Urteil des HessVGH vom 03.05.1990

VGH Kassel: bebauungsplan, vorläufiger rechtsschutz, stadt, genehmigung, vollzug, acker, aussetzung, bauarbeiten, feuerungsanlage, behörde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
4. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 NG 1329/89
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 96 BauO HE, § 98 BauO
HE, § 47 Abs 8 VwGO, § 47
Abs 2 S 2 VwGO
(Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan einer
Nachbargemeinde - Verfahrensbeteiligte im Verfahren
nach VwGO § 47 Abs 8)
Gründe
I.
Gegenstand des Normenkontrollverfahrens der Antragsteller (4 N 4122/87) ist der
Bebauungsplan der Stadt W. 40 - M-acker - Bürgerzentrum -, beschränkt auf die
als Kerngebiet ausgewiesene Teilfläche. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
ist eine einstweilige Anordnung.
Der streitgegenständliche Bebauungsplan der Stadt W. 40 - Bürgerzentrum wurde
wie folgt aufgestellt: Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt W. beschloß am
19.05.1972 die Aufstellung des Bebauungsplans. In ihrer Sitzung vom 10.04.1975
beschloß sie, den Plan mit Textteil öffentlich auszulegen. Die Offenlegung erfolgte
in der Zeit vom 02.06. bis 02.07.1975. In ihrer Sitzung vom 17.09.1975 beschloß
die Stadtverordnetenversammlung den Bebauungsplan als Satzung. Der Plan ist
mit Verfügung des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 21.07.1976
genehmigt worden. Diese Genehmigung ist am 03.09.1976 im Stadtanzeiger der
Stadt W. bekanntgemacht worden. Der Bebauungsplan setzt u.a. südöstlich der G.
Straße (L 3201) und nordöstlich der M.-K.-Straße ein Kerngebiet fest (MK). Das
Maß der baulichen Nutzung ist wie folgt festgesetzt: Zahl der Vollgeschosse 2 bis
5, Grundflächenzahl (GRZ) 1,0 und Geschoßflächenzahl (GFZ) 2,2. Das Gebiet ist
durch eine Grenze unterschiedlicher Nutzungen in einen nordwestlichen und einen
südöstlichen Bereich unterteilt. Beide Teile weisen jeweils die folgende textliche
Festsetzung auf: Zulässig sind Vorhaben nach § 7 Abs. 2 Nr. 1,2,4,6,7 BauNVO
gemäß § 7 Abs. 5 BauNVO. Die Festsetzung nach Abs. 2 Nr. 7 gilt für Geschosse
oberhalb des 1. Vollgeschosses. Zusätzlich weist der Südostteil folgende weitere,
auch auf die im Südosten angrenzende Gemeinbedarfsfläche mit Rathaus und
Bürgerhaus bezogene - textliche Festsetzung auf: Eine Überschreitung der
Nutzungsgrenzen innerhalb des Kerngebietes bis zu 20 m ist zulässig. Dies gilt
auch für die Nutzungsgrenze zwischen dem festgesetzten Kerngebiet Unterfläche
für den Gemeinbedarf. Der Südostteil des Kerngebietes ist ferner nach der Art der
Nutzung als "Wohnen/Laden - Wohnen Dienstleistungen" gekennzeichnet.
Am 31. Dezember 1987 hat zunächst die Antragstellerin zu 2 einen,
Normenkontrollantrag gestellt, der unter dem 19. Dezember 1988 auf den
Antragsteller zu 1 erweitert wurde.
Unter dem 28.03.1988 wurde ein Vorbescheid zur Errichtung eines SB-
Warenhauses auf der Kerngebietsfläche erteilt (Flurstück Nr. 216/1). Unter dem
13.04.1989 wurde eine Teilbaugenehmigung für die Erdarbeiten und unter dem
23.06.1989 die Baugenehmigung für den Neubau eines SB-Warenhauses auf dem
oben angegebenen Grundstück erteilt.
Mit Schriftsatz vom 19.04.1989, eingegangen am 21.04.1989, haben die
Antragsteller den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie tragen vor:
Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile
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Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile
dringend geboten, da im Falle der Verwirklichung des Vorhabens für die
Stadtentwicklung schwere, nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen
worden. Auch nach Erteilung der Baugenehmigung bestehe ein Eilbedürfnis für den
Erlaß einer einstweiligen Anordnung weiter. Weder die Ölfeuerungseinrichtung noch
die projektbezogenen Anlagen der Außenwerbung seien Bestandteil der erteilten
Genehmigung. Das gelte auch für den Anschluß des Abwasserkanals an die
Entsorgungsanlage der Antragsgegnerin zu 1) und für noch fehlende Einstellplätze.
Der mit der Erteilung der Genehmigung verbundene "Bestandsschutz" komme den
Begünstigten nur zugute, wenn die Genehmigung rechtmäßig sei. Alle noch
offenen Genehmigungen könnten von der nach § 47 Abs. 8 VwGO möglichen
Anordnung erfaßt und deren Erteilung bis zur Hauptsacheentscheidung untersagt
werden. Inhaltlich werde mit dem Antrag die Aussetzung der Vollziehung des
Bebauungsplans hinsichtlich des streitgegenständlichen sowie vergleichbarer
Vorhaben angestrebt. Im Hinblick auf den erreichten Stand des
Baugenehmigungsverfahrens sei dem Antragsgegner zu 2) nicht nur der weitere
Vollzug des fraglichen Bebauungsplans zu untersagen. Ihm sei auch aufzugeben,
mittels besonderer bauaufsichtlicher Anordnungen gegenüber der
Genehmigungsinhaberin dafür Sorge zu tragen, daß die zugelassenen Erdarbeiten
einschließlich sonstiger Anschlußarbeiten und Baustelleneinrichtungen einstweilen
zu unterbleiben hätten. Der Senat habe in seinem Beschluß vom 13.04.1983 (- 4
N 2/83 - HessVGRspr. 1983, 85 = DÖV 1983, 777) offen gelassen, ob ein
Hoheitsträger in das Verfahren einbezogen werden könne, der die angegriffene
Norm anzuwenden habe. Da die Allgemeinverbindlichkeit der gerichtlichen
Entscheidung lediglich der Hauptsacheentscheidung zukomme, wäre es nicht
hinreichend, die Aussetzung des Vollzugs des angegriffenen Bebauungsplans nur
durch entsprechende Auflagen sicherstellen zu wollen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
1. den Bebauungsplan der Stadt W. 40 - M-acker - Bürgerzentrum im Wege der
einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 8 VwGO bis zum Abschluß des
Normenkontrollverfahrens außer Vollzug zu setzen,
2. dem Antragsgegner zu 2 aufzugeben, mittels besonderer bauaufsichtlicher
Anordnung dafür Sorge zu tragen, daß die Bauarbeiten auf dem Baugrundstück
einstweilen unterbleiben.
Die Antragsgegnerin zu 1 beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Nachdem die Baugenehmigung erteilt sei, sei nicht ersichtlich, aus
welchem Grunde noch eine Anordnung nach § 47 Abs. 8 VwGO in Betracht
kommen solle. Die Ölfeuerungseinrichtung habe mit dem anhängigen
Normenkontrollverfahren nichts zu tun.
Der Antragsgegner zu 2 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er trägt vor: Es sei kein inhaltlich hinreichend formulierter Antrag gestellt. Die
Ausführung des genehmigten Vorhabens könne im Rahmen des Verfahrens nach §
47 Abs. 8 VwGO nicht verhindert werden, da bereits erteilte Verwaltungsakte von
der Aussetzung unberührt blieben. Die Feuerungsanlage sei Teil des Vorhabens.
Es sei keineswegs ungewöhnlich bei Vorhaben dieser Größenordnung, daß die
detaillierte Planung von Teilen, die für das Gesamtvorhaben nicht prägend seien,
erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolge. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich,
inwiefern die Art der Beheizung für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines
Einkaufszentrums in einem Kerngebiet von Bedeutung sein könne. Die
Entwässerungsanlage sei Bestandteil der Baugenehmigung. Der Antrag auf
Anschluß des Abwasserkanals an die öffentliche Entsorgungsanlage werde bei
Baubeginn bei der Antragsgegnerin zu 1 gestellt werden und bedürfe nicht der
Genehmigung durch ihn, den Antragsgegner zu 2. Die Antragsgegnerin zu 1 habe
das Einverständnis für die Ablösung der Stellplätze erteilt.
Dem Senat liegen folgende Unterlagen vor: Bebauungsplan 40 -M-acker -
Bürgerzentrum,
Flächennutzungsplan der Stadt W.,
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Aufstellungsunterlagen für den Bebauungsplan und den Flächennutzungsplan,
1 Hefter betr. Hauptsatzung der Stadt W.,
Gutachten der BBE-Unternehmensberatung Hessen vom 30.11.1988 betr.
Auswirkungen eines Selbstbedienungswarenhauses in W. auf die
Geschäftsentwicklung in der Altstadt G. der Antragsgegnerin zu 1,
Gerichtsakten 4 N 4122/87 des Hess.VGH.
Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
II.
Der Antrag der Antragsteller auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 47
Abs. 8 VwGO hat keinen Erfolg.
Der Antrag des Antragstellers zu 1) ist unzulässig. Für einen eigenständigen, vom
Antrag der Gemeinde unabhängigen Antrag des Magistrats als Behörde im Sinne
des § 47 VwGO fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller zu 1) begründet
seine gegenteilige Auffassung unter Hinweis auf § 66 der Hessischen
Gemeindeordnung - HGO - damit, daß der Gemeindevorstand Magistrat) über
eigenständige und damit unentziehbare Zuständigkeiten verfüge, die er in eigener
Verantwortung wahrzunehmen habe. Zu diesen zählten auch die Wahrnehmung
der sich im Rahmen der Aufstellung von Bauleitplänen der Nachbargemeinden
ergebenden Aufgaben, insbesondere die Zuständigkeiten als Träger öffentlicher
Belange (§ 4 Abs. 1 BauGB, früher § 2 Abs. 5 BBauG). Damit ist ein
Rechtsschutzbedürfnis für eine zusätzliche eigenständige Verfahrensbeteiligung
des Magistrats nicht begründet. Die Gemeinden, nicht einzelne Organe, verwalten,
soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, in ihrem Gebiet alle öffentlichen
Aufgaben allein und unter eigener Verantwortung (Art. 137 Abs. 1 der Hessischen
Verfassung - HV -, § 2 HGO). Im Hinblick auf diesen allumfassenden örtlichen
Wirkungskreis kann eine Gemeinde durch die Bauleitplanung einer
Nachbargemeinde in ihrem Aufgabenbereich berührt und insbesondere in ihrer
Planungshoheit eingeschränkt sein. Dies löst ggfs. die Befugnis aus, die
Rechtmäßigkeit dieser Einschränkung in einem Normenkontrollverfahren
überprüfen zu lassen, wenn sie durch einen Bebauungsplan der Nachbargemeinde
in eigenen Interessen beeinträchtigt wird, also einen konkreten Nachteil geltend
machen kann (vgl. zur Antragsbefugnis einer Gemeinde gegenüber einer das
Gemeindegebiet erfassenden naturschutzrechtlichen Sicherstellungsanordnung,
Hess.VGH, B. v. 21.01.1986 - 4 N 2315/85 - BRS 46 Nr. 211 = ESVGH 36 S. 165 =
RdL 1987, 53; zur Antragsbefugnis gegenüber dem Bebauungsplan einer
Nachbargemeinde, VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.02.1987. - 5 S 2472/86 -
BRS 47 Nr. 24). Der Gemeindevorstand hat gemäß § 66 HGO die ihm dort
zugewiesene Aufgaben für die Gemeinde wahrzunehmen. Es besteht deshalb
regelmäßig kein Bedürfnis - von kommunalverfassungsrechtlichen Streitigkeiten, in
denen die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gemeindeorgane
Streitgegenstand ist, einmal abgesehen - für eine eigenständige Beteiligung des
Magistrats an einem Normenkontrollverfahren. Dies gilt gerade auch bei einem
Rechtsstreit, der zur Wahrnehmung der Interessen einer Gemeinde gegenüber der
Bauleitplanung einer Nachbargemeinde geführt wird. Die Antragsteller
unterscheiden in diesem Zusammenhang zu Unrecht zwischen der Zuständigkeit
der Gemeinde als Träger öffentlicher Belange und als Inhaberin der
Planungshoheit. § 4 BauGB (früher § 2 Abs. 5 BBauG) und § 2 Abs. 2 BauGB
(früher § 2 Abs. 4 BBauG) regeln die formelle (verfahrensmäßige) und materielle
Seite der Abstimmung von Bauleitplänen benachbarter Gemeinden (BVerwG, U. v.
08.09 . 1972 - IV C 17.71 - BVerwGE 40, 323 <328 i.>). § 2 Abs., 2 BauGB ist
damit zugleich ein Ausfluß der Planungshoheit und verfahrensrechtlich ein Unterfall
der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (Bielenberg in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 2 RdNr. 65). Der Antragsteller zu 1) hat keine
Gründe vorgetragen, aus denen sich im Hinblick auf den dem vorliegenden
Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt ausnahmsweise ein
Rechtsschutzbedürfnis für seine eigenständige Verfahrensbeteiligung ergeben
könnte.
Der Senat läßt im Rahmen des Verfahrens nach § 47 Abs. 8 VwGO dahingestellt,
ob die Antragstellerin zu 2) von dem Bebauungsplan der Antragsgegnerin zu 1) in
ihrer Planungshoheit betroffen und deshalb antragsbefugt ist (vgl. VGH Baden-
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ihrer Planungshoheit betroffen und deshalb antragsbefugt ist (vgl. VGH Baden-
Württemberg, U. v. 27.02.1987, a.a.O.), weil der Erlaß einer einstweiligen
Anordnung weder zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen
Gründen dringend geboten ist.
Obwohl die Antragsteller - worauf der Antragsgegner zu 2) zutreffend hingewiesen
hat - keinen inhaltlich hinreichend formulierten Antrag gestellt haben, hat der
Senat den erkennbaren Zweck des Rechtsschutzbegehrens im Wege der
Auslegung (§ 88 VwGO) im Sinne der vorstehend aufgenommenen Anträge
ermittelt.
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 8 VwGO liegen nicht vor. Die Regelung ist § 32
BVerfGG nachgebildet. An das Vorliegen ihrer Voraussetzungen ist ein strenger
Maßstab anzulegen (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl., 1986, Rdnr. 76 zu § 47 m.w.N. aus
Rechtsprechung und Literatur). Da ergänzend zur genannten gesetzlichen
Regelung im wesentlichen dieselben Grundsätze wie für Entscheidungen gemäß §
123 VwGO gelten (vgl. Hess.VGH, B. v. 04.02.1988 - 4 NG 2428/87 - S. 2 des
amtlichen Abdrucks; Kopp, a.a.O., Rdnr. 76 zu § 47 VwGO), muß auch im Verfahren
der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 8 VwGO ein Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht werden, d.h. es muß glaubhaft gemacht werden, daß an einer
Eilentscheidung des Gerichts ein begründetes Interesse besteht. Hierbei kann ein
Eilbedürfnis nur hinsichtlich solcher einstweiligen Anordnungen bestehen, die im
Verfahren nach § 47 Abs. 8 VwGO erlassen werden können. D.h., der - im
Eilbedürfnis bestehende - Anordnungsgrund bezieht sich nicht darauf, daß das
Gericht überhaupt möglichst schnell irgendeine Entscheidung trifft, sondern daß
gerade der Erlaß der angestrebten einstweiligen Anordnung "dringend geboten"
sein muß.
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Antrags zu 1), mit dem die
Antragstellerin zu 2) die Außervollzugsetzung des Planes begehrt, nach Erteilung
der Teilbaugenehmigung für die Erdarbeiten und der Baugenehmigung für das SB-
Warenhaus nicht (mehr) vor. Denn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann
nicht mehr zugesprochen werden, als im Hauptsacheverfahren erreicht werden
könnte (so auch OVG Münster, B. v. 15.07.1977 - VII a ND 4/77 - MDR 1978, 82; B.
v. 13.02.1985 - 11 a ND 20/84 - NVwZ 1988, 74; Bay.VGH, B. v. 20.07.1983 - Nr.
14 NE 83 A 1217 - BayVBl. 1983, 698 f.; Rasch, BauR 1977, 147 ff., 151 f.; Stüer,
DVBl. 1985, 469 ff., 480, jeweils m.w.N.). Im Hauptsacheverfahren kann nur die
Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Bebauungsplanes festgestellt werden. Die
Feststellung der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes würde sowohl die einmal
erteilte Teilbaugenehmigung, die jedenfalls die Genehmigungsfähigkeit des
Vorhabens hinsichtlich des Standorts und der Nutzungsart erfordert (vgl. Hess.
VGH, Urteil vom 26.04.1990 - 4 UE 1256/86 -), wie die Baugenehmigung unberührt
lassen. Dies beruht zum einen darauf, daß bei Rechtsunwirksamkeit eines
Bebauungsplanes noch nicht endgültig über die Rechtmäßigkeit bzw.
Rechtswidrigkeit danach erlassener Baugenehmigungen entschieden ist, da eine
planungsrechtliche Zulässigkeit des jeweiligen Bauvorhabens auch nach § 34
BauGB oder § 35 BauGB denkbar ist. Zum anderen müßte selbst bei
Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung die zuständige Bauaufsichtsbehörde
zunächst darüber entscheiden, ob sie die Baugenehmigung zurücknimmt, wobei
gegen diese Entscheidung der Rechtsweg eröffnet wäre (so auch OVG Münster, B.
v. 15.07.1977, a.a.O.). Bereits in dem den Erlaß einer einstweiligen Anordnung
betreffenden Beschluß vom 26.09.1986 (- 4 NG 757/86 -) hat der Senat
entschieden, daß die Außervollzugsetzung des Planes nach Erteilung der
Baugenehmigung keinen Einfluß auf die Fortführung der genehmigten
Baumaßnahme haben würde, da ein genehmigtes Bauvorhaben auch ausgeführt
werden dürfe (§ 96 Abs. 7 HBO). Daran ist festzuhalten (ebenso Hess.VGH, B. v.
12.08.1988 - 4 NG 2039/88 -). Soweit die Antragstellerin einen Anordnungsgrund
aus noch ausstehenden weiteren Genehmigungen im Zusammenhang mit dem
durch Baugenehmigung vom 23.06.1989 genehmigten Warenhaus, etwa für
Feuerungsanlage, projektbezogene Anlagen der Außenwerbung oder
Stellplatzablösung ableiten möchte, kann sie damit keinen Erfolg haben. Diese
Anlagen sind planungsrechtlich nicht von eigenständiger Bedeutung und auch
nicht von hinreichendem Gewicht, um eine Außervollzugsetzung des
Bebauungsplans zu rechtfertigen. Andere Gründe, die eine sofortige
Außervollzugsetzung des Bebauungsplans erfordern würden, hat die
Antragstellerin zu 2) nicht vorgetragen.
Der Antrag zu 2), mit dem die Antragstellerin zu 2) gegenüber dem Antragsgegner
zu 2) erreichen will, daß Bauarbeiten in Ausführung des genehmigten
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zu 2) erreichen will, daß Bauarbeiten in Ausführung des genehmigten
Warenhauses unterbleiben, kann ebenfalls keinen Erfolg haben, weil das Begehren
außerhalb des im Verfahren nach § 47 Abs. 8 VwGO vorgegebenen
Regelungsrahmen liegt. Das Eilverfahren wird vorgeprägt vom
Hauptsacheverfahren. Antragsgegner ist nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO im
Normenkontrollverfahren und damit auch im Anordnungsverfahren stets die
Körperschaft, Anstalt oder Stiftung, welche die Vorschrift erlassen hat, bzw. deren
Rechtsnachfolgerin (Hess.VGH, B. v. 13.04.1983 - 4 N 2/83 - HessVGRspr. 1983 85
- DÖV 1983, 777). Der Senat hat in jenem Verfahren offen gelassen, ob neben
dem nach § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO passiv Legitimierten auch jede am Vollzug der
Norm beteiligte Behörde Antragsgegner sein kann (so VGH Baden-Württemberg
vom 11.2.1977 - 111 88/77 - ESVGH 27, 221 = NJW 1977, 1212; a.A. nunmehr
Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl.,
S. 164 Rdnr. 455). Der Senat konnte seinerzeit die Frage offen lassen, weil es in
jenem Verfahren bereits an einem zulässigen Antrag gegen die als Antragsgegner
passiv legitimierte Gemeinde fehlte. Er beantwortet diese Frage nunmehr in dem
Sinne, daß eine Kongruenz zwischen Normenkontroll- und Eilverfahren nicht nur -
wie vorstehend dargelegt - hinsichtlich der Zielsetzung der Entscheidung, nämlich
der endgültigen oder zeitweisen Außervollzugsetzung der angefochtenen
Rechtsvorschrift, sondern auch hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten bestehen
muß. Für eine hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten unterschiedliche
Verfahrensgestaltung zwischen den Verfahren nach § 47 Abs. 2 und § 47 Abs. 8
VwGO besteht auch nicht etwa deshalb ein Bedürfnis, weil eine
Allgemeinverbindlichkeit lediglich der stattgebenden Entscheidung in der
Hauptsache (§ 47 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz VwGO) zukomme, wie die
Antragsteller meinen. Setzt das Gericht den Vollzug der Rechtsvorschrift aus, so
bindet die Entscheidung nicht nur die Beteiligten, sondern wirkt wegen ihrer
gestaltenden Wirkung (Rechtstatsachenwirkung) konstitutiv und ist in
entsprechender Anwendung des Absatzes 6 Satz 2 VwGO allgemeinverbindlich
(OVG Münster, B. v.18.04.1980 - 10 a ND 7/80 - BRS 36 Nr. 38 - DÖV 1980, 603;
Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 474; Kopp, VwGO, 8. Aufl. § 47 Rdnr. 80; Rasch,
BauR 1977, 152; Redeker/von Oertzen, VwGO, 9. Aufl., § 47 Rdnr. 56).
Im übrigen kann auch dieser Antrag, der auf die Unterlassung der genehmigten
Bauarbeiten gerichtet ist, aus den oben zu Antrag 1) dargelegten Gründen keinen
Erfolg haben, da im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mehr zugesprochen
werden kann, als im Hauptsacheverfahren erreicht werden könnte. Das Begehren
zielt auf eine Entscheidung, die - wie ausgeführt - außerhalb des
Regelungsbereichs des Normenkontrollverfahrens einschließlich des
diesbezüglichen Anordnungsverfahrens liegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3, 25 Abs. 1 Satz 1
GKG. Im Hauptsacheverfahren würde der Senat mangels näherer Anhaltspunkte
für den Antragsteller zu 1 den Hilfsstreitwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG und die
Antragstellerin zu 2 den 10-fachen Hilfsstreitwert zugrundelegen. Von dem Wert
den Hauptsache setzt er nach seiner ständigen Rechtsprechung in Eilverfahren 2/3
als Streitwert fest.
Hinweis: Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.