Urteil des HessVGH vom 25.08.1994

VGH Kassel: bebauungsplan, schutzwürdiges interesse, stadt, ausweisung, privates interesse, genehmigung, verordnung, firsthöhe, erhaltung, landschaftsplan

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 N 796/92
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 5 BauGB, § 1 Abs 6
BauGB, § 139 BGB, § 1 Abs
5 Nr 8 BauGB, § 47 VwGO
(Normenkontrolle eines Bebauungsplans: Widerspruch des
Bebauungsplans zu einer Landschaftsschutzverordnung;
fehlende Übereinstimmung von Planungsabsicht und
Planungsergebnis; Abwägung: Berücksichtigung der
Belange der Wirtschaft)
Tatbestand
Die Antragstellerin betreibt seit 127 Jahren die M werke in B -H. Der Marmorabbau
ist 1973 stillgelegt worden, weil der weitere Abbau zu kostspielig war. Finanziell
lohnender war es, die Rohstoffe heranzufahren. Die Produktion von Grund- und
Deckputzen wurde weiterbetrieben. Die Werksanlage wurde zuletzt 1975
modernisiert (Bau einer Lagerhalle). Die heutige Anlage ist als Mischwerk
ausgelegt für die Herstellung von trockenen Putzen und Mörteln für den Baumarkt.
Nach Beendigung des Marmorabbaus wurden der Antragstellerin verschiedene
Baugenehmigungen erteilt, mit denen die Änderung des ursprünglich privilegierten
ortsgebundenen gewerblichen Betriebs im Außenbereich in die gegenwärtige
Nutzung des Betriebsgeländes eingeleitet wurde. Teilweise erfolgte die Änderung
nach den Angaben der Antragsgegnerin auch ohne förmliche Genehmigung
"schleichend".
Die bau- und naturschutzrechtliche Situation hat sich im Plangebiet wie folgt
entwickelt:
Das Gemeindegebiet des. Ortsteils H der Gemeinde B liegt im Geltungsbereich der
Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen in den Landkreisen D -D B - und im
O reis im Regierungsbezirk D "Landschaftsschutzgebiet B -O" vom 15.07.1975
(StAnz. S. 1439, jetzt in der Fassung der 12. Verordnung zur Änderung der
Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen usw. vom 06.05.1994, StAnz. S.
1393). Nicht Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes waren in der
ursprünglichen Fassung die Flächen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs
eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 des Bundesbaugesetzes und innerhalb
der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinne des § 34 des
Bundesbaugesetzes (§ 1 Abs. 2 LSchVO Bergstraße-Odenwald 1975). Durch die
11. Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen
usw. vom 09.07.1991 (StAnz. S. 1779) erfolgte eine Innenabgrenzung des
Landschaftsschutzgebietes B -O -, durch die u. a. die Ortslage von H einschließlich
des Betriebsgeländes des Marmoritwerkes aus dem Geltungsbereich der
Verordnung herausgenommen wurden. Das nördlich angrenzende Plangebiet
(Baugebiet mit der Kennziffer 8; Parzellen 10/3 und 11/4) sowie der südliche Teil
des Plangebiets (Baugebiet mit der Kennziffer 5; Parzelle 25/2) sind
Landschaftsschutzgebiet geblieben.
Das Plangebiet liegt im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans der Stadt B in
der Fassung aus dem Jahre 1977. Im Verfahren zur Fortschreibung bzw.
Neuaufstellung des Flächennutzungsplans ist eine Stellungnahme des Kreises B
und sind Anregungen und Bedenken u. a. der Marmoritwerke zu der Abgrenzung
zwischen Gewerbefläche und der Wohnbebauung entlang dem parallel zur
Nordostgrenze des Plangebiets verlaufenden Weiherweg erhoben worden. Der
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Nordostgrenze des Plangebiets verlaufenden Weiherweg erhoben worden. Der
Vorschlag der Verwaltung dazu lautet wie folgt:
"In verschiedenen Gesprächen mit der Betriebsleitung des M werkes und den
Anliegern der angrenzenden Grundstücke im Stadtteil H konnte keine Einigung
über die Ausweisung von Gewerbegebieten im Bereich des Marmoritwerkes
getroffen werden. Es wird vorgeschlagen, der Forderung des Kreises zu
entsprechen und zwischen dem Wohngebiet im W weg und der Gewerbefläche eine
landwirtschaftliche Fläche auszuweisen.
Einzelfestlegungen sollen in einem Bebauungsplan geregelt werden."
In der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt B - vom 21.07.1977
wurde u. a. diese Anregung berücksichtigt und im Anschluß der
Flächennutzungsplan gemäß § 5 BBauG beschlossen, mit Verfügung vom
02.12.1977 genehmigt und die Genehmigung im Bergsträßer Anzeiger vom
17.12.1977 bekanntgemacht. Im Flächennutzungsplan 1977 sind das
Betriebsgelände des M - werkes sowie eine südöstlich angrenzende Teilfläche als
"Gewerbebaufläche", die bebauten Flächen an der M straße "Mischbaufläche" mit
der Anmerkung "MD" (Dorfgebiet), die nördlich an das Betriebsgelände
angrenzenden Flächen als Fläche für Landwirtschaft und der Bereich des "G
Brunnens" als Naturdenkmal dargestellt.
Der streitgegenständliche Bebauungsplan der Stadt B mit integriertem
Landschaftsplan für den Bereich des M werkes in B -H (BH 3) wurde wie folgt
aufgestellt:
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt B beschloß am 29.09.1977 die
Aufstellung eines Bebauungsplans für den Bereich des Marmoritwerkes in B -H. Die
Antragsgegnerin führte am 27.02.1978 zur Beteiligung der Bürger an der
Bauleitplanung gemäß § 2a BauGB (alt) ein Bürgergespräch durch. In ihrer Sitzung
vom 19.07.1978 beschloß die Stadtverordnetenversammlung erstmals den Plan
als Entwurf. Nach Überarbeitung wurde dieser am 10.05.1979 als geänderter
Satzungsentwurf beschlossen. Nach Durchführung des Offenlage- und
Anhörungsverfahrens ruhte das Bebauungsplanverfahren, da zunächst aufgrund
der eingetretenen Änderungen in Betriebsablauf und Betriebsführung der
Marmoritwerke kein Bedürfnis für die Fortführung des Verfahrens bestand. Die
Antragstellerin hatte die Grundputzproduktion in ihr Werk nach L verlegt und durch
diese Umstellung die täglichen Lkw-An- und Abfahrten erheblich reduziert.
Nach einem Eigentümerwechsel stellte die Antragsgegnerin zunächst 1988 eine
Bauvoranfrage, später einen Antrag auf Vorbescheid gemäß § 9 i.V.m. § 15
BImSchG, dessen Gegenstand die Optimierung der vorhandenen
Fabrikationsanlage für trockene Grund- und Deckputze auf einer erweiterten
Betriebsfläche war. Diesen Antrag nahm die Antragsgegnerin zum Anlaß, in der
Sitzung der Stadtverordnetenversammlung vom 15.12.1988 eine
Veränderungssperre zu erlassen und das eingeleitete Bebauungsplanverfahren
fortzuführen.
Die Begründung zur Veränderungssperre vom 15.12.1988 lautet auszugsweise wie
folgt:
"Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens soll geprüft werden, inwieweit eine
Betriebserweiterung vertretbar ist oder der vorhandene Gewerbebetrieb auf seinen
jetzt vorhandenen Bestand festgeschrieben werden muß. Hierzu sind im
Bebauungsplanverfahren umfangreiche Untersuchungen sowohl im Hinblick auf die
Landschaftsverträglichkeit als auch bezüglich der zu erwartenden
Verkehrsbelastung notwendig. Die öffentlichen und privaten Belange sind gerecht
abzuwägen.
Da jedoch die Bearbeitung des Bebauungsplanes noch einige Zeit in Anspruch
nimmt, andererseits für den inzwischen vorliegenden Antrag auf
Betriebsoptimierung sowie eventuelle weitere Anträge ein Anspruch auf
Entscheidung besteht, wird es aus städtebaulichen Gründen für sinnvoll gehalten,
bis zur Rechtskraft des Bebauungsplanes eine Satzung über die Verhängung einer
Veränderungssperre zu erlassen."
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt B beschloß in ihrer Sitzung vom
13.12.1990 die Aufstellung eines Bebauungsplans mit integriertem
Landschaftsplan für den Bereich des Marmoritwerkes und seine Offenlegung. Die
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Landschaftsplan für den Bereich des Marmoritwerkes und seine Offenlegung. Die
öffentliche Auslegung erfolgte in der Zeit vom 30.01. bis 08.03.1991.
Im Zuge des Aufstellungsverfahrens sind mehrere Bestandsaufnahmen erstellt
worden. Einmal hinsichtlich der Flächennutzung und Bebauung, vgl. Nr. 2.3 der
Begründung (vgl. Bestandskartierung S. 57 Aufstellungsakten des
Bebauungsplans), des Betriebs der Antragstellerin unter Einbeziehung der
geplanten "Ertüchtigung" der Anlage (vgl. Nr. 2.4 und 5 der Begründung), des
Verkehrs auf der M straße und der Zufahrt zum Werksgelände (vgl. Nr. 5 der
Begründung, insbesondere Bl. 65 Aufstellungsakten des Bebauungsplans,
Verkehrszählung am 07.06.1990 in der Zeit von 5.00 h bis 18.00 h an der Zufahrt
zum Werksgelände von der M straße). Weiterhin hat eine Bestandsaufnahme von
Natur und Landschaft stattgefunden (vgl. Nr. 1 der Begründung des
Landschaftsplans zum Bebauungsplan). Schließlich wurde auf der Grundlage von
Schallpegelmessungen auf dem Werksgelände am 15.11.1988 eine
schalltechnische Untersuchung vom 14.12.1988 erstellt.
U. a. wurden die folgenden Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange sowie
Bedenken und Anregungen von privater Seite vorgebracht, über die die
Stadtverordnetenversammlung der Stadt B in ihrer Sitzung vom 02.10.1991
entschieden hat: In seiner Stellungnahme vom 14.05.1991 sieht das
Regierungspräsidium D in mehreren Punkten Unklarheiten:
Laut Landschaftsplan seien keinerlei Veränderungen des Betriebsgeländes
geplant. Diese Aussage widerspreche Kapitel 2.4 der Begründung, nach der zur
Ertüchtigung der Anlage mehrere Großsilos erstellt werden sollten. Auch bezüglich
des Lärmschutzwalles könne der Argumentation, es wären keine Eingriffe geplant,
nicht gefolgt werden. Der Bebauungsplanentwurf enthalte Flächen im
Landschaftsschutzgebiet. Dies betreffe insbesondere die Parzellen 10/3 und 11/4.
Einer Erweiterung der baulichen Anlagen in diese Talbereiche (hier: geplanter
Lärmschutzwall) stimme er nicht zu.
Die Antragsgegnerin nahm wie folgt Stellung:
Im Rahmen der Begründung zum Bebauungsplan sei lediglich aufgezeigt worden,
daß die Firma M im Rahmen der Ertüchtigung der Anlage die Erstellung von
mehreren Großsilos plane. Durch die Festsetzungen im Rahmen des
Bebauungsplans sollten jedoch diese geplanten Erweiterungen nicht möglich
gemacht werden, so daß die Bedenken diesbezüglich ausgeräumt seien.
Eine Eingriffsausgleichsbilanz sei für die Errichtung des Lärmschutzwalles, der
ausschließlich der Verbesserung der Situation diene, nicht erforderlich. Seine
Auswirkungen auf das Arten- und Biotoppotential seien positiv zu werten, wenn
man die Vermehrung der biologisch aktiven Oberfläche als Maßstab nehme... Aus
alldem sei abzuleiten, daß keine negativen Veränderungen einträten, somit treffe
die Eingriffsdefinition des Naturschutzrechts nicht zu.
Der vom Träger angesprochene kleine Teil des Lärmschutzwalles diene vorrangig
zum Schutz der am W - weg gelegenen Bebauung. Er nehme nur einen kleinen rd.
50 m langen und maximal 12,90 m breiten Streifen am Südrand des Flurstücks
10/3 in Anspruch.
Da der Wall mit standortgerechten Gehölzen bepflanzt werden solle und in dem
betreffenden Abschnitt ausreichend weit abseits vom Z bach liege, sei die
Ablehnung des Trägers nicht nachvollziehbar, zumal eine beabsichtigte
Schutzwirkung für die Bebauung durch den Verzicht auf diesen Teil entsprechend
gemindert würde.
Unter dem 19.03.1991 hat die Gemeinde Seeheim-Jugenheim geltend gemacht,
durch die vorgesehene Ertüchtigung der Werksanlagen der M werke, insbesondere
durch die Ausweitung der Lagerkapazität werde es mit großer Wahrscheinlichkeit
zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen im Bereich der L 3103 kommen. Es sei
nicht auszuschließen, daß zumindest ein Teil dieses Verkehrsaufkommens durch
den Ortsteil Balkhausen abfließe. Eine weitere Belastung der Ortsdurchfahrt B
könne nicht hingenommen werden.
Dazu nahm die Antragsgegnerin wie folgt Stellung:
Im Bebauungsplan sei eine Festschreibung des Betriebes auf den derzeitigen
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Im Bebauungsplan sei eine Festschreibung des Betriebes auf den derzeitigen
Stand vorgesehen, um gerade eine Ausweitung der Lagerkapazität, die zu einem
erhöhten Verkehrsaufkommen führen dürfte, zu vermeiden.
Unter dem 22.03.1991 hat die Industrie- und Handelskammer Darmstadt wie folgt
Stellung genommen:
"Die Bedenken richteten sich gegen die Festschreibung des Betriebes auf den
heutigen Bestand. Der Betrieb sei zwar wegen des Verkehrs durch Liefer- und
Abholfahrzeuge sowie durch die Geräusch- und Staubentwicklung bei der
Verladung vor Ort an seinem Standort nicht unproblematisch. Durch die
Ausweisung werde er jedoch daran gehindert, erwünschte Veränderungen und
Verbesserungen auf seinem Betriebsgelände vorzunehmen.
Weiterhin richteten sich die Bedenken gegen den Lärmschutzwall, der die
Wohnnachbarschaft vor Immissionen von dem Betrieb schützen solle, dies aber
nicht könne, da die umliegenden Gebäude wegen des ansteigenden Geländes
höher lägen. Landschaftsgestalterisch sei dafür das enge Tal eher ungünstig zu
bewerten.
Zur Verbesserung der Situation sowohl für die Bewohner wie auch für das
Unternehmen werde folgendes vorgeschlagen:
Ausweisung des Platzes für den Bau einer Verladehalle in Verlängerung des
nördlichen Lagergebäudes. Damit würden die Verladegeräusche erheblich
vermindert. Außerdem finde weniger Staubentwicklung statt.
Die Dachlandschaft im mittleren Bereich des Betriebes werde nicht
festgeschrieben, sondern könne der Firsthöhe des nördlichen Lagergebäudes
angepaßt werden. Auf diese Weise habe der Betrieb die Möglichkeit, sich innerhalb
der bebauten Flächen umzuorganisieren.
Verzicht auf den Lärmschutzwall. Dafür verpflichte sich das Unternehmen, die
jetzige Brachfläche am Bach als Auenlandschaft o.ä. in Übereinstimmung mit der
Naturschutzbehörde zu gestalten.
Nach Aussage des Betriebes sollten die Kapazitäten vor Ort durch die
vorgeschlagenen Maßnahmen nicht erweitert werden.
Die Antragsgegnerin nahm wie folgt Stellung:
Nach Abwägung der vorgebrachten Bedenken werde darauf hingewiesen, daß eine
Festschreibung des Betriebes auf den derzeitigen Bestand und die derzeitigen
Kapazitäten unbedingt für notwendig angesehen werde, da eine zusätzliche
Verkehrsbelastung der Bachgasse durch den Zu- und Abfahrtsverkehr sowie eine
Belastung der Wohnnutzung nicht mehr vertretbar sei.
Die Ausweisung einer überbaubaren Fläche für den Bau einer Verladehalle in
Verlängerung des nördlichen Lagergebäudes würde sich zwar im Hinblick auf die
Verladegeräusche und auf die Staubentwicklung positiv auswirken; da mit dieser
Ausweisung im Bebauungsplan jedoch für den Betrieb die Möglichkeit der
Kapazitätsausweitung bestehe, dies jedoch aus den vorerwähnten Gründen nicht
akzeptabel sei, solle diesem Vorschlag nicht zugestimmt werden. Hierzu werde
auch auf die Stellungnahme der Gemeinde S -J (Pkt. 13) verwiesen, die sich gegen
eine weitere Ertüchtigung (Ausbau) des Werkes und die damit verbundene
Erhöhung des Verkehrsaufkommens für den Bereich B wehre.
Gegen eine Lockerung der Festschreibung der Dachlandschaft im mittleren
Bereich des Betriebes und einer Anpassung an die Firsthöhe des nördlichen
Lagergebäudes, um innerhalb der bebauten Fläche Möglichkeiten der
Umorganisation zu haben, bestünden keine grundsätzlichen Einwände, so daß
vorgeschlagen werde, den Bebauungsplan diesbezüglich zu überarbeiten.
Auf den Lärmschutzwall sollte u. E. nicht verzichtet werden, da dieser gemeinsam
mit einer entsprechenden Bepflanzung die Wohnbebauung zumindest teilweise vor
Immissionen von dem Betrieb schützen werde.
Die Bedenken bzw. Anregungen seien mit Ausnahme der Lockerung der
Dachlandschaft zurückgewiesen worden.
Unter dem 17.04.1991 hat der Deutsche Bund für Vogelschutz, Ortsgruppe B,
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Unter dem 17.04.1991 hat der Deutsche Bund für Vogelschutz, Ortsgruppe B,
darauf hingewiesen,
daß der Einbiegungsbereich vom Werkverkehr in die Landstraße Schwerpunkt der
Wanderung von Amphibien (Erdkröten, Grasfrösche, Bergmolche und
Feuersalamander) sei, auf der bei der jährlichen Wanderung zu den Laichplätzen
zahlreiche Tiere getötet würden. Die Planung sehe keine Schutzmaßnahmen im
Bereich der Ein- und Ausfahrt des Werkes vor. Durch den starken Verkehr bei der
Anlieferung und dem Transport der Produkte mittels schwerer Lkw's werde der
schmale, empfindliche Talraum zwischen H und A zusätzlich zum Ortsverkehr der
Wohngemeinde H stark belastet. Auf den Schutz der an die Straße angrenzenden
Lebensräume für die dort vorhandene artenreiche Fauna werde gedrungen.
Dazu nahm die Antragsgegnerin wie folgt Stellung:
Die Problematik der Amphibienwanderung sei bekannt. Maßnahmen würden
unabhängig vom vorliegenden Bebauungsplan von der zuständigen
Straßenverwaltung geprüft und wenn notwendig von dort ausgeführt.
Für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes solle der "überwirkende
Bestandsschutz" gelten, der eine Entwicklung nur insofern zulasse, als
nachweislich keine Verschlechterung der Situation, insbesondere auch keine
Zunahme des Verkehrs auf den Transportwegen eintrete...
Unter dem 22.02.1991 haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin u. a. für
diese Einwendungen erhoben. Sie haben geltend gemacht,
an der Lagerhalle führe eine Betriebsstraße vorbei, die als Einbahnstraße genutzt
werde und über die der gesamte Ladeverkehr des Werkes abgewickelt werde. Sie
sei an ihrer engsten Stelle derzeit ca. 11 m breit. Damit sei räumlich gerade noch
gewährleistet, daß zwei Lastkraftwagen nebeneinander fahren bzw. ein neu
einfahrender Lastkraftwagen an einem dort auf seine Beladung Wartenden
vorbeifahren könne. Durch den am westlichen Ende des Flurstücks ausgewiesenen
12 m breiten Lärmschutzwall werde die Breite der Betriebsstraße auf ein Maß von
nur noch ca. 5 m reduziert. Der Planentwurf verletze darüber hinaus das Gebot
gerechter Abwägung. Weder bei der "Darstellung der Konflikte" noch bei den
"Maßnahmenfestsetzungen" würden die schutzwürdigen Belange der Wirtschaft
berücksichtigt. Die Begründung nenne ausdrücklich lediglich Belange, deren
Aufzählung ausschließlich dazu diene, ein schutzwürdiges Interesse der
Antragstellerin an der weiteren gewerblichen Nutzung ihres Geländes zu
verneinen. Der Entwurf ziele auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung
anderer Belange und nehme der Antragstellerin die Entwicklungsmöglichkeit. Die
ehemals als Industriegebiete (§ 9 BauNVO) deklarierten Baugebiete mit den
Kennziffern 1 und 2 sowie 3 seien lediglich als eingeschränkte Gewerbegebiete (§ 8
BauNVO) ausgewiesen und die dort maximal zulässigen Gebäudehöhen
entsprächen lediglich der bereits vorhandenen Bebauung. Die Antragstellerin solle
auf den derzeitigen Bestand festgeschrieben werden. Nach § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB
sei auch das Interesse an der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von
Arbeitsplätzen zu berücksichtigen, was bislang nicht geschehen sei.
Zu den Einwendungen der Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin u. a. wie folgt
Stellung:
... Die Bedenken bezüglich der Einengung der Betriebsstraße von derzeit ca. 11 m
auf nur noch ca. 5 m durch den geplanten Lärmschutzwall würden für berechtigt
gehalten. Der Lärmschutzwall sei so verschoben worden und solle ggf. teilweise als
Lärmschutzwand ausgebildet, damit die Betriebsstraße mit einer Breite von ca. 11
m, wie derzeit vorhanden, erhalten werden könne.
Die Bedenken diesbezüglich seien somit ausgeräumt.
... Zu den vorgetragenen Bedenken, der Bebauungsplanentwurf leide an
gewichtigen Abwägungsmängeln, im Hinblick auf die Berücksichtigung der
schutzwürdigen Belange der Wirtschaft werde folgendes ausgeführt:
Für die Ansiedlung der Marmoritwerke bzw. der Vorgängerfirma in Hochstädten im
Außenbereich seien die Kriterien besondere Anforderungen an die Umgebung,
besondere Zweckbestimmung sowie in erster Linie die Ortsgebundenheit des
Betriebes maßgebend gewesen. Die Ortsgebundenheit ergäbe sich aufgrund der
Tatsache, daß eine Verarbeitung der Grundstoffe an Ort und Stelle in der Firma
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Tatsache, daß eine Verarbeitung der Grundstoffe an Ort und Stelle in der Firma
erfolgt sei (sh. hierzu Ausführungen in der Begründung unter Pkt. 5.2).
Nachdem inzwischen die Grundstoffe zu Ende gegangen bzw. unter vernünftigen
wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr abbauwürdig seien, hätten diese
Grundstoffe angefahren werden müssen. Dies trage insbesondere zu einer
erheblichen Belastung der B gasse/-L 3103 sowie der Wohnbebauung durch den
starken LKW-Verkehr bei.
Die Belange der Wirtschaft müßten gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB insofern
zurückstehen, daß lediglich die Sicherung des Bestandsschutzes (Nutzung der z.
Z. überbauten Flächen) möglich sei. Nur dadurch könnten die Anforderungen an
gesunde Wohnverhältnisse für einen weiteren Bereich des Umfeldes einigermaßen
gewahrt werden, d. h., durch die planungsrechtliche Ausweisung werde eine
Verbesserung der Situation erreicht.
Alle weiteren betrieblichen Belange (Interesse des Betriebes an den
planungsrechtlichen Grundlagen für die Genehmigung weiterer Vorhaben auf dem
Betriebsgelände - Interesse des Betriebes an Ausweitung des Betriebes) müßten
zu Gunsten des § 1 Abs. 5 Nr. 1 BauGB zurückstehen.
Mit der Ausweisung des Betriebsgrundstückes als eingeschränktes Gewerbegebiet
im Bebauungsplanentwurf sei eine Einschränkung der derzeitigen gewerblichen
Nutzung der Firma nicht verbunden. Die Einschränkung reduziere die dort
grundsätzlich unverträgliche gewerbliche Nutzungsart. Eine andere gewerbliche
Nutzung sei aufgrund der vorliegenden Standortgegebenheiten nicht vertretbar.
Das Abwägungsgebot sei nicht verletzt worden, da sich die planende Kommune in
der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des Einen und
damit notwendig für die Zurückstellung eines Anderen entscheiden müsse.
Unabhängig davon bestehe die Möglichkeit, im Bereich der Stadt B einen
Alternativstandort zur Errichtung eines Gewerbebetriebes anzubieten.
In ihrer Sitzung vom 02.10.1991 beschloß die Stadtverordnetenversammlung der
Stadt B über die während der Offenlegung vorgetragenen Bedenken und
Anregungen und den Bebauungsplan als Satzung.
Der Regierungspräsident in D hat mit Verfügung vom 10.02.1992 den
Bebauungsplan zur Kenntnis genommen. Die Antragsgegnerin machte die
Durchführung des Anzeigeverfahrens im Bergsträßer Echo vom 29.02.1992
bekannt.
Der Bebauungsplan setzt für das Betriebsgelände der Antragstellerin (Kennziffer 1,
2 und 3) eingeschränktes Gewerbegebiet fest und ergänzt die Festsetzung wie
folgt: "Entsprechend der bestehenden Nutzung ist auf der Grundlage des
übergreifenden Bestandsschutzes als Gewerbenutzung zulässig Mischwerk für die
Herstellung von trockenen Putzen und Mörteln für den Baumarkt." Für die
bestehenden Gewerbeflächen werden folgende Einzelnutzungsfestsetzungen
getroffen:
Kennziffer 1: Zulässig Büro und Verwaltung Kennziffer 2: Zulässig Produktion und
Silolagerung Kennziffer 3: Zulässig Lagerung."
Im Anschluß an das Betriebsgelände ist im Norden und Westen ein Lärmschutzwall
mit einem Mindestabstand zur nördlichen Lagerhalle von 11 m (Kennziffer 7)
festgesetzt. Weitere Flächen, die im Antrag auf Betriebsoptimierung als Teil des
Baugrundstücks dargestellt sind, sind als Fläche für die Landwirtschaft (Kennziffer
8), Bachaue (Kennziffer 9) und als MD-Gebiet (Kennziffer 5) ausgewiesen.
Für die Baugebiete mit der Kennziffer 1 bis 3 setzt der Bebauungsplan in textlichen
Festsetzungen und einem Lageplan mit Höhen die maximal zulässigen
Gebäudehöhen in Metern, Dachformen sowie die überbaubare Grundstücksfläche
fest.
Weiterhin enthält der Plan die folgenden - gegenüber dem Entwurf geänderten -
"Angaben und Hinweise":
Traufhöhe: Max. 178,80 Firsthöhe: Max. 182,12 Ausnahmen: Bereits vorhandene
Trauf- und Firsthöhen.
Diese Höhen entsprechen den Höhen des vorhandenen nördlichen Gebäudes.
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Diese Höhen entsprechen den Höhen des vorhandenen nördlichen Gebäudes.
Mit Schriftsatz vom 22.04.1992, eingegangen am 28.04.1992 hat die
Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt und mit Schriftsatz vom
21.04.1993, eingegangen am 23.04.1993, den Erlaß einer einstweiligen Anordnung
beantragt (4 NG 959/93). Zur Begründung trägt sie vor: Die geschützte Position
der K-M- Werke gründe sich auf die Rechte am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb. Ferner seien gravierende Abwägungsmängel zu Lasten der
Antragstellerin eingetreten.
Durch die Planfestsetzungen sei das M werk auf den derzeitigen Bestand
festgeschrieben. So seien die "ehemals" als Industriegebiete deklarierten Gebiete
mit den Kennziffern 1, 2 und 3 nunmehr lediglich als eingeschränkte
Gewerbegebiete ausgewiesen. Zudem seien für die Gebiete mit den Kennziffern 1,
2 und 3 keine Neubauten von Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO zulässig.
Die zulässig überbaubare Grundfläche entspreche dem derzeitig erfaßten
Baubestand. Das gleiche gelte für die zulässige Größe der Baumasse. Desweiteren
seien jeweils einzelne Nutzungen festgesetzt und sowohl die zulässige Traufhöhe
als auch die Firsthöhe niedriger festgelegt als die bereits vorhandenen.
Die Antragsgegnerin habe durch eine Fehlbeurteilung des § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB
eine unrichtige Zusammenstellung des Abwägungsmaterials herbeigeführt. Zu
den Belangen der Wirtschaft gehörten u. a. die Interessen eines Betriebes an den
planungsrechtlichen Grundlagen für die Genehmigung weiterer Vorhaben auf dem
Betriebsgelände, das Interesse an der Erhaltung des betrieblichen Bestandes
sowie das Interesse an einer Ausweitung des Betriebes sowie die im Rahmen einer
normalen Betriebsentwicklung liegende und auch zur Erhaltung der
Konkurrenzfähigkeit notwendige Erweiterung der Kapazitäten. In der Begründung
zum Bebauungsplan setze sich der Plangeber an keiner Stelle mit möglichen
Erneuerungen und Ausweitungen der M werke auseinander. Die in der Begründung
aufgeführten Belange dienten ausschließlich dazu, ein schutzwürdiges Interesse
der M GmbH an der weiteren gewerblichen Nutzung ihres Geländes zu verneinen.
Die geplante neue Hallenkonstruktion solle den Verladeplatz durch eine
Einhausung integrieren. Damit würden Lärm- als auch Staubimmissionen
gemindert. Gerade im Hinblick auf die Messung der Betriebslärmeinwirkungen
hätten diese "Schallschutzmaßnahmen" berücksichtigt werden müssen. Das
Sachverständigengutachten über die Lärmauswirkungen sei unvollständig. Der
beabsichtigte Lärmschutzwall wäre unnötig, denn die geplante Einhausung würde
eine Überschreitung der immissionsrechtlich relevanten Werte auf sichere Weise
verhindern. Durch die Erstellung weiterer Silos werde die Anzahl der noch
verbliebenen Lkw-Anfahrten nochmals verringert.
Auch wenn die geplanten Änderungsmaßnahmen in das Abwägungsmaterial
eingeflossen wären, wäre jedenfalls den Belangen der Antragstellerin nicht das
ihnen zukommende Gewicht beigemessen. Bei der Darstellung der Konflikte
beschreibe die Antragsgegnerin die Situation nur oberflächlich. Eine solche
Behandlung gelte aber als "Nichtbegründung".
Die aufgezeigten Mängel bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, d.
h. im Abwägungsvorgang und damit verbunden im Abwägungsergebnis seien
erheblich. Es habe die konkrete Möglichkeit bestanden, daß die Planung anders
ausgefallen wäre, wenn die Antragsgegnerin die konkreten Erweiterungs- und
Erneuerungsvorhaben der Antragstellerin in die Belange gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8
BauGB einbezogen hätte.
Weiter liege ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG vor. Der Bestandsschutz des Art.
14 Abs. 1 GG richte sich auch auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb. Er greife für alle konkreten baulichen Erneuerungsmaßnahmen
ein, die zum einen untergeordnete Erweiterungen darstellten und ohne die zum
anderen eine sinngerechte Nutzung des vorhandenen Bestandes in Frage gestellt
wäre. Für die Konkurrenzfähigkeit der Antragstellerin seien
Erneuerungsmaßnahmen notwendig. Nur durch diese Erweiterungen und
Modernisierungen könne man sich auf die verschiedenen Arten von Edelputzen
(derzeit 10) einstellen und auch dazu beitragen, weitere neue Arten auf den Markt
zu bringen. Allein wegen der verschiedenen Körnungen würden für nur eine neue
Art von Edelputz neue Silokapazitäten und Lagerplätze benötigt, da neue
Mischungen von den übrigen abzugrenzen seien. Früher hätten die Kunden einen
einfachen Rauh- oder Kratzputz gewollt, heute wolle jeder Kunde etwas anderes,
um sich vom Putz seines Nachbarn abzuheben. Die Konkretisierung der baulichen
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um sich vom Putz seines Nachbarn abzuheben. Die Konkretisierung der baulichen
Erweiterungen liege aufgrund der Bauvoranfrage vom 10.03.1988, des
Vorbescheides vom 15.09.1988 und verschiedener Gespräche zwischen den
Beteiligten vor. Ausschließlich auf dem schon bestehenden Betriebsgelände seien
notwendige Erneuerungsmaßnahmen zur Optimierung und Sicherung der
Konkurrenzfähigkeit des Betriebes geplant gewesen. Schon in früherer Zeit habe
die Antragsgegnerin durch das Zulassen der Ansiedlung in einem durchgängigen
Wohngebiet neben dem M werken gegen den elementaren Grundsatz, daß ein
Wohngebiet nicht in unmittelbarer Nähe zum Industriegebiet angesiedelt werden
dürfe, verstoßen. Dieses Versäumnis wolle die Stadt nun durch einen
Lärmschutzwall und die Festschreibung der Antragstellerin auf die vorhandene
Bebauung korrigieren.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan Nr. BH 3 "Baugebiet M" vom 29. Februar 1992 der Stadt B für
nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Normenkontrolle abzulehnen.
Sie trägt vor: Der Antrag sei zulässig, weil die Antragstellerin einen Nachteil erlitten
habe oder noch erleiden werde. Der Plan sichere zwar einem im Außenbereich
gelegenen "bisherigen Gewerbesplitter" einen - erweiternden - Bestandsschutz zu,
grenze jedoch auch einen Baurechtsanspruch ein, der nach § 35 Abs. 4 Nr. 6
BauGB gegeben sein könnte.
Das Marmoritwerk sei als privilegierter, ortsgebundener gewerblicher Betrieb
einzustufen gewesen.
Nach Beendigung des Marmorabbaus sei die Umfunktionierung eines privilegierten
Betriebes im Außenbereich zu einem beginnenden regulären Gewerbebetrieb
erfolgt. Angesichts der vorgefundenen baurechtlichen Situation habe die
Antragsgegnerin mit Blick auf die sonstigen Belange - Probleme des
Schwerlastverkehrs - die widerstreitenden privaten und öffentlichen Belange
miteinander und untereinander gerecht abgewogen, wonach eine mäßige
Entwicklung des Betriebes garantiert, eine Entwicklung des Bereichs über Gebühr -
weitab von für Transporte von Gütern notwendigen überörtlichen Bahn- und
Straßenverbindungen - mit den bauleitplanungsrechtlich zur Verfügung stehenden
Mitteln unterbunden worden sei. Angesichts der äußerst schwierigen
Verkehrsverhältnisse in der Ortslage, durch die erst die Verbindung zu
überörtlichen Verkehrswegen hergestellt werde, sei eine andere städteplanerische
Lösung schlechterdings nicht möglich. Die Entscheidung für eine Lärmschutzwand
sei angemessen. Alle anderen technischen Möglichkeiten der Lärmminderung
seien wirtschaftliche nicht sinnvoll, da ohnehin eine umfangreiche Erweiterung des
Betriebes ohne Lkw-gerechte Anbindung an überörtliche Straßen nicht in Betracht
gekommen wäre.
Die Antragstellerin hat im November 1992 beim Kreisausschuß des Kreises B
einen Bauantrag auf Abriß ihrer drei kleinen alten Lagerhallen und Neubau einer
neuen Lagerhalle gestellt.
Dieser Antrag wurde von der Bauaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 03.02.1994,
Az.: II-VIII/3-K 310/92 mit der Begründung abgelehnt, geplant sei eine Traufhöhe
von 179 m über NN und eine Firsthöhe von 181 m über NN. Das Vorhaben sei mit
den Festsetzungen des Bebauungsplans, einer maximalen Traufhöhe mit 176,33
m und einer maximalen Firsthöhe von 178,33 m über NN, nicht in Einklang zu
bringen.
Dem Senat liegen folgende Unterlagen vor: Senatsakten mit dem Aktenzeichen 4
NG 959/93, Flächennutzungsplan nebst Aufstellungsunterlagen, Bebauungsplan
"M" BH 3 nebst Aufstellungsunterlagen, 1 Heft mit Abdrucken der einschlägigen
Hauptsatzungen der Antragsgegnerin.
Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, da eine mündliche Verhandlung nicht
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Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, da eine mündliche Verhandlung nicht
erforderlich ist (§ 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Die Antragstellerin wendet sich im Wege
der Normenkontrollklage gegen einen Bebauungsplan und damit gegen eine im
Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, deren Gültigkeit von
dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof wenn nicht schon nach § 47 Abs. 1 Nr. 1
VwGO so jedenfalls gemäß Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 dieser Vorschrift überprüft werden
kann.
Die Antragstellerin ist nur teilweise antragsbefugt.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann u. a. jede natürliche Person, die durch eine
Rechtsvorschrift oder deren Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer
Zeit zu erwarten hat, den Antrag auf Normenkontrolle stellen. Der Senat hat unter
einem solchen Nachteil seit dem Beschluß vom 19.12.1969 (Az.: IV N 8/86, BRS 22
Nr. 31) die Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen verstanden.
Darunter fallen absolute Rechte, subjektive öffentliche Rechte, wie Nachbarrechte,
aber auch die privaten Belange des Bürgers, die nach § 1 Abs. 7 BBauG (jetzt: § 1
Abs. 6 BauGB) zu beachten sind (Beschluß des Senats vom 26.06.1973 - IV N 1/72
- BRS 27 Nr. 172). Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluß vom 09.11.1979 - IV
N 1.78 - IV N 2.79 bis 4.79 -, BVerwGE 59, 87 = BRS 35 Nr. 24 = NJW 1980, 1061)
stellt hinsichtlich des Nachteils darauf ab, ob der Antragsteller durch die
Rechtsvorschrift verletzend in einem Interesse betroffen wird, bzw. in absehbarer
Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlaß oder den
Inhalt dieser Rechtsvorschrift als privates Interesse des Antragstellers in der
Abwägung berücksichtigt werden müßte. Zu den privaten Interessen, die bei der
Abwägung berücksichtigt werden müssen, gehören das Grundeigentum, das Recht
am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und die allgemeine
Handlungsfreiheit, die auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit umfaßt, als
rechtlich geschützte Interessen bzw. als abwägungserhebliche Belange (vgl. Hess.
VGH, U. v. 04.10.1984 - 3 N 17/82 - ESVGH Bd. 35, 64 = UPR 1985, 219). Diese
Belange sind während des Aufstellungsverfahrens im Jahre 1988 zunächst durch
eine Bauvoranfrage dann durch Antrag auf einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG
konkretisiert worden. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Erwiderung unter dem
22.10.1991 auf die Stellungnahme des Regierungspräsidiums D mitgeteilt, daß die
im Rahmen der Ertüchtigung der Betriebsanlage geplanten Erweiterungen
(Erstellung von mehreren Großsilos) im Rahmen der Festsetzungen des
Bebauungsplans nicht ermöglicht würden. Damit wurden diese Belange der
Antragstellerin zurückgestellt.
Die Antragstellerin macht als Nachteil weiter geltend, durch die Planfestsetzungen
werde die geschützte Position der M - Werke aus dem Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie das Eigentum verletzt. Ferner seien
gravierende Abwägungsmängel zu Lasten der Antragstellerin eingetreten. Damit
ist ein Nachteil allerdings nur für einen Teil des Geltungsbereichs geltend gemacht.
Jedenfalls bezüglich der Baugebiete mit den Kennziffern 4 und 6 ist ein Nachteil
weder ersichtlich noch vorgetragen. Beschränkt sich der Nachteil für einen
Antragsteller in den Festsetzungen für einen Teil des Plangebietes, ist ein darüber
hinaus auf die Feststellung der Ungültigkeit des Bebauungsplans insgesamt
gerichteter Antrag unzulässig (Hess. VGH, B. v. 17.01.1992 - 4 N 3142/89 - UPR
1992, 452 - st.Rspr.) und insoweit abzuweisen. Die Befugnis des
Verwaltungsgerichtshofs, über einen durch das Maß des Nachteils beschränkten
Normenkontrollantrag hinaus im Falle seiner Begründetheit bei planerischem
Regelungszusammenhang eine Norm im ganzen für nichtig zu erklären, bleibt
unberührt.
Soweit ein Nachteil geltend gemacht wird, nämlich durch die Zurücksetzung des
Interesses der Antragstellerin an der Ertüchtigung der vorhandenen Werksanlage
und damit der Belange der Wirtschaft (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB) geschieht dies auch
"durch" den angegriffenen Bebauungsplan, und zwar unabhängig davon, ob das
Werksgelände bauplanungsrechtlich nach § 34 oder § 35 BauGB zu beurteilen
wäre. Für die Beurteilung nach § 35 BauGB spricht die Entwicklung des Werkes, das
bis zur Stillegung des Marmorabbaus im Jahre 1973 jedenfalls überwiegend als
privilegiertes Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BBauG Fassung
1960 anzusehen war. An der Außenbereichslage des Werksgeländes hat sich durch
die Bebauung an der M straße und der W- straße und des damit verbundenen
Heranrückens der Ortslage von Hochstädten nichts geändert haben. Der Betrieb
wird nach Westen durch die Bachaue des Z bachs und nach Norden durch
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wird nach Westen durch die Bachaue des Z bachs und nach Norden durch
landwirtschaftlich genutzte Fläche von der Ortslage getrennt. Auch die Stillegung
des Marmorbaus im Jahre 1973 und die sogenannte Modernisierung der
Werksanlage im Jahre 1975 haben zu keiner Änderung der planungsrechtlichen
Beurteilung des Werksgeländes geführt. Zwar käme von der Größe der
Gewerbefläche mit 10.325 qm die Qualifizierung des Geländes als Ortsteils
(eigenständiges faktisches Gewerbegebiet statt eines Bebauungssplitters im
Außenbereich) in Betracht. Hier fehlt es an dem, was in Entgegensetzung zur
unerwünschten Splittersiedlung den inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34
BauGB ausmacht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene
Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereiches. An einer
solchen Angemessenheit fehlt es beispielsweise bei einer Anhäufung von
behelfsmäßigen Bauten (vgl. BVerwG, U. v. 06.11.1968 - IV C 31.66 - BVerwGE, 31
(27); Taegen, Berl. Komm. z. BauGB, § 35 Rn. 50). Es darf keine "Spannung" zu der
vorhandenen Bebauung bestehen (vgl. Dyong in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
BauGB, § 35 Rdnr. 136). Aus den Erläuterungen der Antragsgegnerin im
Zusammenhang mit dem gestellten Antrag auf Vorbescheid ergibt sich, daß bei
der von der Antragstellerin als Modernisierung bezeichneten Änderung der
Werksanlagen im Jahre 1975 die auf die Marmorgewinnung und -verarbeitung
zugeschnittenen Gebäude weitgehend unverändert geblieben sein müssen und
insbesondere keine durchgreifende Anpassung der baulichen Anlagen an den
durch die Einstellung der Marmorgewinnung erforderlich gewordenen Transport
und die Lagerung der Produktionsstoffe erfolgt ist. Hinweise darauf sind, daß erst
nach Durchführung der angestrebten Ertüchtigung des Werkes die Anlieferung in
Säcken und die Freilagerung von Schüttgütern entfallen und die Beschickung der
Produktionsanlage nicht mehr manuell erfolgen soll, daß die vorhandene
Lagerkapazität verdoppelt werden und eine Lkw-Staufläche mit Warteplätzen an
der Einfahrt des Werkgeländes geschaffen werden soll, wozu der Abbruch des
vorhandenen Schlossereigebäudes notwendig wird. Diese Beschreibung läßt
erkennen, daß die baulichen Anlagen auf dem Betriebsgrundstück noch
weitgehend auf die ursprüngliche Nutzung als privilegierte Anlage im Außenbereich
zugeschnitten sind, die Anpassung der baulichen Anlagen auf dem
Betriebsgelände an die geänderte Nutzung erst eingeleitet aber noch nicht zu
Ende geführt worden ist und insbesondere die Einbindung des Betriebs als
Gewerbebetrieb in die vorhandene Umgebung bisher nicht geleistet wurde. Von
einer organischen Beziehung zwischen Betrieb und der vorhandenen Bebauung in
der Umgebung kann auch im Hinblick auf die vorhandenen Nutzungskonflikte, auf
die noch einzugehen sein wird, nicht gesprochen werden. Ginge man nach alledem
von der Lage des Betriebes im Außenbereich aus, wäre eine angemessene
Erweiterung nach Maßgabe des § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB zumindest im Detail auch
in anderer Weise rechtlich zulässig als nach den Festsetzungen des
streitgegenständlichen Bebauungsplans.
Das gleiche würde im übrigen auch nach Maßgabe des § 34 BauGB gelten, wenn
das Werksgelände bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
streitgegenständlichen Bebauungsplans einen eigenständigen gewerblichen
Ortsteil gebildet haben sollte.
Der Bebauungsplan ist zum Teil nichtig und der Normenkontrollantrag in dem
entsprechenden Umfang begründet, im übrigen ist er unbegründet:
Der Bebauungsplan ist aus dem Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin in der
Fassung aus dem Jahre 1977 entwickelt worden (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
Formelle Fehler bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans sind weder
vorgetragen noch ersichtlich. Auch gegen die Behandlung der Einwendungen der
M- werke vom 11.01.1977 mit dem Ergebnis, daß zwischen Gewerbefläche und
Wohnbebauung am W weg eine Fläche für Landwirtschaft dargestellt wurde, ist
nichts zu erinnern. Im Hinblick auf die Formulierung im Schreiben der M werke vom
11.01.1977 in dem für das Werksgelände von der Nutzungsart als "Industriegebiet"
die Rede ist, eine Formulierung die in den Einwendungen der Antragstellerin zum
Bebauungsplanentwurf vom 22.02.1991 wieder auftaucht, ist darauf hinzuweisen,
daß ausweislich der Stellungnahme der Antragsgegnerin die Fläche im
Vorgängerplan der Gemeinde Hochstädten, dem früheren Generalbebauungsplan,
als Gewerbegebiet dargestellt war. Auch das Hessische Aufbaugesetz unterschied
in § 3 Abs. 2 Nr. 1 zwischen Gewerbe- und Industriefläche. Von "ehemals als
Industriegebiete (§ 9 BauNVO) deklarierten Baugebieten" kann keine Rede sein.
Durch den Bebauungsplan werden die Höhen der Gebäude auf dem
Betriebsgelände der Antragstellerin in den Baugebieten mit den Kennziffern 1 bis 3
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Betriebsgelände der Antragstellerin in den Baugebieten mit den Kennziffern 1 bis 3
durch Festsetzungen der Trauf- und Firsthöhen bezogen auf NN-Höhen auf die
Höhen der vorhandenen Gebäude verbindlich festgeschrieben. Die Industrie- und
Handelskammer hat in ihrer Stellungnahme vorgeschlagen, die Dachlandschaft im
mittleren Bereich des Betriebes nicht festzuschreiben, um der Antragstellerin die
Möglichkeit zu geben, sich innerhalb der bebauten Fläche umzuorganisieren.
Insoweit hat die Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin in ihrer
Sitzung vom 02.10.1991 den Bedenken und Anregungen der Industrie- und
Handelskammer entsprochen und eine Lockerung der Festschreibung der
Dachlandschaft im mittleren Bereich des Betriebes und eine diesbezügliche
Überarbeitung des Bebauungsplans beschlossen, "um innerhalb der bebauten
Flächen Möglichkeiten der Umorganisation zu haben". Der beschlossene
Bebauungsplan entspricht diesem Planungsergebnis nicht: Die erfolgte
Überarbeitung des Bebauungsplans verändert nicht die zulässige Gebäudehöhe
im mittleren Bereich des Betriebes und bringt dementsprechend keine größeren
Gestaltungsmöglichkeiten für seine Umorganisation. Verändert werden lediglich
"Angaben und Hinweise" für den Bereich der Dachform und Dachneigung, ohne
daß damit auch nur Änderungen für die im Planteil enthaltenen gestalterischen
Festsetzungen gemäß § 118 Abs. 1 HBO verbunden wären. Um die beabsichtigte
Auflockerung für eine Veränderung der Dachlandschaft zu erreichen und damit das
Planungsergebnis mit den Planungsabsichten in Übereinstimmung zu bringen,
hätte die Antragsgegnerin die Festsetzungen über die maximal zulässige
Gebäudehöhe der überbauten Flächen im Bereich der nördlichen Lagerhalle für
den mittleren Bereich entweder übernehmen oder in einem stärkeren Maße als
zuvor an diese anpassen müssen. Eine Bauleitplanung ist nichtig, wenn das
Planungsergebnis der aus den Planaufstellungsvorgängen zu entnehmenden
Planungsabsicht nicht entspricht (Hess. VGH, U. v. 06.04.1979 - IV N 7/77 - BRS 35
Nr. 4). Da sich die Absicht der Gemeinde nur auf eine Lockerung der
Dachlandschaft, nicht aber auf eine völlige Aufhebung der Gestaltung dieser
Dachlandschaft bezogen hat, erstreckt sich die Nichtigkeit nur auf die
Festsetzungen bezüglich der Gebäudehöhe und nicht auch etwa auf die
gestalterischen Regelungen über Dachform und Dachneigung. Aus der nur
beschränkten Absicht des Plangebers zur Änderung des Planentwurfs folgt auch
eine lediglich auf die genannte Festsetzung der maximal zulässigen
Gebäudehöhen für das Gewerbegebiet mit der Baugebietskennziffer 2 (mittlerer
Bereich) bezogene Teilnichtigkeit und nicht etwa die Nichtigkeit des
Bebauungsplans insgesamt (zur Abgrenzung der Teilnichtigkeit von der
Gesamtnichtigkeit eines in Teilen fehlerhaften Bebauungsplans vgl. BVerwG, B. v.
06.04.1993 - 4 NB 43.92 - NuR 1994, 189 = NVwZ 1994, 272).
Der Bebauungsplan ist weiterhin nichtig, soweit er sich auf die Baugebiete mit der
Kennziffer 5 insgesamt und den im Geltungsbereich der
Landschaftsschutzverordnung Bergstraße-Odenwald liegenden Teil des Baugebiets
mit der Ziffer 7 (Lärmschutz) erstreckt: Beide Gebiete liegen ganz (das Baugebiet
mit der Kennziffer 5) bzw. zum Teil (der auf der Parzelle 10/3 gelegene östliche Teil
des Lärmschutzwalls) im Landschaftsschutzgebiet. Nach Auffassung des Senats
dürfen für dasselbe Gebiet nicht gleichzeitig Festsetzungen landschafts- und
naturschutzrechtlicher Art und mit ihnen unverträgliche Festsetzungen durch
einen Bebauungsplan bestehen. Aus diesem Grunde muß vor Inkrafttreten eines
Bebauungsplans eine entgegenstehende Landschaftsschutzverordnung insoweit
aufgehoben werden, als sie von ihm und seiner Durchsetzung betroffen wird.
Geschieht das nicht, ist der Bebauungsplan wegen Verstoßes gegen die
Landschaftsschutzverordnung unwirksam (vgl. Hess. VGH, U. v. 27.07.1988 - 3 UE
1870/84 - AgrarR 1989, 255 = ESVGH Bd. 38, 310 = NuR 1989, 87; B. v.
28.05.1993 - 3 N 3920/87 und 3 N 3922/87 -, bestätigt durch BVerwG, B. v.
28.11.1988 - 4 B 212.88 - BRS 48 Nr. 17 = UPR 1989, 112). Allerdings enthält die
Ausweisung des Baugebiets mit der Kennziffer 5 als MD-Gebiet mit der im
Bebauungsplan enthaltenen Angebotsplanung für die als überbaubar
ausgewiesenen Flächen mit einem vorhandenen Bestand von Gebäude und
Parkplätzen keinen Eingriff im landschaftsschutzrechtlichen Sinne. Das gilt jedoch
nicht für die übrigen Flächen dieses Baugebiets, die im Landschaftsplan als
extensiv gepflegte und anscheinend kaum noch genutzte Gartenfläche
gekennzeichnet sind und für die durch die Ausweisung des Gebietes bauliche
Nebenanlagen bauplanungsrechtlich zulässig werden (§ 23 Abs. 5 BauNVO) und
damit zusätzliche Eingriffe im Landschaftsschutzgebiet.
Die Anlage eines Lärmschutzwalls im Landschaftsschutzgebiet stellt einen Eingriff
im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 5 LSchVO B -O dar. Nach dieser Vorschrift gehört zu
den im Landschaftsschutzgebiet grundsätzlich verbotenen Maßnahmen auch die
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den im Landschaftsschutzgebiet grundsätzlich verbotenen Maßnahmen auch die
Veränderung der Bodengestalt; hierunter fällt auch die Aufschüttung von
Bodenbestandteilen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in ihrer
Stellungnahme vom 14.05.1991 im Planaufstellungsverfahren ändert daran auch
der Umstand nichts, daß der Lärmschutzwall nach ihrer Auffassung ausschließlich
der Verbesserung der Situation dienen soll und seine Auswirkungen auf das Arten-
und Biotoppotential positiv zu werten sein sollen. Sie verkennt die Systematik der
Landschaftsschutzverordnung, wenn sie Eingriffe, die in der Bilanz nicht zu
negativen Veränderungen führen als außerhalb der Eingriffsdefinition des
Naturschutzrechts liegend ansieht. Vielmehr bleiben Maßnahmen der in § 3 Abs. 3
beispielhaft aufgeführten Art Eingriffe im Sinne der Landschaftsschutzverordnung.
Gemäß § 3 Abs. 5 LSchVO B -O besteht zwar ein Anspruch auf Genehmigung,
wenn die in Abs. 1 genannten Wirkungen (Schädigung der Natur, Beeinträchtigung
des Naturgenusses oder Verunstaltung des Landschaftsbildes) im Einzelfall
vermieden werden können; bei der landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung
handelt es sich um einen gebundenen Verwaltungsakt. Die
Genehmigungsbedürftigkeit wird aber gemäß § 3 Abs. 2 LSchVO Bergstraße-
Odenwald bereits durch die abstrakte Eignung von Maßnahmen und Handlungen
zur Erfüllung eines Verbotstatbestandes (Eingriffen) begründet (vgl. Hess. VGH, U.
v. 25.06.1982 - IV OE 27/80 - BRS 39 Nr. 236 = HessVGRspr. 1983, 19).
Im übrigen genügt der angegriffene Plan den Anforderungen, die sich aus dem
Abwägungsgebot ergeben. Das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BBauG (jetzt § 1
Abs. 6 BauGB) verpflichtet die Träger der Bauleitplanung dazu, daß 1. eine
Abwägung überhaupt stattfindet, 2. in die Abwägung an Belangen eingestellt wird,
was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, 3. weder die Bedeutung
der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt wird, noch 4. der
Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven
Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so
gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich
die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen
Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die
Zurückstellung des anderen entscheidet. Innerhalb jenes Rahmens ist nämlich das
Vorziehen oder Zurücksetzen bestimmter Belange überhaupt kein
nachvollziehbarer Vorgang der Abwägung, sondern eine geradezu elementare
planerische Entscheidung, die zum Ausdruck bringt, wie und in welcher Richtung
sich eine Gemeinde städtebaulich geordnet fortentwickeln will. Damit ist notwendig
der Planungskontrolle der höheren Verwaltungsbehörde wie der
Verwaltungsgerichte eine Grenze gezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 -
IV C 105.66 - BRS 22 Nr. 4).
Aus den Aufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin ergibt sich, daß weder ein
Fall eines Abwägungsausfalls noch der eines Abwägungsdefizits gegeben ist. Die
Antragsgegnerin hat u. a. den vorfindlichen Bestand des Betriebes der
Antragstellerin ermittelt, in das Abwägungsmaterial aufgenommen (vgl. Nr. 2.3,
2.4, 5.1 und 5.2 der Begründung zum Bebauungsplan) und insbesondere in den
Plänen 1 (Bestand) und 2 (bestehende Konflikte) zeichnerisch dargestellt und
aufgearbeitet. Unter Nr. 5.1 folgt eine Darstellung der Konflikte, die durch den
Produktionsbetrieb ausgelöst werden und zugleich der Hinweis, daß bei der Lösung
der aufgeführten Konflikte die Belange der Wirtschaft, die Erhaltung, Sicherung und
Schaffung von Arbeitsplätzen (§ 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB) ausreichend zu werten sind.
Unter 5.2 der Begründung (Maßnahmen/Festsetzungen) werden aus dem zuvor
zusammengestellten Abwägungsmaterial Schlußfolgerungen gezogen mit dem
Hinweis, daß "die berechtigten Interessen des dort ansässigen Gewerbebetriebes
gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB zu berücksichtigen (sind), soweit dies eine
abgewogene Lösung der unter Punkt 5.1 aufgeführten Konflikte zuläßt." Die
Antragsgegnerin hat sich weiterhin in der Sitzung vom 02.10.1991 mit den
Bedenken und Anregungen der Träger öffentlicher Belange sowie der betroffenen
Grundstückseigentümer, insbesondere der Antragstellerin, ausführlich
auseinandergesetzt.
Die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange hat die
Antragsgegnerin nicht verkannt. Insbesondere aus der von der
Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Vorlage des Magistrats zu den
Anregungen und Bedenken der Antragstellerin geht hervor, daß der Begriff
"Belange der Wirtschaft" gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB von der Antragsgegnerin
nicht verkannt wurde, die Belange der Antragstellerin jedoch insofern
zurückgestellt wurden, "daß lediglich die Sicherung des Bestandsschutzes
(Nutzung der z. Z. überbauten Flächen) möglich ist." Die Bauleitpläne haben auch
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(Nutzung der z. Z. überbauten Flächen) möglich ist." Die Bauleitpläne haben auch
die Bedürfnisse der Wirtschaft zu beachten, zu denen die im Rahmen einer
normalen Betriebsentwicklung liegende und oft zur Erhaltung der
Konkurrenzfähigkeit notwendige Erweiterung der Kapazitäten, die Modernisierung
der Anlagen usw. zu zählen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.04.1971 - IV C 66.67 - BRS
24 Nr. 166; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rdnr. 160). Die
Antragsgegnerin hat die Belange des Betriebs zurückgestellt und auf das
geschützte Eigentum reduziert, das den vorhandenen Bestand, in gewissem
Umfang bauliche Veränderungen und Sicherungen und die Modernisierung des
Betriebes umfaßt. Aus Art. 14 GG erwächst kein Anspruch auf die Beibehaltung der
Möglichkeit, einen Betrieb erweitern zu können (vgl. BVerwG, U. v. 16.04.1971,
a.a.O.). Der zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich im vorliegenden Fall in
rechtlich erheblicher Weise von dem, der der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 16.04.1971 (a.a.O.) zugrundeliegt, auf die sich
auch die Antragstellerin bezogen hat und in der das Bundesverwaltungsgericht
eine unzureichende Berücksichtigung des Interesses an einer künftigen
Betriebsausweitung bei der Abwägung der Belange für denkbar gehalten hat.
Während es sich in jenem Fall um einen Plan handelte, mit dem Bauland für eine
an einen vorhandenen Betrieb heranrückende Wohnbebauung ausgewiesen
werden sollte, sollen hier durch die Überplanung der vorhandenen Bebauung im
Geltungsbereich des Plans bestehende Nutzungskonflikte zwischen dem
Gewerbebetrieb und der angrenzenden Wohnbebauung gelöst und der Rahmen
geschaffen werden, in dem eine Umgestaltung des Betriebes in Zukunft erfolgen
kann. Die Antragsgegnerin hat ihre auf Festschreibung des derzeitigen Zustandes
für den Gewerbebetrieb nach Art der Nutzung der bestehenden Baumasse und im
wesentlichen auch der überbaubaren Flächen gerichtete Planung mit der
Sicherung des vorhandenen Orts- und Landschaftsbildes durch die Festsetzung
von Gebäudehöhen und Baukörpergestaltung im Bereich der Gewerbefläche, die
Sicherung des Wohnumfeldes vor schädlichen Umwelteinflüssen (Staub und Lärm)
sowie die Vermeidung einer Zunahme der Verkehrsbelastung durch anliefernde
und abfahrende Lkw ausreichend begründet. Sie hat die Konflikte benannt, die mit
der geplanten Änderung des Betriebes verbunden wären. Dabei ist insbesondere
hinzuweisen auf die topografische Situation im Talraum, wegen der aus Gründen
des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes die Errichtung von Silobauwerken
und ein Mischwerk mit einer Gesamthöhe von ca. 20 m bis 24 m sowie Lagerhallen
verhindert werden sollen. Da die Antragstellerin keine Angaben über
Produktionssteigerungen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Erweiterung
der Anlage gemacht hat, erscheint die Befürchtung der Antragsgegnerin
begründet, daß im Falle der Verwirklichung der beabsichtigten Verdoppelung der
vorhandenen Lagerkapazität und der Ausbildung einer Lkw-Staufläche mit
Warteplätzen eine zusätzliche Verkehrsbelastung in Hochstädten entstehen
könnte. Die Antragsgegnerin konnte auch auf die Ermittlungen der Auswirkungen
der beabsichtigten Einhausung des Verladeplatzes auf die Lärm- und
Staubentwicklung verzichten, da die damit verbundene Erhöhung des
Verkehrsaufkommens die Festsetzungen, die der geplanten Erweiterung
entgegenstehen, rechtfertigen.
Bei alledem ist zu berücksichtigen, daß die bestehende Nutzung ihrer Art nach
ausdrücklich zulässig bleibt und der Plan einer Modernisierung des Betriebes im
Rahmen der getroffenen Festsetzungen nicht entgegensteht. Wie insbesondere
auch die Verwendung des Rechtsbegriffs des "überwirkenden Bestandsschutzes" in
Nr. 1.2 der ergänzenden Festsetzungen des Bebauungsplans deutlich macht, geht
die Antragsgegnerin davon aus, daß mit der Festschreibung des Maßes der
baulichen Nutzung mit dem Betrieb der Antragstellerin eine Enteignung nicht
verbunden ist. Auch wenn diese Auffassung einer rechtlichen Beurteilung nicht
standhalten sollte, würde sich daraus auch mit Rücksicht auf etwaige
Entschädigungsansprüche (§§ 40 ff. BauGB) kein Abwägungsfehler ergeben (vgl.
BVerwG, B. v. 21.02.1991 - 4 NB 16.90 - BRS 52 Nr. 27; vgl. auch Hess. VGH, B. v.
28.01.1993 - 4 N 1587/85 - HessVGRspr. 1993, 45).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.