren Eigentümer des im Außenbereich der Gemeinde H.-C. in der
Gemarkung B. in der Flur 46 gelegenen Flurstücks 1 1/1 , das mit einem
Wochenendhaus mit Anbauten, einer Wellblechhütte, einem überdachten Sitzplatz
bebaut und mit einem 1,60 bis 2 m hohen Maschendrahtzaun eingefriedet ist. Mit
Bescheid vom 12. Februar 1980 versagte der Beklagte die von den Klägern
beantragte Baugenehmigung und ordnete gleichzeitig an, die Baulichkeiten
niederzulegen. 1981 veräußerten die Kläger das bebaute Grundstück an die
Beschwerdeführer. Mit Widerspruchsbescheid vom 8 Juni 1983, gerichtet an die
Kläger, wies der Regierungspräsident in Darmstadt deren Widersprüche im
wesentlichen zurück. Am 12. Juni. 1983 erhoben die Beschwerdeführer für die
Kläger beim Verwaltungsgericht. Frankfurt am Main Klage. Am 10. August 1983
legten die Beschwerdeführer auf Anforderung des Gerichts vier Bescheinigungen
der jeweiligen Kläger vor, die folgenden Wortlaut hatten:
"Hiermit bevollmächtigte ich die Eheleute F. und Söhne durch Kaufvertrag vom
7. Juli 1981 ihre eigenen Interessen als Rechtsnachfolger zu wahren.
Aufgrund dieser Vollmacht dürfen für mich keinerlei Kosten entstehen."
Mit Beschluß vom 22. Mai 1987 forderte das Verwaltungsgericht die
Beschwerdeführer auf, bis zum 15. Juni 1987 eine Prozeßvollmacht vorzulegen.
Gleichzeitig wies das Gericht die Beschwerdeführer daraufhin, daß sie bisher noch
keine Verfahrensvollmachten vorgelegt hätten, die den gesetzlichen
Anforderungen entsprächen. Das Gericht setzte die Beschwerdeführer weiterhin
davon in Kenntnis, daß es beabsichtige, einen Gerichtsbescheid zu erlassen, und
gab ihnen Gelegenheit zu einer Stellungnahme bis zum 5. Juni 1987. Daraufhin
nahmen die Beschwerdeführer die Klage mit Schreiben vom 31. Mai 1987 am 3.
Juni 1987 zurück. Das Gericht stellte das Verfahren mit Beschluß vom 23. Juni 1987
ein, erlegte die Kosten des Verfahrens den Beschwerdeführern auf und setzte den
Wert des Streitgegenstandes auf 4.000,-- DM fest. Die Kostenentscheidung
begründete das Gericht damit, daß die Beschwerdeführer Klage erhoben hätten,
ohne im Besitz von wirksamen Verfahrensvollmachten zu sein, und daß sie auch
nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist entsprechende Vollmachten
vorgelegt hätten.
Gegen die am 26. Juni 1987 den jeweiligen Beschwerdeführern zugestellten
Beschlüsse haben diese am 8. Juli 1987 Beschwerde eingestellt, der das
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluß vom 10. Juli 1987 nicht
abgeholfen hat.
Mit dem Rechtsmittel begehren die Beschwerdeführer, ihnen die Pflicht zur
Tragung der Kosten zu erlassen.
Die Behördenakten (ein Hefter) sind beigezogen und zum Gegenstand der
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Die Behördenakten (ein Hefter) sind beigezogen und zum Gegenstand der
Beratung gemacht worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichts- und der Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluß zu Recht die Kosten
des erstinstanzlichen Verfahrens den Beschwerdeführern auferlegt.
Dabei ist vorab festzustellen, daß das Verwaltungsgericht befugt war, mit Beschluß
vom 23. Juni 1987 das Verfahren einzustellen. Denn die Beschwerdeführer haben
zuvor mit Schriftsatz vom 31. Mai. 1987 die von ihnen für die Kläger erhobene
Klage wirksam zurückgenommen.
Die Beschwerdeführer haben dabei diese prozessuale Erklärung als Vertreter ohne
nachgewiesene Vertretungsmacht abgegeben. Zum einen erfüllten die von ihnen
vorgelegten, im Wortlaut identischen Schreiben der Kläger nicht die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Bevollmächtigung. Eine solche Vollmacht setzt stets
voraus, daß der Vertretene zweifelsfrei erkennen läßt, daß der von ihm beauftragte
Vertreter seine, des Vertretenen, Rechtsangelegenheiten in fremden Namen vor
Gericht wahrnehmen soll. In dem gleichlautenden Schreiben heißt es jedoch
lediglich, daß die Beschwerdeführer "als Rechtsnachfolger" im Eigentum der Hütte
"ihre eigenen Interessen" wahren dürfen. Es fehlt dagegen an jeglichem Hinweis,
daß die Beschwerdeführer für die Kläger ein Verwaltungsstreitverfahren zu führen
berechtigt waren. Untermauert wird die Richtigkeit dieses Ergebnisses auch
dadurch, daß es am Ende der Schreiben jeweils heißt, aufgrund "dieser Vollmacht"
- um eine solche handelt es sich ja gerade nicht -" dürfen für mich "- gemeint ist
der jeweilige Kläger -, "keinerlei Kosten entstehen".
Zum anderen haben die Bevollmächtigten in der vom Gericht gemäß § 67 Abs. 3
VwGO gesetzten Frist keine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden
Vollmachten vorgelegt.
Der Senat stimmt mit dem Verwaltungsgericht darin überein, daß die
Beschwerdeführer wirksam die Klage zurückgenommen haben. Dafür sprechen
folgende Überlegungen:
Indem die Beschwerdeführer als vollmachtlose Vertreter für die Kläger Klage
erhoben hatten, gaben sie eine Erklärung im Verwaltungsprozeß ab, die nicht ohne
jede Wirkung war. Ihre Erklärung bewirkte vielmehr, daß die Klage rechtshängig
wurde. Allerdings konnte in der Sache selbst, sofern dieser Mangel nicht rechtzeitig
durch Vorlage ordnungsgemäßer Vollmachten behoben wurde, nicht entschieden
werden. Die Klage hätte durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden
müssen, wenn sie nicht zurückgenommen worden wäre.
Daß die Vertreter ohne nachgewiesene Vertretungsmacht, die die Kläger nicht
wirksam verpflichten können, eine Klage in fremden Namen immerhin wirksam
erheben können, legt den Schluß nahe, daß sie sie auch wieder zurücknehmen
und somit als Gegenstück zur Klageerhebung das von ihnen im Namen Dritter
begründete Prozeßrechtsverhältnis zum Erlöschen bringen können. Mit der
Zulassung einer solchen Fehlerkorrektur wird nicht grundsätzlich in Frage gestellt,
daß vollmachtlose Vertreter auch prozessual nicht in weitergehendem Umfang für
die Vertretenen handeln können. Dieses Ergebnis ist auch im Hinblick auf die
berechtigten Interessen der vollmachtlos Vertretenen unbedenklich, denn es
bringt ihnen - anders als etwa ein Klageverzicht - keinen Nachteil. Es ist in weiterer
Hinsicht sachgerecht, denn zum einen wird die Justiz entlastet, weil das zuständige
Gericht keine den Streit beendende Entscheidung in der Gestalt eines Urteils oder
Gerichtsbescheides erlassen mußte, sondern das Verfahren durch Beschluß
einstellen konnte. Zum anderen werden die Verfahrenskosten niedrig gehalten. Im
vorliegenden Fall fiel nur eine allgemeine Verfahrensgebühr (Nr. 1200 des
Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 11 GKG) an; zwei weitere Gebühren für ein
Endurteil (Nr. 1205 des Kostenverzeichnisses) entfielen. Aus den gleichen
Erwägungen werden in der Rechtsprechung zu ähnlichen Sachverhalten die
entsprechenden Schlüsse gezogen (so auch BFH, Beschluß vom 31. Januar 1978 -
VII K 2/77 = BFHE 124, S. 156 f. und Beschluß vom 22. Mai 1979 - VII 8 10/79 =
BFHE 128, S. 24 f.; im Falle fehlender Postulationsfähigkeit
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BFHE 128, S. 24 f.; im Falle fehlender Postulationsfähigkeit
Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 16. Februar 1962 - BVerwG VII C 66.61 -
BVerwGE 14, 19 <20>).
Die wirksame Klagerücknahme hatte zur Folge, daß das Verwaltungsgericht das
Verfahren durch Beschluß einstellte und in diesem Beschluß die sich aus dem
Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Rücknahme auszusprechen hatte (§ 92 Abs.
2 VwGO). Eine dieser Rechtsfolgen ist, daß demjenigen, der eine Klage
zurücknimmt, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen sind (§ 155 Abs. 2 VwGO).
Die Kostentragungspflicht trifft im vorliegenden Fall nicht die Kläger, sondern die
Beschwerdeführer als vollmachtlose Vertreter (§§ 173 VwGO i.V.m. § 89 ZPO in
entsprechender Anwendung), nachdem die Beschwerdeführer in der vom Gericht
festgesetzten Frist die erforderlichen Verfahrensvollmachten nicht eingereicht
hatten (§ 67 Abs. 3 VwGO). Diese Kostenfolge wäre auch dann eingetreten, wenn
die Klage durch Urteil abgewiesen worden wäre.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§§
154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO in entsprechender Anwendung).
Der Wert des Beschwerdeverfahrens bei einem Gegenstandswert von 4.000,00 DM
beträgt 101,-- DM für eine Verfahrensgebühr (§§ 73 Abs. 1 GKG, Kostenverzeichnis
Nr. 1200, Anlage 1 zu § 11 GKG, Anlage 2 zu § 11 GKG in der Fassung des
Gesetzes vom 15. Dezember 1975, BGBl. 1 S. 3047).
Hinweis: Der Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2
Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.