Urteil des HessVGH vom 29.03.1995

VGH Kassel: ausländer, ärztliche untersuchung, härte, eltern, aufenthaltserlaubnis, eugh, arbeitserlaubnis, gesundheitszustand, beruf, verfügung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
12. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 TH 2856/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 6 Abs 1 Ss 1
EWGAssRBes 1/80, Art 6
Abs 1 Ss 2 EWGAssRBes
1/80, Art 7 S 1
EWGAssRBes 1/80
(Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung: maßgeblicher
Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage einer
ordnungsgemäßen Beschäftigung nach EWGAssRBes 1/80
Art 6 Abs 1; Risiko von Verzögerungen bei der Bearbeitung
des Verlängerungsantrages)
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe konnte keinen Erfolg haben. Der
Antragsteller hat trotz Ankündigung und Aufforderung innerhalb der gesetzten
Frist keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
vorgelegt, so daß schon deshalb die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abzulehnen
war (§ 166 VwGO, § 118 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Verwaltungsgericht hat nämlich im Ergebnis zu Recht den Antrag des
Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs
gegen die ausländerrechtliche Verfügung der Antragsgegnerin vom 26. Oktober
1993 abgelehnt. Dieser Bescheid erweist sich nämlich bereits nach der im
vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen überschlägigen Prüfung
als offensichtlich rechtmäßig mit der Folge, daß dem privaten Interesse des
Antragstellers, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens in der
Bundesrepublik Deutschland bleiben zu können, gegenüber dem öffentlichen
Interesse an einer umgehenden Beendigung seines Aufenthalts kein Vorrang
eingeräumt werden kann.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, daß der Antrag nach § 80 Abs. 5
VwGO statthaft ist, da insoweit an ein durch § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG
begründetes, vorläufiges Bleiberecht angeknüpft werden kann. Denn der
Antragsteller hielt sich bis zur Beantragung der begehrten
Aufenthaltsgenehmigung (vgl. Hess. VGH, 10.12.1993 - 12 TH 1681/93 -) länger
als sechs Monate rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Damit galt nach § 69 Abs. 3
Satz 1 AuslG sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über
diesen Antrag als erlaubt. Daran könnte bei Anordnung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs gegen den ablehnenden Bescheid angeknüpft
werden.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist aber nicht begründet. Für die
rechtliche Beurteilung des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers ist, da ein
Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist, grundsätzlich die derzeitige Sach-
und Rechtslage maßgebend (Hess. VGH, 21.12.1989 - 12 TH 2820/88 -, EZAR 622
Nr. 7), soweit nicht aufgrund besonderer Umstände auf einen anderen Zeitpunkt
abzustellen ist.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten
Aufenthaltsgenehmigung. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus
dem zur Beurteilung des Begehrens des volljährigen Antragstellers auf Zuzug zu
seinen in Deutschland lebenden Eltern heranzuziehenden § 22 AuslG. Danach
kann einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers nach Maßgabe des §
kann einem sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers nach Maßgabe des §
17 AuslG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer
außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, wobei auf volljährige Familienangehörige
§ 18 Abs. 4 und § 19 AuslG entsprechende Anwendung finden. Auch wenn die
Vorschrift nach der gesetzlichen Überschrift den "Nachzug" sonstiger
Familienangehöriger betrifft, ist sie in den Fällen entsprechend anwendbar, in
denen ein vor Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes in die Bundesrepublik
Deutschland eingereister Ausländer nunmehr seinen weiteren Aufenthalt bei
Familienangehörigen anstrebt (vgl. dazu Hess. VGH, 30.06.1992 - 12 TH 654/92 -).
Die Voraussetzungen des § 22 AuslG liegen aber in der Person des Antragstellers
nicht vor. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Norm kommt für
den Antragsteller schon deswegen nicht in Betracht, weil dies nicht zur
Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Eine
außergewöhnliche Härte im Sinne dieser Vorschrift kann nur angenommen
werden, wenn es im Einzelfall zu Härten aufgrund der Ablehnung der
Aufenthaltserlaubnis kommt, die unter Berücksichtigung des Schutzgebotes des
Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG im Vergleich zu den anderen Familiennachzugsfällen der
§§ 17 bis 21 AuslG wegen individueller Besonderheiten zu nach Art und Schwere
ganz ungewöhnlichen Schwierigkeiten führt. Dabei ist entscheidend der Zweck des
Familiennachzugs, nämlich Herstellung und Wahrung der Familiengemeinschaft;
außerhalb dieses Schutzbereichs liegende Beeinträchtigungen sind in der Regel
unbeachtlich (Kanein/Renner, AuslR, 1993, 6. Aufl., § 22 AuslG Rdnr. 4). Eine
außergewöhnliche Härte liegt deshalb für volljährige Familienangehörige in der
Regel nicht vor, weil es im allgemeinen nicht mehr zu einer auf Dauer angelegten
familiären Lebensgemeinschaft mit anderen Familienangehörigen kommt
(Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, 1991, S. 91).
Erwachsene sind aufenthaltsrechtlich selbständig zu behandeln; sie benötigen in
der Regel familiäre Lebenshilfe nicht mehr, auch wenn sie auf finanzielle oder
wirtschaftliche Unterstützung durch ihre im Bundesgebiet lebenden Eltern oder
andere Familienangehörige angewiesen sein sollten (Kanein/Renner, a.a.O., § 22
AuslG Rdnr. 6). Nach diesen Kriterien liegt im Falle des Antragstellers keine
außergewöhnliche Härte im Sinne des § 22 AuslG vor. Insbesondere ist weder
dargelegt noch ersichtlich, daß der 37 Jahre alte Antragsteller in einer das
Zusammenleben im Bundesgebiet erfordernden Weise auf die Hilfe seiner Eltern
nach wie vor angewiesen wäre (vgl. zum Kriterium der familiären
Beistandsgemeinschaft: Fraenkel, a.a.O., S. 9 f.; Kanein/Renner, a.a.O., § 22 AuslG
Rdnr. 8 f.; BVerfG - Kammer -, 14.12.1989 - 2 BvR 377/88 -, EZAR 105 Nr. 27;
BVerfG, 26.03.1982 - 1 C 29.81 -, BVerwGE 65, 188 = EZAR 105 Nr. 3; BVerwG,
04.10.1982 - 1 B 93.82 -, EZAR 105 Nr. 4; Hess. VGH, 30.04.1992 - 12 UE 342/92 -
). Volljährige Familienangehörige benötigen in der Regel nicht mehr die Betreuung
und Erziehung durch ihre Eltern. Sie können deshalb grundsätzlich keine
Nachzugsmöglichkeit zu anderen Familienangehörigen verlangen. Zutreffend hat
das Regierungspräsidium in seiner den Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO
ablehnenden Entscheidung vom 21. Januar 1994 ausgeführt, daß der Antragsteller
die Notwendigkeit einer solchen Beistandsgemeinschaft nicht glaubhaft gemacht
hat. Nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten leidet der Antragsteller seit 1982
unter erheblichen psychischen und psychosomatischen Störungen, und ihm wurde
durch amtsärztliches Gutachten vom 20. August 1988 bescheinigt, daß er
psychisch erkrankt und deshalb auf die Umgebung seiner Angehörigen
angewiesen ist. Trotz mehrfacher Aufforderungen des Gesundheitsamtes der
Antragsgegnerin, sich erneut auf seinen gesundheitlichen Zustand untersuchen zu
lassen, ist dem der Antragsteller nicht in dem für erforderlich angesehenen
Umfang nachgekommen, so daß derzeit keine Erkenntnisse darüber vorliegen,
daß sein aktueller gesundheitlicher Zustand sich dahin entwickelt hätte, daß er
nunmehr auf Dauer bei seiner Familie in der Bundesrepublik Deutschland bleiben
müßte. Da dem Antragsteller von seiten der Antragsgegnerin von Anfang an
unmißverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, daß sein weiterer Aufenthalt im
Bundesgebiet maßgeblich von seinem Gesundheitszustand abhängig ist - zuletzt
unter Hinweis auf § 70 Abs. 1 AuslG -, bedeutet das, daß eine weitere Erteilung
einer Aufenthaltsgenehmigung nur in Betracht kam, wenn sich sein
Gesundheitszustand nicht wesentlich verbesserte. Eine Feststellung dieser Art
bedingte zwangsläufig eine ärztliche Untersuchung. Wenn dem der Antragsteller
nicht nachkam und insoweit seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllte, führt dies
nach § 70 Abs. 1 Satz 1 AuslG zu einer Modifizierung der behördlichen
Sachverhaltsermittlung (Kanein/Renner, a.a.O., § 70 AuslG Rdnr. 2) mit der Folge
einer diesbezüglichen Präklusion für das Verwaltungsverfahren. Zwar gilt diese
Präklusion nicht für das gerichtliche Verfahren (Kanein/Renner, a.a.O., § 70 AuslG
Rdnr. 10); jedoch ergeben sich aus den vom Antragsteller während des
gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, daß
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gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür, daß
er aufgrund seines Gesundheitszustandes zur Vermeidung einer
außergewöhnlichen Härte in einer das Zusammenleben im Bundesgebiet
erfordernden Weise auf die Hilfe seiner Eltern angewiesen wäre. Der Antragsteller
versichert an Eides statt, daß er wegen einer endogenen Depression noch immer
in ärztlicher Behandlung sei, und legt gleichzeitig die Kopie eines ärztlichen Attests
eines Neurologen und Psychiaters vom 25. November 1994 vor, wonach er sich
seit März 1990 in kontinuierlicher ambulanter Behandlung befinde; es handele sich
um eine schwere depressive Entwicklung mit verschiedenen Organbeschwerden,
insbesondere mit erheblichen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG. Zwar erteilte die Antragsgegnerin
dem Antragsteller zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung, gültig bis zum 24. Februar
1992 (Bl. 169 der Behördenakten); sie behandelte ihn aber im übrigen während
des gesamten Verfahrens so, als hätte er eine Aufenthaltsbefugnis erhalten.
Dieser Aufenthaltstitel entspricht wohl auch dem, was die Ausländerbehörde zur
Grundlage ihrer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung machen wollte, nämlich dem
Antragsteller den Aufenthalt im Bundesgebiet aus humanitären Gründen zu
ermöglichen. Unabhängig davon, auf welchen Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit
des Aufenthalts nach § 30 Abs. 2 AuslG abzustellen ist, fehlt es jedenfalls am
Vorliegen "dringender humanitärer Gründe", das erst eine Ermessensentscheidung
der Ausländerbehörde hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis eröffnen
könnte. Denn dringende humanitäre Gründe stehen einer Rückkehr des
Antragstellers in die Türkei nicht entgegen. Nur in besonders gelagerten
Ausnahmefällen bezogen auf den Vergleichsmaßstab anderer Ausländer können
dringende humanitäre Gründe bejaht werden (Kanein/Renner, a.a.O., § 30 AuslG
Rdnr. 7). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Dabei ist
die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet nicht als
dringender humanitärer Grund anzusehen, weil er, nachdem er keine
entsprechende Nachweise über seinen Gesundheitszustand vorlegte, von dem er
seit dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 21. Juni 1989 wissen mußte, daß
dies das ausschlaggebende Kriterium für die Antragsgegnerin für die Erteilung von
Aufenthaltstiteln zu seinen Gunsten war, nicht auf einen weiteren Aufenthalt im
Bundesgebiet vertrauen durfte (§ 30 Abs. 2, 2. Halbsatz AuslG). Auch soweit sich
sein früherer Aufenthalt auf ihm befristet erteilte Aufenthaltserlaubnisse zu
Studiumszwecken begründete, kann er insoweit aus der Dauer dieses Aufenthalts
ebenfalls nichts zu seinen Gunsten ableiten. Es handelt sich dabei nämlich um den
typischen Fall eines zweckspezifischen und seiner Natur nach nur
vorübergehenden Aufenthalts im Bundesgebiet.
Der Ablehnung der begehrten Aufenthaltsgenehmigung steht auch nicht Art. 6 des
Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/ Türkei über die Entwicklung der
Assoziation - ARB - (ANBA 1981, 4) entgegen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 1.
Gedankenstrich ARB kann ein türkischer Arbeitnehmer nicht nur die Verlängerung
seiner Arbeitserlaubnis, sondern auch die Verlängerung der
Aufenthaltsgenehmigung verlangen, wenn er mindestens ein Jahr ordnungsgemäß
bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt war und über einen Arbeitsplatz verfügt
(EuGH, 16.12.1992 - C 237/91 -, EZAR 810 Nr. 7 = NVwZ 1993, 258 = InfAuslR
1993, 41). Sobald ein Arbeitnehmer diese Voraussetzungen erfüllt, ist es
unerheblich, zu welchem Zweck die Aufenthaltserlaubnis ursprünglich erteilt
worden war (EuGH, 16.12.1992, a.a.O.). Deshalb ist es insoweit unschädlich, daß
dem Antragsteller nach seiner Einreise zunächst der Aufenthalt in Deutschland zu
Studienzwecken und dann aus humanitären Gründen gestattet worden ist.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein türkischer
Staatsangehöriger ordnungsgemäß beschäftigt im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB ist,
ist im Falle der Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung (für die Ausweisung:
Hess. VGH, 22.11.1993 - 12 TH 2030/93 -, EZAR 025 Nr. 8 = InfAuslR 1994, 173)
grundsätzlich der letzte Tag der Geltungsdauer der bisher erteilten
Aufenthaltsgenehmigung, sofern der Ausländer rechtzeitig (vgl. Hess. VGH,
06.02.1995 - 12 TH 3273/94 -) den Verlängerungsantrag gestellt hat. Würde man
auf einen späteren Zeitpunkt - z. B. Erlaß des ausländerbehördlichen Bescheides -
abstellen, hätte dies zur Konsequenz, daß ein türkischer Staatsangehöriger dann
die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB schon deshalb nicht erfüllen könnte,
weil er nach Ablauf der Geltungsdauer seiner bisherigen Aufenthaltsgenehmigung
bis zum Erlaß der für ihn negativen ausländerrechtlichen Verfügung in der Regel
allenfalls noch ein fiktives Bleiberecht gemäß § 69 Abs. 2, Abs. 3 AuslG hätte, das
aber als Grundlage für einen "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinne des Art. 6
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aber als Grundlage für einen "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinne des Art. 6
Abs. 1 ARB nicht ausreicht (vgl. Hess. VGH, 15.12.1993, a.a.O.). Hinzu käme noch,
daß es dann die Ausländerbehörde durch die Wahl des Zeitpunktes ihrer
Entscheidung in der Hand hätte, über das Vorliegen der Voraussetzungen nach
Art. 6 ARB zu befinden. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne von Art. 6
ARB setzt dabei zunächst eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf
dem Arbeitsmarkt voraus; dies ist bereits dann nicht gegeben, wenn ein türkischer
Arbeitnehmer sich lediglich verfahrensbedingt vorläufig im Bundesgebiet aufhalten
darf (EuGH, 20.09.1990 - C 192/89 -, EZAR 811 Nr. 11 = NVwZ 1991, 255). Eine
ordnungsgemäße Beschäftigung kann dabei aber nur ausüben, wer sowohl über
ein nicht nur vorübergehendes Aufenthaltsrecht als auch über eine gesicherte und
nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt verfügt (vgl. EuGH, 16.12.1992,
a.a.O.), so daß dies nur dann gegeben ist, wenn sowohl die Zustimmung der
Ausländerbehörde als auch des Arbeitsamts vorliegen, soweit Aufenthalt oder
Erwerbstätigkeit nicht ohne Genehmigung gestattet sind (vgl. Hess. VGH,
20.05.1994 - 12 TH 986/94 -; vgl. auch BVerwG, 24.01.1995 - 1 C 2.94 -).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Antragsteller letztlich keinen
Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB.
Er hat den Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung zwar
rechtzeitig gestellt. Er beantragte die Verlängerung der ihm am 3. Mai 1991, gültig
bis 24. Februar 1992, erteilten Aufenthaltsgenehmigung in der Form der
Aufenthaltsbewilligung am 19. Februar 1992. In diesem Antrag brachte er auch
zum Ausdruck, daß er bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterhin seiner
Beschäftigung nachgehen wird. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte der Antragsteller die
Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB. Er war aufgrund einer ihm
am 22. Mai 1989 erteilten unbefristeten Arbeitserlaubnis seit dem 9. September
1989 bei dem gleichen Arbeitgeber tätig, verfügte über einen Arbeitsplatz, und die
ihm erteilte Aufenthaltsgenehmigung war mit dem Zusatz "Arbeitsaufnahme nur
mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet" versehen. Damit lagen zum Zeitpunkt
seiner Antragstellung die assoziationsrechtlichen Voraussetzungen für die
Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich
ARB vor; jedoch waren die des Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB noch nicht
gegeben, weil der Antragsteller noch nicht drei Jahre ordnungsgemäß beschäftigt
war. Erst am 9. September 1992 war der Antragsteller drei Jahre beschäftigt;
jedoch verfügte er zu diesem Zeitpunkt nach dem Ablauf der Geltungsdauer
seiner Aufenthaltsgenehmigung am 24. Februar 1992 nur über einen vorläufigen
Aufenthaltsstatus nach § 69 Abs. 3 AuslG, so daß er deshalb nicht
ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB beschäftigt war. Damit verbleibt
es dabei, daß der Antragsteller nur einen Anspruch auf Verlängerung seiner
Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB bei dem gleichen
Arbeitgeber hatte. Da dieser Arbeitgeber aber am 15. August 1993 in Konkurs
gegangen ist, kann dieser Anspruch jetzt nicht mehr realisiert werden. Zwar ist der
Antragsteller mittlerweile im gleichen Beruf bei einem anderen Arbeitgeber tätig.
Ein Anspruch nach Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB mit dem damit verbundenen
Anspruch auf Arbeitsplatzwechsel im gleichen Beruf steht dem Antragsteller
mangels ordnungsgemäßer Beschäftigung von drei Jahren jedoch nicht zu.
Ob der Antragsteller bei rechtzeitiger Entscheidung der Ausländerbehörde über
seinen Verlängerungsantrag die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 2.
Spiegelstrich ARB erfüllt hätte, spielt für die zu treffende Entscheidung letztlich
keine Rolle. Voraussetzung dafür ist zunächst, daß der Zeitraum einer
ordnungsgemäßen Beschäftigung nicht unterbrochen wird. Zwar verlangt Art. 6
Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB keine ununterbrochene dreijährige ordnungsgemäße
Beschäftigung. Es ist aber zu beachten, daß nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 ARB nur die
Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden
ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie Zeiten der Abwesenheit wegen
langer Erkrankung die aufgrund der vorherigen Tätigkeit erworbenen Ansprüche
nicht berühren, so daß andere Unterbrechungsgründe grundsätzlich schädlich
erscheinen (vgl. VGH Baden-Württemberg, 02.02.1994 - 11 S 1014/93 -; a.A.
Huber, NJW 1985, 2061). Daraus folgt für einen türkischen Staatsangehörigen, daß
er seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung so frühzeitig
stellen muß, daß es dadurch der Ausländerbehörde ermöglicht wird, lückenlos die
begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Denn nur in diesem Fall tritt kein
fiktives Bleiberecht des Ausländers nach § 69 Abs. 2, Abs. 3 AuslG auf. Vorliegend
hat der Antragsteller jedoch erst fünf Tage vor Ablauf der Geltungsdauer seiner
Aufenthaltsgenehmigung den Verlängerungsantrag gestellt. Er konnte aber nicht
damit rechnen, daß die Ausländerbehörde innerhalb der verbleibenden fünf Tage
über diesen Antrag entscheidet, insbesondere wenn, was dem Antragsteller
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über diesen Antrag entscheidet, insbesondere wenn, was dem Antragsteller
ebenfalls bekannt war, aus der Sicht der Ausländerbehörde für die Verlängerung
der aus humanitären Gründen erteilten Aufenthaltsgenehmigung der
gesundheitliche Zustand des Antragsteller maßgebend und hierfür ein
amtsärztliches Gutachten erforderlich war. Da der Antragsteller dieses Verlangen
der Ausländerbehörde kannte, lag es an ihm, eine zeitliche Verzögerung durch die
Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten so kurz wie möglich zu halten. Auf keinen Fall
kann nach Lage der Dinge festgestellt werden, daß die Ausländerbehörde ihre
Entscheidung willkürlich hinausgezögert hätte; sie hat vielmehr den Antragsteller
mehrfach auf die aus ihrer Sicht erforderliche Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten
hingewiesen. Auch wenn die Ausländerbehörde nur assoziationsrechtliche
Erwägungen geprüft hätte, kann nicht festgestellt werden, daß sie mit ihrer
Entscheidung willkürlich bis nach dem Ablauf der dem Antragsteller erteilten
Aufenthaltsgenehmigung gewartet oder die Entscheidung unangemessen
hinausgezögert hätte. Denn es ist insoweit u. a. erforderlich, daß der Antragsteller
entsprechende Arbeitgeberbescheinigungen über die Dauer seiner Beschäftigung
vorlegt. Dies ist aber erst im gerichtlichen Verfahren erfolgt.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, der Antragsteller habe den
Verlängerungsantrag so frühzeitig im obigen Sinne gestellt und die
Ausländerbehörde habe über einen vollständigen und mit allen notwendigen
Unterlagen versehenen, das heißt entscheidungsreifen Antrag unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht innerhalb
angemessener Frist entschieden, führt dies letztlich nicht zum Vorliegen der
Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB, weil nämlich der Antragsteller nicht mehr
als Arbeitnehmer anzusehen ist. Der Senat neigt zu der Annahme, daß eine
darüber hinausgehende Verzögerung, die der Ausländer zu vertreten hat, weil er z.
B. seinen Mitwirkungspflichten nicht in dem gebotenen Maße nachgekommen ist,
und ein sich daraus ergebendes Fehlen einer ordnungsgemäßen Beschäftigung,
weil ihm deshalb eine neue Aufenthaltsgenehmigung nicht im unmittelbaren
Anschluß an den Ablauf seiner bisherigen Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden
konnte, regelmäßig zu seinen Lasten geht. Wenn demgegenüber die
Ausländerbehörde nicht innerhalb angemessener Frist über den
entscheidungsreifen Verlängerungsantrag entscheidet und der Ausländer nur
deshalb seinen Status nach Art. 6 ARB wegen eines dann nur bestehenden fiktiven
Bleiberechts nach § 69 Abs. 2, Abs. 3 AuslG verlieren würde, muß der Ausländer,
wenn die sonstigen Voraussetzungen des Art. 6 ARB auch weiter gegeben sind, so
gestellt werden, als hätte die Ausländerbehörde spätestens mit dem Ablauf der
ihm bisher erteilten Aufenthaltsgenehmigung über seinen Verlängerungsantrag
entschieden. Es kann nämlich nicht angehen, daß der Ausländer das Risiko einer
verzögerten Bearbeitung durch die Ausländerbehörde zu tragen hat, wenn er alles
Erforderliche getan hat, um eine Entscheidung der Ausländerbehörde innerhalb
angemessener Frist zu ermöglichen.
Unterstellt man, daß die Ausländerbehörde unter Berücksichtigung des oben
dargestellten Bestehens eines Anspruchs auf Verlängerung der
Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB dem
Antragsteller eine Aufenthaltsgenehmigung aufgrund Assoziationsrechts in
unmittelbaren Anschluß an die vorherige Aufenthaltsgenehmigung erteilt hätte,
hätte der Antragsteller damit zunächst ohne Unterbrechung weiter die
Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Beschäftigung erfüllt. Er wäre dann am
9. September 1992 in den 2. Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 1 ARB hineingewachsen.
Unter der Voraussetzung der rechtzeitigen Antragstellung auf Verlängerung der
Aufenthaltsgenehmigung und den weiteren obigen Unterstellungen hätte der
Antragsteller zum Zeitpunkt des Konkurses seines damaligen Arbeitgebers am 15.
August 1993 nach Art. 6 Abs. 1 2. Spiegelstrich ARB das Recht gehabt, sich im
gleichen Beruf bei einem anderen Arbeitgeber zu bewerben. Dies würde ihm
jedoch nur dann einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung
vermitteln, wenn er auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllen würde. Dies ist
jedoch nicht der Fall. Art. 6 Abs. 1 ARB verlangt u. a., daß es sich bei dem
türkischen Staatsangehörigen um einen Arbeitnehmer handeln muß.
Arbeitnehmer ist aber nur jemand, der einer unselbständigen Erwerbstätigkeit
nachgeht, wobei es entscheidend ist, ob eine entgeltliche Arbeitsleistung erbracht
wird (vgl. Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, Stand: Juni 1994, Art. 6
ARB Rdnr. 8; OVG Schleswig-Holstein, 09.03.1993 - 4 L 175/92 -, InfAuslR 1993,
164, 165). Davon kann jedoch dann nicht ausgegangen werden, wenn der
Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bei seinem neuen Arbeitgeber
überhaupt kein Arbeitsentgelt erhält.
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Der Antragsteller kann auch keinen Anspruch auf Verlängerung seiner
Aufenthaltsgenehmigung aus Art. 7 ARB ableiten. Er zählte zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens des ARB am 1. Dezember 1980 (Art. 16 Abs. 1 ARB) nicht mehr zu
dem durch Art. 7 ARB begünstigten Personenkreis. Dabei bedarf es keiner Klärung,
ob zur Beurteilung der Frage, wer zu den Familienangehörigen im Sinne des Art. 7
ARB zu zählen ist, die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften heranzuziehen sind
(vgl. Renner, ZAR 1995, 13, 21; Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts,
Stand: Juni 1994, Art. 7 ARB Rdnr. 3; grundsätzlich a. A.: Hailbronner, JZ 1995,
127.134). Selbst die Altersgrenze des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG/ EWG von 21
Jahren war beim Antragsteller jedoch bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Assoziationsratsbeschlusses am 1. Dezember 1980 (Art. 16 Abs. 1 ARB)
überschritten, so daß sich zu seinen Gunsten nichts aus Art. 7 ARB ableiten läßt.
Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat der Antragsteller die Kosten des
Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.