Urteil des HessVGH vom 08.09.2000

VGH Kassel: öffentliche sicherheit, erlass, halter, gefahr, vorbehalt des gesetzes, vollzug, ausbildung, wohnung, wichtiger grund, körperliche unversehrtheit

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
11. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 NG 2500/00
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 71 SOG HE, § 47 Abs 6
VwGO, § 72 Abs 1 SOG HE,
§ 2 Abs 1 S 2 Nr 1 GefHuV
HE, § 2 Abs 1 S 2 Nr 2
GefHuV HE
(Halten und Führen gefährlicher Hunde; zur Gültigkeit der
Gefahrenabwehrverordnung)
Leitsatz
1. Zum Anordnungsgrund nach § 47 Abs. 6 VwGO (wesentliche Nachteile, andere
wichtige Gründe).
2. § 71 HSOG ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für ein Verbot der Haltung
gefährlicher Hunde mit Erlaubnisvorbehalt durch Gefahrenabwehrverordnung. Die für
den Erlass einer solchen Verordnung notwendige abstrakte Gefahr ergibt sich aus der
begründeten Befürchtung, dass solche Hunde auch von Personen gehalten werden, die
nicht die Gewähr für ein gefahrloses Verhalten der Tiere bieten.
3. Ein hinreichender Grund für eine Differenzierung zwischen den in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen gefährlicher Hunde
unwiderleglich als gefährliche Hunde (Kampfhunde) definierten Hunderassen und den in
§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 dieser Verordnung aufgeführten Hunderassen ist - auch im
Hinblick auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften - derzeit nicht ersichtlich.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Hundehalter. Die Antragsteller zu 1. bis 20. haben sich
zunächst mit Normenkontrollanträgen und Eilanträgen nach § 47 Abs. 6 VwGO
gegen die Gültigkeit und gegen den Vollzug der Gefahrenabwehrverordnung über
Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeVO) vom 5.
Juli 2000 (GVBl. I S. 355) gewandt. Diese am 14. Juli 2000 verkündete Verordnung
enthielt unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit Als Hunde mit
gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (Kampfhunde) im Sinne dieser
Verordnung gelten die folgenden Rassen und Gruppen von Hunden sowie deren
Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden:
1. American Pitbull Terrier oder Pit Bull Terrier,
2. American Stafford Terrier oder American Staffordshire Terrier,
3. Staffordshire Bullterrier,
4. American Bulldog,
5. Bandog,
6. Bullmastiff,
7. Bullterrier,
8. Bordeaux Dogge, Dogue de Bordeaux,
9. Dogo Argentino,
10. Fila Brasileiro,
11. Kangal (Karabash),
12. Kaukasischer Owtscharka,
13. Mastiff,
14. Mastin Espanol,
15. Mastino Napoletano,
16. Tosa Inu.
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§ 2 Verbot der Haltung
Die Haltung eines Kampfhundes bedarf der Erlaubnis. Diese wird nur erteilt, wenn
ein berechtigtes Interesse für die Haltung nachgewiesen wird und ein Antrag auf
Erteilung der Erlaubnis bis zum 15. August 2000 schriftlich bei der nach § 5
zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde gestellt wird.
§ 3 Führen und Halten von Kampfhunden
(1) Ein Kampfhund darf außerhalb des eingefriedeten Besitztums sowie in Häusern
mit mehreren Wohnungen außerhalb der Wohnungen der Hundehalterin oder des
Hundehalters nur an der Leine und mit Maulkorb geführt werden. Die Person, die
den Hund führt, muss das 18. Lebensjahr vollendet haben sowie körperlich und
geistig in der Lage sein, den Hund sicher zu führen.
(2) Grundstücke und Zwinger, auf oder in denen ein Kampfhund gehalten wird, sind
so einzuzäunen und zu sichern, dass Personen außerhalb dieser Grundstücke und
Zwinger nicht gefährdet werden können, insbesondere ein Entweichen des
Kampfhundes ausgeschlossen ist. Bei jedem Zugang zu ihrem oder zu seinem
Besitztum oder zu ihrer oder zu seiner Wohnung hat die Halterin oder der Halter
ein leuchtend rotes Warnschild im Mindestformat 15 mal 21 Zentimeter mit der
deutlich lesbaren Aufschrift "Vorsicht, gefährlicher Hund! " anzubringen.
(3) Kampfhunde sind zu kastrieren oder zu sterilisieren.
§ 4 Zucht-, Handels- und Erwerbsverbot
Zucht, Kreuzung, Handel, Erwerb sowie die Abgabe von Kampfhunden sind
verboten. Zulässig bleibt die Abgabe an und die Annahme durch Tierheime in
gemeinnütziger Trägerschaft sowie durch Inhaber einer Erlaubnis nach § 2.
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§ 7 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
(1) Die Gefahrenabwehrverordnung über das Halten von Hunden vom 15. August
1997 (GVBl. I S. 279) bleibt unberührt.
(2) Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft und am 31.
Dezember 2004 außer Kraft.
Diese Gefahrenabwehrverordnung ist im Laufe des von den Antragstellern zu 1. bis
20. betriebenen Normenkontrollverfahrens durch die am 25. August 2000
verkündete Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von
gefährlichen Hunden (Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde) vom 15.
August 2000 (GVBl.I S. 411) ersetzt worden. Diese Verordnung hat folgenden
Wortlaut:
Aufgrund des § 72 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit
und Ordnung in der Fassung vom 31. März 1994 (GVBl. 1 S. 174, 284), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2000 (GVBl. 1 S. 278), wird für das Land
Hessen verordnet:
§ 1
Halten und Führen von Hunden
(1) Hunde sind so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für Leben
oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht.
(2) Wer außerhalb des eingefriedeten Besitztums der Halterin oder des Halters
einen Hund führt oder laufen lässt, hat diesem ein Halsband anzulegen, auf dem
oder an dem Name und Anschrift der Halterin oder des Halters anzugeben sind;
besteht ein Telefonanschluss, ist auch die Telefonnummer anzugeben.
(3) Gefährliche Hunde darf nur halten, wer über eine Erlaubnis nach § 14 verfügt,
insbesondere die notwendige Sachkunde und Zuverlässigkeit besitzt sowie das 18.
Lebensjahr vollendet hat; § 14 Abs. 3 Satz 1 bleibt unberührt.
(4) Die zuständige Behörde kann jedermann das Halten und Führen von Hunden
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(4) Die zuständige Behörde kann jedermann das Halten und Führen von Hunden
dauerhaft untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass davon
eine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht.
§ 2
Gefährliche Hunde
(1) Gefährlich sind Hunde, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale oder
Zucht eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder
Tieren anzunehmen ist. Bei den folgenden Rassen und Gruppen von gefährlichen
Hunden sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden werden
die in Satz 1 genannten Eigenschaften
1. unwiderleglich vermutet (Kampfhund):
a) American Pitbull Terrier oder Pit Bull Terrier
b) American Stafford Terrier oder American Staffordshire Terrier
c) Staffordshire Bullterrier;
2. solange vermutet, bis der zuständigen Behörde für den einzelnen Hund durch
eine Begutachtung des Hundes (Wesensprüfung) durch einen geeigneten
Sachverständigen oder eine geeignete sachverständige Stelle nachgewiesen wird,
dass dieser keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber
Menschen oder Tieren aufweist:
a) American Bulldog,
b) Bullmastiff,
c) Bullterrier,
d) Bordeaux Dogge, Dogue de Bordeaux,
e) Dogo Argentino,
f) Fila Brasileiro,
g) Kangal (Karabash),
h) Kaukasischer Owtscharka,
i) Mastiff,
j) Mastin Espanol,
k) Mastino Napoletano,
l) Tosa Inu.
(2) Gefährlich sind auch die Hunde, die
1. durch Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung eine über das natürliche Maß
hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere in ihren
Wirkungen vergleichbare mensch- oder tiergefährdende Eigenschaft besitzen,
2. einen Menschen gebissen oder in Gefahr drohender Weise angesprungen
haben, sofern dies nicht aus begründetem Anlass geschah,
3. ein anderes Tier durch Biss geschädigt haben, ohne selbst angegriffen worden
zu sein, oder die einen anderen Hund trotz dessen erkennbarer artüblicher
Unterwerfungsgestik gebissen haben oder
4. durch ihr Verhalten gezeigt haben, dass sie unkontrolliert andere Tiere hetzen
oder reißen.
§ 3
Sachkunde
(1) Sachkundig ist eine Person, die über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt,
einen Hund nach § 2 so zu halten und zu führen, dass von diesem keine Gefahr für
Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Der Nachweis der
Sachkunde ist durch eine Sachkundebescheinigung eines geeigneten
Sachverständigen oder einer geeigneten sachverständigen Stelle zu erbringen.
(2) Die Sachkundebescheinigung gilt jeweils nur in Verbindung mit dem Hund nach
§ 2, für den sie erworben worden ist.
(3) Die in einem anderen Land erworbene Sachkundebescheinigung kann von der
zuständigen Behörde anerkannt werden, wenn sie den in Hessen gestellten
Anforderungen entspricht. Die im Inland bestandene Jägerprüfung oder die
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Anforderungen entspricht. Die im Inland bestandene Jägerprüfung oder die
Anerkennung als behördlicher Diensthundeführer gelten als Nachweis der
erforderlichen Sachkunde.
§ 4
Zuverlässigkeit
(1) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel nicht, wer
1. wegen vorsätzlichen Angriffs auf Leben oder Gesundheit, Vergewaltigung,
Zuhälterei, Land- oder Hausfriedensbruchs, Widerstandes gegen die Staatsgewalt,
einer gemeingefährlichen Straftat oder einer Straftat gegen das Eigentum oder
Vermögen,
2. mindestens zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen
Straftat oder
3. wegen einer Straftat gegen das Tierschutzgesetz, das Waffengesetz, das
Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, das Sprengstoffgesetz, das
Bundesjagdgesetz oder das Betäubungsmittelgesetz
rechtskräftig verurteilt worden ist und wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der
letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht vergangen sind. In die Frist wird nicht die
Zeit eingerechnet, die auf behördliche Anordnung wegen einer Straftat im Sinne
des Satzes 1 in einer Anstalt verbracht worden ist.
(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt in der Regel auch nicht, wer
1. wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften des Tierschutzgesetzes, des
Waffengesetzes, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des
Sprengstoffgesetzes, des Bundesjagdgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes
oder gegen die Vorschriften dieser Verordnung verstoßen hat,
2. alkoholsüchtig, rauschmittelsüchtig, geisteskrank oder geistesschwach ist.
(3) Zum Nachweis der Zuverlässigkeit ist ein Führungszeugnis vorzulegen. Sind
Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit im Sinne des Abs. 2
Nr. 2 begründen, so kann die zuständige Behörde von Halterin, Halter oder
Aufsichtsperson ein amts- oder fachärztliches Gutachten verlangen.
§ 5
Führen eines gefährlichen Hundes
(1) Einen gefährlichen Hund darf außerhalb des eingefriedeten Besitztums nur
führen, wer
1. das 18. Lebensjahr vollendet hat,
2. die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit oder eine befristete Erlaubnis
nach § 14 Abs. 3 Satz 1 besitzt und
3. körperlich und geistig in der Lage ist, den gefährlichen Hund sicher zu führen.
(2) Gefährliche Hunde dürfen nur einzeln geführt werden.
(3) Die Halterin, der Halter oder eine Aufsichtsperson im Sinne von Abs. 1 darf
einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten Besitztums keiner Person
überlassen, die die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt.
§ 6
Leinen- und Maulkorbzwang
(1) Wer einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten Besitztums oder
der Wohnung der Halterin oder des Halters laufen lässt, hat diesen an der Leine zu
führen. Leine, Halsband und Halskette müssen so beschaffen sein, dass der Hund
sicher gehalten werden kann. Die Leine darf nur so lang sein, dass keine Gefahr
von dem Hund ausgehen kann, höchstens jedoch zwei Meter. Satz 1 gilt nicht für
Gebiete, die von den Gemeinden als Freilaufgebiete für gefährliche Hunde
ausgewiesen sind und nicht für Hundeübungsplätze.
(2) An der Leine zu führen sind ferner alle Hunde, die mitgeführt werden
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1. bei öffentlichen Versammlungen, Aufzügen, Volksfesten, Märkten, Messen und
sonstigen Veranstaltungen mit Menschenansammlungen sowie in Gaststätten,
2. in von den Gemeinden zu bestimmenden, der Allgemeinheit zugänglichen
umfriedeten oder anderweitig begrenzten Park-, Garten- und Grünanlagen sowie
Fußgängerzonen oder Teilen davon,
3. in öffentlichen Verkehrsmitteln.
(3) Wer einen gefährlichen Hund nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, der älter als neun
Monate ist, außerhalb seiner Wohnung oder seines eingefriedeten Besitztums
führt, hat diesem eine Vorrichtung anzulegen, die das Beißen zuverlässig
verhindert; für andere gefährliche Hunde kann die zuständige Behörde das Tragen
einer solchen Vorrichtung anordnen.
(4) Die Erlaubnis der zuständigen Behörde nach § 13 ist mitzuführen. Die Person,
die den Hund führt, aber nicht auch Halterin oder Halter ist, hat zusätzlich ihre
Sachkundebescheinigung mitzuführen.
(5) Für Diensthunde von Behörden und Rettungshunde besteht während ihres
Einsatzes oder ihrer Ausbildung kein Leinen- und Maulkorbzwang. Für anerkannte
Blindenhunde kann auf Antrag der Halterin oder des Halters eine Ausnahme vom
Leinen- und Maulkorbzwang gemacht werden.
§ 7
Sicherung von Grundstücken und Wohnungen
(1) Grundstücke und Zwinger, auf und in denen ein gefährlicher Hund gehalten
wird, sind so einzuzäunen und zu sichern, dass Personen außerhalb dieser
Grundstücke und Zwinger nicht gefährdet werden können, insbesondere ein
Entweichen des Hundes ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für Wohnungen, wenn ein
gefährlicher Hund in einer Wohnung gehalten wird.
(2) Alle Zugänge zu dem eingefriedeten Besitztum oder der Wohnung sind mit
deutlich sichtbarem Warnschild in Signalfarbe mit der Aufschrift "Vorsicht Hund!"
zu versehen.
§ 8
Ausbildung von Hunden
(1) Es ist verboten, Hunde mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität und
Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszubilden. Über Ausnahmen
entscheidet auf Antrag der Halterin oder des Halters die zuständige Behörde nach
Maßgabe des Abs. 2.
(2) Die Erlaubnis darf nicht erteilt werden für die Ausbildung von Hunden nach § 2
Abs. 1. Ansonsten kann sie erteilt werden, wenn
1. die antragstellende Person nachweist, dass die Ausbildung Schutzzwecken
dient,
2. sie die erforderliche Sachkunde sowie Befähigung zur Ausbildung besitzt und
das 18. Lebensjahr vollendet hat,
3. keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die antragstellende Person
die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, und
4. die der Ausbildung dienenden Räumlichkeiten, Einrichtungen und Freianlagen
eine verhaltensgerechte und ausbruchsichere Unterbringung ermöglichen, so dass
die körperliche Unversehrtheit von Menschen oder Tieren nicht gefährdet wird.
§ 9
Kennzeichnung
Hunde nach § 2 Abs. 1 sind mit einer zur Identifizierung geeigneten, elektronisch
lesbaren Marke (Chip) unveränderlich zu kennzeichnen.
§ 10
Unfruchtbarmachung
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Die Halterin oder der Halter eines fortpflanzungsfähigen Hundes nach § 2 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 hat die fachgerechte, endgültige Unfruchtbarmachung unverzüglich
zu veranlassen, soweit nicht nachgewiesen wird, dass aus tiermedizinischen
Gründen hiervon abzusehen ist. In diesem Fall ist die Unfruchtbarmachung durch
andere geeignete Maßnahmen durchzuführen. Die Unfruchtbarkeit ist durch eine
Bescheinigung einer Tierärztin oder eines Tierarztes zu belegen.
§ 11
Sicherstellung und Tötung von Hunden
(1) Die zuständige Behörde kann die Sicherstellung sowie die Verwahrung nach §§
40 und 41 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung
anordnen, wenn die nach dieser Verordnung bestehenden Verbote oder Gebote
nicht eingehalten werden oder den Anordnungen oder Auflagen der zuständigen
Behörde nicht nachgekommen wird. § 12 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Die zuständige Behörde kann die Tötung eines gefährlichen Hundes anordnen,
wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für
Leben oder Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgeht. Die Tötung ist
anzuordnen, wenn der Hund einen Menschen getötet oder ernstlich verletzt hat.
§ 12
Abgabeverbot für gefährliche Hunde
Handel, Erwerb sowie die Abgabe von gefährlichen Hunden nach § 2 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 sind verboten, so weit das Bundesrecht nichts anderes vorschreibt. Zulässig
bleibt die Abgabe an und die Annahme eines gefährlichen Hundes durch Tierheime
in gemeinnütziger oder öffentlicher Trägerschaft sowie an Personen, die für diesen
eine Erlaubnis nach § 14 Abs. 1 erhalten können. § 42 Abs. 1 Nr. 2 des Hessischen
Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung gilt entsprechend.
§ 13
Erlaubnis für das Halten gefährlicher Hunde
Wer einen Hund im Sinne des § 2 halten will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen
Behörde, so weit das Bundesrecht nichts anderes vorschreibt. Die Erlaubnispflicht
gilt nicht für die Haltung von Diensthunden von Behörden.
§ 14
Erteilung der Erlaubnis
(1) Die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr.
1 darf nur erteilt werden, wenn
1. die antragstellende Person ein besonderes Interesse zur Haltung des
gefährlichen Hundes nachweist,
2. gegen ihre Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen,
3. sie über die erforderliche Sachkunde verfügt,
4. sie das 18. Lebensjahr vollendet hat,
5. für den Hund eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen wurde,
6. die bereits fällig gewordene Hundesteuer entrichtet worden ist,
7. sie nachweist, dass der Hund artgerecht gehalten wird und die erforderlichen
Maßnahmen getroffen worden sind, damit von ihm keine Gefahren für Leben,
Gesundheit, Eigentum oder Besitz ausgehen,
8. durch eine Begutachtung des Hundes (Wesensprüfung) durch einen geeigneten
Sachverständigen oder eine geeignete sachverständige Stelle nachgewiesen ist,
dass dieser keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber
Menschen oder Tieren aufweist,
9. der Hund mit einer zur Identifizierung geeigneten, elektronisch lesbaren Marke
(Chip) unveränderlich gekennzeichnet ist, und
10. die Bescheinigung über die Unfruchtbarkeit im Sinne des § 10 vorliegt.
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Versagungsgründe aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. Ein besonderes
Interesse nach Abs. 1 Nr. 1 kann insbesondere dann vorliegen, wenn der
gefährliche Hund bereits vor dem 15. Juli 2000 von der antragstellenden Person
gehalten und die Erlaubnis bis zum 15. August 2000 beantragt wurde. Die
Erlaubnis ist auf zwei Jahre zu befristen.
(2) Die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr.
2 darf nur erteilt werden, wenn der Nachweis durch eine Begutachtung des Hundes
(Wesensprüfung) durch einen geeigneten Sachverständigen oder eine geeignete
sachverständige Stelle erbracht wird, dass dieser keine gesteigerte Aggressivität
und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. Weiterhin müssen
die in Abs. 1 Nr. 2 bis 7 und 9 genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Für Hunde,
die vor dem 15. Juli 2000 gehalten wurden, kann die Erlaubnis nur erteilt werden,
wenn sie bis zum 15. August 2000 beantragt wurde. Von diesem Erfordernis kann
die zuständige Behörde insbesondere dann absehen, wenn ein besonderes
Interesse an der Haltung des Hundes nachgewiesen wird. Die Erlaubnis ist auf zwei
Jahre zu befristen.
(3) Erlangt die Behörde Kenntnis von der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 2
Abs. 2, erteilt sie eine befristete Erlaubnis zum Halten des Hundes, sofern die
Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 4 bis 7 und 9 erfüllt sind und keine Anhaltspunkte
für die Unzuverlässigkeit der Halterin oder des Halters bestehen. Von dem
Erfordernis der Nr. 9 kann sie im Einzelfall absehen. Die Erlaubnis kann unbefristet
erteilt werden, wenn die Halterin oder der Halter innerhalb der von der zuständigen
Behörde gesetzten Frist nachweist, dass auch die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr.
2, 3 und 8 vorliegen. In diesem Fall gilt der Hund nicht mehr als gefährlich.
(4) Der Nachweis der Sachkunde und der Unfruchtbarkeit muss erst erbracht
werden, wenn der Hund ausgewachsen ist. Eine Begutachtung muss erst
vorgenommen werden, wenn der Hund fünfzehn Monate alt ist, soweit er nicht
vorher auffällig geworden ist oder einer Aggressionszucht entstammt. Bis dahin
kann jeweils eine befristete Erlaubnis erteilt werden, wenn die übrigen
Voraussetzungen erfüllt sind.
(5) Eine aufgrund bisherigen Rechts erteilte Erlaubnis erlischt ein Jahr nach In-Kraft-
Treten dieser Verordnung, so weit sie nicht für einen darüber hinausgehenden
Zeitraum befristet wurde. Für bei In-Kraft-Treten dieser Verordnung gehaltene
gefährliche Hunde ist eine Haftpflichtversicherung innerhalb von drei Monaten
nach In-Kraft-Treten abzuschließen und nachzuweisen.
§ 15
Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten
(1) Erhält die Halterin oder der Halter Kenntnis davon, dass es sich um einen Hund
nach § 2 handeln könnte, hat sie oder er der zuständigen Behörde dies
unverzüglich anzuzeigen.
(2) Die Halterin oder der Halter sind verpflichtet, die nach dieser Verordnung
erforderlichen Feststellungen und Begutachtungen zuzulassen und alle dafür
notwendigen Unterlagen und Bescheinigungen vorzulegen sowie alle für die
Durchführung eines Erlaubnis-, Untersagungs- oder Sicherstellungsverfahrens
erforderlichen Daten an die zuständige Behörde und die zur
Sachverhaltsermittlung eingeschalteten Sachverständigen oder sachverständigen
Stellen zu übermitteln.
(3) Wer einen Hund nach § 2 veräußert oder abgibt, hat dem Erwerber oder dem
Annehmenden mitzuteilen, dass es sich um einen solchen Hund handelt.
(4) Der zuständigen Behörde sind innerhalb einer Woche anzuzeigen:
1. Zucht, Kreuzung, Handel, Erwerb, Abgabe und Aufgabe der Haltung eines
Hundes nach § 2 unter Angabe von Namen, Anschriften neuer und früherer
Halterinnen und Halter und der Ort der Haltung des Hundes, falls dieser von der
Anschrift der Halterin oder des Halters abweicht,
2. Zuzug, Wegzug oder Umzug der Halterin oder des Halters eines Hundes nach §
2, sowie dessen Abhandenkommen oder Tod.
(5) Die bisher zuständige Behörde hat die neu zuständige Behörde über die
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(5) Die bisher zuständige Behörde hat die neu zuständige Behörde über die
Sachverhalte nach Abs. 2 unter Angabe der Namen der Halterinnen und Halter der
Hunde zu unterrichten.
(6) Die zuständige Behörde teilt der für die Erhebung der Hundesteuer
zuständigen Stelle innerhalb der Gemeinde Namen und Anschriften von
Halterinnen und Haltern von Hunden nach § 2 mit.
§16
Zuständigkeit
Zuständige Behörde für die Durchführung dieser Verordnung sind die
Bürgermeister (Oberbürgermeister) als örtliche Ordnungsbehörden.
§ 17
Geltungsbereich
Die für die Haltung und Ausbildung geltenden Vorschriften dieser Verordnung
finden nur auf Hunde Anwendung, die an einem Ort in Hessen gehalten oder
ausgebildet werden.
§ 18
Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 77 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. entgegen § 1 Abs. 2 einen Hund außerhalb des eingefriedeten Besitztums ohne
das vorgeschriebene Halsband führt oder laufen lässt,
2. entgegen § 1 Abs. 4 einer vollziehbaren Untersagung nicht nachkommt,
3. entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten
Besitztums führt, ohne das 18. Lebensjahr vollendet zu haben,
4. entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 2 einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten
Besitztums führt, ohne die erforderliche Sachkunde oder Zuverlässigkeit zu
besitzen,
5. entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten
Besitztums führt, ohne körperlich oder geistig in der Lage zu sein, den gefährlichen
Hund sicher zu führen,
6. entgegen § 5 Abs. 2 gefährliche Hunde nicht einzeln führt,
7. entgegen § 5 Abs. 3 einen gefährlichen Hund außerhalb des eingefriedeten
Besitztums einer Person überlässt, die die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 nicht
erfüllt,
8. entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 1 einen Hund bei öffentlichen Versammlungen,
Aufzügen, Volksfesten, Märkten, Messen oder sonstigen Veranstaltungen mit
Menschenansammlungen sowie in Gaststätten mitführt, ohne diesen anzuleinen,
9. entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 einen Hund in der Allgemeinheit zugänglichen
umfriedeten oder anderweitig begrenzten Park-, Garten- und Grünanlagen sowie
Fußgängerzonen oder Teilen davon mitführt, ohne diesen anzuleinen,
10. entgegen § 6 Abs. 2 Nr. 3 einen Hund in öffentlichen Verkehrsmitteln mitführt,
ohne diesen anzuleinen,
11. entgegen § 6 Abs. 3 einen gefährlichen Hund nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
außerhalb seiner Wohnung oder des eingefriedeten Besitztums ohne Vorrichtung,
die das Beißen zuverlässig verhindert, führt,
12. entgegen § 6 Abs. 4 Satz 1 die erforderliche Erlaubnis nicht mitführt,
13. entgegen § 6 Abs. 4 Satz 2 die erforderliche Sachkundebescheinigung nicht
mitführt,
14. entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 das Grundstück nicht oder nicht ausreichend
einzäunt oder den Zwinger nicht oder nicht ausreichend sichert,
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15. entgegen § 7 Abs. 1 Satz 2 die Wohnung nicht oder nicht ausreichend sichert,
16. entgegen § 3 Abs. 2 alle Zugänge zu dem eingefriedeten Besitztum oder der
Wohnung nicht mit deutlich sichtbarem Warnschild mit der Aufschrift "Vorsicht
Hund!" versieht,
17. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 Hunde mit dem Ziel einer gesteigerten
Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren ausbildet,
18. entgegen § 9 Hunde nach § 2 Abs. 1 nicht oder nicht unveränderlich mit einer
zur Identifizierung geeigneten, elektronisch lesbaren Marke (Chip) kennzeichnet,
19. entgegen § 10 die fachgerechte, endgültige Unfruchtbarmachung eines
fortpflanzungsfähigen Hundes nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 nicht unverzüglich
veranlasst,
20. entgegen § 12 Satz 1 mit gefährlichen Hunden nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Handel betreibt, sie erwirbt oder abgibt,
21. entgegen § 13 Satz 1 einen Hund nach § 2 ohne die erforderliche Erlaubnis
hält,
22. entgegen § 15 Abs. 1 die Gefährlichkeit des Hundes nach § 2 nicht oder nicht
unverzüglich anzeigt,
23. entgegen § 15 Abs. 2 die erforderlichen Feststellungen und Begutachtungen
nicht zulässt, die notwendigen Unterlagen und Bescheinigungen nicht oder nicht
vollständig vorlegt sowie die erforderlichen Daten nicht oder nicht vollständig
übermittelt,
24. entgegen § 15 Abs. 3 dem Erwerber oder Annehmenden nicht mitteilt, dass es
sich um einen Hund nach § 2 handelt,
25. entgegen § 15 Abs. 4 Nr. 1 nicht oder nicht rechtzeitig die Zucht, die Kreuzung,
den Handel, den Erwerb, die Abgabe oder Aufgabe der Haltung eines Hundes nach
§ 2 anzeigt,
26. entgegen § 15 Abs. 4 Nr. 2 nicht oder nicht rechtzeitig den Zuzug, den Wegzug
oder Umzug der Halterin oder des Halters eines Hundes nach § 2 sowie dessen
Abhandenkommen oder Tod anzeigt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 77 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über
die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Geldbuße bis zu zehntausend
Deutsche Mark geahndet werden.
§ 19
Aufhebung bisherigen Rechts
Die Gefahrenabwehrverordnung über das Halten von Hunden vom 15. August
1997 (GVBl. I S. 279) und die Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit
gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 5. Juli 2000 (GVBl. I S. 355)
werden aufgehoben.
§ 20
In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Sie tritt mit Ablauf
des 31. August 2005 außer Kraft.
Wiesbaden, den 15. August 2000
Der Hessische Minister des Innern und für Sport Bouffier
Nach dem Inkrafttreten dieser neuen Gefahrenabwehrverordnung haben die
Antragsteller zu 1. bis 20. mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. August
2000, mit dem der Antragsteller zu 21. dem Verfahren beigetreten ist, das
Eilverfahren für erledigt erklärt. Die Antragsteller haben gleichzeitig mitteilen
lassen, dass sie dieses Verfahren mit dem Ziel fortsetzen wollen, die
Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde außer Vollzug setzen zu lassen.
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Die Antragsteller halten an ihren Wohnorten in Hessen Hunde, die einer der in § 2
Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde aufgeführten Hunderassen
angehören, und züchten auch teilweise derartige Tiere. Im Einzelnen halten
American Pitbull Terrier oder Pit Bull Terrier die Antragsteller zu 3., zu 4., zu 7.
(zwei Tiere) und zu 11.;
einen American Stafford Terrier oder American Staffordshire Terrier die
Antragsteller zu 1., zu 2., zu 15., zu 16., zu 17., zu 18.;
Staffordshire Bullterrier die Antragsteller zu 9., zu 14, zu 19. und zu 21; der von
dem Antragsteller zu 19. gehaltene Hund wird als Rettungshund regelmäßig bei
dem Verein für Mensch und Hund - Rettung und Sport Nordhessen e.V. - trainiert;
einen Bullterrier der Antragsteller zu 12 und zu 13.;
eine Bordeaux Dogge die Antragstellerin zu 5.;
Fila Brasileir oder Antragsteller zu 6. (zwei Hunde), der auch entsprechende Hunde
züchtet, und der Antragsteller zu 11.;
einen Kaukasischen Owtscharka der Antragsteller zu 20.;
einen Mastiff der Antragsteller zu 8., der entsprechende Tiere auch züchtet;
zwei Mastini Napoletani der Antragsteller zu 10.
Die Antragsteller begehren in dem von ihnen unter dem Aktenzeichen 11 N
2497/00 beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof betriebenen
Normenkontrollverfahren nunmehr, die Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde für nichtig zu erklären. Zur Begründung vertreten sie die Ansicht, die in
dieser Verordnung getroffenen Regelungen hätten nicht - gestützt auf § 72 HSOG -
von der Exekutive durch Verordnung getroffen werden dürfen, sondern hätten
nach der so genannten Wesentlichkeitstheorie eines Gesetzes im formellen Sinne
bedurft. Die Antragsteller halten § 2 Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil die dort vorgenommene
Differenzierung zwischen den aufgeführten und nicht aufgeführten Hunderassen
willkürlich sei. Es entspreche gesicherter kynologischer Erkenntnis, dass es keine
Hunderasse gebe, die von Natur aus oder genetisch aggressiv und kämpferisch
veranlagt sei. Hunde würden - wie der Mensch - als soziale Wesen im Wesentlichen
vom Sozialisationsprozess geprägt. Es komme daher auf den Halter an, was aus
einem Hund werde. Im Übrigen fehlt es für den Erlass der angegriffenen
Gefahrenabwehrverordnung nach Ansicht der Antragsteller an der erforderlichen
abstrakten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, da sich die Gefährlichkeit von
Hunden nicht nach abstrakten Merkmalen bewerten lasse. Allenfalls lasse sich aus
der Berichterstattung über Angriffe sogenannter Kampfhunde auf Menschen und
Tiere eine Putativ- oder Scheingefahr ableiten, die als Grundlage für den Erlass
einer Gefahrenabwehrverordnung nicht ausreiche. Schließlich verstoße die
Aufzählung der Hunderassen in § 2 Abs. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde gegen das Bestimmtheitsgebot, da nicht nur reinrassige "gefährliche
Hunde", sondern auch deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden
erfasst würden. Es sei nicht erkennbar, wie weit bei Mischlingshunden die
Zugehörigkeit früherer Generationen zu den erfassten Hunderassen ermittelt
werden müsse, um einen Mischlingshund einer der als gefährlich eingestuften
Hunderassen zuzuordnen. Im Übrigen äußern die Antragsteller Zweifel an der
Rechtmäßigkeit bestimmter weiterer Vorschriften der angegriffenen Verordnung,
insbesondere in Bezug auf bestimmte Kriterien für die Zuverlässigkeit des Halters
im Sinne des § 4 Abs. 1 der Verordnung, das in § 5 Abs. 2 der Verordnung
enthaltene Gebot, gefährliche Hunde nur einzeln zu führen, den in § 6 Abs. 1 und 2
der Verordnung geregelten Leinenzwang für gefährliche bzw. alle Hunde, den in § 6
Abs. 3 der Verordnung enthaltenen Maulkorbzwang für sogenannte Kampfhunde,
die in § 7 Abs. 2 der Verordnung geregelte Verpflichtung zur Anbringung von
Wandschildern, die in § 9 der Verordnung geregelte Verpflichtung, bestimmte
Hunde durch eine geeignete, elektronisch lesbare Marke (Chip) unveränderlich zu
kennzeichnen, die in § 10 Satz 1 der Verordnung angeordnete
Unfruchtbarmachung "echter Kampfhunde" und die in § 11 Abs. 2 Satz 2 der
Verordnung enthaltene Anordnung der Tötung eines Hundes, wenn dieser einen
Menschen getötet oder ernstlich verletzt hat. Wegen weiterer Einzelheiten des
Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragsteller vom
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Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragsteller vom
27. August 2000 (Bl. 118 ff. GA) und vom 2. September 2000 (Bl. 194 ff. GA)
Bezug genommen.
Die Antragsteller zu 1. bis 20. haben
das Verfahren für erledigt erklärt
und alle Antragsteller beantragen nunmehr,
die Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden
(Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde) vom 11. August [richtig: 15.
August] 2000 einstweilen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache außer
Vollzug zu setzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für unbegründet, da
eine einstweilige Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus
anderen wichtigen Gründen dringend geboten sei. Die angegriffene
Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde sei rechtmäßig.
Der Antragsgegner legt unter Hinweis auf Beschlüsse der Ständigen Konferenz der
Innenminister und -senatoren der Länder vom 5. Mai und 28. Juni 2000 dar, man
habe sich veranlasst gesehen, im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung die von
den Antragstellern angegriffene Gefahrenabwehrverordnung zu erlassen. Es sei in
der Rechtsprechung anerkannt, dass "die entferntere Möglichkeit eines
Schadenseintritts zum Erlass einer sicherheitsrechtlichen Verordnung ausreichen"
könne. Orientiert an einer durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof für
rechtmäßig erachteten bayerischen Verordnung habe man in der
Gefahrenabwehrverordnung deshalb diejenigen Hunderassen in einer Liste erfasst,
bei denen eine Disposition zur Gefährlichkeit vorliege. Abweichend von der
ursprünglichen Regelung in § 1 Abs. 1 KampfhundeVO habe man in der jetzt
angegriffenen Verordnung nur noch drei Hunderassen erfasst, die allgemein als
gefährliche Hunde angesehen und daher als unwiderleglich vermutete
Kampfhunde eingestuft würden. Bei den nunmehr in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde erfassten zwölf weiteren
Hunderassen sei man von einer potentiellen Gefährlichkeit ausgegangen, weil sie
leicht zu Kampfhunden erzogen werden könnten. Nach einem positiv verlaufenen
Wesenstest könne jedoch bei diesen Hunderassen davon abgesehen werden, sie
als gefährliche Hunde zu behandeln.
Zur weiteren Begründung bezieht sich der Antragsgegner auf den vorgelegten
Abdruck eines Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Abwehr der
von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren (Hundegesetz) und eine
vorgelegte Kopie der vom Hessischen Ministerium des Innern und für Sport mit
Erlass vom 24. August 2000 getroffenen Durchführungsbestimmungen zur
Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde. Wegen weiterer Einzelheiten des
Vorbringens des Antragsgegners wird auf den Schriftsatz des Hessischen
Ministeriums des Innern und für Sport vom 31. August 2000 und die Anlagen
hierzu Bezug genommen.
II.
Der Senat sieht in der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung der Antragsteller
zu 1. bis 20. bezüglich des Eilverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO keinen besonders
zu bescheidenden Erledigungsfeststellungsantrag (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11.
Aufl., Rdnr. 20 zu § 161 VwGO). Die Antragsteller haben durch die
Erledigungserklärung lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass sie nach
Aufhebung der KampfhundeVO durch § 19 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde im Eilverfahren nicht mehr an ihren ursprünglichen Anträgen festhalten,
sondern sich nunmehr wegen geänderter rechtlicher Verhältnisse gegen den
Vollzug der neuen Verordnung wehren wollen. Im Hinblick auf § 88 VwGO ist der
Senat deshalb der Auffassung, dass es sich in dem Übergang von den
ursprünglichen zu den neuen Anträgen um eine analog § 91 Abs. 1 VwGO auch
ohne ausdrückliche Zustimmung des Antragsgegners sachdienliche und damit
zulässige Anpassung der Anträge an die veränderte Rechtslage handelt. Im
Übrigen hat sich der Antragsgegner rügelos auf die geänderten Anträge
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Übrigen hat sich der Antragsgegner rügelos auf die geänderten Anträge
eingelassen (§ 91 Abs. 2 VwGO analog).
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind zulässig. Im Rahmen
des Normenkontrollverfahrens sind solche Anträge statthaft (§ 47 Abs. 6 VwGO).
Die angegriffene Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde ist - wie schon die
aufgehobene KampfhundeVO - eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende
Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 15 Abs.
1 des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung in der
Fassung vom 27. Oktober 1997 (GVBl. I, S. 381). Die Antragsteller sind als Halter
von Hunden, die den in § 2 Abs. 1 der angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung
aufgeführten Hunderassen angehören, auch normbetroffen im Sinne des § 47 Abs.
2 Satz 1 VwGO und haben ihre Normenkontrollanträge rechtzeitig innerhalb der
dort bestimmten Frist gestellt.
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nur teilweise begründet.
Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ist wegen schwerer Nachteile
oder aus anderen wichtigen Gründen im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO (nur) insoweit
geboten, als es den Vollzug der aus dem Tenor ersichtlichen Bestimmungen der
angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde betrifft. Im Übrigen
wäre der einstweilige Vollzug der Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde
für die Antragsteller selbst dann einstweilen hinnehmbar, wenn sich später im
Verfahren zur Hauptsache herausstellen sollte, dass weitere oder gar alle
Bestimmungen der angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung ungültig sind oder
waren. Für den Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 47 Abs. 6 VwGO ist
grundsätzlich ein strengerer Maßstab anzulegen als für einstweilige Anordnungen
nach § 123 VwGO. Während letztere ergehen können, wenn dies nötig erscheint,
muss eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten sein,
d. h. die dafür sprechenden Gründe müssen so schwer wiegen, dass der Erlass
unabweisbar erscheint (OVG Münster, Beschluss vom 30. Mai 1996 - 10 a B
1073/96.NE -, NVwZ 1997, 923). Dabei sind die Erfolgsaussichten des
Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sie sich bereits übersehen
lassen, zu berücksichtigen (Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., Rdnr. 106 zu § 47
m.w.N.).
Was die Voraussetzungen für den Erlass einer Gefahrenabwehrverordnung nach §§
71, 72 Abs. 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und
Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 31. März 1994 (GVBl. I S. 174, ber. S. 284),
zuletzt geändert durch das Vierte Änderungsgesetz vom 22. Mai 2000 (GVBl. I S.
278), angeht, bestehen entgegen der Auffassung der Antragsteller keine
durchgreifenden Bedenken gegen das Vorhandensein einer durch eine
Gefahrenabwehrverordnung zu begegnenden abstrakten Gefahr. Das Halten von
Hunden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde
genannten Rassen begründet den Tatbestand einer abstrakten Gefahr für die
öffentliche Sicherheit, die latent vorhanden ist, weil davon ausgegangen werden
muss, dass solche Hunde auch von Personen gehalten werden, die nicht die
Gewähr für ein gefahrloses Verhalten der Tiere bieten (VGH Mannheim, Urteil vom
26. April 1999 - 1 S 2214/98 -, NVwZ 1999, 1016 [1017] = ESVGH 49, 215, unter
Hinweis auf VGH Mannheim, NVwZ 1992, 1105; OVG Bremen, DÖV 1993, 576;
BayVerfGH, NVwZ-RR 1995, 262). Wie der Verordnungsgeber dieser latenten
abstrakten Gefahr begegnet, steht in seinem Ermessen. Allerdings dürfen die
getroffenen Regelungen nicht über das erforderliche, d. h. zur Gefahrenabwehr
notwendige Maß hinausgehen, müssen verhältnismäßig sein und dürfen nicht
lediglich der Aufgabenerleichterung dienen (Hornmann, HSOG, 1997, Rdnr. 7 zu §
71).
Schwere Nachteile im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO hat für die davon betroffenen
Hundehalter und -züchter - im vorliegenden Verfahren handelt es sich dabei um
die Antragsteller zu 1. bis 4., zu 7., zu 9., zu 14. bis 19. und zu 21. - die
Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde zur Folge. Nach dieser Vorschrift wird eine auf Grund rassespezifischer
Merkmale oder Zucht gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber
Menschen oder Tieren bei den dort aufgeführten Hunderassen unwiderleglich
vermutet. Der Vollzug dieser Bestimmung in Verbindung mit weiteren Regelungen
dieser Gefahrenabwehrverordnung (insbesondere Gebot der Unfruchtbarmachung,
§ 10) würde für die betroffenen Hundehalter und -züchter vollendete, irreparable
Tatsachen schaffen, obgleich nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen
Prüfung der Sach- und Rechtslage sehr zweifelhaft ist, ob die Bestimmungen des §
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Prüfung der Sach- und Rechtslage sehr zweifelhaft ist, ob die Bestimmungen des §
2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde sich im
Rahmen der Normenkontrolle als rechtmäßig erweisen werden. Der Senat
beschränkt sich im Eilverfahren allerdings darauf, nicht § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
dieser Verordnung, sondern lediglich die auf diese Vorschrift verweisenden und in
die Rechtposition der Antragsteller unmittelbar eingreifenden Bestimmungen der
§§ 6 Abs. 3 1. Halbsatz (teilweise), 9,10 sowie 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 und 10
außer Vollzug zu setzen. Die hinsichtlich § 6 Abs. 3 1. Halbsatz der Verordnung
aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung dieser Entscheidung ergibt sich aus
einer eigenen Ermessensausübung des Senats, die bei Erlass einer einstweiligen
Anordnung des Senats auch im Rahmen des § 47 Abs. 6 VwGO möglich ist
(Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 106 zu § 47 [S. 671]). Angesichts der
allgemeinkundigen schwerwiegenden Vorfälle mit beißenden Hunden (auch) der
hier betroffenen Hunderassen in jüngerer Zeit hält es der Senat für nicht
verantwortbar, den Maulkorbzwang für die in § 6 Abs. 3 1. Halbsatz der Verordnung
bezeichneten Hunde für den Zeitraum vor einer bestandenen Wesensprüfung
außer Vollzug zu setzen; die Möglichkeit, den durch die Verordnung auf diese drei
Hunderassen beschränkten Maulkorbzwang für diesen Zeitraum auf die in § 1 Abs.
1 Satz 2 Nr. 2 der Verordnung bezeichneten - oder gar auf in der Verordnung nicht
erwähnte - Hunderassen auszudehnen, hat das Gericht nicht.
Rechtlich problematisch ist § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 dieser
Gefahrenabwehrverordnung insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit der darin
getroffenen Regelung (§ 71 HSOG) und im Hinblick auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der Senat hat nach summarischer Überprüfung erhebliche Zweifel, ob § 2 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde diesen Anforderungen
genügt. Denn es ist - auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte
dieser Vorschrift - einstweilen kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum bei
Hunden der in dieser Bestimmung erwähnten Hunderassen nicht ebenso wie bei
den in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Verordnung genannten Hunderassen eine durch
eine positiv verlaufende Wesensprüfung widerlegbare Vermutung der
Gefährlichkeit genügen würde, um eine zur Gefahrenabwehr ausreichende
Überwachung zu gewährleisten. Da der Verordnungsgeber noch vor wenigen
Wochen in § 1 der jetzt aufgehobenen KampfhundeVO auch die jetzt in § 2 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde aufgeführten
Hunderassen kraft normativer Fiktion den Hunden "mit gesteigerter Aggressivität
und Gefährlichkeit (Kampfhunde)" zugeordnet hatte, wäre für die nunmehr
vorgenommene Differenzierung ein einleuchtender Grund notwendig. Soweit sich
der Antragsgegner insoweit auf die Entscheidung des Bayerischen
Verfassungsgerichtshofs vom 12. Oktober 1994 - Vf.16-VII-92 u.a. - (NVwZ-RR
1995, 262) bezieht, verkennt er, dass die in dieser Entscheidung überprüfte
Bestimmung auf einer in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 des Landesstraf- und
Verordnungsgesetzes (BayLStVG) enthaltenen Legaldefinition der Kampfhunde
und einer spezialgesetzlichen Ermächtigung in diesem Gesetz beruhte, während
hier sowohl die normative Definition des Kampfhundebegriffs als auch die
Zuordnung bestimmter Hunderassen zu den verschiedenen Gruppen als
gefährlich eingestufter Hunde allein auf Grund des allgemeinen Polizeirechts
erfolgt ist. Die von der Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf für ein Gesetz
zur Abwehr der von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren initiierte
gesetzliche Regelung, die sich an der in Bayern geltenden Rechtslage orientiert, ist
noch nicht umgesetzt und kann daher als Ermächtigungsgrundlage für die hier zur
Überprüfung stehende Gefahrenabwehrverordnung auch nicht herangezogen
werden.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die vom Antragsgegner zitierte
Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs unter dem Gesichtspunkt
der Erforderlichkeit und einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
beachtliche Kritik gefunden hat. Der VGH Mannheim hat dazu in seinem bereits
zitierten Urteil vom 26. April 1999 - 1 S 2214/98 - (NVwZ 1999, 1016 [1018])
Folgendes ausgeführt:
"Auch der Ansicht des BayVerfGH ..., der eine dem § .... vergleichbare typisierende
und generalisierende Regelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für
rechtlich unbedenklich ansieht, kann der Senat nicht folgen. Zwar umfaßt - in
diesem Ansatz stimmt der Senat mit dem BayVerfGH überein - der
Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers bei komplexen, in vielerlei Hinsicht
noch ungeklärten Sachverhalten auch die Befugnis, Regelungen zu treffen, die sich
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noch ungeklärten Sachverhalten auch die Befugnis, Regelungen zu treffen, die sich
zunächst mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen und es
damit ermöglichen, in angemessener Zeit Erfahrungen mit ihrer Anwendung zu
sammeln. Dies stellt den Verordnungsgeber aber nicht von der Verpflichtung frei,
sein Handeln an einem schlüssigen Konzept auszurichten, das den erkennbaren
sachlichen Gegebenheiten des jeweiligen Regelungsbereichs Rechnung trägt.
Daran fehlte es bei der seinerzeit der Entscheidung des Senats zugrundeliegenden
Landesverordnung und fehlt es auch bei der hier angegriffenen Bestimmung in der
Polizeiverordnung der Ag. Gründe der Verwaltungsvereinfachung, wie sie auch die
Ag. geltend macht, dürfen nicht dazu führen, dass der Verordnungsgeber aus
einer Gruppe im wesentlichen gleich abstrakt-gefährlicher Hunderassen gerade
diejenigen herausgreift, deren Verbreitungsgrad vergleichsweise gering ist, um auf
diese Weise den mit dem Vollzug der Verordnung verbundenen
Verwaltungsaufwand in Grenzen zu halten.
Der Senat kann sich der Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs auch
nicht anschließen, soweit dieser als sachliche Rechtfertigung für eine
Ungleichbehandlung den Umstand wertet, dass die als ebenso gefährlich
anzusehenden, jedoch in den Katalog nicht aufgenommenen Hunderassen wie die
Deutsche Dogge, der Dobermann, der Rottweiler, der Boxer oder der Deutsche
Schäferhund in Deutschland traditionell gezüchtet und gehalten werden, von daher
in der Öffentlichkeit eine höhere Akzeptanz genießen und mehr oder minder zu
Gebrauchshunden für vielerlei Zwecke verwendet werden. Dieser Umstand mag
zwar Befreiungs- und Ausnahmeregelungen rechtfertigen, wie sie für
Gebrauchshunde auch in der Verordnung der Ag. vorgesehen sind, nicht aber eine
normative Regelung, mit der bestimmte Rassen abstrakt und kategorisch als
gefährlich eingestuft werden."
Ob sich aus der Nichteinbeziehung dieser vom VGH Mannheim erwähnten
Hunderassen in den Katalog der Kampfhunderassen ein weiterer Verstoß der
angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergibt (vgl. dazu
OVG Saarlouis, Urteil vom 1. Dezember 1993 - 3 N 3/93 -, Amtliche Sammlung der
Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland, Bd. 24, 412), bedarf im
Rahmen der summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren
keiner Entscheidung. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass das OVG Saarlouis
in der zitierten Entscheidung ein entsprechendes Defizit festgestellt und daraus
die Nichtigkeit der gesamten seinerzeit überprüften Polizeiverordnung mit
Ausnahme der darin enthaltenen Bußgeldvorschriften hergeleitet hat.
Ein wichtiger Grund für die Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen
Gefahrenabwehrverordnung im Wege einstweiliger Anordnung besteht schließlich
insoweit, als in § 9 die unveränderliche Kennzeichnung solcher Hunde mittels eines
Chips verlangt wird. Zumindest bei Hunden, für die eine Wesensprüfung im Sinne
des § 2 Abs. 2 der Verordnung ergeben hat, dass sie keine gesteigerte
Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen und Tieren aufweisen,
erscheint eine solche Kennzeichnung unverhältnismäßig. Da die Kennzeichnung
"unveränderlich", also irreparabel erfolgen soll, ist darin eine wesentliche
Beeinträchtigung der betroffenen Hundehalter - dies betrifft auch alle Antragsteller
- in ihrer Stellung als Hundehalter und Eigentümer zu sehen. Worin der
sicherheitstechnische Vorteil einer solchen - für die konkrete Gefährlichkeit der
betroffenen Tiere nach bestandener Wesensprüfung wenig aussagekräftigen
Kennzeichnung - bestehen soll, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein.
Im Übrigen sind die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.
Schwere Nachteile oder andere wichtige Gründe für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO ergeben sich nicht schon daraus, dass
durch §§ 1 Abs. 3, 14 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde ein
Erlaubnisverfahren eingeführt und in § 13 dieser Verordnung - bußgeldbewehrt
(vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 21, Abs. 2 der Verordnung) - die Haltung gefährlicher Hunde
im Sinne der Verordnung nur Erlaubnisinhabern gestattet wird. Die Einführung
eines solchen Erlaubnisverfahrens durch Gefahrenabwehrverordnung dürfte auch
nach vorläufiger Einschätzung des Senats im Rahmen summarischer Prüfung
sowohl unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts als auch unter dem
Aspekt der Erforderlichkeit im Sinne des § 71 HSOG einer Überprüfung im
Normenkontrollverfahren Stand halten.
Das Bundesverfassungsgericht hat aus den speziellen grundrechtlichen
Gesetzesvorbehalten einerseits sowie aus dem Rechtsstaatprinzip und aus dem
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Gesetzesvorbehalten einerseits sowie aus dem Rechtsstaatprinzip und aus dem
allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) andererseits die
Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet, nicht nur im Bereich der unmittelbaren
Grundrechtsausübung, sondern in allen grundlegenden normativen Bereichen die
wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai
1997 - 2 BvR 509/96 u.a. -, NJW 1998, 669, unter Hinweis auf BVerfGE 49, 89 [126];
77, 170 [230 f.]). Dies schließt Ermächtigungen zu ergänzenden Regelungen durch
Rechtsverordnung nicht aus, sofern die wesentlichen Entscheidungen einschließlich
Ermächtigungsnormen in dem formellen Gesetz enthalten sind. Die Einführung
eines Erlaubnisverfahrens für das Halten sogenannter gefährlicher Hunde ist keine
solche dem Gesetzgeber vorbehaltene Grundentscheidung, sondern kann von der
Exekutive auf Grund einer Ermächtigungsnorm des allgemeinen Polizeirechts
getroffen werden. § 71 HSOG ermächtigt in Verbindung mit § 72 Abs. 1 HSOG den
tätig gewordenen Minister unter den dort geregelten Voraussetzungen dazu,
Gebote oder Verbote für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine
unbestimmte Zahl von Personen zu richten. Die in § 1 Abs. 3 in Verbindung mit §§
13, 14 der Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde getroffene Regelung ist
ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und damit ein gegenüber dem nach § 71 HSOG
theoretisch möglichen Verbot der Hundehaltung milderes Mittel. Es liegt nach
Auffassung des Senats im Rahmen des Ermessensspielraums des
Verordnungsgebers, über die in § 1 Abs. 4 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche
Hunde enthaltene Ermächtigung der zuständigen Behörde zum Untersagen des
Haltens und Führens von Hunden hinaus durch die Einführung eines einzelne
Hunde betreffenden Erlaubnisverfahrens der latenten abstrakten Gefahr durch ein
nicht hinreichend kontrolliertes Verhalten dieser Tiere zu begegnen.
Mit der Einführung eines Erlaubnisvorbehalts wird das zumindest durch Art. 2 Abs.
1 GG umfasste Recht auf Haltung normbetroffener Hunde zwar zu einem
verwalteten Recht, das nur noch mit behördlicher Billigung ausgeübt werden kann.
Außerdem werden durch die Einführung einer Erlaubnispflicht die
Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Hundehalter - dies betrifft u. a. alle
Antragsteller - gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert, weil auch das
Halten sogenannter gefährlicher Hunde nach bisheriger Rechtslage unter Geltung
der jetzt aufgehobenen Gefahrenabwehrverordnung über das Halten von Hunden
vom 15. August 1997 (GVBl. I S. 279) nicht erlaubnispflichtig war, sondern die
Hundehaltung nur durch behördliche Entscheidungen in Form eines
Verwaltungsakts eingeschränkt werden konnte. Gegen derartige Verwaltungsakte
konnten sich die betroffenen Hundehalter bisher mit aufschiebender Wirkung durch
Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 8o Abs. 1 VwGO) bzw. bei einer Anordnung
der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts durch einen Aussetzungsantrag
bei der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verwaltungsgericht zur Wehr
setzen (§ 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 und 5 VwGO). Demgegenüber muss bei einem
Vollzug der §§ 1 Abs. 3, 13, 14 Gefahrenabwehrverordnung gefährliche Hunde
jeder betroffene Hundehalter bei Ablehnung seines Erlaubnisantrags die nicht
erlaubte Hundehaltung beenden oder im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123
Abs. 1 VwGO eine vorläufige Erlaubnis erwirken. Diese Nachteile wiegen jedoch
nach Ansicht des Senats nicht so schwer, dass sie einen Anordnungsgrund nach §
47 Abs. 6 VwGO ergeben oder im Rahmen der Ermessensausübung des
Verordnungsgebers nach § 71 HSOG zwingend zugunsten der Antragsteller den
Ausschlag hätten geben müssen.
Auch durch die weiteren im Beschlusstenor nicht erwähnten Bestimmungen der
angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung werden die Antragsteller nicht in
solchem Maße beeinträchtigt, dass daraus schwere Nachteile oder andere wichtige
Gründe im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO hergeleitet werden können. Mit der
Anwendung dieser Bestimmungen sind für die betroffenen Hundehalter keine
Erschwernisse verbunden, die besonders einschneidend in ihre Rechtsstellung
eingreifen. Vor allem der in § 6 Abs. 1 und 2 geregelte Leinenzwang, die in § 7
geregelten Sicherungs- und Kennzeichnungspflichten bezüglich der Grundstücke
und Wohnungen der Hundehalter und das in § 8 geregelte Verbot der Ausbildung
von Hunden mit dem Ziel einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit
gegenüber Menschen oder Tieren stellen keine von vornherein unzumutbaren
Anforderungen an die Antragsteller. Was den Leinenzwang und das Verbot der
Ausbildung zur Aggressivität anbelangt, fordern die zitierten Bestimmungen ein
Verhalten, das von verantwortlichen Hundehaltern ohnehin selbstverständlich auch
ohne entsprechende Regelung zu erwarten ist. Was die Kennzeichnungspflicht
nach § 7 Abs. 2 der angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung angeht, sieht der
Senat in dieser Kennzeichnungspflicht - jedenfalls in ihrer gegenüber § 3 Abs. 2
Satz 2 der aufgehobenen KampfhundeVO deutlich abgeschwächten Form - keine
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Satz 2 der aufgehobenen KampfhundeVO deutlich abgeschwächten Form - keine
Diskriminierung der betroffenen Hundehalter. Völlig neben der Sache liegt in
diesem Zusammenhang der wiederholte Hinweis des Bevollmächtigten der
Antragsteller auf die planmäßige Diskriminierung jüdischer Mitbürger im
sogenannten Dritten Reich durch die Verpflichtung zum Tragen eines gelben
Sterns. Mit diesem Hinweis sind die Grenzen des guten Geschmacks deutlich
überschritten worden. Ungeachtet der Frage, ob sich das Kennzeichnungsgebot in
der jetzt verordneten Form letztlich als rechtmäßig erweisen wird, ist ein legitimes
Interesse der Allgemeinheit an einer Warnung vor Hunden, die auf bestimmten
Grundstücken oder in bestimmten Wohnungen gehalten werden, unverkennbar. Es
geht hier nicht um die Warnung potentieller Einbrecher, wie in der ursprünglichen
Antragsschrift vom 23. Juli 2000 auf Seite 6 dargestellt, sondern um vorsorgliche
Hinweise an Besucher und andere Personen, die die betreffenden Grundstücke aus
anderen, z. B. beruflichen Gründen legal aufsuchen wollen oder müssen. Nicht nur
in diesem Punkt befremdet die streckenweise polemische Argumentationsweise
des Bevollmächtigten der Antragsteller. Was das in § 12 der angegriffenen
Verordnung geregelte Abgabeverbot für gefährliche Hunde angeht, ist ein
Anordnungsgrund im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO von den Antragstellern nicht
dargelegt.
Die im Eilverfahren entstandenen Kosten hat der Senat gemäß § 155 Abs. 1 Sätze
1 und 2 VwGO gegeneinander aufgehoben, weil sich das Maß des Obsiegens der
Antragsteller - gemessen an ihrem Antrag, die angegriffene
Gefahrenabwehrverordnung insgesamt außer Vollzug zu setzen - als relativ gering
darstellt. Mit der Hälfte der relativ hohen Gerichtskosten und den eigenen
außergerichtlichen Kosten, die der Antragsgegner aufgrund dieser Entscheidung
zu tragen hat, ist diesem Teilerfolg der Antragsteller hinreichend Rechnung
getragen.
Bei der Streitwertfestsetzung geht der Senat für jeden betroffenen Hund der
Antragsteller von dem - im Eilverfahren halbierten - gesetzlichen Auffangstreitwert
nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in Höhe von 8.000,-- DM aus. Dabei wird neben dem
materiellen Wert der betroffenen Hunde vor allem der ideelle Wert einer
unbeeinträchtigten Hundehaltung berücksichtigt, um deren Durchsetzung es den
Antragstellern geht. Dem daraus resultierenden Einzelstreitwert von 4.000,-- DM je
betroffenen Hund wird für die Halter zweier Hunde, die Antragsteller zu 6., 7. und
10, ein weiterer Betrag von jeweils 4.000,-- DM hinzugerechnet, bei dem als
Hundezüchter tätigen Antragsteller zu 8. wird der Einzelstreitwert von 4.000,-- DM
auf 12.000,-- DM verdreifacht. Daraus ergibt sich der festgesetzte
Gesamtstreitwert von 104.000,-- DM, von dem 12.000,-- DM (je 3/26) auf den
Antragsteller zu 8., je 8.000,-- DM (je 2/26) auf die Antragsteller zu 6., zu 7. und zu
10. sowie je 4.000,-- DM (je 1/26) auf die übrigen Antragsteller entfallen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 3 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.