Urteil des HessVGH vom 26.11.1997

VGH Kassel: vermögensrechtlicher anspruch, klagebegehren, wertminderung, grundstück, eingriff, öffentlich, wohnhaus, hessen, schadenersatzklage, gemeinde

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
14. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 UE 4076/97
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 14 Abs 1 S 2 GG, Art 14
Abs 3 GG, § 44 VwGO, §
110 VwGO, § 126 Abs 2
VwGO
(Rücknahmefiktion nach VwGO § 126 Abs 2 wegen
Nichtbetreibens des Berufungsverfahrens trotz
Betreibensaufforderung; versehentliche Nichtentscheidung
über eines von mehreren Klagebegehren - Möglichkeiten
des Rechtsmittelgerichts zur Vorabentscheidung über den
Rechtsweg hinsichtlich der nicht behandelten
Klagebegehren bejaht; Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten wegen Geldausgleichs für
unzumutbare Immissionen einer benachbarten hoheitlichen
Anlage; Wertminderung eines Grundstücks wegen
mittelbarer Beeinträchtigung durch eine
Hochspannungsfreileitung)
Tatbestand
Der 1940 geborene und derzeit Erwerbsunfähigkeitsrente beziehende Kläger zu 1.
und seine 1947 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2., waren je zur Hälfte
Miteigentümer eines 1976 in, in der Nähe zweier 110-KV-
Hochspannungsfreileitungen, für die ihr Grundstück im Jahre 1953 mit einer
Grunddienstbarkeit belastet worden war, erbauten und von ihnen 1977 bezogenen
Mehrfamilienhauses, das im Verlauf des vorliegenden Klageverfahrens Ende 1987
zwangsversteigert worden ist.
Aufgrund eines vom Hessischen Minister für Wissenschaft und Technik der
beigeladenen Firma AG auf ihre Anzeige vom 7. November 1977 für die Errichtung
einer 380-KV-Hochspannungsfreileitung unter dem 18. Januar 1978 erteilten sog.
Unbedenklichkeits- bzw. Freigabebescheides nach dem Energiewirtschaftsgesetz
und eines vom Regierungspräsidenten dt im Oktober 1977 eingeleiteten
Raumordnungsverfahrens, in dem er unter dem 15. Oktober 1979 mitgeteilt hatte,
daß die Trassenführung mit den in Frage kommenden Planungsträgern positiv
abgestimmt und das Vorhaben im übrigen mit den Belangen der Landesplanung
vereinbar sei, wurde die hier fragliche 380-KV-Leitung in den Jahren 1982/83 auch
in den bebauten Ortsteilen der Gemeinde durchgängig parallel zu bestehenden
110-KV-Leitungen errichtet. Dabei wurde das Aartal, in dem das frühere
Wohngrundstück der Kläger liegt, überspannt und etwa 100 m neben dem Haus
der Kläger ein ca. 50 m hoher Stahlmast errichtet.
Nachdem sich der Kläger zu 1. als Mitglied der Gemeindevertretung und auch als
Sprecher eines Bürgerausschusses u.a. mit einem an den Regierungspräsidenten
gerichteten Antrag auf "Wiederaufnahme des Raumordnungsverfahrens" erfolglos
gegen die Trassenführung der 380-KV-Leitung gewehrt hatte, wandte er sich -
nochmals - mit Schreiben vom 3. Januar 1985 an den vom Hessischen Minister für
Wirtschaft und Technik als zuständige Enteignungsbehörde bestimmten
Regierungspräsidenten und machte u.a. geltend, durch die Verlegung der
Hochspannungstrasse in den Wohn-, Orts- und Schulbereich sei den Einwohnern
jegliche Wohnqualität zerstört, ferner sei das Versprechen, ein
Planfeststellungsverfahren durchzuführen, gebrochen und eine Baustop-Forderung
des Bürgerausschusses wegen angeblich fehlender Zuständigkeit an den Kreis
weitergeleitet worden. Nachdem er, der Kläger, seit seinem Einzug 1977 wegen
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weitergeleitet worden. Nachdem er, der Kläger, seit seinem Einzug 1977 wegen
der Hochspannungsfreileitung einem stetigen Leistungs- und Wohlbefindenszerfall
unterliege, was sich auch an den ständig sinkenden Bilanzergebnissen seines
Betriebs gezeigt habe, sei er um den Verkauf seines Wohnhauses bemüht;
allerdings bisher ohne Erfolg, weil der ca. 50 m hohe Stahlmast der neuen 380-KV-
Leitung potentielle Käufer abschrecke. Den Versuch seiner Hausbank, sein
Wohnanwesen wegen nur eines monatlichen Zahlungsrückstandes zu versteigern,
habe er mit Hilfe eines Rechtsanwaltes und seiner Bausparkasse abwehren
können. Er könne sein Wohnhaus wegen der Hochspannungsfreileitung nicht am
freien Markt verkaufen. Da ihm und seiner Familie im öffentlichen Interesse wegen
der fragwürdigen Stromtransportierung und -versorgung Schaffenskraft,
Gesundheit, Lebens- und Wohnqualität zerstört werde, bitte er den
Regierungspräsidenten um die Prüfung, welche Möglichkeiten dieser als
Genehmigungs- und Verwaltungsbehörde habe, um nach dem Verursacherprinzip
den Verursacher zum Kauf oder Tausch seines Wohnanwesens zu bewegen.
Mit Schreiben vom 12. März 1985 lehnte es die Beigeladene auf Anfrage des
Regierungspräsidenten ab, dies als eigenen Entschädigungsfestsetzungsantrag
aufzugreifen. Daraufhin führte der Regierungspräsident am 11. Juni 1985 unter
Beteiligung beider Kläger eine mündliche Verhandlung nach dem Hessischen
Enteignungsgesetz über die "Festsetzung der Entschädigung für gesundheitliche
und vermögensrechtliche Einbußen" durch, in der Kläger u. a. geltend machte, daß
von der Beigeladenen als Schadensersatz die Summe verlangt werde, die sich als
Differenz aus den Schätzungen des Hauswertes durch die Brandversicherung im
Jahre 1981 auf ca. 800.000,00 DM und durch eine Bank im Jahre 1984 auf
350.000,00 DM ergebe. Mit an den Kläger zu 1. gerichtetem Bescheid vom 9.
September 1985 lehnte der Regierungspräsident den Antrag auf
Entschädigungsfestsetzung ab, weil sein Grundstück von der
Hochspannungsleitung nicht überspannt werde und er deshalb nicht von einer
Enteignung betroffen sei. Eine Entschädigungsfestsetzung nach dem
Energiewirtschaftsgesetz i. V. m. dem Hessischen Enteignungsgesetz setze ein
Enteignungsverfahren voraus. Es stehe ihm aber frei, eventuelle
Schadensersatzansprüche auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Dagegen erhoben beide Kläger unter dem 7. Oktober 1985 Widerspruch, den der
Kläger zu 1. mit Schreiben vom 11. Februar 1986 ausführlich begründete. Mit
Bescheid vom 12. September 1986 wies der Regierungspräsident den Widerspruch
im wesentlichen mit folgender Begründung zurück: Der Widerspruch der Klägerin
zu 2. sei unzulässig, weil sie weder einen Antrag auf Entschädigung gestellt habe
noch Adressat des angefochtenen Ablehnungsbescheides sei. Der Widerspruch
des Klägers zu 1. sei unbegründet, weil sein Grundstück von dem Planvorhaben
und dessen Ausführung nicht betroffen sei und deshalb weder eine Enteignung
erfolgt noch eine Einigung über den Übergang oder eine Belastung des Eigentums
an dem zu enteignenden Grundstück erzielt worden sei. Der Antrag könne auch
nicht in einen Antrag auf Enteignung gegen sich selbst umgedeutet werden, weil
das Hessische Enteignungsgesetz einen solchen nicht vorsehe und eine
Betroffenheit durch Inanspruchnahme nicht vorliege. Weiterhin bestehe auch kein
Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, weil der Bau der
Hochspannungsleitung durch die Beigeladene keinen hoheitlichen Eingriff darstelle
und nach dem Energiewirtschaftsgesetz berechtigt sei und weil ein Überschreiten
der Opfergrenze auf Seiten des möglicherweise besonders disponierten Klägers
nicht vorliege, sondern die von ihm behauptete Verschlimmerung seines
Augenleidens (Glaukom) noch im Bereich des allgemeinen Lebensrisikos liege. In
dem in Rede stehenden Bereich lebten nämlich auch Menschen, die über keinerlei
Beschwerden klagten. Der Kläger könne auch keine erheblichen Nachteile oder
Belästigungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beweisen. Es gebe
keine wissenschaftlich gesicherten Untersuchungen über
Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Hochspannungsfreileitungen.
Am 20. Oktober 1986 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Wiesbaden -
Kammern Gießen - Klage auf Aufhebung dieser Bescheide und Zahlung einer
Entschädigung durch das beklagte Land in Höhe von 450.000,00 DM erhoben. Zur
Begründung haben sie u.a. noch Ausführungen zu den ihnen durch die
Hochspannungsfreileitung rechtswidrig und bewußt zugemuteten
Gesundheitsgefahren gemacht.
Nachdem die Kläger in einem gerichtlichen Erörterungstermin am 12. Dezember
1986 erklärt hatten, mit ihrer Klage gehe es ihnen vorwiegend um die Errichtung
der Stromleitung und deren Genehmigung, insbesondere eigentlich um den Mast,
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der Stromleitung und deren Genehmigung, insbesondere eigentlich um den Mast,
haben sie mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1986 hilfsweise den Erlaß
nachträglicher Anordnungen nach den §§ 17 und 24 des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes zur Vermeidung von Umwelteinwirkungen der streitigen
nachbarlichen 380-KV-Leitung beantragt und ihren Entschädigungsanspruch in ein
Entschädigungsfestsetzungsverfahren beim Verwaltungsgericht und eine
Schadenersatzklage gegen die Beigeladene beim Landgericht "modifiziert". Die
Entschädigungsfrage könne durch Übereignung einer leerstehenden Schule der
Gemeinde gelöst werden; dann könnten die restlichen 260.000,00 DM als
Schadenersatzklage gegen die Beigeladene an das Landgericht verwiesen werden.
Ihre Ansprüche rechtfertigten sich auch aus enteignendem Eingriff, zumal sie den
Regierungspräsidenten schon seit September 1982 ständig und intensiv über die
von Hochspannungsfreileitungen ausgehenden Gefahren informiert hätten.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Schriftsatz als Schadenersatzklage gegen die
Beigeladene angesehen, ihn an diese zugestellt und das Verfahren insoweit mit
Beschluß vom 23. Dezember 1986 abgetrennt, unter dem Aktenzeichen - VII E
798/86 - weitergeführt und es nach sechsmonatigem "faktischen" Ruhen Ende
Januar 1991 kostenmäßig abgeschlossen und weggelegt, nachdem die Kläger eine
vorrangige Behandlung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erbeten hatten.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. September 1991 - I/2 E 667/86 - hat das
Verwaltungsgericht Gießen die gegen das beklagte Land gerichtete Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen die Begründung des
angefochtenen Widerspruchsbescheides vertieft und zu den hilfsweise begehrten
nachträglichen Anordnungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz
ausgeführt, daß es insoweit an einem Vorverfahren fehle und daß
Hochspannungsfreileitungen keine genehmigungsbedürftigen
immissionsschutzrechtlichen Anlagen seien.
Gegen den am 19. September 1991 zugestellten Gerichtsbescheid haben die
Kläger am 17. Oktober 1991 das vorliegende, als "Beschwerde" bezeichnete
Rechtsmittel eingelegt. Zur Begründung machen sie im wesentlichen geltend: Die
Klägerin zu 2. sei am Vorverfahren beteiligt gewesen, weil es auch um ihr
Wohnhaus gegangen sei. Der Regierungspräsident habe das Schreiben des
Klägers zu 1. zwar als Antrag auf Entschädigung nach dem
Energiewirtschaftsgesetz interpretiert, ihr, der Kläger, Bestreben sei jedoch
gewesen, daß ihr Haus aufgekauft werde; von wem, habe der Regierungspräsident
mit dem Aufsichtsratmitglied der Beigeladenen und Landesminister A. klären
sollen. Die Hoffnung der "mächtigen Herren" habe aber auf der heimlich
eingeleiteten Zwangsversteigerung gelegen. Die "laienhafte Umtrassierung" der
380-KV-Leitung sei weniger der Beigeladenen, als vielmehr in erster Linie dem
Regierungspräsidenten anzulasten. Sie, die Kläger, hätten wegen der beim Kläger
als Glaukomkranken zusätzlich entstandenen großen Gesichtsfeldeinschränkung
(Skotom) und wegen des schon allein durch die Mastengruppe entstandenen
optischen Verkaufshindernisses für ihr Wohnhaus ein Sonderopfer erbracht. Auch
von anderen Anwohnern seien Gesundheitsbeschwerden geltend gemacht worden.
Der Regierungspräsident habe die Umtrassierung der Leitung ohne gutachterliche
Beratung oder epidemiologische Untersuchungen in den Wohn- und Schulbereich
vorgenommen, obwohl ihm die Gesundheitsgefahren von
Hochspannungsleitungen bekannt gewesen seien bzw. hätten bekannt sein
müssen.
Mit einem in der Berufungsverhandlung vom 26. November 1997 gefaßten und
verkündeten Beschluß hat der erkennende Senat das vorliegende, auf die Zahlung
einer Entschädigung durch den Beklagten in Höhe von 190.000, -- DM gerichtete
Verfahren abgetrennt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird
auf den Inhalt der Streitakten des vorliegenden und des Verfahrens 14 UE 2565/91
sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Für das vorliegende, auf eine Entschädigungsleistung des beklagten Landes für
eine durch mittelbare Auswirkungen der Stromtrasse bewirkte Wertminderung des
fraglichen Grundstücks gerichtete Verfahren ist durch einen Beschluß gemäß § 17
a Abs. 2 GVG i. V. m. § 173 VwGO der beschrittene Verwaltungsrechtsweg des § 40
Abs. 1 VwGO für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das gemäß § 71
GVG sachlich und gemäß § 26 ZPO örtlich zuständige Landgericht Limburg/Lahn in
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GVG sachlich und gemäß § 26 ZPO örtlich zuständige Landgericht Limburg/Lahn in
den gemäß Art. 34 Satz 3 GG und insbesondere gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO
zulässigen ordentlichen Rechtsweg zu verweisen.
Obwohl das Verwaltungsgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 10. September
1991 über dieses Klagebegehren nicht entschieden hat, ist es aufgrund der
dagegen am 17. Oktober 1991 gemäß § 124 i. V. m. § 67 Abs. 2 VwGO in der
früheren, bis zum 1. Januar 1997 geltenden Fassung form- und fristgerecht
eingelegten, in ihrer Rechtsmittelschrift allerdings fälschlicherweise als
"Beschwerde" bezeichneten Berufungen der anwaltlich nicht vertretenen Kläger
Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Das Verwaltungsgericht hat
nämlich keinen Teilgerichtsbescheid gemäß § 110 i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 3
VwGO, sondern einen verfahrensfehlerhaft unvollständigen
Vollendgerichtsbescheid erlassen. Ein Teilurteil i. S. des § 110 VwGO liegt nämlich
nur dann vor, wenn in dem Urteil selbst oder zumindest in den insoweit
eindeutigen Begleitumständen zum Ausdruck kommt, daß das Gericht eine
Ermessensentscheidung dahin getroffen hat, daß es nur über einen Teil des
Streitgegenstandes entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung
vorbehalten wollte, der dann trotz einer Rechtsmitteleinlegung gegen das Teilurteil
in der ersten Instanz rechtshängig bleibt; eine vom Gericht als Vollendurteil
gewollte Entscheidung ist demgegenüber auch dann ein Vollendurteil, wenn sie
den Streitgegenstand verfahrensfehlerhaft nicht voll ausschöpft und deshalb
unvollständig ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 22.02.1994 - 9 B 510/93 - NVwZ
1994 S. 1116), so daß bei einem dagegen eingelegten Rechtsmittel kein Teil des
Klagebegehrens in der ersten Instanz rechtshängig bleibt, wie dies bei einem
"echten" Teilurteil der Fall wäre, sondern das wirkliche Klagebegehren insgesamt
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens wird. So liegt der Fall hier. Denn das
Verwaltungsgericht ist bei Erlaß des Gerichtsbescheides zu Unrecht davon
ausgegangen, daß die Kläger ihr von vornherein verfolgtes Begehren auf Zahlung
einer Entschädigung durch das beklagte Land wegen des Wertverlustes ihres
Grundstücks in Höhe von 450.000,-- DM mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1986
nicht mehr weiterverfolgt und ihren Entschädigungsanspruch insgesamt auf ein
Schadensersatzbegehren gegenüber der Beigeladenen umgestellt hätten. Sie
haben in diesem Schriftsatz aber lediglich eine "Teilung" ihrer
Entschädigungsansprüche dahingehend vorgenommen, daß das Land Hessen mit
den beteiligten Behörden und der Gemeinde M seinen Beitrag zur
Entschädigungsfrage durch Übereignung der ehemaligen Grundschule in O
einschließlich Reparatur des beschädigten Daches komplett lösen sollte, während
die "restlichen" 260.000,-- DM als Schadensersatzklage gegen die Beigeladene an
das Landgericht verwiesen würden; vor der Verweisung "des noch verbleibenden
Anteils von DM 260.000,--" werde eine außerordentliche Erörterung mit der
Beklagten angeregt (vgl. S. 4 f. des Schriftsatzes, Bl. 70 f. der Streitakte 14 UE
2565/91). Es ist danach davon auszugehen, daß die Kläger ihr
Entschädigungsbegehren gegenüber dem beklagten Land im übrigen, also in Höhe
der Differenz zu dem ursprünglich verlangten Betrag von 450.000,-- DM, also in
Höhe von 190.000,-- DM weiter aufrechterhalten haben, wenn auch in
"modifizierter" Form. Dem steht nicht entgegen, daß sie auch in der Folgezeit
davon ausgegangen sind, daß das verwaltungsgerichtliche Verfahren nur das
"Entschädigungsfestsetzungsverfahren" betreffe, denn sie sind erkennbar
ebenfalls davon ausgegangen, daß sich dieses "gegen das Land Hessen" richte
(vgl. Schriftsatz vom 13. Dezember 1986 S. 2 und Schriftsatz vom 12. Januar 1987
S. 2, Bl. 68 bzw. 93 der obigen Streitakte), und damit der Festsetzung der vom
Land zu zahlenden Entschädigung diene. Die Richtigkeit dieser Auslegung des
Klagebegehrens ergibt sich auch aus Begründungen der Kläger im
Berufungsverfahren, wonach das von ihnen erbrachte Sonderopfer weniger der
Beigeladenen, als vielmehr in erster Linie dem Regierungspräsidenten anzulasten
sei. Über das danach noch anhängige Begehren auf Entschädigungsleistung durch
das beklagte Land hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen
Gerichtsbescheid aufgrund unrichtiger Ermittlung des Klagebegehrens irrtümlich
nicht (mit-) entschieden, so daß ein unvollständiger Vollendgerichtsbescheid
ergangen ist.
Die Rechtshängigkeit des gegen das beklagte Land gerichteten
Entschädigungsbegehrens ist auch nicht durch eine Fiktion der
Berufungsrücknahme gemäß § 126 Abs. 2 VwGO nachträglich entfallen. Zwar
haben die Kläger auf eine am 5. Februar 1997 zugestellte und mit einer
Nichtbeantwortung der Berufungserwiderung vom 5. Februar 1992 und mit einer
beabsichtigten Terminierung begründete gerichtliche Aufforderung vom 4. Februar
1997, das Berufungsverfahren zu betreiben, mit einem erst am 12. Mai 1997 - also
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1997, das Berufungsverfahren zu betreiben, mit einem erst am 12. Mai 1997 - also
mehr als drei Monate später - beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof
eingegangenen Schriftsatz vom 2. Mai 1997 geantwortet und um Fortführung des
Verfahrens gebeten. Abgesehen von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung gemäß
§ 60 Abs. 1 VwGO in diese Dreimonatsfrist nicht nur bei entgegenstehender
höherer Gewalt, sondern auch schon bei bloßem Nichtverschulden der Säumnis
zulässig ist (so Meyer-Ladewig, in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO,
Stand: Mai 1997, Rdnr. 22 zu § 126 in Auseinandersetzung mit der dort zitierten
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 33 AsylVfG a. F.), die der
Kläger hier damit begründet, daß er sein Antwortschreiben vom 2. Mai 1997 in
Folge seines Augenleidens zunächst an das zwischenzeitlich verzogene
Verwaltungsgericht Gießen gesandt habe, war die gerichtliche Aufforderung vom 4.
Februar 1997 jedenfalls nicht geeignet, die Rücknahmefiktion des § 126 Abs. 2
VwGO auszulösen. Angesichts des von der Dispositionsbefugnis der Beteiligten
abweichenden Ausnahmecharakters dieser Vorschrift und ihrer über eine bloße
Präklusion weit hinausgehenden Konsequenzen sind an eine wirksame
Betreibensaufforderung strenge Anforderungen zu stellen. Sie darf deshalb nur
ergehen, wenn sachlich begründete Anhaltspunkte für ein Desinteresse des
Berufungsklägers an der Fortführung des Verfahrens bestehen, wenn er
insbesondere seine prozessualen Mitwirkungspflichten verletzt hat, zu deren
konkreter Nachholung er dann aufzufordern ist. Diese Voraussetzungen sind hier
nicht erfüllt. Zwar dürfte auch die Beantwortung gerichtlicher Anfragen, die den
Fortgang des Prozesses betreffen, zu den Mitwirkungspflichten der Parteien
gehören (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 21.11.1997 - 8 UE 228/97), den Klägern
ist die Berufungserwiderung des Beklagten vom 5. Februar 1992 jedoch ohne eine
Aufforderung zur Stellungnahme übersandt worden. Daß die Kläger darauf nicht
von sich aus geantwortet haben, reicht für eine wirksame Betreibensaufforderung
nicht aus; zudem hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Mai 1997 vorgetragen,
daß die Berufungserwiderungsschrift bei ihm nicht auffindbar sei, so daß sie also
möglicherweise nicht zugegangen ist. Schließlich ist die gerichtliche Aufforderung
vom 4. Februar 1997 auch eher vorsorglich im Hinblick auf ansonsten
gegebenenfalls überflüssige Vorbereitungsarbeiten für die beabsichtigte mündliche
Verhandlung und deshalb ohne konkrete Auflagen nur mit dem allgemeinen
Verlangen ergangen, das Berufungsverfahren zu betreiben (vgl. dazu Meyer-
Ladewig, a. a. O., Rdnr. 16 zu § 126).
Da das Verwaltungsgericht über das Entschädigungsbegehren und die Zulässigkeit
des dafür gegebenen Rechtsweges nicht, auch nicht konkludent entschieden hat,
besteht insoweit die Bindungswirkung des zwar gemäß Art. 23 des 4. VwGO-
Änderungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809 (2821)) schon am 1.
Januar 1991 und damit vor Erlaß des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides vom 10.
September 1991 in Kraft getretenen und deshalb grundsätzlich anwendbaren § 17
a Abs. 5 GVG hier nicht, so daß der Senat als Berufungsgericht die Rechtswegfrage
insoweit selbst zu prüfen und den Rechtsstreit im sog. Vorabverfahren gemäß § 17
a Abs. 2 GVG durch Beschluß an das zuständige Gericht des zulässigen
ordentlichen Rechtsweges zu verweisen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 09.11.1995 -
V ZB 27/94 - NJW 1996 S. 591). Daran ist er auch nicht gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1
GVG dadurch gehindert, daß das Verwaltungsgericht über das auf Einleitung eines
Entschädigungsfestsetzungsverfahrens nach dem Hessischen Enteignungsgesetz
gerichtete Klagebegehren in seinem Gerichtsbescheid entschieden und den
Verwaltungsrechtsweg insoweit ausdrücklich bejaht und der Senat an diese
verfahrensfehlerfrei getroffene Rechtswegentscheidung gemäß § 17 a Abs. 5 GVG
gebunden ist.
Die Nichtanwendbarkeit des § 17 a Abs. 5 und des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG im
vorliegenden Verfahren ergibt sich nämlich daraus, daß das hier fragliche
Begehren auf eine teilweise Zahlung der geltend gemachten
Entschädigungsleistungen unmittelbar durch das beklagte Land einen anderen
Streitgegenstand darstellt als das vom Verwaltungsgericht dem Klägervorbringen
entnommene und allein entschiedene Begehren auf Durchführung eines
Entschädigungsfestsetzungsverfahrens nach dem Hessischen Enteignungsgesetz,
in dem der Regierungspräsident als Enteignungsbehörde in einem förmlichen
Enteignungsbeschluß (Teil B) die gesamte Geldentschädigung für die
Wertminderung des klägerischen Grundstücks festsetzen soll, die dann nicht vom
Beklagten, sondern von der Beigeladenen als Vorhabensträgerin zu zahlen wäre.
Wenn - wie hier im erstinstanzlichen Verfahren - zwei unterschiedliche
Klagebegehren im Sinne einer objektiven Klagehäufung gemäß § 44 VwGO in einer
Klage zusammen verfolgt werden und das Verwaltungsgericht in seiner als
Vollendurteil beabsichtigten Entscheidung irrtümlich nur über eines dieser beiden
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Vollendurteil beabsichtigten Entscheidung irrtümlich nur über eines dieser beiden
Klagebegehren entscheidet, beschränkt sich die in § 17 a Abs. 5 GVG angeordnete
Bindungswirkung auch nur auf die Rechtswegzulässigkeit des Klagebegehrens, das
das Verwaltungsgericht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht hat, und
erstreckt sich nicht auf das - wie hier - "übersehene" Klagebegehren, das trotzdem
bei einer Berufung gegen das Vollendurteil Gegenstand des Berufungsverfahrens
wird. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die verhindern will, daß
das weitere Verfahren nach einer einmal - verfahrensfehlerfrei - erfolgten
erstinstanzlichen Klärung der Rechtswegfrage mit dem Risiko eines später
erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges belastet wird (vgl. BGH, Beschluß
vom 23. 09.1992 - I ZB 3/92 - BGHZ 119 S. 246 ff. = NJW 1993 S. 470 f.).
Der Trennung beider Klagebegehren und der Verweisung des
Entschädigungsbegehrens steht auch nicht § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entgegen.
Diese Vorschrift führt nämlich nur zur Konzentration der Entscheidung bei dem
zunächst angerufenen Gericht, soweit ein Streitgegenstand bzw. Klagebegehren
auf mehrere Klagegründe bzw. Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, von
denen einer in dem eingeschlagenen Rechtsweg geltend gemacht werden kann.
Sie hindert das Gericht bei der Geltendmachung mehrerer prozessualer
Ansprüche bzw. Klagebegehren, also bei einer objektiven Klagehäufung aber nicht,
den Rechtsweg für eines dieser unterschiedlichen Klagebegehren für unzulässig zu
erklären, wenn eine mit dem beschrittenen Rechtsweg "korrespondierende"
Rechtsgrundlage zwar für ein anderes, nicht aber für das betreffende Begehren
ersichtlich ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15.12.1992 - 5 B 144/91 - NVwZ 1993 S.
358; OVG NW, Urteil vom 09.12.1992 - 22 A 578/91 - NVwZ-RR 1993 S. 517).
Für das hier fragliche Entschädigungsbegehren der Kläger kommen keine den
allgemeinen Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnenden,
sondern nur solche Anspruchsgrundlagen in Betracht, die den ordentlichen
Gerichten zugewiesen sind.
Soweit dem Vortrag der Kläger entnommen werden kann, daß sie Ersatz für den
Wertverlust ihres Wohngrundstücks u. a. deshalb vom beklagten Land verlangen,
weil die "laienhafte Umtrassierung" der 380-KV-Leitung, die zu den bei ihnen
eingetretenen Schäden geführt habe, in erster Linie dem Regierungspräsidenten
anzulasten sei, der trotz der bekannten Gesundheitsgefahren durch
Hochspannungsfreileitungen ohne Rücksicht auf die Bewohner Mittenaars, unter
Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und unter machtmißbräuchlicher
Verhinderung des versprochenen Planfeststellungsverfahrens den Trassenverlauf
geändert habe, könnte darin die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs
gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB zu sehen sein, für den gemäß Art. 34 Satz 3
GG i. V. m. § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG ausschließlich der ordentliche Rechtsweg
gegeben ist.
Der im übrigen eigentumsrechtlich begründbare Anspruch auf Entschädigung für
eine durch die benachbarte Stromtrasse mittelbar bewirkte Wertminderung des
klägerischen Wohngrundstücks kann weder als eine den ordentlichen Gerichten
allein wegen eines Streits über die Höhe der Entschädigung zugewiesene
Enteignungsentschädigung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG, noch als
verwaltungsgerichtlich geltend zu machender Entschädigungsanspruch aus dem
öffentlich-rechtlich gestalteten Nachbarschaftsverhältnis oder als
Ausgleichsanspruch einer gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung des
Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern vielmehr nur als Anspruch
auf Entschädigung wegen eines enteignungsgleichen Eingriffs angesehen werden,
für den als vermögensrechtlicher Anspruch aus Aufopferung für das gemeine Wohl
gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Wege einer abdrängenden Sonderzuweisung
der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.
Eine Enteignungsentschädigung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG kommt hier nicht in
Betracht, weil der Regelungsbereich dieser Vorschrift ausschließlich auf die sog.
klassische Enteignung beschränkt ist (ständige Rechtsprechung seit der sog.
Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG, Beschluß vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78
- BVerfGE 58 S. 300 ff. = NJW 1982 S. 745 ff.), also auf eine zielgerichtete
Entziehung oder Belastung eigentumsrechtlicher Rechtspositionen i. d. R. zur
Ermöglichung eines im Allgemeinwohl liegenden Vorhabens durch hoheitlichen
Rechtsakt, nämlich unmittelbar durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes,
das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die bloß mittelbare
Beeinträchtigung der Nutzbarkeit und die dadurch bewirkte Wertminderung und
erschwerte Verwertbarkeit eines Grundstücks durch faktische Auswirkungen einer
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erschwerte Verwertbarkeit eines Grundstücks durch faktische Auswirkungen einer
benachbarten Hochspannungsfreileitung stellen keine gezielte Enteignung in
diesem Sinne dar.
Eine geeignete Rechtsgrundlage für die deshalb verlangte Entschädigung stellt
auch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht aus dem öffentlich-rechtlich
gestalteten Nachbarschaftsverhältnis im Wege einer Gesamtanalogie u. a. aus
den Vorschriften des § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG und den entsprechenden
Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze, aus § 17 Abs. 4 FStrG a. F.,
jetzt § 8 a Abs. 4, § 9 Abs. 9 FStrG, § 31 Abs. 2 WHG, § 8 Abs. 4 AbfG, jetzt § 32
Abs. 2 KrW-/AbfG, und schließlich auch aus § 42 BImSchG entwickelte Anspruch auf
angemessenen Geldausgleich wegen unzumutbarer Immissionen durch eine
benachbarte hoheitliche oder hoheitlich zugelassene Anlage oder Einrichtung.
Dieser unabhängig davon, ob die Schwere der Beeinträchtigung die Grenze des
enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigt, im Verwaltungsrechtsweg geltend zu
machende Ausgleichsanspruch (a. A. BGH, Urteil vom 25.03.1993 - III ZR 60/91 -
NJW 1993 S. 1700 f.) ist hier nämlich deshalb unanwendbar, weil er nicht
Wertminderungen ausgleichen soll, sondern zweckgebunden nur für Maßnahmen
des passiven Immissionsschutzes gewährt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom
29.04.1988 - 7 C 33.87 - BVerwGE 79 S. 254 (262) und Beschluß vom 07.09.1988 -
4 N 1.87 - BVerwGE 80 S. 184 (190 f.) = NJW 1989 S. 467). Er stellt deshalb seiner
wahren Natur nach einen Aufwendungsersatzanspruch für (durchgeführte) passive
Immissionsschutzmaßnahmen dar, der gewährt wird, wenn Maßnahmen des
aktiven Immissionsschutzes unmittelbar an der störenden benachbarten Anlage
oder Einrichtung - ohne Beeinträchtigung ihres Zwecks - nicht möglich oder im
Verhältnis zum Schutzzweck unangemessen aufwendig wären, und der im Sinne
des primären, auf die Abwehr hoheitlicher Beeinträchtigungen gerichteten
Rechtsschutzes dazu dient, die Immissionen auf dem betroffenen Grundstück zu
verhindern oder auf ein zumutbares Maß zu reduzieren (vgl. Murswiek, JZ 1989 S.
240 (242)). Erst wenn bzw. soweit die mit diesem Ausgleichsanspruch finanzierten
passiven Schutzmaßnahmen auf dem betroffenen Grundstück keine wirksame
Abhilfe schaffen oder unverhältnismäßige Aufwendungen erfordern würden, kommt
ein im sekundären, auf nachträglichen Schadensausgleich gerichteten
Rechtsschutz zu verfolgender Entschädigungsanspruch für den
immissionsbedingten Wertverlust in Frage (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1993 a. a.
O.), wie er hier von den Klägern geltend gemacht wird.
Dieser ist als Anspruch auf Entschädigung wegen eines enteignungsgleichen
(rechtswidrigen) Eingriffs gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO als
"vermögensrechtlicher Anspruch aus Aufopferung für das gemeine Wohl" im
ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen, weil das - hier anwendbare -
richterrechtliche und auf einfach-gesetzlicher Stufe entwickelte Rechtsinstitut des
enteignungsgleichen Eingriffs als Anwendungsfall des allgemeinen
Aufopferungsgedankens i. S. der §§ 74, 75 EinlALR anzusehen ist (vgl. BGH,
Beschluß vom 15.12.1994 - III ZB 49/94 - NJW 1995 S. 964 ff.).
Die Beeinträchtigung der Kläger beruhte nämlich nicht auf einer gesetzlichen
Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz
2 GG. Für diesen Fall könnten die Kläger eine Entschädigung nur über einen die
Inhalts- und Schrankenbestimmung abmildernden gesetzlichen
Ausgleichsanspruch (sog. ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums)
verlangen. Für derartige einfach-gesetzliche Ansprüche ist die abdrängende
Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht anwendbar und deshalb der
allgemeine Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, weil sie vom
Gesetzgeber vorgesehene und in seine Regelungsabsicht aufgenommene
Rechtsfolgen ausgleichen sollen und damit Teil der getroffenen gesetzlichen
Regelung sind, so daß für den allgemeinen Aufopferungsanspruch kein Raum mehr
verbleibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26/92 - NJW 1993 S. 2949 ff.;
Maurer, DVBl. 1991 S. 781 ff.). Entgegen der früheren Dogmatik zu Art. 14 GG
stellt eine gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG wegen des unterschiedlichen Charakters von Inhaltsbestimmung und
Enteignung auch dann keinen - entschädigungspflichtigen - "enteignenden Eingriff"
i. S. des Art. 14 Abs. 3 GG dar und kann auch nicht in einen solchen umgedeutet
werden, wenn sie im Einzelfall die Eigentümerbefugnisse über das
verfassungsrechtlich zulässige Maß hinaus einschränkt, dafür auch keinen
Ausgleichsanspruch bereitstellt und deshalb verfassungswidrig ist (vgl. BVerfG,
Beschluß vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - NJW 1998 S. 367 f.). Bei einer
derartigen Sach- und Rechtslage ist es dem Eigentümer nämlich grundsätzlich
möglich, sich im Wege der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage, letzten
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möglich, sich im Wege der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage, letzten
Endes auch der Verfassungsbeschwerde gegen die ihn treffende Einschränkung zu
wehren. Wenn er damit in zumutbarer Weise auf den gegen jeden hoheitlichen
Eingriff durch Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich verbürgten
Primärrechtsschutz verwiesen werden kann, benötigt er keinen
Sekundärrechtsschutz, der ihm lediglich Entschädigungsansprüche bietet. Ein
solcher Fall einer gesetzlichen Bestimmung des Inhalts und der Schranken des
Eigentums liegt aber hier deshalb nicht vor, weil die von den Klägern geltend
gemachten mittelbaren Beeinträchtigungen ihrer eigentumsrechtlichen Nutzungs-
und Verwertungsbefugnisse im wesentlichen durch den von der benachbarten
Hochspannungsfreileitung ausgehenden sog. Elektrosmog vom Gesetzgeber des
zugrundeliegenden Energiewirtschaftsgesetzes vom 13. Dezember 1935 (BGBl. I
S. 1451), letztmalig geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1977 (BGBl. I S.
2750), nicht vorhergesehen und deshalb nicht in seine Regelungsabsicht
aufgenommen worden sind, weil dieses auch heute noch nicht abschließend
erforschte Phänomen damals jedenfalls als gesundheitliches, regelungsbedürftiges
Problem nicht bekannt war. Diese mittelbare Beeinträchtigung stellt sich deshalb
als ein gesetzlich nicht beabsichtigtes Sonderopfer dar, für das der allgemeine
Aufopferungsanspruch zum Zwecke des Eigentumsschutzes seinen
eigenständigen Anwendungsbereich behalten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom
24.03.1993 a. a. O.; Maurer a. a. O.).
Daß der Gesetzgeber an die Möglichkeit, daß Nachbarn von Stromfreileitungen
mittelbar in schutzwürdigen Rechten betroffen werden könnten, nicht gedacht hat,
ergibt sich schon daraus, daß die Rechte Privatbetroffener bei der behördlichen
Entscheidung über die Errichtung von Hochspannungsfreileitungen nach dem
Energiewirtschaftsgesetz und nach den landesrechtlichen Planungsgesetzen nicht
Prüfungsgegenstand sind (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28.05.1974 - IV B 73.73 -
Buchholz 451.17 Nr. 7 und Beschluß vom 09.09.1988 - 4 B 37.88 - DVBl. 1988 S.
1176; Daiber, DÖV 1990 S. 961 ff.; und aus neuerer Zeit: BVerwG, Beschluß vom
30.08.1995 - 4 B 86.95 - UPR 1995 S. 448 f., in dem u. a. eingeräumt wird, "daß
auf der Ebene der Vorhabenzulassung Defizite zu verzeichnen sein mögen"). Die
Rechte Privatbetroffener können nach der Konzeption des Gesetzgebers erst und
überhaupt nur im Enteignungsverfahren geltend gemacht werden (vgl. u. a. VGH
Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.1996 - 10 S 1/96 - NVwZ 1997 S. 90 = UPR 1997 S.
40), so daß nur Eigentumsrechte berücksichtigt werden, die im Wege einer sog.
klassischen Enteignung für die Durchführung des Vorhabens gezielt entzogen
werden sollen, nicht aber solche, die durch beeinträchtigende Auswirkungen der
Stromleitung nur mittelbar betroffen werden. Eine gesetzliche Inhalts- und
Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG für mittelbar betroffenes
Grundeigentum kann in diesen Rechtsgrundlagen deshalb nicht gesehen werden.
Angesichts der zweifelhaften Rechtsschutzmöglichkeiten Drittbetroffener gegen
die Errichtung von Hochspannungsfreileitungen (vgl. neben den oben zitierten
Äußerungen aber auch BVerwG, Beschluß vom 30.08.1995 a. a. O., das
drittbetroffene Gemeinden auf allgemeine Unterlassungs- oder (Folgen-)
Beseitigungsansprüche verweist, und VGH Bad. -Württ., Urteil vom 15.04.1997 - 10
S 4/96 - VBlBW 1998 S. 22, wonach die Rechtsschutzmöglichkeit gesundheitlich
betroffener Nachbarn ungeklärt und deshalb die Klagebefugnis zu bejahen sei)
folgt der Senat jedenfalls für derartige Fälle auch nicht der in der Literatur
vertretenen Auffassung, daß wegen des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen
Primärrechtsschutzes für das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs kein
Anwendungsbereich mehr verbleibe (vgl. Heinz/ Schmitt, NVwZ 1992 S. 513
(520)).
Nach alledem war der vorliegende, die Entschädigung wegen Wertminderung
betreffende Rechtsstreit gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG in den gemäß Art. 34
Satz 3 GG und insbesondere gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegebenen
ordentlichen Rechtsweg zu verweisen und die Kostenentscheidung gemäß § 17 b
Abs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung vorzubehalten.
Die Beschwerde ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG zuzulassen. Die
Rechtsfrage, welche Rechtsnatur einem Entschädigungsanspruch für den
Wertverlust eines Grundstücks zukommt, der durch mittelbare Auswirkungen einer
nach dem Energiewirtschaftsgesetz und dem Landesplanungsrecht errichteten
Hochspannungsfreileitung verursacht worden ist, und welcher Rechtsweg für seine
Geltendmachung gegeben ist, ist nämlich grundsätzlich klärungsbedürftig
angesichts unterschiedlicher Auffassungen zum Verhältnis von Primär- und
Sekundärrechtsschutz sowie von allgemeinem Aufopferungsanspruch und in
Sekundärrechtsschutz sowie von allgemeinem Aufopferungsanspruch und in
Vollziehung des Art. 14 GG gesetzlich geregelten Ausgleichs- oder
Entschädigungsansprüchen und zur jeweiligen Zuordnung und zum jeweiligen
Inhalt des Ausgleichsanspruchs aus dem öffentlich-rechtlich gestalteten
Nachbarschaftsverhältnis, der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des
Eigentums und des Entschädigungsanspruchs wegen enteignenden und
enteignungsgleichen Eingriffs.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.