Urteil des HessVGH vom 21.09.2005

VGH Kassel: treppe, sicherheit, werbung, behörde, aluminium, denkmal, eigentum, ausnahme, begriff, sondernutzung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 UE 2140/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 16 HStrG
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Dienstleistungsunternehmen, dessen
Unternehmensgegenstand u.a. die Außenwerbung mit Plakaten ist. Mit seiner
Klage begehrt er die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen gemäß § 16 des
Hessischen Straßengesetzes (HStrG) für das Anbringen von Aluminium-Rahmen in
der Größe von ca. 60 x 90 cm an den Auf- und Abgängen verschiedener S- und U-
Bahn-Stationen im Stadtgebiet der Beklagten. Die Aluminium-Rahmen sollen zur
wechselnden Aufnahme von Plakaten im Format DIN-A 1 (59,4 x 84,1 cm) für
Kultur- und Veranstaltungswerbung dienen. Für die Nutzung der Umwehrungen der
Auf- und Abgänge der in Aussicht genommenen S- und U-Bahn-Stationen schloss
der Kläger im Oktober 1996 entsprechende Mietverträge mit der Deutschen
Eisenbahn-Reklame GmbH.
Mit Schreiben vom 14. Januar 1997 beantragte der Kläger die Erteilung von
Sondernutzungserlaubnissen für die Anbringung der Aluminium-Rahmen
(Werberahmen) für zunächst 23 Standorte im Stadtgebiet der Beklagten. Diesen
Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 1997 aus gestalterischen
Gründen sowie wegen einer befürchteten Beeinträchtigung der Sicherheit und
Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch die Werbeplakate ab.
Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos. In ihrem Widerspruchsbescheid
vom 30. April 1998 führte die Beklagte zur Begründung aus, sie habe ihr Recht zur
planmäßigen Ausnutzung aller Werbemöglichkeiten an oder auf öffentlichen
Flächen auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung an die Deutsche Städte-
Reklame, jetzt Deutsche Städte-Medien GmbH (DSM) übertragen. Folglich würde
sie gegen diesen bestehenden Vertrag verstoßen, wenn sie dem Kläger die
beantragten Sondernutzungserlaubnisse für Werbung auf öffentlichen Flächen
erteilen würde. Im Übrigen beeinträchtigte eine Plakatierung an den vom Kläger
beantragten Standorten die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs,
verstoße gegen stadtplanerische Belange und wirke verunstaltend. Insbesondere
bei den Standorten auf und vor dem Bahnhofsvorplatz handele es sich um einen
Bereich, der dem Denkmal- bzw. Ensembleschutz unterliege. Die hier vom Kläger
beabsichtigte Plakatierung würde den Gesamteindruck der Anlage
"Bahnhofsvorplatz" beeinträchtigen. Dies gelte auch für die Anbringung von Plakat-
Trägern (Werberahmen) an der S-Bahn-Station "Ostendstraße", da hier die
gewollte Transparenz des Auf- bzw. Abganges und damit die Sicherheit
beeinträchtigt werde. Eine Anbringung von Plakaten im Bereich der S-Bahn-Station
Taunusanlage könne ebenfalls aus gestalterischen Gründen nicht zugelassen
werden und beeinträchtige zudem die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.
Außerdem solle dieser Bereich demnächst baulich umgestaltet werden.
Dagegen hat der Kläger am 2. Juni 1998 Klage erhoben, die er im Wesentlichen
damit begründete, die Ermessenserwägungen der Beklagten ließen keine
hinreichende Auseinandersetzung mit der konkreten Sachlage erkennen und
setzten sich über allgemeine Rechtsgrundsätze hinweg. Der
Werbenutzungsvertrag zwischen der Beklagten und der DSM stehe der Erteilung
der beantragten Sondernutzungserlaubnisse nicht entgegen. Beeinträchtigungen
des Verkehrs oder gar eine Verkehrsgefährdung seien durch die in Aussicht
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des Verkehrs oder gar eine Verkehrsgefährdung seien durch die in Aussicht
genommene Plakatierung nicht zu erwarten. Welche stadtplanerischen Belange
darüber hinaus den beantragten Sondernutzungserlaubnissen entgegenstünden,
zeige die Beklagte nicht konkret auf. Ein besonderer Denkmal- und
Ensembleschutz im Bereich des Bahnhofsvorplatzes könne den beantragten
Erlaubnissen schon deshalb nicht entgegen gehalten werden, da dieser Bereich -
ebenso wie weite Teile des Stadtgebietes der Beklagten - bereits durch eine
konzentrierte Plakatierung und sonstige werbliche Anpreisungen von Waren und
Leistungen geprägt sei. Im Übrigen sei zu bezweifeln, ob es sich bei dem
Bahnhofsvorplatz um eine öffentliche Straßenfläche handele und die Vorschriften
des Hessischen Straßengesetzes überhaupt Anwendung fänden.
Der Kläger beantragte,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. März 1997 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998 zu verpflichten, dem Antrag des
Klägers vom 14. Januar 1997 auf Anbringung von DIN-A 1-Alurahmen für Plakate
mit Kultur- und Veranstaltungswerbung an S-Bahn-Abgängen im Stadtgebiet von
Frankfurt am Main zu genehmigen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 14. Januar 1997 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden,
weiter hilfsweise,
Beweis zu erheben durch Augenscheinseinnahme, dass eine Verunstaltung des
öffentlichen Straßenbildes durch einen Plakatanschlag an der Außenseite des S-
Bahn-Abgangs Taunusanlage nicht eintritt.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trug sie vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung der
begehrten Sondernutzungserlaubnisse. Die ablehnende Entscheidung sei nach
ausgiebiger Abwägung der Interessen des Klägers, den öffentlichen Straßenraum
wirtschaftlich zu nutzen, einerseits und der Interessen der Öffentlichkeit an einem
nicht mit Werbung überfrachteten öffentlichen Verkehrsraum andererseits
getroffen worden. Der gesamte Bereich des Bahnhofsvorplatzes unterliege dem
Denkmal- bzw. Ensembleschutz. Die Anbringung von Plakaten an den vom Kläger
in Aussicht genommenen Standorten würde den Gesamteindruck der Anlage
beeinträchtigen und sei deshalb nicht genehmigungsfähig. Soweit die Werbeträger
zur Straße hin ausgerichtet sein sollen, bestehe darüber hinaus die Gefahr, dass
sie Autofahrer ablenken und so die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
beeinträchtigt werde. Einer Plakatierung an der Umwehrung der Treppe auf der
Kaiserstraße (Treppe 8) könne auch deshalb nicht zugestimmt werden, da diese
Umwehrung mit Natursteinen besonders gestaltet worden sei, so dass die
Anbringung von Plakatträgern bzw. Plakaten den Gesamteindruck stören würde. Im
Übrigen nehme sie - die Beklagte - Bezug auf die Begründung ihres
Widerspruchsbescheids sowie auf den gesamten Akteninhalt.
Mit Urteil vom 28. September 2000 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der
Beklagten vom 20. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.
April 1998 hinsichtlich der beantragten Standorte auf dem Bahnhofsvorplatz
(Brüstungsmauer, Treppe 14 sowie Brüstungsmauer, Treppe 1 und Schutzgitter
Lüftungsschacht bei Treppe 1) aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Verwaltungsgericht aus, die
ablehnende Entscheidung der Beklagten bezüglich der vorstehend genannten
Standorte sei rechtswidrig, da der Kläger für die Anbringung von Aluminium-
Rahmen an diesen Standorten keine Sondernutzungserlaubnis benötige. Zwar sei
der Beklagten beizupflichten, dass der Bereich unmittelbar vor dem Hauptbahnhof
tatsächlich dem öffentlichen (Fußgänger-)Verkehr diene, doch handele es sich bei
diesem Bereich nicht um eine straßenrechtlich gewidmete Fläche mit der Folge,
dass die Vorschriften des Hessischen Straßengesetzes hier keine Anwendung
fänden. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet, da der Kläger für die übrigen
von ihm in Aussicht genommenen Standorte jeweils eine Sondernutzungserlaubnis
gemäß § 16 Abs. 1 HStrG benötige, jedoch keinen Anspruch auf Erteilung
entsprechender Erlaubnisse habe. Die Beklagte habe in ihren ablehnenden
Entscheidungen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, dass eine
Überfrachtung des öffentlichen Straßenraumes mit Werbung jeglicher Art
verunstaltend wirke und daher gegen stadtplanerische Belange verstoße. Diese
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verunstaltend wirke und daher gegen stadtplanerische Belange verstoße. Diese
Erwägungen hielten einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte habe für
jeden einzelnen der vom Kläger in Aussicht genommenen Standorte ausgeführt,
weshalb die beabsichtigte Anbringung von Plakatträgern bzw. Plakaten gegen
stadtplanerische Belange verstoße bzw. verunstaltend wirke und dass dadurch
gleichzeitig die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werde.
Diese Erwägungen hielten sich im Rahmen des der Beklagten durch § 16 Abs. 1
HStrG eingeräumten Ermessens. Etwas anderes gelte hingegen, soweit sich die
Beklagte zur Ablehnung des Antrags des Klägers auf den Werbenutzungsvertrag
mit der DSM berufe. Ein solcher Vertrag gehöre nicht zu den straßenrechtlichen
Belangen im weiteren Sinne, die mit dem Widmungszweck der Straße noch in
einem sachlichen Zusammenhang stehen, und dürfe dementsprechend nicht in
die Ermessenserwägungen über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis
eingestellt werden.
Auf Antrag des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss
vom 29. Juli 2002 die Berufung zugelassen. Mit Schriftsatz vom 28. August 2002
hat der Kläger die Berufung im wesentlichen damit begründet, dass Zweifel an der
Zuständigkeit der Beklagten und damit an der Anwendbarkeit der Vorschriften des
Hessischen Straßengesetzes nicht nur hinsichtlich der Auf- und Abgänge zu den S-
und U-Bahn-Stationen im Bereich des unmittelbaren Bahnhofsvorplatzes, sondern
auch hinsichtlich der übrigen beantragten - und weiterhin streitigen - Standorte
bestünden, da bisher von der Beklagten nicht vorgetragen worden sei, dass die
baulichen Anlagen der Auf- und Abgänge zu den S- und U-Bahn-Stationen zu den
straßenrechtlich gewidmeten Grundflächen gehören. Im Übrigen wiederholt und
vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und weist insbesondere darauf
hin, dass die Beklagte der DSM die Anbringung von Werbeplakaten im
unmittelbaren Umfeld der von ihm in Aussicht genommenen Standorte im Bereich
des Hauptbahnhofs genehmigt habe, so dass der als Ablehnungsgrund für diesen
Bereich angeführte Denkmal- und Ensembleschutz nicht durchgreifen könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September
2000 - 15 E 1583/98 (2) - abzuändern, soweit darin die Klage abgewiesen wurde
und den Bescheid der Beklagten vom 20. März 1997 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 30. April 1998 auch im Übrigen aufzuheben und die
Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Sondernutzungserlaubnisse gemäß § 16 Abs.
1 HStrG für die Anbringung von Aluminium-Rahmen im Format DIN-A 1 für Plakate
mit Kultur- und Veranstaltungswerbung an den Auf- und Abgängen zu den S- und
U-Bahn-Stationen gemäß Antrag vom 14. Januar 1997 zu erteilen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 14. Januar 1997 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Grundflächen, auf denen sich die Umwehrungen der Auf- und
Abgänge zu den S- und U-Bahn-Stationen befinden, seien - mit Ausnahme des
unmittelbaren Bahnhofsvorplatzes - städtisches Eigentum und als öffentliche
Straßenfläche gewidmet.
Am 23. August 2005 hat der Berichterstatter die Sach- und Rechtslage mit den
Beteiligten erörtert und dabei die noch streitigen Standorte für die Anbringung der
Plakatträger in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses des
Erörterungstermins wird auf den Inhalt der Niederschrift einschließlich der
gefertigten Lichtbilder Bezug genommen (Bl. 271 bis 274m der Gerichtsakte). In
diesem Erörterungstermin haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung des Senats im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Beteiligten hatten
Gelegenheit, zu dem Ergebnis des Erörterungstermins Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Behördenakten
der Beklagten (3 Hefte und 1 Heft Widerspruchsakten) haben vorgelegen und sind
zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 28.
September 2000 - 15 E 1583/98(2) -, über die im Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ist zulässig, insbesondere nach Zulassung
der Berufung durch Beschluss vom 29. Juli 2002 innerhalb der Frist des § 124a Abs.
6 Satz 1 VwGO begründet worden. Die Berufung ist auch teilweise begründet.
Entgegen der vom Kläger geäußerten Ansicht sind die Vorschriften des Hessischen
Straßengesetzes auf die im Berufungsverfahren noch streitigen 20 Standorte
anzuwenden mit der Folge, dass zu den vom Kläger beabsichtigten Werbezwecken
Sondernutzungserlaubnisse gemäß § 16 HStrG erforderlich sind. Die
Notwendigkeit der Erteilung entsprechender Sondernutzungserlaubnisse ergibt
sich nach den insoweit unwidersprochenen Angaben der Beklagten daraus, dass
die Grundflächen, auf denen die Umwehrungen bzw. Brüstungen und Geländer der
Auf- und Abgänge zu den S- und U-Bahn-Stationen - mit Ausnahme der Auf- und
Abgänge unmittelbar vor dem Hauptbahnhof (Bahnhofsvorplatz) - errichtet sind,
im Eigentum der Beklagten stehen und als öffentliche Verkehrsflächen gewidmet
sind. Da die Widmung die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über die Straße
begründet, überlagert sie das private Eigentum und schränkt es kraft staatlicher
Hoheitsgewalt in Anwendung der Straßen- und Wegegesetze ein (vgl.: BVerwG,
Urteil vom 26. August 1993 - 4 C 24.91 -, BVerwGE 94, 100 = NVwZ 1994, 275 =
DÖV 1994, 341 = NUR 1994, 434 = Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 280; Hess. VGH,
Beschluss vom 13. Februar 2001 - 5 UZ 4129/00 -, NVwZ-RR 2002, 540 = ESVGH
51, 139). Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten eine erlaubnispflichtige
Sondernutzung darstellt, ist demnach allein nach den Bestimmungen des für die
jeweilige Straße maßgeblichen Landes- oder Bundesstraßenrechts zu
beantworten. Hierfür ist allein der Umfang der öffentlichen Widmung der
Straßenfläche maßgebend. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts in
seinem angefochtenen Urteil, die vom Kläger beabsichtigte Anbringung von
Werberahmen zum Zwecke der Plakatwerbung sei gemäß § 16 HStrG
erlaubnispflichtig, weil es sich dabei - mit Ausnahme der unmittelbar vor dem
Hauptbahnhof befindlichen Standorte - um eine straßenrechtliche Sondernutzung
handelt, ist nicht zu beanstanden und entspricht der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats. Danach ist eine
erlaubnispflichtige Sondernutzung gegeben, wenn ein Standort im öffentlichen
Straßenraum als Werbeträger nutzbar gemacht wird, da sich ein auf Werbung und
damit auf wirtschaftliche Interessen ausgerichteter Nutzungszweck nicht mehr
innerhalb des Gemeingebrauchs hält (vgl. für die Plakatierung von auf öffentlichem
Straßengrund errichteten Bauzäunen: BVerwG, Beschluss vom 12. November
1998 - 3 BN 2.98 -; Hess. VGH, Beschluss vom 24. Februar 1998 - 5 N 3469/94 -,
GewArch 1998, 437 = KStZ 2000, 36; Beschluss vom 19. Oktober 1993 - 2 TG
1044/03 -; Beschluss vom 5. Februar 1997 - 2 TG 4027/96 -).
Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die
Ablehnung der beantragten Sondernutzungserlaubnisse aus dem alleinigen Grund
des Bestehens eines Werbenutzungsvertrages mit einer Ausschließlichkeitsklausel
zu Gunsten der DSM nicht als ordnungsgemäße Ermessensausübung gemäß § 16
HStrG angesehen werden kann. Zwar ist die Erteilung von
Sondernutzungserlaubnissen weder gesetzlich geregelt noch durch Richtlinien für
die Ermessensausübung normativ bestimmt (vgl.: Hess. VGH, Urteil vom 28.
September 1999 - 2 UE 4640/96 -; Beschluss vom 24. August 2005 - 2 UZ
2213/03 -, m.w.N.), der Straßenbaulastträger ist aber nicht berechtigt, über die
Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen in den Wettbewerb zwischen privaten
Wirtschaftsunternehmen einzugreifen. Wettbewerbsrechtliche Erwägungen haben
keinen Bezug zu den von der Beklagten zu wahrenden wegerechtlichen Belangen.
Die Beklagte ist bei der Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen vielmehr dem
Gebot der Wettbewerbsneutralität verpflichtet (vgl.: Hess. VGH, Beschluss vom 4.
Oktober 2001 - 2 UZ 543/00 -; Beschluss vom 19. Oktober 1993 - 2 TG 1044/93 -).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der
erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, ist der
Straßenbaulastträger bei der Ausübung seines Ermessens hinsichtlich der
Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen ausschließlich auf solche
Ordnungskriterien beschränkt, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der
Straße stehen, also z.B. auf verkehrliche Gesichtspunkte oder den Schutz des
Straßenbildes vor Verschandelung und Verschmutzung (vgl.: BVerwG, Urteil vom
13. Dezember 1974 - 7 C 42.72 -, BVerwGE 47, 280 [284] = NJW 1975, 1289; vgl.
auch: Beschluss vom 27. Juni 2005 in diesem Verfahren). Neben der Wahrung der
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auch: Beschluss vom 27. Juni 2005 in diesem Verfahren). Neben der Wahrung der
Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie eines einwandfreien
Straßenzustandes sind darüber hinaus alle Ermessensgesichtspunkte von
Bedeutung, die einen sachlichen Bezug zur Straße, ihrem Umfeld, ihrer Funktion
oder ihrem Widmungszweck haben, um so dem öffentlich-rechtlichen Bedürfnis
Rechnung zu tragen, zeitlich und örtlich gegenläufige Interessen verschiedener
Straßenbenutzer auszugleichen. Allerdings können auch städteplanerische und
baupflegerische Belange in die Ermessenserwägungen einbezogen werden
(ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. z.B.: Urteil vom 21.
September 1993 - 2 UE 3583/03 -, NVwZ 1994, 189 [190]; Urteil vom 28.
September 1999 - 2 UE 4640/96 -; Beschluss vom 24. August 2005 - 2 UZ
2213/03 -, m.w.N.; OVG Lüneburg, Urteil vom 14. März 1994 - 12 L 2354/92 -, Juris
Dok-Nr.: MWRE 1161179400 -; zahlrei-che weitere Nachweise bei: Sauthoff, Straße
und Anlieger, NJW-Schriftenreihe 32, Rdnr. 694 ff.).
Neben dem - danach unzulässigen - Hinweis auf den bestehenden
Werbenutzungsvertrag mit der DSM hat die Beklagte ihre ablehnenden
Entscheidungen hier aber auch auf gestalterische Ermessensgesichtspunkte
gestützt und insoweit allgemein ausgeführt, die vom Kläger beabsichtigte Werbung
würde gegen stadtplanerische Belange verstoßen und wegen ihrer Häufung
insbesondere angesichts bereits bestehender Werbung an den in Aussicht
genommenen Standorten störend und verunstaltend wirken. Diese Begründung
hält einer rechtlichen Beurteilung allerdings nicht hinsichtlich aller hier noch
streitigen Standorte stand, da die ablehnende Entscheidung der Beklagten
hinsichtlich der im Tenor bezeichneten Standorte nicht den Anforderungen genügt,
die gemäß § 39 Abs. 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (HVwVfG)
an die Begründung von Ermessensentscheidungen zu stellen sind. Im Einzelnen
gilt folgendes:
Eine verunstaltende Wirkung von Werbeanlagen, mit der die Beklagte die
Ablehnung der vom Kläger beantragten Sondernutzungserlaubnisse u.a.
begründet hat, kann auch durch eine sogenannte störende Häufung verursacht
werden. Die störende Häufung ist ein Unterfall der Verunstaltung. Das
Bundesverwaltungsgericht hat den Begriff der Verunstaltung definiert als einen
hässlichen, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht bloß
beeinträchtigenden, sondern verletzenden Zustand. In diesem Sinne stört eine
Anlage das Gesamtbild ihrer Umgebung, wenn der Gegensatz zwischen ihr und der
Umgebung von dem Betrachter als belastend oder Unlust erregend empfunden
wird. Bei der Beurteilung ist auf das Empfinden des sogenannten gebildeten
Durchschnittsmenschen abzustellen, d.h. maßgeblich ist, ob der Anblick bei einem
nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke
aufgeschlossenen Teil der Betrachter nachhaltigen Protest auslöst (vgl.: BVerwG,
Urteil vom 28. Juni 1955 - 1 C 146.53 -, BVerwGE 2, 172 [176 f.] = NJW 1955, 1647;
Beschluss vom 13. April 1995 - 4 B 70.95 -, NJW 1995, 2648 = DVBl. 1995, 1008 =
NUR 1995, 253 = UPR 1995, 309 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 309 m.w.N.).
Bei der Beurteilung, ob eine solchermaßen verunstaltende Wirkung auf Grund einer
störenden Häufung durch Anlagen der Außenwerbung gegeben ist, muss
allerdings zwischen den Begriffen der Häufung und der Störung unterschieden
werden.
Eine Häufung setzt ein räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher
oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung voraus. Dabei sind Werbeanlagen
jeder Art in die Betrachtung einzubeziehen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich
um Fremd- oder Eigenwerbung, genehmigungsfreie, genehmigungspflichtige oder
nur geduldete Einrichtungen und Anlagen handelt. Eine Häufung von
Werbeanlagen liegt nur vor, wenn mehrere, mindestens aber drei Werbeanlagen in
eine enge räumliche Beziehung gebracht werden. Der Begriff der Häufung
erfordert somit, dass diese mehreren Werbeanlagen gleichzeitig im Gesichtsfeld
eines Betrachtes liegen und ihre optische Wirkung gleichzeitig gemeinsam
ausüben, d.h. die Werbeanlagen müssen ohne weiteres mit einem Blick erfasst
werden können. Ein Straßenbild darf nicht in verschiedene Teilstrecken aus
unterschiedlicher Blickrichtung gleichsam zerlegt werden (vgl.: OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 20. Februar 2004 - 10 A 3279/02 -, NVwZ-RR 2004, 560 =
DÖV 2004, 840 = GewArch 2004, 433 = BauR 2004, 1769, m.w.N.).
Eine Störung setzt voraus, dass der für die Häufung maßgebliche örtliche Bereich
im Gesichtsfeld eines Betrachtes derartig mit Werbeanlagen überladen ist, dass
das Auge keinen Ruhepunkt mehr findet und das Bedürfnis nach werbungsfreien
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das Auge keinen Ruhepunkt mehr findet und das Bedürfnis nach werbungsfreien
Flächen stark hervortritt. Wann die störende Wirkung eintritt, hängt dabei
wesentlich von dem Baugebietscharakter, der vorhandenen Bebauung und der
tatsächlichen Nutzung der näheren Umgebung ab (vgl. hierzu: OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 6. Februar 2003 - 10 A 3464/01 -, NVwZ-RR 2003, 823 =
GewArch 2003, 437 = BauR 2003, 1358 = BRS 66 Nr. 150; Hess. VGH Urteil vom
14. April 1982 - IV OE 83/79- -, BRS 39 Nr. 139). Dies kann zur Folge haben, dass
beispielsweise eine gewisse Ansammlung von Werbeanlagen bei einem gewerblich
geprägten Straßenbild oder einer städtischen Geschäftsstraße in der Regel nicht
als störende Häufung angesehen werden wird, hingegen eine Häufung von
Werbeanlagen in einem Wohnzwecken dienenden Gebiet durchaus störende
Wirkung haben kann, wobei nicht allein der geplante Aufstellungs- oder
Anbringungsort, sondern das Gesamtbild der Umgebung entscheidend ist.
Der Begriff einer störenden Wirkung ist zudem auf hinzukommende Anlagen der
Außenwerbung bezogen. Es gilt mithin der Grundsatz der Priorität. Dabei sind
(auch) nicht genehmigte Anlagen zu berücksichtigen, wenn mit ihrer Beseitigung in
absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (vgl.: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
20. Februar 2004 - 10 A 3279/02 -, a.a.O.; m.w.N.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist von einer störenden Häufung und damit von
einer Verunstaltung des Straßenbildes auszugehen, soweit der Kläger die Erlaubnis
zur Anbringung von Werberahmen an den Umwehrungen der Auf- und Abgänge zu
den S- und U-Bahn-Stationen beidseits der Straße "Am Hauptbahnhof" beantragt
hat (im Antrag des Klägers vom 14. Januar 1997 bezeichnet mit: Treppen 3, 4, 5,
7, 8, 9, 10, 11, 12 und 13). Dies folgt aus dem Ergebnis des Termins zur
Erörterung der Sach- und Rechtslage durch den Berichterstatter vor Ort und den
dabei angefertigten Lichtbildern sowie aus der Auswertung der in den
Verwaltungsvorgängen befindlichen und zu den Gerichtsakten gereichten
Ablichtungen.
Danach stellt bereits allein die vom Antragsteller in seinem Antrag vom 14. Januar
1997 für die einzelnen Standorte in Aussicht genommene Anzahl von jeweils 8 bis
16 (= 2 x 8) Werberahmen pro Standort, an der er nach seinem letzten Schriftsatz
vom 1. September 2005 in vollem Umfang festhält, für sich allein eine störende
Häufung dar. Die unmittelbar aneinander gereihten Werberahmen mit einer
Gesamtlänge von jeweils ca. 6 m bis über 9 m pro Anbringungsort würden bereits
für sich - ohne die im Übrigen bereits vorhandenen Anlagen der Außenwerbung -
eine optische Wirkung ausüben, die den örtlichen Bereich derart überladen, dass
sie in ihrer Massivität nur als aufdringlich empfunden werden können. Etwas
anderes gilt auch nicht für die Standorte, an denen nach dem Antrag des Klägers
lediglich drei (Treppe 13) bzw. vier (Treppe 10) Werberahmen angebracht werden
sollen. Abgesehen davon, dass es sich auch insoweit um eine Häufung von
Werbeanlagen handelt, ergibt sich die störende Wirkung hier (zudem) aus der
Kumulation mit bereits vorhandenen Anlagen der Außenwerbung. Die schon jetzt
vorhandene Häufung insbesondere von großformatigen Werbeanlagen unmittelbar
vor dem Hauptbahnhof (Bahnhofsvorplatz) sowie teilweise an der Fassade der
Eingangshalle des Hauptbahnhofs und an den Vorderfronten der
gegenüberliegenden Gebäude hat bereits für sich genommen eine negative
Auswirkung auf das Erscheinungsbild der näheren Umgebung und würde durch die
vom Kläger für die Standorte Treppe 10 und Treppe 13 beantragten Werbeanlagen
nochmals nachhaltig verstärkt. Da es keinen Grundsatz des Inhalts gibt, dass ein
mit Werbung bereits überlasteter Ort nicht weiter verunstaltet werden kann,
scheidet auch aus diesem Grund eine Genehmigungsfähigkeit der beantragten
Werbeanlagen aus. Abgesehen davon, dass - wie vom Verwaltungsgericht bereits
zutreffend festgestellt wurde - die Beklagte für den eigentlichen Bahnhofsvorplatz
nicht zuständig ist, da diese Grundfläche weder in ihrem Eigentum steht noch für
den öffentlichen Straßenverkehr gewidmet ist, folgt etwas anderes auch nicht
daraus, dass die Beklagte der DSM die Erlaubnis zur Anbringung von Plakaten an
den Stromverteilerkästen in diesem Bereich - wie auch in anderen Bereichen des
Stadtgebietes - erteilt hat. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art. 3 des
Grundgesetzes (GG). Der Gleichheitssatz verleiht dem Kläger gegenüber der
Beklagten keinen Anspruch auf die Beibehaltung einer (möglicherweise) nicht
rechtmäßigen Genehmigungspraxis bzw. auf die Erteilung rechtswidriger
Sondernutzungserlaubnisse.
Im Ergebnis nichts anderes gilt für die vom Kläger in Aussicht genommenen
Standorte in der "Taunusanlage". Auch hier führen die beantragten Werberahmen
allein auf Grund ihrer Anzahl - (Treppe 31: 11 Werberahmen / Treppe 32: 10
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allein auf Grund ihrer Anzahl - (Treppe 31: 11 Werberahmen / Treppe 32: 10
Werberahmen / Treppe 94/98: 10 Werberahmen) - zu einer solchen massiven
optischen Wirkung auf den Betrachter, dass auch sie allein wegen der
Unangemessenheit ihrer Zahl im Verhältnis zu der Gestaltung und Nutzung der
näheren Umgebung nur als störende Häufung und damit als Verunstaltung des
hier ansonsten von Anlagen der Außenwerbung - mit Ausnahme einer Litfaßsäule
neben dem Auf- bzw. Abgang zur S-Bahn-Station (Treppe 31) - weitgehend freien
Straßenbildes beurteilt werden können. Für den Auf- und Abgang zur S-Bahn-
Station (Treppe "Guiolettstraße" 94/98) kommt hinzu, dass die an der Innenseite
der Umwehrung auf Grund der dort vorhandenen 20 Werberahmen verursachte
störende Häufung mit den vom Kläger beantragten weiteren 10 Werberahmen an
der zur Straße gerichteten Außenseite der Umwehrung noch verstärkt würde.
Bei den beantragten Standorten "Hanauer-Landstraße" würde die Anbringung von
jeweils neun (Abgang 1: 3 x 3 Werberahmen und Abgang 2: 3 x 3 Werberahmen)
bzw. von sechs Werberahmen (Abgang "Uhlandstraße") die bereits vorhandene
Häufung von Anlagen der Außenwerbung, darunter zwei Werbetafeln im Euro-
Format (3,80 m x 2,80 m), ebenfalls überaus negativ verstärken. Die bereits
vorhandenen Werbeanlagen, die sich insbesondere an der Außenfront der
Gebäude hinter den Abgängen 1 und 2 befinden, unterscheiden sich in Größe und
Farbgebung erheblich und bilden bereits für sich einen unangemessenen und
übermäßigen werblichen Schwerpunkt. Die zum Teil aufdringliche Wirkung dieser
Außenwerbeanlagen würde durch die beantragte Zulassung weiterer, in der
Farbgebung unterschiedlicher Werbeplakate an den Brüstungsgittern der Auf- und
Abgänge zu der S-Bahn-Station erheblich verstärkt, sodass die Ablehnung der
beantragten Sondernutzungserlaubnisse auch für diese Standorte aus
städtebaulichen bzw. aus gestalterischen Gründen nach den vorstehend
dargelegten Maßstäben nicht zu beanstanden ist. Wegen der die Versagung von
Sondernutzungserlaubnissen allein rechtfertigenden verunstaltenden Wirkung, die
von den geplanten Werbeanlagen an den vorstehend beurteilten Standorten
verursacht bzw. verstärkt würde, kommt es nicht mehr darauf an, ob den für diese
Standorte beantragten Sondernutzungserlaubnissen auch Gründe der Sicherheit
und Leichtigkeit des Straßenverkehrs entgegen stehen.
Die Ablehnung des Antrags des Klägers vom 14. Januar 1997 kann allerdings
keinen Bestand haben, soweit die Beklagte die Erteilung von
Sondernutzungserlaubnissen für die übrigen Standorte abgelehnt hat.
Der für die Ablehnung dieses Antrags im Bescheid vom 20. März 1997 schriftlich
dargelegte Grund, durch die beantragten Werbeflächen werde das
Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt bzw. die Beeinträchtigung sei geeignet,
"... die Stadtgestalt, die ohnehin von einer Vielzahl von Gestaltungselementen
belastet ist, zusätzlich negativ zu beeinflussen", genügt den an eine
Ermessensentscheidung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HVwVfG zu
stellenden Begründungserfordernissen ebenso wenig wie die weitere pauschale
und undifferenzierte Begründung dieses Bescheids, darüber hinaus könne "... von
den in den Fahrbahnbereichen angebrachten Werbungen die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden.". Diese Begründung lässt eine
konkrete Auseinandersetzung mit den örtlichen Verhältnissen an den einzelnen
Standorten vermissen.
Bei der Prüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen muss der Betroffene
ebenso wie das Gericht feststellen können, von welcher sachlichen Grundlage die
Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist und aus welchen Erwägungen sie
diese Entscheidung getroffen hat. Nur auf Grund solcher Feststellungen ist ein
gerichtliches Erkenntnis darüber möglich, ob ein Ermessensfehler vorliegt oder
nicht. Anders als bei einer rechtlich gebundenen Entscheidung der Behörde, deren
Beurteilung sich aus der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter das
Gesetz ergibt, sind für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung die
behördlichen Erwägungen über den Sachverhalt und die daraus gezogenen
Konsequenzen maßgeblich. Aus der Ermessensentscheidung der Behörde muss
deshalb ersichtlich sein, warum sie getroffen worden ist (vgl.: Hess. VGH, Urteil
vom 13. September 1982 - 8 OE 68/81 -, NVwZ 1983, 551, m.w.N.). Je weiter der
Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum der Behörde ist, desto eingehender muss
die Behörde ihre Entscheidung begründen und darlegen, von welchen Tatsachen
sie ausgegangen ist und welche rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe sie angewandt
hat. Dabei muss die Begründung auf den konkreten Einzelfall abstellen und darf
sich nicht in formelhaften allgemeinen Darlegungen erschöpfen (vgl. hierzu
ausführlich: Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2005, Rdnr. 19 ff. zu §
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ausführlich: Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2005, Rdnr. 19 ff. zu §
39).
Eine solche konkrete Begründung hat die Beklagte weder in ihrem
Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 noch im gerichtlichen Verfahren in einer
nach § 45 Abs. 2 HVwVfG bzw. § 114 Satz 2 VwGO zulässigen Weise nachgeholt.
Im Widerspruchsbescheid wird auf die vom Kläger beantragten Standorte
"Offenbacher Landstraße" (Station Mühlberg) und "Darmstädter Landstraße"
(Station Lokalbahnhof) nicht konkret eingegangen. Die Darlegung der Begründung
der ablehnenden Entscheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen örtlichen
Gegebenheiten ist auch im gerichtlichen Verfahren bezüglich dieser beiden
Standorte nicht erfolgt. Der Widerspruchsbescheid sowie das Vorbringen der
Beklagten im gerichtlichen Verfahren beschränken sich insoweit auf abstrakte und
pauschale Ausführungen, die die konkret zu treffenden Ermessensentscheidungen
nicht stützen können. Dies ist rechtlich nicht zulässig und muss auf die Klage hin
zwangsläufig zur Beanstandung durch das Gericht führen.
Für den Standort "Ostendstraße" (Abgang "Uhlandstraße" und Abgang vor dem
Schulhof der Uhlandschule) enthält der Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998
zwar einige Ausführungen unter Einbeziehung bzw. Berücksichtigung der konkreten
örtlichen Verhältnisse an diesen Standorten, die jedoch die ablehnende
Entscheidung nach den maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen
zum Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats nicht rechtfertigen
können. Zunächst kann die Begründung, wonach die Erlaubnis zur Anbringung von
Werberahmen nicht erteilt werden könne, weil sich diese Standorte in einem
Wohngebiet befinden, keinen Bestand mehr haben. Diese offensichtlich auf
bauordnungsrechtliche Vorschriften rekurrierende Begründung ist durch die
Novellierung der Hessischen Bauordnung (HBO) vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274)
obsolet geworden. Die Bestimmung des § 13 Abs. 4 HBO in der Fassung des
Gesetzes vom 17. Dezember 1998 (GVBl. I S 562, 567), nach der in reinen,
allgemeinen und besonderen Wohngebieten Werbeanlagen nur an der Stätte der
Leistung zulässig waren, ist ersatzlos entfallen. Weitere baurechtliche Vorschriften,
insbesondere städtisches Satzungsrecht der Beklagten, wonach Anlagen der
Außenwerbung in Wohngebieten grundsätzlich nicht zulässig wären, sind nicht
ersichtlich.
Die weitere Begründung des Widerspruchsbescheids, die vom Kläger beantragten
Sondernutzungserlaubnisse für diese Standorte könnten nicht erteilt werden, weil
die Werberahmen am Geländer der Auf- und Abgänge zu der S-Bahn-Station
angebracht werden sollen und dadurch "... die gewollte Transparenz und damit die
Sicherheit beeinträchtigt" würde, ist für den erkennenden Senat nicht
nachvollziehbar. Hier hätte es einer näheren Darlegung bedurft, weshalb die
Sicherheit auf den Auf- bzw. Abgängen zu der S-Bahn-Station durch die
Anbringung von acht (2 x 3 und 1 x 2) bzw. sechs (2 x 3) Werberahmen
beeinträchtigt wird. Auf gestalterische Gründe bzw. auf eine Verunstaltung des
Straßen- und Stadtbildes durch die vom Kläger in Aussicht genommene
Anbringung von Werberahmen bzw. von Außenwerbung an den Brüstungsgittern
der Auf- bzw. Abgänge hat sich die Beklagte bei der Zurückweisung des
Widerspruchs des Klägers hinsichtlich dieser Standorte im Verwaltungs- und im
Widerspruchsverfahren nicht berufen. Das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren,
diese Standorte befänden sich in einem neu gestalteten Kreuzungsbereich, "...
sodass hier weitere Werbung als störend anzusehen ist und deshalb abzulehnen
war", lässt insbesondere für den Treppenauf- bzw. -abgang unmittelbar vor der
Uhlandschule nicht erkennen, warum von der für diesen Standort beantragten
Anbringung von 2 x 3, also insgesamt sechs Werberahmen eine störende Wirkung
auf die nähere Umgebung ausgehen soll, zumal die Anbringung der Werberahmen
hier auf der der Fahrbahn abgewandten Seite des Brüstungsgitters erfolgen soll.
Gleiches gilt auch für den Standort: Abgang "Uhlandstraße", der zwar
zwischenzeitlich mit einem Wohngebäude überbaut ist, der aber entgegen dem
Vortrag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 30. September 1998 nicht
unmittelbar in einem Kreuzungsbereich liegt, sodass die in diesem
Zusammenhang zur Begründung angeführte störende Einwirkung auf den
Kreuzungsbereich auch auf Grund der zwischenzeitlichen Integration des S-Bahn-
Zuganges in einen Baukörper nicht ohne weiteres ersichtlich ist.
Bezüglich der Standorte "Offenbacher Landstraße" (Station Mühlberg),
"Darmstädter Landstraße" (Station Lokalbahnhof) und "Ostendstraße" (Abgang
"Uhlandstraße" und Abgang vor dem Schulhof der Uhlandschule) ist der Bescheid
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"Uhlandstraße" und Abgang vor dem Schulhof der Uhlandschule) ist der Bescheid
der Beklagten vom 20. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom
30. April 1998 daher aufzuheben. Im Übrigen ist angesichts der konkreten
örtlichen Verhältnisse an den vorgenannten Standorten aber nicht ersichtlich, dass
hier der Ermessensspielraum der Beklagten derart eingeschränkt ist, dass nur
eine einzige Entscheidung über die vom Kläger zu Werbezwecken beantragten
Sondernutzungserlaubnisse ermessensfehlerfrei sein könnte. Da der erkennende
Senat weder verpflichtet ist, alle denkbaren Ermessenserwägungen und
Alternativen zu klären und zu prüfen, um auf diese Weise die Streitsache
spruchreif zu machen, und auch nicht berechtigt ist, in unangemessener Weise in
die Ermessenskompetenz der Behörde einzugreifen, ist die Beklagte gemäß § 113
Abs. 5 Satz 2 VwGO zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts insoweit neu zu bescheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Danach hat der Kläger die
Kosten des Verfahrens zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167
Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung
(ZPO).
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht
vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.