Urteil des HessVGH vom 27.04.1988

VGH Kassel: stadt, mahnung, aussetzung, verwaltungsakt, planwidrige unvollständigkeit, vollziehung, fälligkeit, säumnis, zahlungsaufforderung, vollstreckungsverfahren

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
5. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 UE 3032/86
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 18 VwVG HE
Gesonderte Verwaltungsvollstreckung wegen unbezahlter
Säumniszuschläge (Zinsen)
Leitsatz
Eine Vollstreckung wegen angefallener Säumniszuschläge und Zinsen ohne vorherige
Festsetzung durch Leistungsbescheid setzt nach hessischem
Verwaltungsvollstreckungsrecht voraus, daß bereits in dem die Hauptleistung
anfordernden Verwaltungsakt auf diese Nebenleistungen dem Grunde nach
hingewiesen wird; ein entsprechender Hinweis in einer späteren schriftlichen Mahnung
genügt nicht.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung des
Beklagten, soweit diese sich auf die Beitreibung rückständiger Säumniszuschläge
in Höhe von 3.706,-- DM bezieht.
Mit Bescheid vom 10. Juli 1980 zog die Stadt Sontra den Kläger zu einem
Erschließungsbeitrag in Höhe von 10.920,10 DM heran. Die hiergegen nach
erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht
Kassel mit Urteil vom 11. Januar 1983 - VI/2 E 404/81 - abgewiesen. Im
Berufungsverfahren - Hessischer Verwaltungsgerichtshof - 5 OE 28/83 - erledigte
sich der Rechtsstreit durch Weglegen der Akte nach § 7 Nr. 3 b der Aktenordnung
vom 7. Oktober 1985, JMBl. S.497, nachdem der Kläger das Berufungsverfahren
trotz Aufforderung des Gerichts länger als sechs Monate nicht mehr betrieben
hatte.
Nach erfolgter Abweisung der Klage gegen die Heranziehung zum
Erschließungsbeitrag durch das Verwaltungsgericht Kassel forderte die Stadt
Sontra den Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 1983 zur Zahlung des
Erschließungsbeitrags auf und wies dabei auf die Erhebung von
Säumniszuschlägen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen hin; diese
würden "nach Eingang der Zahlung festgesetzt" bzw. könnten von dem Kläger
selbst errechnet und bei Begleichung der Hauptforderung mitüberwiesen werden.
Mit weiterem Schreiben vom 9. März 1983 mahnte die Stadtkasse der Stadt
Sontra erneut die Zahlung des Erschließungsbeitrags an; die bislang angefallenen
Säumniszuschläge bezifferte sie in diesem Schreiben auf 3.488,-- DM. Da der
Kläger auch hierauf nicht reagierte, wandte sich die Stadt Sontra mit
Amtshilfeersuchen vom 7. April 1983 an die Kreiskasse des Beklagten mit der
Bitte, den Erschließungsbeitrag in Höhe von 10.920,10 DM sowie bislang verwirkte
Säumniszuschläge in Höhe von 3.597,-- DM und Mahngebühren in Höhe von 60,--
DM einzuziehen. Nachdem der Versuch einer Pfändung beweglicher Sachen wegen
dieser Forderungen gescheitert war, erließ der Beklagte unter dem 27. Mai 1983
eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung; darin wurden die beizutreibenden
Säumniszuschläge auf 3.706,-- DM beziffert. Gegen diesen Bescheid legte der
Kläger unter Hinweis auf das damals noch bei dem erkennenden Senat anhängige
Berufungsverfahren 5 OE 28/83 unbeschränkten Widerspruch ein. Im Termin vor
dem Anhörungsausschuß am 1. November 1983 schränkte er seinen Widerspruch
auf die Vollstreckung der Säumniszuschläge ein. Er machte geltend, daß die
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auf die Vollstreckung der Säumniszuschläge ein. Er machte geltend, daß die
Vollstreckung wegen der Säumniszuschläge unzulässig sei, weil es an einer
Festsetzung der Säumniszuschläge durch Leistungsbescheid fehle. Der Beklagte
wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1983, der dem
Kläger am 8. Dezember 1983 zugestellt wurde, zurück. Der Kläger erhob daraufhin
am 6. Januar 1984 beim Verwaltungsgericht Kassel Klage. Zur Begründung trug er
unter Vertiefung seines bisherigen Vortrags vor, die Stadt Sontra habe in ihrem
Schreiben vom 3. Februar 1983 ausdrücklich erklärt, daß die Säumniszuschläge
nach Eingang der Zahlung der Hauptforderung besonders festgesetzt würden.
Demgemäß könne sich auch die Mahnung der Stadtkasse vom 9. März 1983 nur
auf die Hauptforderung beziehen, nicht aber auf die noch nicht festgesetzten
Säumniszuschläge. Der Erhebung von Säumniszuschlägen stehe im übrigen
entgegen, daß die Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Sontra vom 10. Juli
1978 keine Regelung zur Fälligkeit der Erschließungsbeiträge enthalte. Auch habe
er, der Kläger, bei Erhebung des Widerspruchs gegen den
Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten einen Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung gestellt. Die Stadt Sontra habe über diesen Aussetzungsantrag weder
entschieden noch habe sie Vollziehungsmaßnahmen durchgeführt. Hierdurch sei
bei ihm der Eindruck entstanden, daß die Stadt Sontra bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über sein Rechtsmittel von einer Vollziehung absehen werde. Die
Stadt Sontra könne daher allenfalls Aussetzungszinsen in der gesetzlichen Höhe
verlangen; solche Zinsen seien aber bislang noch nicht festgesetzt worden.
Der Kläger beantragte,
die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Beklagten vom 27. Mai 1983
in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 5. Dezember
1983 aufzuheben, soweit wegen 3.706,-- DM Säumniszuschlägen vollstreckt wird.
Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Er vertrat die Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit der
Säumniszuschläge vorlägen. Die Stadt Sontra habe dem von dem Kläger
gestellten Aussetzungsantrag seinerzeit nicht entsprochen. Die Säumniszuschläge
könnten auch ohne vorherige Festsetzung zusammen mit der Hauptforderung
beigetrieben werden. Es reiche aus, daß die Vollstreckung der Hauptleistung
eingeleitet und daß bei Forderung der Hauptleistung auf Säumniszuschläge und
Zinsen dem Grunde nach hingewiesen worden sei. Einen solchen Hinweis enthalte
die der Vollstreckung vorangegangene Mahnung der Stadt Sontra.
Das Verwaltungsgericht Kassel wies die Klage mit Urteil vom 23. September 1986 -
VI/2 E 34/84 - ab. In den Entscheidungsgründen heißt es, daß die zulässige Klage in
der Sache keinen Erfolg haben könne. Die von der Stadt Sontra geltend
gemachten Säumniszuschläge seien infolge Nichtzahlung des fälligen
Erschließungsbeitrags verwirkt. Soweit die anzuwendende
Erschließungsbeitragssatzung der Stadt Sontra keine Fälligkeitsregelung enthalte,
sei das unschädlich, weil sich der Zeitpunkt der Fälligkeit von
Erschließungsbeiträgen unmittelbar aus § 135 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes
(BBauG) ergebe. Von einer stillschweigenden Aussetzung der Vollziehung des
Erschließungsbeitragsbescheides könne nicht ausgegangen werden. Der Kläger
habe aus der Tatsache, daß die Stadt Sontra über seinen Aussetzungsantrag nicht
entschieden, gleichzeitig aber auch keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen
habe, nicht herleiten dürfen, die Aussetzung der Vollziehung sei damit
antragsgemäß bewilligt. Die in § 18 des Hessischen
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (HessVwVG) vom 4. Juli 1966, GVBl. I S.151,
geregelten Voraussetzungen für die Vollstreckung wegen Geldforderungen seien
ebenfalls erfüllt. § 18 Abs. 3 HessVwVG ermögliche bei Nebenleistungen wie
Säumniszuschlägen eine Vollstreckung ohne vorherigen Leistungsbescheid, wenn
bei Forderung der Hauptleistung auf die Säumniszuschläge dem Grunde nach
hingewiesen worden sei. Der Hinweis in einer dem Leistungsbescheid über die
Hauptforderung nachfolgenden Mahnung genüge insoweit. Die Mahnung der
Stadtkasse Sontra vom 9. März 1983 enthalte den erforderlichen Hinweis. Soweit
die Stadt Sontra in ihrem Schreiben vom 3. Februar 1983 eine besondere
Festsetzung der Säumniszuschläge angekündigt habe, sei dies durch die Mahnung
vom 9. März 1983 "überholt" worden.
Gegen dieses Urteil, welches ihm am 11. Oktober 1986 zugestellt worden ist, hat
der Kläger am 7. November 1986 Berufung eingelegt. Mit ihr macht er erneut
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der Kläger am 7. November 1986 Berufung eingelegt. Mit ihr macht er erneut
geltend, daß die streitigen Säumniszuschläge deswegen nicht angefallen seien,
weil ihm die Stadt Sontra auf seinen im Widerspruchsschreiben vom 15. Juli 1980
gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stillschweigend
Zahlungsaufschub gewährt habe. Hierdurch sei die Fälligkeit der
Erschließungsbeitragsforderung hinausgeschoben worden. Auf Grund der
besonderen Umstände des Einzelfalles müsse ihm die Stadt hinsichtlich der
Säumniszuschläge zumindest einen Billigkeitserlaß gewähren. Unabhängig davon
sei der Beklagte auch nicht berechtigt, eigenmächtig Säumniszuschläge
festzusetzen. Denn der Magistrat der Stadt Sontra habe in seinem Schreiben vom
3. Februar 1983 mitgeteilt, daß Säumniszuschläge erst nach Zahlung des
geforderten Erschließungsbeitrags festgesetzt würden. An diese Mitteilung seien
sowohl die Stadtkasse der Stadt Sontra als auch der Beklagte gebunden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 23. September 1986 - VI/2 E
34/84 - abzuändern und die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des
Beklagten vom 27. Mai 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.
Dezember 1983 aufzuheben, soweit die Vollstreckung Säumniszuschläge in Höhe
von 3.706,-- DM betrifft.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt in seiner Berufungserwiderung aus: In der Nichtbescheidung des
Aussetzungsantrags des Klägers durch die Stadt Sontra könne nicht die
stillschweigende Stundung der Beitragsforderung gesehen werden. Für einen Erlaß
der zwischenzeitlich angefallenen Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen gebe
es keine Grundlage. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Schreiben der Stadt
Sontra vom 3. Februar 1983 berufen. Mit diesem Schreiben habe lediglich zum
Ausdruck gebracht werden sollen, daß die genaue Höhe der Säumniszuschläge
erst nach Begleichung der Hauptforderung bestimmt werden könne. Die Stadt
Sontra habe damit nicht sagen wollen, daß die Säumniszuschläge erst nach
Zahlung der Hauptschuld und einer sich anschließenden Festsetzung der
Säumniszuschläge entstünden und fällig würden. Im übrigen komme es letztlich
auf den Inhalt des späteren Schreibens vom 9. März 1983 an; darin seien die
Säumniszuschläge beziffert und angemahnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens VG Kassel VI/2
E 404/81 = Hess. VGH 5 OE 28/83 sowie auf die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Stadt Sontra Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die
Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Beklagten vom 27. Mai 1983 ist
rechtswidrig, soweit mit ihr Säumniszuschläge in Höhe von 3.706,-- DM vollstreckt
werden.
Die Unzulässigkeit der Vollstreckung wegen der Säumniszuschläge kann allerdings
nicht, wie der Kläger meint, damit begründet werden, daß mangels Fälligkeit der
zugrundeliegenden Hauptforderung - der Erschließungsbeitragsforderung der
Stadt Sontra in Höhe von 10.920,10 DM - Säumniszuschläge nicht angefallen
seien. Der mit Bescheid vom 10. Juli 1980 festgesetzte Erschließungsbeitrag wurde
nach § 135 Abs. 1 des im vorliegenden Fall noch anzuwendenden
Bundesbaugesetzes (BBauG) in der Neufassung vom 18. August 1976, BGBl. I S.
2256, 3617, einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides fällig. Der Eintritt der
Fälligkeit von Erschließungsbeitragsforderungen setzt nicht das Vorhandensein
einer entsprechenden Fälligkeitsregelung in der Erschließungsbeitragssatzung der
beitragserhebenden Gemeinde voraus. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 KAG, nach der
unter anderem in kommunalen Abgabensatzungen der Zeitpunkt der Fälligkeit der
Schuld bestimmt werden muß, gilt bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen
auf der Grundlage des Bundesbaugesetzes nicht, denn diese Bestimmung ist in
der Verweisungsvorschrift des § 1 Abs. 2 KAG nicht für anwendbar erklärt. Was zu
dem notwendigen Inhalt von Erschließungsbeitragssatzungen gehört, ergibt sich
allein aus § 132 BBauG; dort aber ist als notwendiger Regelungsgegenstand der
Satzung der Zeitpunkt der Fälligkeit der Erschließungsbeitragforderung nicht
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Satzung der Zeitpunkt der Fälligkeit der Erschließungsbeitragforderung nicht
genannt. Die Fälligkeit der Erschließungsbeitragsforderung der Stadt Sontra gegen
den Kläger ist auch nicht durch eine dem Kläger gewährte Aussetzung der
sofortigen Vollziehung beseitigt worden. Dieser hatte zwar in seinem
Widerspruchsschreiben vom 15. Juli 1980 die Aussetzung der sofortigen
Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch beantragt.
Dem Aussetzungsantrag ist jedoch in der Folgezeit nicht stattgegeben worden.
Aus der Tatsache, daß die Stadt Sontra über den Aussetzungsantrag nicht
entschied, gleichzeitig aber Vollziehungsmaßnahmen unterließ, konnte der Kläger
nicht herleiten, daß die begehrte Aussetzung "stillschweigend" bewilligt sei. Das
hat im einzelnen das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, so daß zur
Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug genommen werden kann.
Die Vollstreckung der streitigen Säumniszuschläge ist aber deswegen unzulässig,
weil die in § 18 HessVwVG geregelten Vollstreckungsvoraussetzungen nicht erfüllt
waren. Die von der Stadt Sontra geforderten Säumniszuschläge sind nicht durch
besonderen Leistungsbescheid festgesetzt worden. Von einer solchen Festsetzung
kann nach § 18 Abs. 3 HessVwVG "bei Nebenleistungen wie Säumniszuschlägen,
Zinsen und Kosten" nur dann abgesehen werden, "wenn die Vollstreckung wegen
der Hauptleistung eingeleitet worden ist und bei Forderung der Hauptleistung auf
Säumniszuschläge und Zinsen dem Grunde nach hingewiesen worden ist". Im
vorliegenden Fall war zwar die Vollstreckung wegen der Hauptleistung - der
Erschließungsbeitragsforderung der Stadt Sontra - eingeleitet; es fehlte jedoch bei
Forderung der Hauptleistung der notwendige Hinweis auf die Erhebung von
Säumniszuschlägen dem Grunde nach. Mit der Formulierung "bei Forderung der
Hauptleistung" knüpft § 18 Abs. 3 HessVwVG an den in § 18 Abs. 1 bezeichneten
Vorgang an, daß "Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung gefordert wird",
vollstreckt werden sollen. Unter Forderung der Hauptleistung im Sinne des § 18
Abs. 3 HessVwVG ist deshalb nichts anderes zu verstehen als die Anforderung der
Hauptleistung durch den zu vollstreckenden Verwaltungsakt. Daraus folgt, daß der
Hinweis auf die Erhebung von Säumniszuschlägen im Falle der Säumnis nach § 18
Abs. 3 HessVwVG bereits mit dem Leistungsbescheid über die Hauptleistung
verbunden sein muß. Die Erteilung des Hinweises bei einer späteren Anmahnung
der Hauptleistung oder - gar erst im Rahmen einer bereits dem
Vollstreckungsverfahren zuzurechnenden Zahlungsaufforderung genügt nicht. Das
ist bei der Vollstreckung der von dem Kläger verwirkten Säumniszuschläge
verkannt worden. Dem Kläger war erstmals durch Zahlungsaufforderung des
Magistrats der Stadt Sontra vom 3. Februar 1983 mitgeteilt worden, daß er mit der
Geltendmachung von Säumniszuschlägen zu rechnen habe. Der
Erschließungsbeitragsbescheid der Stadt Sontra vom 10. Juli 1980, mit dem im
Sinne des § 18 Abs. 3 HessVwVG die "Hauptleistung" angefordert wurde, enthielt
diesen Hinweis noch nicht.
Der von dem Verwaltungsgericht unter Übernahme der einschlägigen
Ausführungen von Kreiling (Hessisches Verwaltungsvollstreckungsrecht, 1967, Erl.
7 zu § 18 HessVwVG) vertretenen Auffassung, daß der Hinweispflicht nach § 18
Abs. 3 HessVwVG auch dann Genüge getan sei, wenn noch in der Mahnung auf die
Möglichkeit gleichzeitiger Beitreibung von Nebenleistungen hingewiesen wurde,
vermag der Senat nicht beizupflichten. Der Gesetzeswortlaut - versteht man ihn
so, wie es oben dargelegt ist läßt diese Auslegung nicht zu. Das hessische Recht
unterscheidet sich insoweit von den Regelungen in anderen Bundesländern. In § 13
Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Baden-Württemberg vom 12.
März 1974 (GesBl. BW S 93) heißt es zum Beispiel: "Kosten der Vollstreckung
können mit der Hauptforderung beigetrieben werden, Nebenforderungen (Zinsen
und Säumniszuschläge) dann, wenn der Pflichtige zuvor schriftlich auf die
Verpflichtung zur Leistung der Nebenforderungen hingewiesen worden ist." Und
das Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13.
Mai 1980 (GV NW S 510) ermöglicht in seinem § 6 Abs. 4 die Beitreibung von
Säumniszuschlägen, Zinsen, Kosten und anderen Nebenforderungen ohne
Einhaltung einer Schonfrist und ohne Mahnung, "wenn im Leistungsbescheid über
die Hauptforderung oder bei deren Anmahnung auf sie dem Grunde nach
hingewiesen worden ist". Diese Regelungen lassen es für eine Vollstreckung wegen
angefallener Säumniszuschläge ohne vorherige Festsetzung in der Tat genügen,
daß der Hinweis auf die Erhebung von Säumniszuschlägen dem Grunde nach in
einer - schriftlichen - Anmahnung vor Durchführung des Vollstreckungsverfahrens
enthalten ist (vgl. zur Rechtslage in Baden-Württemberg: Fliegauf/Maurer,
Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg, 2. Aufl. 1983, § 13
LVwVG RN 2; zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen: Ziffer 6.223 der dortigen
Verwaltungsvorschrift zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen).
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Verwaltungsvorschrift zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz Nordrhein-Westfalen).
§ 18 Abs. 3 HessVwVG räumt, wie gesagt, diese Möglichkeit nicht ein. Darin ist
nicht etwa eine "Regelungslücke" zu sehen, die im Wege der "Rechtsfortbildung
praeter legem" dadurch zu füllen wäre, daß die Möglichkeit einer Vollstreckung
ohne vorherige Festsetzung auch im Rahmen des § 18 HessVwVG dann
zugelassen wird, wenn - erst - ein späteres Mahnschreiben auf die Erhebung von
Säumniszuschlägen dem Grunde nach hinweist. Die Annahme einer
Regelungslücke setzt eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes voraus.
Dafür aber fehlt es bei § 18 Abs. 3 HessVwVG an Anhaltspunkten. Für die dort
vorgesehene Beschränkung der Möglichkeit einer Vollstreckung von
Nebenforderungen ohne vorherige Festsetzung auf den Fall, daß bereits der
Leistungsbescheid über die Hauptforderung auf die Nebenforderungen dem
Grunde nach hinweist, lassen sich durchaus gute und einleuchtende Gründe
nennen. Nur die Erteilung des Hinweises im Verwaltungsakt über die Hauptleistung
führt dem Pflichtigen vor Augen, daß der fragliche Verwaltungsakt ein Titel ist, auf
dessen Grundlage später auch - ohne daß es hierzu eines neuen Titels bedürfte -
wegen Nebenforderungen vollstreckt werden kann. Dies kann zugleich die
Entscheidung des Pflichtigen beeinflussen, ob er gegen den Verwaltungsakt ein
Rechtsmittel einlegt und dies gegebenenfalls mit einem Antrag auf Aussetzung
der sofortigen Vollziehung verbindet. Die oben zitierte weitergehende Regelung in
den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen in den Ländern Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen drängt sich also nicht als so "selbstverständlich auf, daß von
ihrer Geltung auch im Rahmen des § 18 Abs. 3 HessVwVG - trotz und ungeachtet
des hier engeren Wortlauts - ausgegangen werden müßte. Es ergeben sich auch
keine unhaltbaren Konsequenzen für die Verwaltung, wenn die Möglichkeit, ohne
vorherige Festsetzungen Nebenforderungen im Vollstreckungsverfahren
beizutreiben, davon abhängig gemacht wird, daß bereits der Verwaltungsakt über
die Hauptleistung den Hinweis auf die Nebenforderungen dem Grunde nach
enthält. Das Verfahren wird dadurch nicht unzumutbar erschwert. Vergißt die den
Verwaltungsakt über die Hauptleistung erlassende Behörde einmal den Hinweis
auf Nebenforderungen, so kann später immer noch ein Leistungsbescheid über die
Nebenforderungen erlassen und auf diesem Wege die Vollstreckung getrennt von
der Vollstreckung der Hauptforderung betrieben werden.
Die Frage, ob der Hinweis auf künftige Säumniszuschläge in dem Schreiben der
Stadt Sontra vom 3. Februar 1983 an den Kläger auch deshalb unzureichend war,
weil gleichzeitig eine besondere "Festsetzung" der Säumniszuschläge - die der
Hinweis nach § 18 Abs. 3 HessVwVG ja gerade entbehrlich machen soll -
angekündigt wurde, kann nach allem dahinstehen. Auf sich beruhen kann auch,
ob, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, die irreführende Mitteilung vom
3. Februar 1983 durch die Mahnung der Stadtkasse der Stadt Sontra vom 9. März
1983 "überholt" worden ist. Nachdem versäumt worden war, bereits in dem die
Hauptleistung fordernden Verwaltungsakt auf die Erhebung von
Säumniszuschlägen im Falle der Säumnis hinzuweisen, kam eine Beitreibung der
Säumniszuschläge ohne vorherige Festsetzung ohnehin nicht mehr in Betracht.
Auf die Berufung des Klägers ist nach allem unter entsprechender Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils die angefochtene Pfändungs- und Überweisungsverfügung
des Beklagten in der Fassung des zugehörigen Widerspruchsbescheides
aufzuheben. Als unterliegender Teil hat der Beklagte die Kosten des gesamten
Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckung des Urteils im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.
10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 VwGO liegen nicht
vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.