Urteil des HessVGH vom 30.05.2003

VGH Kassel: berg, politische verfolgung, armenien, republik aserbaidschan, auskunft, anerkennung, bundesamt, bevölkerung, gefahr, abschiebung

1
Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 UE 858/02.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 51 Abs 1 AuslG 1990, §
53 Abs 6 AuslG 1990
(Aserbaidschan: Gruppenverfolgung armenischer
Volkszugehöriger; inländische Fluchtalternative;
Zielstaatbenennung)
Leitsatz
Armenische Volkszugehörige aus Aserbaidschan waren im Zeitpunkt der Ausreise im
April 1999 dort Gruppenverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, denen sie sich mangels
Erreichbarkeit auch nicht durch Übersiedlung nach Berg-Karabach entziehen konnten (
so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.09.2001 - 6 A 11840/00 ).
Es kann dahinstehen, ob armenische Volkszugehörige heute bei Rückkehr nach
Aserbaidschan - ohne Berg-Karabach - dort hinreichend sicher vor erneuten
asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen wären, da sie am Ort der inländischen
Fluchtalternative - Berg-Karabach - hinreichend sicher vor erneuten asylerheblichen
Verfolgungsmaßnahmen sind, dort auch nicht anderen existentiellen Bedrohungen
ausgesetzt sind, die so am Herkunftsort nicht bestünden und die Enklave Berg-
Karabach von Deutschland aus unproblematisch über Armenien erreichbar ist ( im
Anschluss an OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - 1 L 239/01 - ).
Das Bundesamt musste bei Erlass der Abschiebeandrohung den Zielstaat nicht
dahingehend beschränken, dass nur eine Abschiebung nach Berg-Karabach in Betracht
kommt, da es Sache der Ausländerbehörde bei Vollzug der Abschiebung ist
sicherzustellen, dass der Ausländer nur in sichere Gebiete des Abschiebezielstaates
verbracht wird ( BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 9 C 4/99 - ).
Tenor
Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wird das Urteil
des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30. November 2001 - 6 E 4461/99.A -
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten
werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der nach seinen Angaben am 20. Januar 1983 als armenischer Volkszugehöriger in
Schemkir/Aserbaidschan geborene Kläger beantragte am 7. Mai 1999 seine
Anerkennung als Asylberechtigter und trug im Rahmen der Anhörung vor dem
2
3
4
5
6
7
8
9
Anerkennung als Asylberechtigter und trug im Rahmen der Anhörung vor dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 12. Mai 1999 im
Wesentlichen vor, er sei am 24. April 1999 aus Aserbaidschan ausgereist und am
2. Mai 1999 mit einem Linienbus in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Er
stamme aus dem Dorf Irmaschli, das in Aserbaidschan etwa 15 km entfernt von
seinem Geburtsort Schemkir liege. Seit 1998 lebe er allein, sein Vater sei 1989
verstorben, seine Mutter 1998. In Aserbaidschan habe er noch einen einzigen
Verwandten, dies sei ein Onkel, der in Schemkir lebe. Er habe von 1989 bis 1991 in
einem Dorf namens Schischtepe die russische Schule besucht, danach habe er
nichts mehr gemacht. Er habe Sport getrieben, so habe er z. B. geboxt. Auf
Nachfrage des Bundesamtes, warum er Aserbaidschan verlassen habe, trug der
Kläger vor, am 2. Februar 1999 habe ein Boxturnier stattgefunden, bei dem er
gewonnen habe. Man habe ein Interview mit ihm führen wollen, er habe gesagt,
dass er keine Schule besuchen dürfe, da er Armenier sei. Nach zwei Tagen seien
Leute vom Sicherheitsministerium gekommen, die zu ihm gesagt hätten, so etwas
dürfe er nie mehr sagen. Er sei von den Leuten des Sicherheitsministeriums auch
geschlagen worden. Das Boxturnier sei im Februar 1998 gewesen, in dem selben
Jahr sei in Baku eine neue Schule eröffnet worden, die er habe besuchen wollen. Er
habe einen Brief an die Schule geschickt, in dem er seine Probleme geschildert
habe. Nach zwei Wochen seien die Leute des Sicherheitsministeriums
wiedergekommen, die seinen Brief dabei gehabt hätten. Ihm sei mit Gefängnis für
nicht Volljährige gedroht und bedeutet worden, dass er in das Gefängnis gesteckt
werde, wenn er in drei Wochen noch in Aserbaidschan sei. Am nächsten Tag sei er
zu seinem Onkel gegangen, dem er alles erzählt habe. Sie hätten seine Sachen in
Irmaschli geholt, seien zu dem Onkel zurückgekehrt und in der selben Nacht um
4.00 Uhr nach Gandscha gefahren. Dort sei er dann mit dem Zug nach Tiflis
ausgereist. Im Falle einer Rückkehr nach Aserbaidschan gehe er davon aus, dass
er von den Leuten der Sicherheitsabteilung gefunden werde.
Die Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
erfolgte in russischer Sprache.
Mit Bescheid vom 4. November 1999 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers ab und stellte fest, dass
weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG vorliegen. Des Weiteren wurde der Kläger aufgefordert, die
Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. im
Falle einer Klageerhebung innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem
Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Sollte er die Ausreisefrist nicht
einhalten, wurde ihm seine Abschiebung nach Aserbaidschan oder in einen
anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme
verpflichtet ist, angedroht.
Gegen den am 15. November 1999 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 26.
November 1999 Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen erhoben. Im Rahmen
des Klageverfahrens trug er im Wesentlichen vor, er sei anlässlich seines zweiten
Kontakts mit den Mitarbeitern des Sicherheitsministeriums noch mehr geschlagen
worden als das erste Mal, dies sei aus unerklärlichen Gründen in dem
Bundesamtsprotokoll nicht aufgeführt worden. Er sei mit Gefängnis bedroht
worden und ihm sei 1991 nach dreijährigem Schulbesuch der weitere Schulbesuch
verboten worden, nur weil er armenischer Volkszugehöriger sei. Sein Onkel sei im
Jahr 1999 verstorben, er habe nun keine Verwandten mehr in Aserbaidschan.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
vom 4. November 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger
als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise des § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 30. November 2001 hat das Verwaltungsgericht Gießen die
Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des Bescheides vom 4. November
1998 verpflichtet festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG bezüglich der Republik Aserbaidschan vorliegen. Im Übrigen hat es
die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten am 15. März 2002 zugestellt worden.
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Auf den Antrag des Bundesbeauftragten vom 20. März 2002 hat der 3. Senat des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs mit Beschluss vom 27. März 2002 - 3 UZ
834/02.A - die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30.
November 2001 zugelassen.
Der Bundesbeauftragte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang
abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in dieser
Gerichtsakte befindlichen Schriftstücke, den Verwaltungsvorgang der Beklagten (1
Aktenheft) sowie auf die den Beteiligten mitgeteilten Erkenntnisse zur Situation in
Armenien und Aserbaidschan Bezug genommen. Die Unterlagen sind insgesamt
zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung des Bundesbeauftragten für
Asylangelegenheiten gemäß § 130 a VwGO durch Beschluss, da er sie einstimmig
für begründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Die
Beteiligten sind auf die von dem Senat erwogene Entscheidung hingewiesen und
zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, mit der er die
Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Gießen vom 30. November 2001
begehrt, ist aufgrund der Zulassung durch den Senat und auch sonst zulässig und
begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage hinsichtlich der Feststellung des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG zu Unrecht stattgegeben,
denn der ablehnende Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 4. November 1999 erweist sich nach der im
Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77
Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative AsylVfG) als rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG, da er - materiell - nicht politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16 a
Abs. 1 GG ist. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG stimmen in dem hier
maßgeblichen Umfang mit denen des Art. 16 a GG überein (vgl. BVerwG, Ue. V.
26.10.1993 - 9 C 52.92 u. a. - EZAR 203 Nr. 2 = NVwZ 1994, 500; u. v. 18.01.1995
- 9 C 48.92 - EZAR 230 Nr. 3 = NVwZ 1994, 497).
Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG und damit materiell Asylrecht
gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG genießt, wer bei einer Rückkehr in seine Heimat aus
politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder
Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit zu erwarten hat (BVerfG,
02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341). Eine Verfolgung ist in
Anlehnung an den Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschn. A Nr. 2 GK als politisch im
Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG anzusehen, wenn sie auf die Rasse, Religion,
Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder die
politische Überzeugung des Betroffenen zielt (BVerfG, 01.07.1987 - 2 BvR 478/86
u. a. -, BVerfGE 76, 143 = EZAR 200 Nr. 20; BVerwG, 17.05.1983 - 9 C 874.82 -,
BVerwGE 67, 195 = EZAR 201 Nr. 5, u. 26.06.1984 - 9 C 185.83 -, BVerwGE 69,
320 = EZAR 201 Nr. 8). Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen
Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den
subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, 10.07.1989 - 2 BvR
502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 344 = EZAR 201 Nr. 20; zur Motivation vgl.
BVerwG, 19.05.1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 = EZAR 200 Nr. 19). Werden
nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere
Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und
wirtschaftliche Betätigung, so sind allerdings nur solche Beeinträchtigungen
asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und
über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort
herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, 02.07.1980 - 1
BvR 147/80 u.a. -, a. a. O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a. a. O.; BVerwG,
20
21
BvR 147/80 u.a. -, a. a. O., u. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, a. a. O.; BVerwG,
18.02.1986 - 9 C 16.85 -, BVerwGE 74, 31 = EZAR 202 Nr. 7). Die Gefahr einer
derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger
Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die
Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung
abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG,
03.12.1985 - 9 C 22.85 -, EZAR 202 Nr. 6 = NVwZ 1986, 760 m. w. N.). Eine
Verfolgung droht bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wenn bei
qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände
ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden
Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 -, DVBl. 1994,
524, 525). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine
Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von
Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist
(BVerfG, 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, a. a. O.; BVerwG, 25.09.1984 - 9 C
17.84 -, BVerwGE 70, 169 = EZAR 200 Nr. 12 m. w. N.). Nach diesem Maßstab wird
nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist - über die
theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus - erforderlich,
dass objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als
durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urteil vom 08.09.1992 - 9
C 62/91 -, NVwZ 1993, 191). Hat der Asylsuchende sein Heimatland unverfolgt
verlassen, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines
asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit
beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, 26.11.1986 - 2 BvR 1058/85 -,
BVerfGE 74, 51, 64 = EZAR 200 Nr. 18 = NVwZ 1987, 311 = InfAuslR 1987, 56,
und 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, a. a. O.; BVerwG, 20.11.1990 - 9 C 74.90 -,
BVerwGE 87, 152 = NVwZ 1991, 382 = InfAuslR 1991, 145 = EZAR 201 Nr. 22).
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen
Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre
fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie
eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien
nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den
Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, 08.05.1984 - 9 C 141.83 -, EZAR 630
Nr. 13 = NVwZ 1985, 36, 12.11.1985 - 9 C 27.85 -, EZAR 630 Nr. 23 = InfAuslR
1986, 79, u. 23.02.1988 - 9 C 32.87 -, EZAR 630 Nr. 25), und insbesondere auch
den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG,
22.03.1983 - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG, u. 18.10.1983 - 9
C 473.82 -, EZAR 630 Nr. 8 = ZfSH/SGB 1984, 281). Bei der Darstellung der
allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die
vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer
Verfolgung ergeben (BVerwG, 23.11.1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237 = EZAR
630 Nr. 1).
Der Anspruch auf Asyl ist zwar ein Individualgrundrecht, und der
Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG ist ebenfalls personenbezogen, beide
setzen deshalb eigene Verfolgungsbetroffenheit voraus. Die Gefahr eigener
politischer Verfolgung kann sich aber auch aus gegen Dritte gerichteten
Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines insoweit asylerheblichen
Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er
sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsmöglichkeit vergleichbaren
Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von
ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist
(BVerfG, Beschluss vom 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216;
BVerwG, Urteile vom 23.02.1988 - 9 C 85.87 -, BVerwGE 79, 79 und vom
05.07.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.). Zu einer in diesem Sinne
verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine
Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt; dies können entweder sämtliche
Träger eines zur Verfolgung anlassgebenden Merkmals - etwa einer bestimmten
Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich
(mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten
Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen; solchenfalls handelt es
sich um eine entsprechend - örtlich, sachlich oder persönlich - begrenzte
Gruppenverfolgung (BVerwG, Urteile vom 20.06.1995 - 9 C 294.94 -, NVwZ-RR
1996, 97, und vom 30.04.1996 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134 sowie vom
09.09.1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204 = DVBl. 1998, 274). Die Annahme
einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte
22
23
24
einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte
voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes einzelnen
Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl von
Eingriffshandlungen in relevante Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht
mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße
Vielzahl solcher Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr
im Verfolgungszeitraum und Gebiet auf alle sich dort aufhaltenden
Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich
greifen, dass dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern
ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urteile
vom 15.05.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 und vom 05.07.1994 - 9 C 158.94
-, a. a. O.).
Bisweilen erstreckt sich die politische Verfolgung nicht auf das ganze Land,
sondern nur auf einen Landesteil, so dass der Betroffene in anderen Landesteilen
eine inländische Fluchtalternative finden kann. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, der insoweit nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts Bindungswirkung im Sinne des § 31 BVerfGG zukommt
(BVerwG, 15. Mai 1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 ff., 145 f.), setzt die
inländische Fluchtalternative voraus, dass der Asylbewerber in den in Betracht
kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm
jedenfalls auch dort keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer
Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus
politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am
Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -,
BVerfGE 80, 315 ff., 343 f.). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor
allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen
Existenzminimums gehören (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1990, a. a. O.; Urteil vom
31. März 1992 - 9 C 40.91 -, DVBl. 1992, 1541). Es kommt darauf an, ob der
Betroffene an dem Ort der inländischen Fluchtalternative bei generalisierender
Betrachtung auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat,
das zu Hunger, Verelendung und schließlich Tod führt (BVerwG, Urteil vom 8.
Februar 1989 - 9 C 30.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104). Trotz der
grundsätzlich gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise können aber auch
individuelle Umstände Berücksichtigung finden. So kann eine inländische
Fluchtalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Vorverfolgten dort
wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes
Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch
dann zu verneinen sein, wenn der Vorverfolgte am Ort der Fluchtalternative keine
Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden
könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem
Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92
-, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166 Seite 403 <407> m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger aufgrund seiner Angaben vor dem
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, seiner Angaben im
Klageverfahren sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten
Erkenntnisquellen (Erkenntnisquellenliste Aserbaidschan sowie Armenien, versandt
am 04.04.2003, keinen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG.
Der Senat lässt hierbei dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers, er sei als
armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan geboren und habe sich dort bis
zur Ausreise aufgehalten, den Tatsachen entspricht, da selbst dann, wenn der
Kläger als armenischer Volkszugehöriger aus Aserbaidschan stammen sollte, er
dort heute, am Ort der inländischen Fluchtalternative Berg-Karabach, hinreichend
sicher vor erneuten asylrechtserheblichen Verfolgungsmaßnahmen ist und ihm
dort auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sonstige existenzielle
Gefährdungen drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen
Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleich kommen und die so am
Herkunftsort nicht bestünden. Hierbei geht der Senat davon aus, dass armenische
Volkszugehörige aus Aserbaidschan dort im Zeitpunkt der behaupteten Ausreise
des Klägers im April 1999 Gruppenverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren,
denen sie sich mangels Erreichbarkeit auch nicht durch Übersiedlung nach Berg-
Karabach entziehen konnten (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.09.2001
- 6 A 11840/00 -, juris, Online Datenbanken, Asylis). Das Auswärtige Amt ist noch
in seinem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan
vom 13. April 1999 davon ausgegangen, dass Armenier in Aserbaidschan
staatlichem Druck ausgesetzt sind. Während der Großteil das Land nach Ausbruch
25
26
27
staatlichem Druck ausgesetzt sind. Während der Großteil das Land nach Ausbruch
der Feindseligkeiten um Nagorny-Karabach verlassen habe, befinde sich noch eine
Vielzahl mit Aserbaidschanern verheirateter Armenierinnen im Land, jedoch ohne
Hoffnung auf Anstellung und mit großen Schwierigkeiten, Rechtsgeschäfte zu
tätigen. Wann immer die betroffene Person armenischer Herkunft ihren
Personalausweis, aus dem die ethnische Zugehörigkeit hervorgehe, vorlegen
müsse, bestehe die Gefahr rassischer Diskriminierung bis hin zu völliger
Dienstleistungsverweigerung seitens der Behörden. Ähnliches gelte für die aus
aserbaidschanisch-armenischen Ehen hervorgegangenen Abkömmlinge, soweit in
ihren Papieren die armenische Nationalität angegeben sei. Insgesamt lebten in
Aserbaidschan schätzungsweise 10.000 bis 30.000 Armenier, die in hohem Maße
mittelbarer staatlicher Verfolgung ausgesetzt seien, da der Staat es unterlasse,
sie vor Diskriminierung und Schikanen durch die wegen der Nagorniy-Karabach-
Ereignisse aufgebrachten Aserbaidschaner wirksam zu schützen. Armenische
Volkszugehörige, selbst wenn sie einer gemischt-nationalen Beziehung
entsprängen und sie die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit besäßen, lebten
weitgehend recht- und schutzlos. Es sei ihnen in der Regel unmöglich, eine
Anstellung zu finden, ihre Kinder eine Schule besuchen zu lassen oder einen Arzt
zu finden, der bereit sei, sie ärztlich zu behandeln. In gerichtlichen Verfahren
würden ihnen ihre Wohnungen ohne Rechtsgrund zu Gunsten der Vertriebenen aus
Nagorny-Karabach aberkannt, da Armenier für deren Obdachlosigkeit
verantwortlich gemacht würden. Der Staat schreite hiergegen nur selten ein und
dulde, dass eine vieltausendköpfige Minderheit praktisch im Untergrund leben
müsse und zum Überleben auf Almosen und sonstige Unterstützung einer
wohlmeinenden Bevölkerungsminderheit angewiesen sei (vgl. insgesamt: AA,
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan vom
13.04.1999). Bei der Ende der 80-er Jahre beginnenden Vertreibung der
armenischen Minderheit aus Aserbaidschan handelte es sich - bezogen auf das
Staatsgebiet der UdSSR - um eine sog. "örtlich begrenzte" Gruppenverfolgung
(vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 09.09.1997 - 9 C 42.96 -), die sich mit der Auflösung
der Sowjetunion zu einer landesweiten Verfolgung entwickelt hat, denn mit der
Entstehung des eigenständigen Staates Aserbaidschan (Erklärung der
Souveränität: 30.08.1991) ist asylrechtlich nur noch auf dessen Gebiet abzustellen
(vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.12.2002 - 1 L 239/01 -, juris, Online
Datenbanken, Asylis).
Der Senat lässt es dahinstehen, ob der Kläger heute bei einer Rückkehr nach
Aserbaidschan - ohne Berg-Karabach - dort hinreichend sicher vor
Verfolgungsmaßnahmen wäre, da er am Ort der inländischen Fluchtalternative -
Berg-Karabach - hinreichend sicher vor erneuten asylerheblichen
Verfolgungsmaßnahmen ist, er dort auch nicht anderen existenziellen
Bedrohungen ausgesetzt ist, die so am Herkunftsort nicht bestünden, und die
Enklave Berg-Karabach von Deutschland aus unproblematisch über Armenien
erreichbar ist.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein hat in dem Urteil vom
12. Dezember 2002 - 1 L 239/01 - a.a.O. zum Vorliegen der inländischen
Fluchtalternative zutreffend ausgeführt:
"b) Der Beigeladene ist aber nicht darauf angewiesen, in der Bundesrepublik
Deutschland Zuflucht zu nehmen, weil er in seinem Heimatstaat eine zumutbare
Fluchtalternative (Berg-Karabach) hat. Wer nicht von landesweiter, sondern nur
regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, hat nur dann einen Anspruch auf
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, wenn er dadurch
landesweit in eine ausweglose Lage gerät. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität
des Asylrechts ist es dem in seinem Heimatstaat Verfolgten grundsätzlich
zuzumuten, in faktisch verfolgungsfreie Gebiete seines Heimatstaates
auszuweichen (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, a.a.O., S. 344 ff). Dies gilt auch für
Regionen, in denen der Verfolgerstaat seine effektive Gebiets- und
Verfolgungsmacht vorübergehend verloren hat. In einem solchen Gebiet kann
(erneute) politische Verfolgung durch denselben Verfolger regelmäßig nicht
stattfinden, der Betroffene also auf absehbare Zeit verfolgungsfrei leben. Die für
die sogenannte inländische Fluchtalternative aufgestellten Grundsätze gelten
allerdings dann nicht mehr, wenn der (Verfolgungs)staat in der als Alternative in
Betracht gezogenen Region auf Dauer die Gebietsherrschaft verloren hat; dann
wird dieses Gebiet asylrechtlich zum Ausland (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v.
08.12.1998 - 9 C 17.98 -, BVerwGE 108, 84 zum Nordirak). Nach diesen
Grundsätzen stellt das Gebiet von Berg-Karabach für den Beigeladenen eine
geeignete Fluchtalternative dar. Vor einer Verfolgung durch den
28
29
30
geeignete Fluchtalternative dar. Vor einer Verfolgung durch den
aserbaidschanischen Staat ist er hinreichend sicher, weil die aserbaidschanischen
Behörden faktisch keine Kontrolle über diese Gebiete haben (Auswärtiges Amt,
Lagebericht vom 29.01.2002 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
Aserbaidschan; Auskunft vom 22.02.2002 an das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge). Anhaltspunkte für eine Änderung der Situation zu
Lasten der armenischen Bevölkerungsmehrheit durch militärische Maßnahmen
sind nicht ersichtlich. Der Waffenstillstand vom 12. Mai 1994 wird - abgesehen von
gelegentlichen Schusswechseln - im Wesentlichen eingehalten. Parallel bemüht
sich die von der OSZE eingesetzte Minsk-Gruppe um eine friedliche und
dauerhafte Regelung des Konfliktes. Die Präsidenten Armeniens und
Aserbaidschans haben sich gegenüber dem Europarat verpflichtet, den Konflikt auf
friedlichem Weg zu lösen und treffen sich seit Mitte 1999 in unregelmäßigen
Abständen zu bilateralen Gesprächen, um eine Kompromisslösung auszuhandeln
(Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.01.2002). Selbst wenn es im Rahmen einer
Friedensregelung zu einer Übernahme der Staatsgewalt durch die Republik
Aserbaidschan kommen sollte, werden dadurch allenfalls ganz entfernt liegende
Zweifel an der Sicherheit der ethnischen Armenier begründet. Denn in einer
Friedensregelung wird sich die derzeit nicht nur militärische Überlegenheit der
armenischen Seite niederschlagen (Armenien-Information des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Stand: Juli 2001; zum Ganzen: OVG
Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Trotz dieser Situation gehören die armenisch besetzten
Gebiete in und um Berg-Karabach völkerrechtlich weiterhin zur Republik
Aserbaidschan (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.02.2002 an das Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge). Eine Annexion oder eine Sezession
hat nicht stattgefunden. Die Verhandlungen zur Lösung des Status von Berg-
Karabach werden vielmehr bis heute fortgeführt. Konkrete
Verhandlungsergebnisse konnten bisher nicht erzielt werden (Auswärtiges Amt,
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien vom
16.01.2002). Die Berg-Karabach-Frage ist weiterhin "offen".
Durch die karabachischen Behörden drohen dem Beigeladenen keine
Verfolgungsmaßnahmen. Hinsichtlich solcher Verfolgungsmaßnahmen ist auf den
Maßstab der beachtlichen Verfolgung abzustellen, denn insoweit ist der
Beigeladene nicht vorverfolgt (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., S. 18 ). Vor solchen
Verfolgungsmaßnahmen ist der Beigeladene im Übrigen auch hinreichend sicher.
Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beigeladenen durch die karabachischen
Behörden sind nicht ansatzweise erkennbar. (...)
Auch eine mittelbare Verfolgung des Beigeladenen durch die karabachische
Bevölkerung kommt nicht in Betracht, denn in Berg-Karabach leben fast
ausschließlich armenische Volkszugehörige. Wegen seiner halbaserischen Herkunft
hat der Beigeladene keine Verfolgungsfurcht geäußert. Im Übrigen verneint der
Senat auch bei Personen, die einer armenisch/aserischen Ehe entstammen und
deren Name auf eine aserische Herkunft hindeutet, jedenfalls dann eine beachtlich
wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch die armenische Bevölkerung in Berg-
Karabach, wenn sie - wie der Beigeladene - die armenische Sprache beherrschen
(vgl. Urt. v. 12.12.2002 - 1 L 103/02).
Der Beigeladene kann das Gebiet von Berg-Karabach auch erreichen und sich
dort auf Dauer aufhalten, obwohl er nicht in Berg-Karabach aufgewachsen ist und
dort auch keine Verwandten hat (aA VG Oldenburg, Urt. 02.09.2002 - 1 A 3691/99
-). Die Einreise nach Berg-Karabach ist über Armenien möglich. In einer Auskunft
des Auswärtigen Amtes vom 17. August 2000 zu einer Anfrage des
Verwaltungsgerichts Augsburg, ob eine aus Berg-Karabach stammende Person
dorthin zurückkehren könne, heißt es zwar, dass eine Prüfung stattfinde, ob die
Person tatsächlich aus Berg-Karabach stamme. Daraus kann aber nicht
geschlossen werden, dass anderen armenischen Volkszugehörigen die Einreise
und der Aufenthalt verwehrt werde. Sämtliche neueren Auskünfte und Gutachten
sehen derartige Einschränkungen auch nicht vor. Auf Anfrage des Schleswig-
Holsteinischen Verwaltungsgerichts, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wurde,
dass der Betroffene des dort zugrunde liegenden Verfahrens nicht karabachischer
Herkunft sei und deshalb möglicherweise Probleme hinsichtlich des Aufenthalts
dort bekommen könne, weist das Auswärtige Amt mit Auskunft vom 23. Mai 2002
auf die wesentlich verbesserte Lebens- und Versorgungssituation in Berg-
Karabach hin und legt keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Einreise und
Aufenthaltsmöglichkeiten dar. Auch aus der gutachterlichen Stellungnahme von ...
vom 07. Mai 2002 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, die im
Wesentlichen ein Interview mit dem Minister für soziale Wohlfahrt der "Republik"
31
32
33
Wesentlichen ein Interview mit dem Minister für soziale Wohlfahrt der "Republik"
Berg-Karabach, Herrn ... , sowie mit Herrn ... vom Radio Freies Arzach und eine
Stellungnahme des Herrn ... vom Außenministerium Berg-Karabach wiedergibt,
ergeben sich im Ergebnis keine Zweifel an der Einreise- und
Aufenthaltsmöglichkeit nicht aus Berg-Karabach stammender armenischer
Volkszugehöriger. Unter d) antwortet Minister ... zwar auf die Frage, ob in Berg-
Karabach aserbaidschanische Staatsbürger (armenischer oder anderer ethnischer
Herkunft) aufgenommen würden und Anspruch auf staatliche Unterstützung
hätten: "Falls diese aserbaidschanischen Staatsbürger armenischer Nationalität
und auch karabachischer Herkunft sind: Ja, dann werden sie aufgenommen und
besitzen Anspruch auf unsere Unterstützung. Wir haben aber bis heute nicht
erlebt, dass ein Aseri zu uns kommt, der nicht mit einem Armenier oder einer
Armenierin verheiratet ist". Der erste Satz erweckt zwar den Eindruck, dass nur
aserbaidschanische Staatsbürger karabachischer Herkunft aufgenommen werden.
Aus dem Gesamtzusammenhang des Gespräches sowie den Äußerungen des
Herrn ... und des Herrn ... sowie der Stellungnahme der Gutachterin wird deutlich,
dass Minister ... damit lediglich darauf hinweisen wollte, dass Personen nicht
karabachischer Herkunft nicht staatlich gefördert werden und nicht sofort einen
dauerhaft gesicherten Status (der Staatsbürgerschaft entsprechend) erhalten.
Unter a) hatte Minister ... nämlich zuvor darauf hingewiesen, dass seit 1988 auch
Armenier aus verschiedenen ländlichen wie städtischen Regionen Aserbaidschans,
die nicht karabachischen Ursprungs seien, nach Berg-Karabach gekommen seien.
Viele aus diesem Personenkreis hätten allerdings Berg-Karabach wieder verlassen,
weil es nicht genügend Arbeitsplätze für sie gegeben habe. Daraus ergibt sich,
dass die Behörden ihnen den Aufenthalt nicht versagt haben. Herr ... hat dazu
ergänzend angefügt, dass der Erfolg ihrer Integration davon abhänge, wie gut sie
armenisch sprächen. Dass Personen nicht karabachischer Herkunft ein
dauerhafter Aufenthalt in Berg-Karabach ermöglicht wird, wird auch deutlich aus
der Antwort des Herrn Mailjan vom Außenministerium Berg-Karabachs
(Stellvertreter der Außenministerin - vgl. Koutcharian, Auskunft vom 05.07.2002 an
das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht) auf die Frage, ob
aserbaidschanische Staatsbürger armenischer oder anderer ethnischer Herkunft
die "Staatsbürgerschaft" Berg-Karabachs erwerben könnten. Aus der Antwort, dass
der Antragsteller aus Karabach oder zumindest aus einer karabacher Familie
stammen müsse oder - falls er eine andere "Staatsbürgerschaft" habe - sich
mindestens ein Jahr in Karabach aufgehalten haben und einer Erwerbstätigkeit
nachgegangen sein müsse, wird deutlich, dass sich auch Personen nicht
karabachischer Herkunft in Berg-Karabach aufhalten und ein dauerhaftes
Bleiberecht erhalten können. Dies bestätigt die Gutachterin Savvidis in ihrer
Anmerkung und Schlussfolgerung ausdrücklich. Auch aus dem Gutachten der
Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 03. August 2002 an den Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof wird deutlich, dass bereits viele Personen nicht
karabachischer Herkunft dort Aufnahme gefunden haben (4.500 Neusiedler - vor
allem armenische Flüchtlinge aus Aserbaidschan, aber auch aus Armenien und
Diaspora-Armenier aus Russland, der Ukraine, Syrien und anderen Staaten).
Die Zuflucht nach Berg-Karabach scheidet auch nicht etwa wegen einer
Gefährdung des wirtschaftlichen Existenzminimums aus. Nach Überzeugung des
Senats ist der Beigeladene in Berg-Karabach vor einer wirtschaftlichen
Existenzgefährdung hinreichend sicher. Erst recht besteht nicht die beachtliche
Wahrscheinlichkeit, dass er seine Existenz dort nicht sichern kann (vgl. zur
Maßgeblichkeit dieses Maßstabes hinsichtlich der verfolgungsunabhängigen
Nachteile und Gefahren BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, a.a.O., S. 345; konkret für
die Fluchtalternative Berg-Karabach OVG Rheinland-Pfalz a.a.O., S. 18, 21).
Ein verfolgungssicherer Ort bietet dem Ausländer das wirtschaftliche
Existenzminimum grundsätzlich immer dann, wenn er durch eigene Arbeit oder
durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von
Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige
erlangen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Asylsuchende am Ort der
inländischen Fluchtalternative bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden
Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger,
Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu
erwarten hat als ein "Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums" (BVerwG,
zuletzt Beschl. v. 31.07.2002 - 1 B 128/02 -, ZAR 2002, 369 unter
Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung). Eine solche Situation hat der
Beigeladene in Berg-Karabach nicht zu erwarten:
Die wirtschaftliche Situation der Region Berg-Karabach, die durch die
33
34
35
Die wirtschaftliche Situation der Region Berg-Karabach, die durch die
aserbaidschanischen Behörden schon lange vor dem 1988 beginnenden Konflikt
wirtschaftlich stark benachteiligt worden ist, hat sich durch die ethnischen
Gewaltausbrüche, den Krieg und die Auflösung der UdSSR noch erheblich
verschlechtert. Die Kampfhandlungen in und um Berg-Karabach haben neben
vielen Toten auch einen erheblichen materiellen Schaden hinterlassen. Neben den
Zerstörungen und sonstigen Beschädigungen von Gebäuden ist vor allem die
Zerstörung von Acker- und Weideböden sowie von Obst- und Weingärten von
erheblicher Tragweite, weil die Landwirtschaft einen großen Anteil an der gesamten
Wirtschaft Berg-Karabachs hatte. Ein großes Problem stellt die Verminung
landwirtschaftlicher Flächen dar. Nach Angaben einer mit diesem Problem
befassten Regierungskommission waren nach dem Krieg rund 15.000 ha Land,
davon mehr als 1/3 landwirtschaftlich nutzbarer Fläche, in Berg-Karabach vermint.
Auch heute noch sind viele Flächen minenverseucht und nicht nutzbar. Vor allem
mit Hilfe der in Großbritannien ansässigen Organisationen "Halo Trust" konnte aber
in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Minen unschädlich gemacht
werden. Durch Krieg und Vertreibung hat sich die Bevölkerung in Berg-Karabach
erheblich verringert. Nach der letzten sowjetischen Volkszählung gab es 1989 noch
189.000 Einwohner in Berg-Karabach. Nach offiziellen Angaben der Behörden
lebten dort Anfang des Jahres 2002 noch 144.300 Menschen (vgl. zur
Gesamtproblematik der Wirtschaft durch Krieg und Vertreibung: Deutsch-
Armenische Gesellschaft, Auskunft vom 03.08.2002 an Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof).
Die Negativentwicklung der Wirtschaft konnte durch verschiedene Maßnahmen
gestoppt werden. Auf der Grundlage des Privatisierungsgesetzes vom 29. Juni
1998 soll eine breite Schicht von Privateigentümern geschaffen werden, die die
ökonomische Grundlage für die Entwicklung des Marktes in Berg-Karabach
begründen sollen. Eine von der Regierung Berg-Karabachs eingerichtete
Privatisierungsbehörde führt unter Heranziehung von Fachleuten den Verkauf von
Staatsunternehmen mittels Auktionen und Ausschreibungen durch. Zum 01.
Januar 2000 wurden alle mittleren und großen Staatsbetriebe in
Aktiengesellschaften umgewandelt, deren Anteile auch von Ausländern erworben
werden können. In der Regel handelt es sich bei den ausländischen Investoren um
Diaspora-Armenier, etwa aus den USA, dem Libanon, dem Iran, der Schweiz,
Russland, Frankreich, Belgien oder anderen Staaten. Nach offiziellen Angaben
wurden beginnend mit dem Jahr 1999 ausländische Investitionen in die Wirtschaft
Berg-Karabachs von 20 bis 25 Millionen US-Dollar getätigt. Nach Auskunft des
Ministerpräsidenten Berg-Karabachs sei es gelungen, den Rückgang der
Industrieproduktion, der im Jahr 1999 10,6% betragen habe, zu stoppen. Im Jahr
2001 sei ein industrielles Wachstum von 20% und in den ersten fünf Monaten des
Jahres 2002 von 13% zu verzeichnen gewesen. Die Regierung Berg-Karabachs ist
an einem Bevölkerungszuzug interessiert. Sie startete 1994 ein
Rückkehrerprogramm für Familien, die vor dem Krieg in Berg-Karabach ansässig
waren. Ein spezielles Programm der Regierung Berg-Karabachs zur
Wiederbesiedlung zerstörter und weitgehend verlassener Siedlungen sieht Mittel in
Höhe von 790.000 US-Dollar vor. Damit sollen zum einen Wohngebäude und
Schulen in Stand gesetzt sowie die Wasser- und Stromversorgung
wiederhergestellt werden. Mittel in Höhe von 90.000 US-Dollar sollen als Anreiz für
Neusiedler verwendet werden. Nach Angaben der Behörden von Berg-Karabach
sollen sich seit 1993 rund 4.500 solche Siedler in Berg-Karabach niedergelassen
haben. Es handele sich vor allem um armenische Flüchtlinge aus Aserbaidschan,
aber auch aus anderen Staaten (vgl. zur Wiederbesiedlung und zur neuesten
wirtschaftlichen Entwicklung ebenfalls Gutachten der Deutsch-Armenischen
Gesellschaft vom 03.08.2002).
Das Auswärtige Amt, das sich früher zu den Existenzmöglichkeiten für
Flüchtlinge aus Aserbaidschan in Berg-Karabach sehr zurückhaltend geäußert
hatte (Lagebericht Aserbaidschan v. 13.04.1999: "Sehr bescheidenes Leben in
Flüchtlingsunterkünften"), stellt die Situation auf eine Anfrage des
Verwaltungsgerichts Schleswig, die sich auf einen aserbaidschanischen
Asylbewerber armenischer Volkszugehörigkeit nicht karabachischer Herkunft
bezog, jetzt (Auskunft vom 23.05.2002) wie folgt dar: Die Lebens- und
Versorgungssituation habe sich in Berg-Karabach wesentlich gebessert und der in
Armenien angeglichen. Es seien eine Vielzahl von humanitären Organisationen
unterschiedlicher Geberländer, aber vor allem gesponsert von der armenischen
Diaspora in den USA, in Berg-Karabach tätig und trügen zur Verbesserung der
Lebens- und Versorgungssituation bei. Dem Auswärtigen Amt lägen keine
Erkenntnisse darüber vor, dass Geberländer oder humanitäre Hilfsorganisationen
36
Erkenntnisse darüber vor, dass Geberländer oder humanitäre Hilfsorganisationen
von den Hilfslieferungen bestimmte Personen ausschlössen. Nach den
Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes sei man in Berg-Karabach an einer
Besiedlung interessiert und habe diesbezüglich mehrmals offizielle
Stellungnahmen und Aufrufe abgegeben. Genügend Wohnraum und Land seien
vorhanden. Es siedelten sich inzwischen Einzelpersonen und Familien, nicht nur
armenischer Volkszugehörigkeit aus den verschiedensten GUS-Staaten in Berg-
Karabach an. Sie würden mit staatlichen Mitteln und Programmen gefördert. Auch
werde Übersiedlern staatliche Unterstützung in der Zuweisung von Wohnraum,
Grundstücken, Steuerbefreiungen etc. und humanitären Hilfsgütern gewährt. Für
diesen Personenkreis würden auch einmalige finanzielle Mittel für Familien zur
Verfügung gestellt. Auch die Auslagen für den Transport von der Republik
Armenien bis zum zukünftigen Wohnort in Berg-Karabach würden erstattet.
Hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten von Personen, die aus Berg-Karabach
stammten und in Deutschland Asyl beantragt hätten, werde darauf hingewiesen,
dass es bekannt sei, dass im allgemeinen aus Deutschland Zurückkehrende nicht
als mittellos gälten. Sie hätten in der Regel während ihres langjährigen Aufenthalts
nicht unerhebliche Geldsummen erspart und seien bei Rückkehr im Vergleich zur
ortsansässigen Bevölkerung im Herkunftsland bessergestellt. Einschränkungen
hinsichtlich der Existenzmöglichkeiten ergeben sich aus dieser Auskunft nicht
ansatzweise. Andere Auskunftsquellen beurteilen die Situation für aus Deutschland
zurückkehrende Asylbewerber nicht so optimistisch. Insbesondere für solche
Rückkehrer, die - wie der Beigeladene - nicht aus Berg-Karabach stammen, werden
die Existenzmöglichkeiten deshalb als schwierig beurteilt, weil sie keinen Anspruch
auf Hilfsmaßnahmen hätten (Dr. ..., Auskunft vom 07.05.2002 s.o.; ..., Auskunft
vom 05.07.2002 s.o.), bzw. diese nicht immer realisieren könnten (Deutsch-
Armenische Gesellschaft, Auskunft vom 03.08.2002 s.o.). Die Auskünfte hierzu
sind insgesamt nicht eindeutig. Die Frage, ob und gegebenenfalls welche
staatlichen Hilfen nicht karabachische Neuankömmlinge zu erwarten haben,
bedarf letztlich aber keiner Aufklärung, denn die in den Auskünften erwähnten
finanziellen Hilfen sind derart niedrig (vgl. Auskunft der Deutsch-Armenischen
Gesellschaft vom 03.08.2002, alle Angaben umgerechnet in US-Dollar: ca. 45,50
US-Dollar für Familienoberhaupt, ca. 4,50 US-Dollar für jedes weitere
Familienmitglied; Kredit von ca. 364 US-Dollar über 20 Jahre rückzahlbar), dass sie
für die Sicherung der Existenz im Ergebnis nicht entscheidend sein können. Wie
bereits dargelegt, gelten Rückkehrer aus Deutschland nicht als mittellos. Dies
erscheint angesichts der von den Auskünften für bedeutsam gehaltenen o.g.
(geringen) Höhe der Aufbaubeihilfen, der niedrigen Monatseinkommen (ca. 50 US-
Dollar) und der niedrigen Sozialleistungen ( ..., Auskunft vom 05.07.2002 s.o.)
ohne weiteres plausibel. Auch die hier lebenden Asylbewerber kennen die
Diskrepanz zwischen diesen für westeuropäische Verhältnisse außerordentlich
niedrigen Einkommen in Berg-Karabach, die in Armenien und im übrigen
Aserbaidschan vergleichbar niedrig sind (vgl. Berichte über die asyl- und
abschiebungsrelevante Lage in Aserbaidschan vom 29.01.2002 und in Armenien
vom 16. Januar 2002), und den im Verhältnis dazu außerordentlich hohen Löhnen
und Sozialhilfeleistungen in Deutschland, so dass es nahe liegt, dass selbst aus
Sozialhilfeleistungen, wie sie der Beigeladene bezieht, Rücklagen in
Größenordnungen gebildet werden können und auch gebildet werden, die für
westeuropäische Verhältnisse niedrig erscheinen mögen, denen in Berg-Karabach
jedoch eine hohe Bedeutung zukommt. Auch durch Veräußerung des Hausrates
bei Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich
Mittel, mit denen die Existenzgründung in Berg-Karabach erleichtert werden kann
(zur Bedeutung von vorhandenen finanziellen Mitteln für die Existenzgründung:
Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002; ..., Gutachten vom 07.05.2002).
Angesichts der verhältnismäßig niedrigen Arbeitslosenquote (6,5%), die u.a.
auch darauf beruht, dass ein großer Teil der männlichen Bevölkerung weiterhin
zum Militärdienst verpflichtet ist (zur Arbeitslosenquote und den Ursachen:
Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002, s.o.), und der
insgesamt positiven Zukunftsprognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung
(s.o.) spricht ganz Überwiegendes dafür, dass arbeitsfähige Neuankömmlinge in
der Lage sein werden, in der karabachischen Arbeitswelt Fuß zu fassen. Wegen der
durch den Krieg entstandenen vielfältigen und immer noch vorhandenen
Gebäudeschäden gilt dies insbesondere für den Beigeladenen, der gelernter
Bauarbeiter ist. Dass Neuankömmlinge wegen fehlender städtischer Arbeitsplätze
unter Umständen auf landwirtschaftliche Betätigungen oder Aufbauarbeiten in
kriegszerstörten und abgelegenen Siedlungen angewiesen sind, die mit den
Arbeitsbedingungen in westlichen Staaten nicht vergleichbar sind (Deutsch-
Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002, s.o. - zur
37
38
Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002, s.o. - zur
landwirtschaftlichen Arbeit), ist unerheblich. Auch wenig attraktive Arbeiten, die
nicht der Vorbildung entsprechen und für die es auf dem Arbeitsmarkt keine
Nachfrage gibt, sind zumutbar (BVerwG, Beschl. v. 09.01.1998 - 9 B 1130/97 -
Juris). Zumutbar wäre es auch, wenn der Beigeladene nach Rückkehr
vorübergehend ein Leben am Rande des Existenzminimums führen müsste.
Entscheidend ist, dass er nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu
seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann (BVerwG, Beschl. v.
31.07.2002, a.a.O.). Bei zusammenfassender Bewertung aller sich aus den o.g.
neueren Auskünften und Gutachten ergebenden Tatsachen zur wirtschaftlichen
Situation in Berg-Karabach kann dies mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch für
Neuankömmlinge nicht karabachischer Herkunft nicht verneint werden. Es liegen
schließlich auch keine konkreten Erkenntnisse darüber vor, dass Neusiedler trotz
der vielfältigen humanitären Hilfsleistungen auf Dauer Hunger litten oder auf
Dauer obdachlos geblieben wären.
Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Senats - für den Beigeladenen das
wirtschaftliche Existenzminimum in Berg-Karabach nicht gewährleistet wäre, so
würde dies nicht die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
rechtfertigen, denn das fehlende wirtschaftliche Existenzminimum wäre nicht
verfolgungsbedingt. Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG schützen nicht vor der
Rückführung in ein verfolgungssicheres Gebiet, wenn die dort herrschende Notlage
keine andere ist als die am Herkunftsort. Der Zeitpunkt für den Vergleich der
einander gegenüberzustellenden wirtschaftlichen Situationen hängt davon ab, für
welchen Zeitpunkt die Frage das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative zu
beantworten ist. Geht es - wie hier - um die Frage, ob jedenfalls aus gegenwärtiger
Sicht eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, so muss die wirtschaftliche
Lage, die im verfolgungsfreien Gebiet herrscht, mit der Lage verglichen werden,
die im Zeitpunkt der Rückkehr in dem Heimatstaat am Herkunftsort besteht.
Entscheidend ist, ob eine am verfolgungssicheren Ort bestehende Notlage
derjenigen am Herkunftsort gleicht. Ist das der Fall, so kommt die Gewährung von
Asyl und auch die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht in
Betracht (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997 a.a.O., S. 212). Entscheidend ist deshalb, ob
die wirtschaftliche Lage bei einer Rückkehr nach Nachitschewan oder auch in
andere Teile Aserbaidschans maßgeblich besser wäre. Dies ist nicht der Fall, wie
sich aus einem Vergleich der Lebens- und Versorgungssituation im übrigen
Aserbaidschan mit derjenigen in Berg-Karabach ergibt. Die Situation in Berg-
Karabach leitet der Senat ergänzend auch aus Auskünften zu Armenien ab, weil
sich die Situation in Berg-Karabach derjenigen in Armenien angeglichen hat
(Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.05.2002 s.o.).
Die Chance, Arbeit zu finden, dürfte in Armenien und Berg-Karabach deutlich
besser sein als in Aserbaidschan. Die Arbeitslosenquote wird für Berg-Karabach
mit 6,2% (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.), in
Armenien mit 10,1% (Deutsch-Armenische Gesellschaft, zur Lage in Armenien,
Stand: Oktober 2001) und für Aserbaidschan mit 25% (Auswärtiges Amt,
Lagebericht vom 29.01.2002) angegeben. Auch wenn diese Prozentzahlen die
Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht exakt widerspiegeln, so lässt sich aus ihnen doch
eine Tendenz für die Chance, am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilzuhaben und
dadurch den Lebensunterhalt im Wesentlichen bestreiten zu können, ablesen. Die
Löhne sind allerdings in allen Ländern derart niedrig, dass der Lebensunterhalt
daraus allein häufig nicht gedeckt werden kann. Sowohl in Aserbaidschan als auch
in Armenien lebt ein sehr großer Teil der Bevölkerung in Armut (nach Angaben der
Weltbank in Aserbaidschan 60% der Bevölkerung, vgl. Lagebericht des Auswärtigen
Amtes vom 29.01.2002; nach Angaben des armenischen Statistikdienstes in
Armenien 55% der Bevölkerung, vgl. Deutsch-Armenische Gesellschaft, zur Lage
in Armenien, Stand: Oktober 2001). Aus dem für Aserbaidschan genannten
Prozentsatz wird deutlich, dass von der Armut nicht nur die sich in Aserbaidschan
aufhaltenden Flüchtlinge, sondern auch ca. die Hälfte der dort ansässigen
Bevölkerung betroffen ist (7,5 Millionen Gesamteinwohner - davon 853.000
Flüchtlinge, Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge,
Aserbaidschan-Information, Stand: Juli 2000). Aus dem Weltbericht 2000 zu
Hunger und Unterernährung der FAO ergibt sich, dass sowohl in Aserbaidschan als
auch in Armenien ein Teil der Bevölkerung an Unterernährung leidet. Dieser
Bericht bezieht sich auf den Zeitraum 1996 bis 98 - aktuellere Daten liegen dem
Senat nicht vor. Danach wurden die Länder Armenien und Aserbaidschan als
Länder mit sehr niedrigen Einkommen und Nahrungsmangel eingestuft. Armenien
wurde als relativ stark gefährdet bewertet, Aserbaidschan sogar als sehr stark
gefährdet (S. 7 des Berichtes). In Armenien waren danach 21% der Bevölkerung
39
40
41
42
gefährdet (S. 7 des Berichtes). In Armenien waren danach 21% der Bevölkerung
unterernährt, in Aserbaidschan 32% der Bevölkerung (S. 8 und 28 des Berichtes).
Die medizinische Versorgung erscheint in Berg-Karabach - relativ zu den
übrigen Gebieten Aserbaidschans - besser. In kleinen Gemeinden ist mindestens
eine Krankenschwester vorhanden, in großen Gemeinden auch ein Arzt, der die in
der Umgebung befindlichen kleinen Gemeinden betreut. Es gibt mehrere
Krankenhäuser in Berg-Karabach. Das größte Krankenhaus ist das Republik-
Krankenhaus in Stepanakert. In den Bezirkszentren befinden sich kleine
Krankenhäuser. Insgesamt gibt es in Karabach etwa 200 Ärzte (zum Ganzen: Dr.
..., Gutachten vom 05.07.2002 an das Verwaltungsgericht Schleswig). In aller Regel
müssen zwar - ebenso wie in Armenien - die Patienten die Behandlungskosten und
zumeist auch die Kosten von Medikamenten selbst tragen. Lediglich für
Angehörige einiger besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen sowie bei
bestimmten Krankheitsbildern (Tuberkulose, Geisteskrankheiten, Epilepsie u.a.)
sollen nach einem Regierungsbeschluss vom Juli 2000 die Kosten vom Staat
übernommen werden. In den vergangenen Jahren sind in Berg-Karabach relativ
viele Fälle von TBC aufgetreten, deren Zahl nach Angaben von "Ärzte ohne
Grenzen" aber inzwischen rückläufig ist. TBC-Patienten werden kostenfrei
behandelt und erhalten freie Medikamente sowie Beihilfen zur
Lebensmittelversorgung (Deutsch-Armenische Gesellschaft, Gutachten vom
03.08.2002 s.o.). Im übrigen Aserbaidschan ist die zu Sowjet-Zeiten kostenlose
medizinische Versorgung weitgehend zusammengebrochen. Ein Großteil der Ärzte
ist auf Grund der mangelhaften Bezahlung in andere Berufe übergewechselt oder
emigriert. Die hygienischen Verhältnisse sind völlig unzureichend, die technische
Ausstattung ist veraltet bzw. vielfach defekt. Viele Krankenhäuser stehen heute
weitgehend leer. Die meisten Kranken ziehen es vor, zu Hause von der Familie
gepflegt zu werden. Falls es nicht zufällig einen Arzt in der Verwandtschaft oder
näheren Bekanntschaft gibt, genießen sie keine sachverständige Pflege, ganz zu
Schweigen von notwendigen operativen Eingriffen. Daneben bildet sich zunehmend
ein privater medizinischer Sektor heraus. Gegen Bezahlung können
überlebensnotwendige Maßnahmen zum größten Teil durchgeführt werden.
Besonders problematisch ist in Aserbaidschan die Verbreitung von TBC. Diese
Krankheit und Diphtherie haben einen starken Anstieg zu verzeichnen (Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Aserbaidschan-Information, Stand:
Juli 2000, S. 28 mit Hinweis auf Dr. Hailbach, Bundesinstitut für
Ostwissenschaftliche Internationale Studien auf dem Workshop Aserbaidschan
vom 23.11.1999 in Trier; allgemein zur medizinischen Versorgung: Auswärtiges
Amt, Lagebericht Aserbaidschan vom 29.1.2002).
Bei zusammenfassender Würdigung dieser Erkenntnisse ergibt sich, dass die
Existenzbedingungen in Berg-Karabach nicht schlechter, sondern eher besser sind
als im übrigen Aserbaidschan (Arbeitslosigkeit, Lebensmittelversorgung, Hunger,
Gesundheit). Ursächlich hierfür dürfte u.a. die wirksame Hilfe der zahlungskräftigen
armenischen Diaspora sein, die neben humanitärer Hilfe auch
Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Straßenbau, Wasserversorgung in Stepanakert, und
viele kleinere Projekte in den Dörfern Berg-Karabachs) finanziert und auch direkt in
die karabachische Wirtschaft investiert (vgl. dazu Deutsch-Armenische
Gesellschaft, Gutachten vom 03.08.2002 s.o.; Auswärtiges Amt, Auskunft vom
23.05.2002, s.o.). Vergleichbar wirksame Hilfeleistungen erhält das übrige
Aserbaidschan, das zwar - ebenso wie Berg-Karabach - auch von
Hilfsorganisationen humanitäre Hilfe erhält (Bundesamt, Aserbaidschan-
Informationen, Stand: Juli 2000), nicht. Die schwierigen Existenzbedingungen in
den übrigen Bereichen Aserbaidschans würden nicht dadurch kompensiert, dass
der Beigeladene, wenn er nicht aus Aserbaidschan vertrieben worden wäre, in ein
Netz von sozialen Beziehungen eingebunden wäre. Eine solche Einbindung würde
die wirtschaftlichen Existenzbedingungen nur dann verbessern, wenn in diesem
Netz Ressourcen vorhanden wären, an denen der Beigeladene partizipieren
könnte. Davon kann angesichts der weit verbreiteten Armut in Aserbaidschan nicht
ausgegangen werden."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
Auch aus der persönlichen Situation des Klägers sind keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, die eine andere Bewertung in der Sache gebieten würden. Allein
aufgrund der Tatsache, dass der Kläger sowohl vor dem Bundesamt als auch im
Rahmen der mündlichen Verhandlung in russisch angehört wurde, führt zu keiner
anderen Wertung in der Sache. Die Angehörigen der armenischen Minderheit in
Aserbaidschan bedienen sich im Alltag entweder der russischen oder
43
44
45
46
Aserbaidschan bedienen sich im Alltag entweder der russischen oder
aserbaidschanischen Sprache (vgl.: AA vom 27.06.2002 an VG Wiesbaden). Die
armenische Sprache wird seit längerem von den in Aserbaidschan lebenden
Armeniern, die hauptsächlich russisch sprechen, kaum mehr beherrscht (vgl.:
Deutsch-Armenische Gesellschaft vom 19.02.1999 an VG Stuttgart).
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen seiner Sprachkenntnisse besondere
Schwierigkeiten am Ort der inländischen Fluchtalternative haben könnte, sind von
diesem weder substantiiert dargetan, noch sind sie für den Senat ersichtlich,
zumal er gegenüber dem Bundesamt angegeben hat, auch armenisch zu
beherrschen (Bl. 1, 2 der Bundesamtsakte).
Der Senat brauchte auch nicht dem mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom
8. Oktober 2002 angekündigten Beweisantrag zur Vernehmung der Frau Elvira
Kindl, Deutsch-Armenische Gesellschaft, nachzugehen, da zu der zum Beweis
gestellten Behauptung, der Kläger könne ohne verwandtschaftliche Bindungen in
Berg-Karabach keine wirtschaftliche Existenz aufbauen, ausreichend
Erkenntnisquellen vorliegen, die auch das Oberverwaltungsgericht für das Land
Schleswig-Holstein in dem zitierten Urteil ausführlich ausgewertet hat. Der Kläger
hat nicht dargetan, welche neuen Erkenntnisse durch die Befragung der Zeugin zu
erwarten sind, die nicht ohnehin bereits Gegenstand der gutachterlichen Auskunft
der Deutsch-Armenischen Gesellschaft vom 3. August 2002 sind und aus welchen
Gründen die dem Gericht vorliegenden Auskünfte, die in das Verfahren eingeführt
worden sind, fehlerhaft bzw. nicht ausreichend sind, um die zum Beweis gestellte
Frage beantworten zu können.
Auch soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28.04.2003 beantragt, verschiedene
Verfahrensakten der Verwaltungsgerichte Osnabrück, Oldenburg und Frankfurt am
Main beizuziehen und zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, brauchte dem
bereits deshalb nicht nachgegangen zu werden, da der Kläger nicht dargelegt hat,
welche neuen, nicht bereits eingeführten Erkenntnismittel sich hieraus ergeben
sollen. Gleiches hat für die Anregung zu gelten ein aktuelles
Sachverständigengutachten zu den Existenzmöglichkeiten in der Enklave Berg-
Karabach einzuholen. Wie bereits ausgeführt, liegen dem Senat mehrere
ausführliche Stellungnahmen zu den Existenzmöglichkeiten armenischer
Volkszugehöriger in Berg-Karabach vor, die auch von dem OVG Schleswig-Holstein
in der zitierten Entscheidung ausgewertet worden sind. Der Kläger hat nicht
dargetan, in welchen Punkten die vorliegenden Gutachten unvollständig oder
überholt sind oder nicht den Tatsachen entsprechen, so dass es der Einholung
eines weiteren Gutachtens nicht bedurfte.
Dem Kläger steht schließlich auch nicht der in erster Instanz geltend gemachte
Anspruch auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß §
53 AuslG zu, über den infolge der Abweisung der Klage auf Feststellung der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in der Berufungsinstanz zu entscheiden
ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.04.1997 - 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260 und vom
28.04.1998 - 9 C 2.98 - sowie Beschluss vom 21.01.2000 - 9 B 589.99 -). Es ist
nicht erkennbar, dass für den Kläger in Aserbaidschan, dort in der Enklave Berg-
Karabach, die Gefahr der Folter bzw. die Gefahr der Todesstrafe besteht (§ 53 Abs.
1 und 2 AuslG). Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG i. V.
m. Art. 3 EMRK im Hinblick auf die Enklave Berg-Karabach gegeben. Diese
Bestimmung setzt das Vorliegen einer individuellen, konkreten Gefahr voraus,
unmenschlich oder erniedrigend behandelt zu werden. Nach den oben gemachten
Ausführungen sind derartige Gefahren ebenso wenig wie die in § 53 Abs. 6 Satz 1
AuslG genannten konkreten erheblichen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit zu
erwarten.
Hierbei ist die Benennung von Aserbaidschan als Zielstaat der Abschiebung ohne
Einschränkung auf einen sicheren Gebietsteil nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichtes auch dann nicht zu beanstanden, wenn der Kläger
außerhalb der Enklave Berg-Karabach materiell politische Verfolgung im Sinne des
§ 51 Abs. 1 AuslG zu befürchten hätte und nur in der Enklave Berg-Karabach
hinreichend sicher sein sollte. § 50 Abs. 2 AuslG gebietet weder in den Fällen
regionaler (oder örtlich begrenzter) politischer Verfolgung noch bei nicht
landesweit bestehenden Abschiebungshindernissen im Sinne des § 53 Abs. 1, 2
oder 4 AuslG die Abschiebungsandrohung auf das sichere Teilgebiet des
Abschiebezielstaats zu beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1999 - 9 C
4/99 -, juris, Online Datenbanken, Asylis). Nach § 50 Abs. 2 AuslG soll in der
Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer
abgeschoben werden soll und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er
47
48
49
abgeschoben werden soll und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er
auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er ausreisen darf
oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Hat der Ausländer in seinem
Heimatstaat politische Verfolgung zu befürchten oder bestehen dort
Abschiebungshindernisse, scheidet dieser als Zielstaat einer Abschiebung nur
dann aus, wenn ihm die Gefahren landesweit drohen oder er das sichere Gebiet im
Heimatstaat nicht erreichen kann (vgl. BVerwG, a. a. O. unter Hinweis auf BVerfG,
Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502 u. a./86 - BVerfGE 80, 315 <342 ff.>;
BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330>; Urteil vom
08.12.1998 - 9 C 17.98 -). Ist dies nicht der Fall, kann dem Ausländer grundsätzlich
trotz regionaler Verfolgung oder in Gebietsteilen drohender Gefahren die
Abschiebung in diesen Staat angedroht werden. Hiervon geht auch § 50 Abs. 2
AuslG aus, ohne eine Differenzierung zwischen sicheren und gefährlichen
Landesteilen vorzusehen. Gleichwohl wäre es nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, unzulässig, den Ausländer in eine
Region des Zielstaates abzuschieben, in dem ihm politische Verfolgung oder
Gefahren drohen, die ein Abschiebungshindernis begründen. Es ist Sache der für
die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde sicherzustellen, dass der
Ausländer nicht in die Arme von Verfolgern oder in gefährliche Gebiete
abgeschoben wird. Um dies zu vermeiden, hat die Ausländerbehörde vor der
Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers die Ergebnisse des abgeschlossenen
Asylanerkennungsverfahrens sorgfältig daraufhin zur Kenntnis zu nehmen, ob dem
ausreisepflichtigen Ausländer regionale Verfolgung oder sonst erhebliche Gefahren
in Teilen des Abschiebezielstaates drohen und er deshalb möglicherweise nur in
bestimmten Gebieten sicher ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1999, a. a. O.). Die
Beklagte war daher nicht verpflichtet, in der Abschiebungsandrohung die
Abschiebung dahingehend zu beschränken, dass ausschließlich eine Abschiebung
in die Enklave Berg-Karabach als zulässig angesehen wird.
Da die Berufung des Bundesbeauftragten Erfolg hat und auch der Antrag des
Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 53 AuslG ohne Erfolg bleibt,
hat der Kläger die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1
VwGO). Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.
10, 711 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.