Urteil des HessVGH vom 28.09.1992

VGH Kassel: politische verfolgung, amnesty international, bangladesch, staatliche verfolgung, auskunft, anerkennung, strafverfahren, freie wahlen, öffentliche sicherheit, regierung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
13. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 UE 2301/91
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 16 Abs 2 S 2 GG, § 51
Abs 1 AuslG 1990
(Keine Gefahr politischer Verfolgung für Mitglieder und
Funktionäre der BNP bei Rückkehr nach Bangladesch)
Tatbestand
Der 1961 in Manikganj geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Er
verließ sein Heimatland am 21. Juli 1986, reiste am folgenden Tage in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 25. Juli 1986 seine
Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er an, er sei aktives
Mitglied der BNP. Bei einer Wahlversammlung habe ihn die Polizei festnehmen
wollen. Ein Haftbefehl gegen ihn habe nicht bestanden. In handschriftlichen
Statements vom 22. und 24. Juli 1986 führte er aus, er gehöre der BNP seit 1981
an und werde wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen am 1. April und am 7.
Mai 1986 gesucht, die gegen die seinerzeit stattfindenden Wahlen gerichtet
gewesen seien. Die Polizei trachte ihm nach dem Leben. Seine Eltern hätten
gezwungen werden sollen, ihn auszuliefern. In dieser Situation habe er das Land
verlassen.
In der Vorprüfung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge am 17. März 1987 erklärte der Kläger, er sei seit 1981 Generalsekretär
der Studentenorganisation der BNP und Student an der landwirtschaftlichen
Fakultät der Universität von Dhaka gewesen. Nach der Ermordung des Führers der
BNP, Zia-ur Rahman, am 30. Mai 1981 habe sich die politische Lage verändert.
Nach der Machtübernahme von Ershad habe die Regierung Druck auf die BNP
ausgeübt. Er selbst sei aufgefordert worden, einer regierungsfreundlichen
Studentenorganisation beizutreten; weil er dies abgelehnt habe, sei er im
November 1982 von sieben Leuten mit Stöcken und Fäusten mißhandelt und
bewußtlos geschlagen worden. Danach habe er die Universität verlassen und sich
bis Ende 1985 in Dhaka versteckt gehalten. Zu dieser Zeit habe er erfahren, daß
seine Eltern von der Polizei und vom Geheimdienst CID unter Druck gesetzt
worden seien. Daraufhin habe er sich bis zu seiner Ausreise bei Verwandten
versteckt. Unmittelbarer Anlaß seiner Ausreise seien die Ereignisse am 10. Juli
1986 gewesen. Diesen Tag habe die BNP zum "Schwarzen Tag" für Bangladesch
erklärt, weil das neugewählte Parlament zum ersten Mal getagt habe. Die Polizei
habe mit Waffengewalt eine Demonstration aufgelöst. Er habe in der Nacht mit
knapper Not Schlägertrupps der Regierung entgehen können. Es habe auch ein
schriftlicher Haftbefehl der Polizeistation seines Geburts- und Heimatortes
existiert, den er jedoch selbst nicht gesehen habe. Lediglich seinem Vater sei
dieser Haftbefehl etwa einen Monat vor seiner Ausreise gezeigt worden.
Mit Bescheid vom 24. April 1987 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als offensichtlich
unbegründet ab. Der Landrat des Main-Kinzig- Kreises setzte dem Kläger mit
Bescheid vom 5. Mai 1987 eine Ausreisefrist und drohte ihm die Abschiebung an.
Beide Bescheide wurden dem Kläger am 2. Juni 1987 zugestellt.
Der Kläger erhob am 5. Juni 1987 Klage. Zur Begründung berief er sich zunächst
auf seine exilpolitische Betätigung in leitender Funktion für die Exilorganisation der
BNP. Ferner trug er vor, er habe bei der Demonstration gegen die
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BNP. Ferner trug er vor, er habe bei der Demonstration gegen die
Parlamentswahlen in Dhaka am 1. April 1986 eine führende Rolle gespielt. Deshalb
sei er am 2. April 1986 von Angehörigen der Regierungspartei bei der Polizeistation
Lalbagh angezeigt und des bewaffneten Aufstands und der vorsätzlichen
gefährlichen Körperverletzung beschuldigt worden. Zur Glaubhaftmachung legte
der Kläger ein Schreiben des von seiner Familie beauftragten Anwalts im Original
und ein sogenanntes Charge Sheet des Metropolitan Magistrate Court in Dhaka in
beglaubigter Abschrift vor.
Auf eine die Echtheit der Unterlagen betreffende Anfrage teilte das Auswärtige
Amt dem Verwaltungsgericht mit Auskünften vom 19. Februar und 28. August
1990 mit, die Unterlagen seien bei dem benannten Gericht vor Ort überprüft
worden. Gegen den Kläger sei unter dem angegebenen Aktenzeichen kein
Verfahren anhängig. Das Charge Sheet sei vermutlich eine Fälschung. Hierzu
erklärte die Bevollmächtigte des Klägers, sie habe sich anläßlich einer privaten
Reise im Frühjahr 1991 persönlich davon überzeugt, daß das Verfahren gegen den
Kläger tatsächlich existiere.
Der Kläger beantragte,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 24. April 1987 und die Verfügung des Landrats des Main-Kinzig-Kreises vom
5. Mai 1987 aufzuheben und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie
festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagten beantragten,
die Klage abzuweisen.
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beteiligte sich am
erstinstanzlichen Verfahren nicht.
Informatorisch zu seinen Asylgründen gehört, erklärte der Kläger in der
mündlichen Verhandlung am 16. Juli 1991, er habe sich aufgrund der Vorfälle nach
der großen Demonstration am 10. Juli 1986 zur Ausreise entschlossen. Zu diesem
Zeitpunkt habe er gewußt, daß am 2. April 1986 ein Verfahren gegen ihn
eingeleitet und im Mai ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Einzelheiten
habe er jedoch bis zu seiner Ausreise nicht in Erfahrung bringen können.
Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch eidliche Vernehmung der
Bevollmächtigten des Klägers als Zeugin über ihre Erkundigungen in Bangladesch.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 16. Juli 1991 verwiesen.
Mit Urteil vom 19. Juli 1991 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Kläger
habe weder Vorfluchtgründe für die Zeit seines Aufenthalts in Bangladesch noch
Nachfluchtgründe wegen seiner exilpolitischen Betätigung in Deutschland
glaubhaft machen können. Die Ermittlungen des Gerichts zu dem angeblich gegen
ihn geführten Strafverfahren hätten auch unter Berücksichtigung der persönlich
gewonnenen Erkenntnisse seiner Bevollmächtigten kein eindeutiges Ergebnis
erbracht. Die Auskünfte des Auswärtigen Amts sprächen nach wie vor gegen die
Existenz eines derartigen Verfahrens. Ein aufgrund einer polizeilichen Strafanzeige
eingeleitetes Verfahren könne vielmehr ebensogut eingestellt worden sein. Selbst
wenn es noch anhängig wäre, so könnte der Kläger unter den veränderten
politischen Verhältnissen als Mitglied der Regierungspartei in einem gerichtlichen
Verfahren seine Unschuld beweisen. Erst recht habe er wegen seiner
exilpolitischen Betätigung für die Ziele der BNP nichts zu befürchten. Da ihm somit
keine politische Verfolgung drohe, bestehe auch keine Grundlage für die
Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG.
Gegen das seiner Prozeßbevollmächtigten am 28. August 1991 zugestellte Urteil
hat der Kläger am Montag, den 30. September 1991 die vom Verwaltungsgericht
zugelassene Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahren hat das
Auswärtige Amt mit Auskunft vom 28. Oktober 1991 bekräftigt, die vorgelegte
Abschrift des Charge Sheet sei eine Fälschung. Erneute Nachforschungen des
Vertrauensanwalts der deutschen Botschaft in der Polizeidienststelle des
Metropolitan Magistrate Court hätten ergeben, daß der Name des Klägers
nachträglich im Wege der Fälschung eingetragen worden sei.
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Hierzu trägt der Kläger vor, es bestehe hinreichender Anlaß, Auskünfte des
Auswärtigen Amtes anzuzweifeln, wenn sie auf Angaben örtlicher
Vertrauensanwälte beruhten. Diese seien in vielen Fällen zweifelhaft und
unzuverlässig. Die das Strafverfahren gegen ihn betreffenden Unterlagen seien
echt. Seine Befürchtung, im Falle einer Rückkehr von seinen politischen Gegnern,
den Parteigängern Ershads, umgebracht zu werden, sei angesichts der unsicheren
und von wechselseitigen Gewalttätigkeiten zwischen den verschiedenen politischen
Parteien geprägten Verhältnisse in Bangladesch nach wie vor berechtigt. Ihm
drohe auch deshalb politische Verfolgung, weil das Strafverfahren trotz der
Machtübernahme durch die BNP nicht eingestellt worden sei. Darin liege eine
politisch begründete Ungleichbehandlung; denn unter Ershad sei nur ein
bestimmter Personenkreis, nämlich die damaligen Oppositionellen, mit Verfahren
wegen der Teilnahme an Demonstrationen überzogen worden. Gleichwohl habe
Khaleda Zia erklärt, die Verfahren würden ohne Rücksicht auf die
Parteizugehörigkeit der Betroffenen weitergeführt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 19. Juli 1991 (Az.: VII E
5923/87) abzuändern und das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge unter Aufhebung seines Bescheides vom 24. April 1987 zu verpflichten,
ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte zu 1) und der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten haben sich
im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.
Den Beteiligten sind zwei Listen der dem Senat für Bangladesch im allgemeinen
und zur Situation der BNP im besonderen vorliegenden Erkenntnisquellen
übersandt worden. Sie hatten Gelegenheit, hierzu sowie zu der mit Schreiben des
Berichterstatters vom 27. August 1992 ergänzend in das Verfahren eingeführten
Erkenntnisquelle Stellung zu nehmen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Akte des Verwaltungsgerichts Wiesbaden (Az.: VII H 20837/87)
sowie der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und vom Kläger form- und fristgerecht
eingelegte, auf den asylrechtlichen Verfahrensteil beschränkte Berufung ist nicht
begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die zulässige
Asylverpflichtungsklage des Klägers abgewiesen; der Kläger erfüllt die
Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter i.S. von Artikel 16
Abs. 2 Satz 2 GG nicht. Die im Berufungsverfahren zusätzlich zu prüfenden
Voraussetzungen eines ausländerrechtlichen Abschiebungsschutzes für den
Kläger nach § 51 Abs. 1 AuslG liegen gleichfalls nicht vor.
Grundlage für die Erweiterung des Streitgegenstandes im vorliegenden
Berufungsverfahren ist die gesetzliche Neubestimmung des Begriffes des
Asylantrags durch § 7 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG i.d.F. des Artikel 3 des Gesetzes vom
9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354; vgl. jetzt § 13 Abs. 2 AsylVfG i.d.F. des Gesetzes vom
26. Juni 1992, BGBl. I S. 1126). Dort ist nunmehr ausdrücklich bestimmt, daß mit
jedem Asylantrag stets auch die Feststellung begehrt wird, daß die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die Erweiterung des
Streitgegenstandes kraft Gesetzes gilt auch für rechtshängige Verfahren über
Asylanträge, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge -
wie im vorliegenden Fall - vor dem 1. Januar 1991 beschieden hat (so bereits Hess.
VGH, Urteile vom 25. Februar 1991 - 12 UE 2583/85 -, und vom 11. März 1991 - 13
UE 3545/89 -; vgl. jetzt BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - BVerwG 9 C 59.91 -,
DVBl. 1992, 843, und Beschluß vom 19. März 1992 - BVerwG 9 B 235.91 -, DVBl.
1992, 849).
Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1989 -
BVerwG 9 C 58.88 -, EZAR 631 Nr. 10) keinen Anspruch auf Anerkennung als
politisch Verfolgter im Sinne von Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG.
Asylrechtlichen Schutz genießt jeder, der im Falle seiner Rückkehr in den
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Asylrechtlichen Schutz genießt jeder, der im Falle seiner Rückkehr in den
Herkunftsstaat dort aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr
für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit ausgesetzt
wäre oder in diesem Land politische Repressalien zu erwarten hätte (BVerfG,
Beschluß vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, 357). Eine
Verfolgung ist politisch im Sinne von Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn sie dem
einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse
Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein
prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn aufgrund ihrer Intensität aus der
übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Diese
spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung
nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des
Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschluß vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a.
-, BVerfGE 80, 315, 335).
Werden durch die staatlichen Maßnahmen nicht Leib, Leben oder Freiheit des
Betreffenden gefährdet, sondern andere Rechtsgüter beeinträchtigt, so sind diese
Eingriffe nur dann asylrechtsrelevant, wenn sie nach Intensität und Schwere die
Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des
Heimatstaates aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen
haben (BVerfG, Beschluß vom 2. Juli 1980 a.a.O.).
Asylerheblich sind nicht nur unmittelbare Verfolgungsmaßnahmen des Staates.
Dieser muß sich vielmehr auch Übergriffe nicht staatlicher Stellen als mittelbare
staatliche Verfolgungsmaßnahmen zurechnen lassen, wenn er sie anregt,
unterstützt, billigt oder tatenlos hinnimmt und damit dem Betroffenen den
erforderlichen Schutz versagt, weil er hierzu nicht willens oder nicht in der Lage ist,
wobei der Schutz allerdings nicht lückenlos zu sein braucht (BVerwG, Urteile vom
3. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 33.85 -, BVerwGE 72, 269, und vom 23. Februar
1988 - BVerwG 9 C 14.87 -, EZAR 202 Nr. 12).
Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG setzt eine gegenwärtige Verfolgungsbetroffenheit
voraus (BVerfG, Beschluß vom 2. Juli 1980 a.a.O., Seite 359, 360). Dem
Asylbewerber muß deshalb politische Verfolgung bei verständiger Würdigung aller
Umstände seines Falles mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit
drohen, so daß es ihm nicht zuzumuten ist, in sein Heimatland zurückzukehren.
Hierbei ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen
Tatsachenentscheidung abzustellen, wobei es einer über einen absehbaren
Zeitraum ausgerichteten Prognose der Verfolgungssituation für den Asylbewerber
bedarf (BVerwG, Urteile vom 24. April 1979 - BVerwG 1 C 49.77 -, Buchholz 402.24
§ 28 AuslG Nr. 13, und vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 286.80 -, EZAR 200 Nr.
3).
Ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt für diejenigen
Asylantragsteller, die schon in ihrer Heimat politisch verfolgt wurden, die
insbesondere bereits Opfer politisch gezielter Repressalien waren oder jedenfalls
gute Gründe hatten, solche Repressalien als konkret bevorstehend zu befürchten.
Diese Personen sind schon dann als Asylberechtigte anzuerkennen, wenn an ihrer
Sicherheit vor abermals einsetzender Verfolgung bei Rückkehr in den Heimatstaat
ernsthafte Zweifel verbleiben (BVerwG, Urteil vom 25. September 1984 - BVerwG 9
C 17.84 -, BVerwGE 70, 169).
Demgegenüber ist ein strenger Maßstab sowohl in materieller Hinsicht als auch in
Anbetracht der Darlegungslast und der Beweisanforderungen anzulegen, wenn der
Asylbewerber sich auf Verfolgungsgründe beruft, die er nach Verlassen seines
Heimatstaates aus eigenem Entschluß geschaffen hat (sogenannte
selbstgeschaffene Nachfluchttatbestände). Diese subjektiven Nachfluchtgründe
sind nur in engbegrenzten Fällen asylrechtlich relevant, weil der in Artikel 16 Abs. 2
Satz 2 GG grundsätzlich vorausgesetzte Kausalzusammenhang zwischen
Verfolgung und Flucht nicht gegeben ist (vgl. BVerfG, Beschluß vom 26. November
1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51).
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen
Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus die in seine eigene Sphäre fallenden
tatsächlichen Umstände substantiiert und in sich stimmig zu schildern sowie
eventuelle Widersprüche zu seinem vorausgesetzte Kausalzusammenhang
zwischen Verfolgung und Flucht aufzulösen, so daß sein Vortrag insgesamt
geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen und insbesondere die
Feststellung politisch zielgerichteter Verfolgungsmaßnahmen zu ermöglichen. Bei
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Feststellung politisch zielgerichteter Verfolgungsmaßnahmen zu ermöglichen. Bei
der Darstellung der allgemeinen Umstände im Heimatland genügt es hingegen,
daß die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit
politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urteil vom 23. November 1982 - BVerwG
9 C 74.81 -, EZAR 630 Nr. 1). Ungeachtet dessen muß sich das Gericht in vollem
Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des vorgetragenen individuellen
Verfolgungsschicksals verschaffen; es hat dabei allerdings den sachtypischen
Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Heimatland bei der Auswahl der
Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu
berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 -,
BVerwGE 71, 180 ff.).
Der Kläger erfüllt die dargelegten Voraussetzungen für eine Anerkennung als
politisch Verfolgter im Sinne des Asylgrundrechts nicht. Dabei kann offenbleiben,
ob der Kläger im Zeitpunkt des Verlassens seines Heimatlandes bereits politisch
verfolgt war oder eine solche Verfolgung als unmittelbar bevorstehend zu
befürchten hatte; denn selbst wenn man dies zu seinen Gunsten unterstellte und
für die Verfolgungsprognose einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab
anlegte, bestünden nach der Überzeugung des Senats keine ernsthaften Zweifel
an der Sicherheit des Klägers vor abermals einsetzender Verfolgung bei einer
Rückkehr nach Bangladesch zum jetzigen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit. Zu
dieser Überzeugung gelangt der Senat angesichts der grundlegenden Änderung
der politischen Lage in Bangladesch seit dem Sturz General Ershads im Dezember
1990.
Ershad hatte nach der Ermordung des seit Juni 1978 amtierenden Präsidenten Zia-
ur Rahman in einem Militärputsch am 24. März 1982 die Macht ergriffen und das
Kriegsrecht verhängt. Anfang 1985 wurde das Kriegsrecht vorübergehend
suspendiert, da Ershad beabsichtigte, im April 1985 Wahlen abhalten zu lassen.
Beide oppositionellen Parteienbündnisse (15-Parteien-Allianz unter Führung der
Awami-Liga und 7-Parteien-Allianz unter Führung der BNP) verweigerten jedoch die
Teilnahme an der Wahl. Daraufhin wurde das Kriegsrecht am 1. März 1985 wieder
eingeführt. Die politischen Aktivitäten der Parteien wurden verboten, die
Universitäten geschlossen, Versammlungen verboten, Pressezensur und
Ausgangsverbote eingeführt. Zahlreiche Oppositionspolitiker wurden verhaftet
(Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. Mai 1985 an das VG Wiesbaden;
Auskunft von amnesty international vom 10. Juli 1985 an das VG Wiesbaden). Am
7. Mai 1986 fanden Parlamentswahlen statt. Das von der BNP geführte
Parteienbündnis boykottierte die Wahl (Auskunft des Südasieninstituts vom 14.
November 1986 an den Hess. VGH). Die Awami-Liga und die JSD beteiligten sich
zwar, kritisierten jedoch scharf den Wahlverlauf und die Aufrechterhaltung des
Kriegsrechts, das schließlich am 10. November 1986 wieder außer Kraft gesetzt
wurde. Im Juni 1987 kam es zu einem dreitägigen Generalstreik gegen die Politik
Ershads, der daraufhin am 27. November 1987 den Ausnahmezustand verhängte
und am 7. Dezember 1987 das Parlament auflöste. 5.000 Oppositionelle wurden
allein im November 1987 verhaftet (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5.
Oktober 1987 an das Regierungspräsidium Stuttgart; Auswärtiges Amt,
Lagebericht vom 22. Januar 1988). Nach erneuten Parlamentswahlen im März
1988 mit einer Wahlbeteiligung von nur zwei bis drei Prozent (Auswärtiges Amt,
Lagebericht vom 13. Juli 1988) wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben,
und die innenpolitische Situation entspannte sich zusehends (Südasieninstitut,
Gutachten vom 19. Juni 1989 für das VG Stuttgart).
Im Oktober 1990 bildete sich eine starke Oppositionsbewegung unter Führung der
BNP als Reaktion auf die Weigerung Ershads, freie Wahlen zuzulassen. Dieser
akzeptierte unter dem Druck wachsenden Widerstandes in der Bevölkerung den
Rahmenplan der Opposition, der seinen Rücktritt vorsah. Am 6. Dezember 1990
vereidigte er Shahabuddin Ahmed, einen Richter des Obersten Gerichtshofs, als
Vizepräsidenten und trat selbst zurück. Kurze Zeit später wurde er
festgenommen; weitere Mitglieder seiner Regierung wurden unter Arrest gestellt
(Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 18. Dezember 1990). Am 27. Februar 1991
fanden Wahlen statt, die von Beobachtern als fair bezeichnet wurden. Von 60
beteiligten Parteien trug die BNP unter Führung von Khaleda Zia den Wahlsieg
davon. Khaleda Zia wurde am 20. März 1991 zur Premierministerin ernannt. Die
Awami-Liga, die ehemalige Einheitspartei BAKSAL, die Jatiyo-Partei Ershads und
die JSD sind in der Opposition; die Splitterpartei JSD Rob konnte keinen
Parlamentssitz erringen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15. Mai 1991 an
das VG Kassel; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Mai 1991).
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Die erste parlamentarische Sitzungsperiode verlief ruhig; allerdings setzten sich
die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden
Studentenorganisationen der großen Parteien fort. Am 6. August 1991 nahm das
Parlament einstimmig eine Verfassungsänderung (12th Amendment) an, durch
die der Wechsel von der Präsidialverfassung zur parlamentarischen Demokratie
formal vollzogen wurde. Darin lag zugleich die Verwirklichung der gemeinsamen
Plattform aller Oppositionsparteien gegen Ershad (Auswärtiges Amt, Lagebericht
vom 21. August 1991). Am 8. Oktober 1991 wurde der bisherige, der BNP
angehörende Parlamentspräsident Abdur Rahman Biswas zum Staatspräsidenten
gewählt. Gegen Ershad, der bereits am 12. Juni 1991 wegen illegalen
Waffenbesitzes zu 10 Jahren verschärfter Haft verurteilt worden war, sind weitere
Verfahren wegen Amtsmißbrauchs und Korruption anhängig (Auswärtiges Amt,
Lageberichte vom 21. August 1991 und vom 15. Dezember 1991). Im Juni 1992
gründete ein der Awami-Liga angehörender, bekannter Rechtsanwalt namens
Kamal Hossain ein demokratisches Forum zur Stärkung der Demokratie und der
Menschenrechte in Bangladesch (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 22. Juli 1992).
Vor dem Hintergrund der dargelegten innenpolitischen Entwicklung in Bangladesch
muß der Kläger im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatstaat mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit politischer Verfolgung rechnen. Es bedarf
daher keiner abschließenden Klärung, ob der Kläger vor seiner Ausreise politischer
Verfolgung ausgesetzt gewesen ist; insbesondere kommt es auf die zwischen den
Verfahrensbeteiligten umstrittene Frage der Echtheit der vorgelegten, ein
angeblich gegen den Kläger geführtes Strafverfahren betreffenden Unterlagen im
Ergebnis nicht mehr an.
Der Kläger ist nach eigenem Vorbringen aktives Mitglied und ehemaliger
Funktionär der Regierungspartei BNP, die die amtierende Premierministerin
Khaleda Zia und den Staatspräsidenten Abdur Rahman Biswas stellt. Die Partei
regiert mit großer Mehrheit. Das Regime Ershads hat keine erkennbare Aussicht
mehr, an die Macht zurückzukehren. Unter diesen Umständen erscheint es
schlechterdings ausgeschlossen, daß der Kläger als langjähriges und verdientes
Mitglied der Regierungspartei bei einer Rückkehr in seine Heimat politisch verfolgt
werden könnte. Dies gilt auch und gerade für das angeblich gegen ihn eingeleitete
Strafverfahren wegen bewaffneten Aufstands und gefährlicher Körperverletzung.
Grundsätzlich kann auch eine Strafverfolgung politischen Charakter haben; sowohl
strafrechtliche Bestimmungen als auch Strafverhängung und -vollzug können im
asylrechtlichen Zusammenhang Mittel staatlichen Zwanges darstellen. Für die
Beurteilung der Frage, ob eine Bestrafung eine politische Verfolgungsmaßnahme
darstellt, kommt es auf den nach objektiven Kriterien erkennbaren Zweck der
Strafe an. Dient sie dem Ziel, den Verfolgten ausschließlich oder doch jedenfalls
auch aus politischen Gründen zu treffen, so ist eine politische Verfolgung auch
dann gegeben, wenn sie äußerlich in das Gewand einer polizeilichen oder
strafrechtlichen Maßnahme gekleidet ist (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 -
BVerwG 9 C 874.82 -, BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5). Dies ist insbesondere
dann zu vermuten, wenn der Verfolgte im Prozeß oder im Urteil eine Behandlung
erleidet, die härter ist als die sonst zur Verfolgung ähnlicher Straftaten von
vergleichbarer Gefährlichkeit im Verfolgerstaat übliche (BVerfG, Beschluß vom 10.
Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315, 336 ff.; Beschluß vom 20.
Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 -, EZAR 200 Nr. 26; BVerwG, Urteil vom 8. Mai
1987 - BVerwG 9 C 161.83 -, EZAR 201 Nr. 7). Entsprechendes gilt für
Staatsschutzvorschriften und die auf ihrer Grundlage verhängten Strafen.
Entscheidend ist, ob der Staat mit ihnen nach objektiven Maßstäben lediglich
darauf abzielt, Übergriffe auf seine Grundordnung abzuwehren, die Allgemeinheit
vor Gefahren zu schützen oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung
aufrechtzuerhalten, oder ob sie gleichzeitig auch den Straftäter wegen seiner
abweichenden politischen Überzeugung oder wegen sonstiger asylerheblicher
Merkmale treffen sollen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1987 - BVerwG 9 C
277.86 -, BVerwGE 78, 152, 157 = EZAR 202 Nr. 11). Demgegenüber ist die
staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts, also von Straftaten, die sich gegen
Rechtsgüter anderer Bürger richten, grundsätzlich nicht politisch, und zwar auch
dann nicht, wenn die Straftaten aus einer politischen Überzeugung heraus
begangen worden sind (BVerfG, Beschluß vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86
- a.a.O.).
Nach diesen Grundsätzen kommt eine Anerkennung des Klägers als
Asylberechtigter wegen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens nicht in
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Asylberechtigter wegen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens nicht in
Betracht. Bereits in tatsächlicher Hinsicht findet das Vorbringen des Klägers, das
gegen ihn wegen der Teilnahme an Demonstrationen im Vorfeld der
Parlamentswahlen vom 7. Mai 1986 eingeleitete Strafverfahren sei noch immer
anhängig, in den dem Senat vorliegenden, den Beteiligten bekanntgegebenen
Erkenntnisquellen keine Stütze. Das Auswärtige Amt hat auf die entsprechende
Anfrage eines Verwaltungsgerichts berichtet, es sei davon auszugehen, daß alle
Strafverfahren wegen der Teilnahme an Demonstrationen mit dem Ziel des
Wahlboykotts eingestellt worden seien, auch wenn ein diesbezüglicher formaler
Beschluß noch ausstehe (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15. Mai 1991 an
das VG Kassel). Aber selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, ein
solches Strafverfahren wäre im April 1986 eingeleitet und noch nicht eingestellt
worden, so läge darin kein Akt staatlicher politischer Verfolgung.
Die Demonstrationen im Mai 1986 waren gegen die bevorstehenden, von Ershad
unter der Geltung des Kriegsrechts veranstalteten Wahlen gerichtet, auf deren
Boykott die jetzige Premierministerin Khaleda Zia selbst ihre spätere
Machtübernahme ausdrücklich zurückgeführt hat (Auskunft des Auswärtigen
Amtes vom 15. Mai 1991 an das VG Kassel). Ein Eintreten für dieses Ziel stellt
daher unter den heutigen Machtverhältnissen kein Unrecht, sondern ein
politisches Verdienst dar. Eine Verfolgung des Klägers im Zusammenhang mit
jenen Demonstrationen wäre daher nur dann denkbar, wenn dem Kläger nicht sein
Eintreten gegen die Parlamentswahlen, sondern kriminelles Unrecht zur Last
gelegt würde, etwa die Beteiligung an Gewalttätigkeiten. Die staatliche Sanktion
solchen Unrechts aber wäre nicht politisch im Sinne des Asylgrundrechts. Der
Kläger macht selbst zu Recht nicht geltend, daß er wegen eines solchen Vorwurfs
aus politischen Gründen eine härtere Bestrafung im Sinne eines sogenannten
"Politmalus" zu erwarten hätte. Seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat vorgetragenen Auffassung, Merkmale einer politischen Verfolgung seien
jedenfalls darin zu sehen, daß die unter der Regierung Ershads ausschließlich
gegen Oppositionelle eingeleiteten Verfahren nicht eingestellt würden, obwohl nur
ein bestimmter, nach politischen Kriterien ausgewählter Kreis von Beschuldigten
betroffen sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn selbst wenn ein
Strafverfahren gegen den Kläger als damaligen Oppositionellen ursprünglich aus
politischen Gründen eingeleitet worden sein sollte, so kann jedenfalls nicht
festgestellt werden, daß die jetzige Regierung noch immer oder erneut im Sinne
einer staatlichen, gegen den Kläger gerichteten politischen Verfolgung tätig würde,
wenn sie es hinnähme, daß die Justiz ein derartiges Strafverfahren weiterführt. Eine
strafrechtliche Verurteilung des Klägers würde gerade nicht einem möglichen oder
vermeintlichen politischen Gegner gelten; vielmehr ist der Kläger Mitglied der
staatstragenden Partei BNP. Deshalb kann eine politische Zielsetzung der jetzigen
Regierung im Falle einer Bestrafung des Klägers ausgeschlossen werden. Im
Gegenteil spricht alles dafür, daß der Kläger als jahrelanger Generalsekretär der
Studentenorganisation der BNP vor Gericht jede erdenkliche Unterstützung
staatlicher Stellen im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfahren dürfte.
Dabei berücksichtigt der Senat den Vortrag des Klägers, daß in Bangladesch
gegenwärtig möglicherweise noch kein in allen Belangen funktionierender
Rechtsstaat im Sinne des Grundgesetzes besteht. Das Grundrecht auf Asyl
rechtfertigt es jedoch nicht, einen Ausländer bereits dann als Asylberechtigten
anzuerkennen, wenn die politischen Verhältnisse in seinem Heimatstaat nicht in
jeder Hinsicht denen in der Bundesrepublik Deutschland entsprechen. Im übrigen
hat das Auswärtige Amt bereits in der Auskunft an das Verwaltungsgericht Kassel
vom 15. Mai 1991 betont, daß der Übergang zur Demokratie in Bangladesch bis
auf die seinerzeit noch ausstehende, inzwischen am 8. Oktober 1991 erfolgte Wahl
eines Staatspräsidenten vollendet sei. Schon vor dem Sturz Ershads haben das
Auswärtige Amt und das Südasieninstitut übereinstimmend hervorgehoben, daß
die Justiz in Bangladesch ihre Unabhängigkeit habe wahren bzw. zurückgewinnen
können (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 23. Mai 1990 an das VG Koblenz;
Südasieninstitut, Gutachten vom 19. Juni 1989 für das VG Stuttgart), wobei
insbesondere die Obergerichte den Ruf der Regierungsunabhängigkeit genossen
hätten.
Der Kläger hat auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
Verfolgungsmaßnahmen von gewalttätigen Anhängern der früheren Regierung zu
befürchten. Ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Gewalttätigkeiten
überhaupt dem Staat Bangladesch zugerechnet werden könnten, bedarf hier
keiner Entscheidung; denn es sind erst zwei Einzelfälle bekannt geworden, in
welchen zurückkehrende Asylbewerber von Schlägertrupps bedroht bzw. von der
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welchen zurückkehrende Asylbewerber von Schlägertrupps bedroht bzw. von der
Flughafenpolizei mißhandelt wurden. Diese Fälle haben sich bereits im März 1987
bzw. im Oktober 1990 ereignet (Edda Kirleis vor dem VG Stuttgart am 28.
September 1990; amnesty international, August 1991, Torture of asylum-seeker
returned from Sweden). Beide Einzelfälle stammen mithin aus der Zeit vor dem
Machtwechsel in Bangladesch und rechtfertigen nicht mit der erforderlichen
Wahrscheinlichkeit die Annahme, der Kläger müsse im Falle seiner Rückkehr mit
Verfolgungsmaßnahmen von Anhängern der Jatiyo-Partei des früheren Präsidenten
Ershad rechnen. Vielmehr sind solche Vorfälle nach dem innenpolitischen Wandel
in Bangladesch und den damit einhergehenden Demokratiebestrebungen in naher
Zukunft noch unwahrscheinlicher geworden (vgl. dazu bereits Urteil des Senats
vom 4. Februar 1991 - 13 UE 31/86 -). Zwar sind auch gegenwärtig gewalttätige
Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Lagern in
Bangladesch an der Tagesordnung. Insbesondere kommt es immer wieder zu
Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Studentenorganisationen der
großen Parteien (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 21. August 1991, vom 15.
Dezember 1991 und vom 22. Juli 1992). Diese sind jedoch auf die Hauptstadt
Dhaka und die übrigen Universitätsstädte des Landes beschränkt und keineswegs
flächendeckend. Der Staat ist bestrebt, diesen Auseinandersetzungen nicht nur
mit Hilfe der zuweilen überforderten Polizei, sondern auch mit politischen Mitteln
entgegenzutreten (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 21. August 1991 und vom
15. Dezember 1991). Von einer vollständigen Kontrolle kann allerdings derzeit
noch nicht ausgegangen werden. Gleichwohl vermögen solche Beeinträchtigungen
der öffentlichen Sicherheit den Schluß auf eine gegen den Kläger gerichtete,
mittelbare staatliche Verfolgung nicht zu rechtfertigen; denn es bestehen keine
Anhaltspunkte dafür, daß staatliche Stellen die geschilderten
Auseinandersetzungen billigen oder tatenlos hinnehmen.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf - beachtliche - Nachfluchtgründe
berufen. Selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausginge, daß er mit seiner
exilpolitischen Betätigung eine schon im Heimatland erkennbar betätigte politische
Überzeugung fortgeführt hätte und daß er zum Zeitpunkt der Asylantragstellung
im Juli 1986 bereits von politischer Verfolgung in seinem Heimatland bedroht war,
so daß sowohl die Asylantragstellung als auch die exilpolitische Betätigung als
selbstgeschaffene Nachfluchtgründe asylrechtlich erheblich wären (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O. sowie BVerwG, Urteil
vom 30. August 1988 - BVerwG 9 C 80.87 -, BVerwGE 80, 136), hätte der Kläger
deswegen bei einer Rückkehr nach Bangladesch keine politische Verfolgung zu
befürchten. Sein Eintreten für die Ziele der jetzigen Regierungspartei BNP in deren
Exilorganisation in der Bundesrepublik Deutschland scheidet nach dem
grundlegenden innenpolitischen Wandel in Bangladesch als Anknüpfungspunkt für
politische Verfolgungsmaßnahmen von vornherein aus. Schon zur Zeit Ershads
nahm die Regierung nach den vorliegenden, übereinstimmenden
Erkenntnisquellen kaum Notiz von derartigen Auslandsaktivitäten (vgl. Auskunft
von amnesty international vom 10. Juli 1985 an das VG Wiesbaden; Auskunft des
Südasieninstituts vom 24. September 1985 an das VG Wiesbaden; Auskünfte des
Auswärtigen Amtes vom 1. Februar 1990 an das VG Ansbach und vom 23. Mai
1990 an das VG Koblenz). Auch die Tatsache der Asylantragstellung wurde nach
der Auskunftslage schon unter Ershad in keinem konkreten Fall zum Anlaß
politisch motivierter Repressalien gegen zurückkehrende bzw. abgeschobene
bangladeschische Staatsangehörige genommen (Auskunft des Auswärtigen
Amtes vom 1. Februar 1988 an das VG Trier; Auswärtiges Amt, Lageberichte vom
31. Oktober 1989, 6. März 1990, 17. Mai 1990 und 24. August 1990).
Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter
gemäß Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG.
Seine Berufung hat auch nicht deshalb - teilweise - Erfolg, weil die Beklagte zu 1)
entsprechend dem von Gesetzes wegen erweiterten Streitgegenstand des
Berufungsverfahrens verpflichtet wäre, das Vorliegen der Voraussetzungen der
Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG festzustellen. Wie sich aus
den Ausführungen zu Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG ergibt, hat der Kläger bei einer
Rückkehr in sein Heimatland keine lebens- oder freiheitsbedrohenden staatlichen
Maßnahmen zu befürchten, die sich gegen seine Rasse, Religion,
Staatsangehörigkeit, seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
oder seine politische Überzeugung richten. Dies gilt insbesondere für die als
Nachfluchtgrund geltend gemachte Asylantragstellung und die exilpolitische
Betätigung des Klägers. Der Begriff der politischen Verfolgung in § 51 Abs. 1 AuslG
unterscheidet sich nicht von dem herkömmlichen asylrechtlichen
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unterscheidet sich nicht von dem herkömmlichen asylrechtlichen
Verfolgungsbegriff in Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerwG, Urteil vom 18. Februar
1992 - BVerwG 9 C 59.91 - a.a.O.).
Da die Berufung erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die
Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Rechtssache keine
grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat mit seiner Entscheidung nicht von
einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.