Urteil des HessVGH vom 17.01.1990

VGH Kassel: sanierung, quelle, zivilprozessrecht, verwaltungsrecht, immaterialgüterrecht, verfügungsbeschränkung, eigentum, dokumentation, verkehrswert, enteignungsrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
3. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 TH 3582/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 177 BauGB, § 13 Abs 1
GKG, § 175 BauGB
(Zum Streitwert bei Abwehr eines Modernisierungsgebots)
Gründe
Mit Verfügung vom 13.07.1989 erhielt der Antragsteller ein sofort vollziehbares
Instandsetzungsgebot gemäß den §§ 175, 177 BauGB, mit dem ihm die
umfassende Sanierung der Bausubstanz auf seinem Wohnhausanwesen L. Straße
... aufgegeben wurde. Die auf drei Stufen verteilten Sanierungsmaßnahmen
schätzte die Antragsgegnerin für Stufe 1 und 2 zusammen auf etwa 30.000,-- DM
und für Stufe 3 auf 170.000,-- DM, insgesamt auf 200.000,-- DM.
Nachdem die Antragsgegnerin ihre Verfügung im Verlauf des Eilverfahrens
aufgehoben hatte, setzte das Verwaltungsgericht in seinem Erledigungsbeschluß
vom 31.10.1989 den Streitwert auf 20.000,-- DM fest. Es ging dabei von den
geschätzten Sanierungskosten in Stufe 1 und 2 mit 30.000,-- DM aus und kürzte
diesen Betrag wegen des Eilverfahrens auf 2/3. Der geschätzte Betrag für Stufe 3,
deren "augenscheinlich" erforderliche Sanierungsarbeiten erst nach der
Feststellung der Ausführungsplanung durch einen Architekten und nach Erteilung
einer entsprechenden Baugenehmigung beginnen sollten, könne der
Streitwertfestsetzung nicht mit zugrundegelegt werden, weil es insoweit an einer
vollstreckbaren Verfügung fehle.
Mit seiner Streitwertbeschwerde macht der Antragsteller geltend, das
Verwaltungsgericht hätte den Streitwert auf 140.000,-- DM festsetzen müssen
(etwa 2/3 von 200.000,-- DM). Der geschätzte Kostenbetrag für Stufe 3 hätte mit
angesetzt werden müssen, weil von ihm, dem Antragsteller eine umfassende
Sanierung des Wohnanwesens gefordert worden sei.
Die zulässige Streitwertbeschwerde des Antragstellers ist nur in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß bei der
nach § 13 Abs. 1 GKG vorzunehmenden Streitwertfestsetzung hier der
Gesamtbetrag der geschätzten Sanierungskosten in Höhe von 200.000,-- DM
zugrundezulegen ist. Zwar ist es zutreffend, daß die Verfügung vom 13.07.1989
hinsichtlich der behördlicherseits ins Auge gefaßten Sanierungsmaßnahmen in
Stufe 3 noch keinen bestimmte Einzelanordnungen umfassenden vollstreckbaren
Regelungsausspruch enthält. Dies ändert aber nichts daran, daß die Verfügung
vom Antragsteller sofort vollziehbar bereits dem Grunde nach eine umfassende
Sanierung seines Wohnanwesens verlangt. Die Verfügung trifft eine Aussage über
das Ob der Sanierung, mit der gesetzten Frist zur Beauftragung eines Architekten
teilweise über das Wann und hinsichtlich der Kosten insgesamt über das
geschätzte Wieviel. Offen sind im wesentlichen nur noch die Einzelheiten des Wie.
Auch hinsichtlich der behördlicherseits in Stufe 3 umrissenen umfangreichen und
kostspieligen Sanierungsmaßnahmen durfte der Antragsteller die Grundverfügung
vom 13.07.1989 als Dreh- und Angelpunkt der zukünftig von ihm verlangten
Maßnahmen nicht bestandskräftig werden oder den Sofortvollzug insoweit
bestehen lassen, wollte er sich noch erfolgreich gegen die ihm dem Grunde nach
auferlegte, umfassende Sanierungsverpflichtung wehren. Mithin ging das nach §
13 Abs. 1 GKG maßgebliche Erfolgsinteresse des Antragstellers schon in diesem
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13 Abs. 1 GKG maßgebliche Erfolgsinteresse des Antragstellers schon in diesem
Eilverfahren dahin, mit der Vollstreckbarkeit der Grundverfügung auch das mit ihr
erwartbar verknüpfte Kostenvolumen insgesamt abzuwehren.
Gleichwohl folgt der Senat nicht der Auffassung des Antragstellers, daß der
Streitwert in diesem Eilverfahren auf etwa 2/3 des geschätzten Gesamtbetrags
von 200.000,-- DM festzusetzen ist. Nach Ansicht des Senats kann nicht einseitig
nur auf die dem Betroffenen aufgezwungene Geldausgabe abgestellt werden.
Vielmehr ist auch der mit der Instandsetzung des Wohngebäudes verbundene
Wertzuwachs mit zu berücksichtigen, selbst wenn er nicht freiwillig herbeigeführt
würde. Bei einer nach § 13 Abs. 1 GKG maßgeblichen Bewertung des
Erfolgsinteresse können wirtschaftliche Gesichtspunkte bei mit Nachteilen
verbundenen Vorteilen nicht vollständig außer Betracht bleiben, selbst wenn
wegen der mit einem Instandsetzungsgebot verbundenen Freiheitseinschränkung,
d.h. der Verfügungsbeschränkung über das eigene Vermögen keine durchgängige
Saldierung allein nach wirtschaftlichen Maßstäben erfolgen kann. Soweit der 11.
Senat des Hess. Verwaltungsgerichtshofs in einem Beschluß vom 12.11.1981 -- XI
TE 71/81 -- AnwBl. 1982, 309 bei der Abwehr eines Modernisierungsgebots die
voraussichtlichen Kosten der streitigen Modernisierungsmaßnahme vollständig
angesetzt und den Wertzuwachs des Grundstücks durch die auferlegten
Maßnahmen ausgenommen hat, wobei er auf die Streitwertrechtsprechung des
Bundesgerichtshofs beim Vorgehen gegen eine Grundstücksenteignung Bezug
genommen hat (vgl. BGH, NJW 1963, 2173; NJW 1968, 153), folgt der Senat dieser
Rechtsprechung nicht. Er ist ihr auch schon für das Enteignungsrecht
entgegengetreten. In seinem Beschluß vom 08.06.1989 -- 3 UE 1251/89 -- hat der
Senat ausgeführt, daß es für die Wertfestsetzung, wenn die Rechtmäßigkeit einer
Enteignung angegriffen ist, nicht auf den vollen Verkehrswert des zu enteignenden
Grundstücksrechts ankomme (a.A. BVerwG, Beschluß vom 17.12.1985 -- 4 C
76.84 -- KostRspr. GKG § 13 Nr. 151). Die Berücksichtigung von mit der Enteignung
unmittelbar verknüpften Gegenleistungen wie dem Entschädigungsbetrag könne
vielmehr zur Wertfestsetzung von 1/5 des Verkehrswertes führen. Bei dieser
Entscheidung hat sich der Senat auch davon leiten lassen, daß besonders hohe
Streitwerte mittelbar zur einer unangemessenen Rechtswegsperre führen können,
die es zu vermeiden gelte. Nach Ansicht des Senats wäre es widersprüchlich,
wegen der besonderen Bedeutung von Eigentum und Vermögen bei seiner
Verteidigung hohe Streitwerte festzusetzen, die im Unterliegensfall dazu führen,
über das Gebühren- und Kostenrecht nicht unwesentliche Teile davon aufzuzehren.
Unter entsprechender Heranziehung der dargelegten Gesichtspunkte hält der
Senat auch bei der Abwehr eines Modernisierungs- und Instandsetzungsgebots
nach § 177 BauGB für die Festsetzung des Streitwertes einen Betrag von 1/5 der
voraussichtlichen Kosten der streitigen Maßnahme für angemessen. Im
vorliegenden Fall ergäbe sich danach für das Hauptsacheverfahren ein Betrag von
40.000,-- DM, der nach ständiger Entscheidungspraxis im Eilverfahren nach § 80
Abs. 5 VwGO auf etwa 2/3 zu kürzen ist. Daraus ergibt sich der angemessene
Streitwert hier mit 26.666,-- DM.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.