Urteil des HessVGH vom 18.11.1991

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, genehmigung, rücknahme, grundstück, behörde, finanzielles interesse, vollziehung, rechtswidrigkeit, zugang

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 TH 2280/91
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 48 Abs 2 VwVfG HE, § 48
Abs 3 VwVfG HE, § 48 Abs
1 VwVfG HE, § 48 Abs 4
VwVfG HE, § 16 Abs 1 StrG
HE
(Rücknahme der Genehmigung zur Schaffung einer
weiteren Grundstückszufahrt - Sondernutzungserlaubnis -
Jahresfrist für Rücknahme)
Tatbestand
Der Antragsteller ist - nach der Stadt O am Main - Eigentümer des 1977/78 mit
einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in H, Gweg 23 (Flur 3, Flurstück 570/25).
Dieses Grundstück wird seither verkehrsmäßig durch einen in südlicher Richtung
zum Gweg führenden Privatweg erschlossen, der über das ebenfalls im Eigentum
des Antragstellers stehende, mit einer Doppelgarage bebaute Flurstück 570/28
verläuft. Die für die Anlage dieser Grundstückszufahrt und die spätere Errichtung
des Garagengebäudes benötigten Flächen waren speziell zu diesem Zweck aus
einer ursprünglich ebenfalls der Stadt O am Main allein gehörenden Parzelle
herausgemessen worden, deren größeres Reststück mit der gegenwärtigen
Flurstücksbezeichnung 570/26 der Antragsteller langfristig gepachtet hat.
Das Wohngrundstück des Antragstellers verfügt weiterhin in östlicher Richtung
über einen Zugang zu einem als Fußgängerweg mit seitlicher Pflanzenrabatte
ausgebauten Teilstück der Straße; diese mit Wirkung vom 15. April 1967 für den
öffentlichen Verkehr gewidmete Gemeindestraße endet vor den Grundstücken Nr.
32 und 34 (Wohnhaus der Beigeladenen) in einem Wendehammer, dessen
westliche Begrenzung durch eine Garagenzeile gebildet wird. Das Grundeigentum
des Antragstellers liegt in vollem Umfang unmittelbar außerhalb, das vorgenannte
Teilstück der S Straße noch innerhalb des vorgesehenen Geltungsbereichs eines
1968 überarbeiteten Entwurfs des Bebauungsplans Nr. 1 der Antragsgegnerin, der
zu keinem Zeitpunkt rechtswirksam geworden ist. Die Bebauung des betreffenden
Gebiets ("Neue Wohnstadt") erfolgte gleichwohl im wesentlichen auf der Grundlage
der dort beabsichtigten Festsetzungen; diese sahen eine kleinere "öffentliche
Grünfläche" zwischen der Plangebietsgrenze und der den Wendehammer nach
Westen abschließenden Garagenzeile vor. Abweichend hiervon wurden die
Garagen jedoch unmittelbar an dieser Grenze zum heutigen Flurstück 570/25 - mit
einem verbleibenden Abstand von etwa 2,5 m zu dem südlich angrenzenden
Grundstück der Beigeladenen - errichtet.
Im Jahre 1989 entschloß sich der Antragsteller, das Flurstück 570/25 mit dem
Wohngebäude - jedoch ohne die Grundstückszufahrt und die Doppelgarage auf der
Parzelle 570/28 - in absehbarer Zeit zu verkaufen. Deshalb beantragte er unter
dem 22. September 1989 bei dem Tiefbauamt der Antragsgegnerin, ihm die
Erlaubnis zur Schaffung einer Pkw-Zufahrt zu diesem Grundstück auf der für eine
Benutzung durch Fußgänger hergerichteten, zwischen der Garagenzeile und dem
Grundstück der Beigeladenen liegenden Fläche der S Straße zu erteilen. Diesem
Antrag wurde durch Bescheid vom 12. Oktober 1989 unter bestimmten, vom
Antragsteller noch zu erfüllenden Voraussetzungen entsprochen. Nachdem sich
der Antragsteller mit den Einzelheiten der von der Antragsgegnerin geforderten
Bauausführung einverstanden erklärt und das Angebot einer auf seine Kosten zu
beauftragenden Straßenbaufirma vorgelegt hatte, stimmte der Leiter des
Bauamtes der Antragsgegnerin unter dem 29. Januar 1990 der Herstellung der
Zufahrt endgültig zu.
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Im Frühsommer 1990 äußerte der Antragsteller gegenüber den Beigeladenen
erstmals ausdrücklich seine Absicht, eine Pkw-Zufahrt von der S Straße zu seinem
Wohnhaus anzulegen; im Herbst 1990 forderte er sie schriftlich zur Entfernung von
Pflanzen aus der den Zugang seitlich begrenzenden Rabatte auf. Mit Schreiben
ihrer Bevollmächtigten vom 16. Januar 1991 erhoben die Beigeladenen daraufhin
bei der Antragsgegnerin Einwendungen gegen das Vorhaben des Antragstellers
und baten um Aufschluß darüber, ob dieser tatsächlich eine Voranfrage auf
Gestattung einer Zufahrt gestellt habe. Unter dem 29. Januar 1991 setzte die
Antragsgegnerin unter Hinweis auf von der örtlichen Polizeibehörde inzwischen
erhobene verkehrstechnische Bedenken die dem Antragsteller erteilte
Genehmigung bis zum Abschluß einer weiteren Prüfung aus; am 31. Januar 1991
widerrief sie diese Genehmigung vorsorglich mit Rücksicht auf eine neue Situation,
die aufgrund vorhandener Einsprüche entstanden sei.
Durch Bescheid vom 18. Februar 1991 widerrief die Antragsgegnerin schließlich die
Genehmigung für die Anlegung einer zusätzlichen Pkw-Zufahrt zum Grundstück
des Antragstellers endgültig, weil diese offensichtlich rechtswidrig gewesen und die
angemessene Zufahrt aufgrund des bestehenden tatsächlichen Zustandes
hinreichend gewährleistet sei. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben
vom 27. Februar 1991 näher begründeten Widerspruch, über den noch nicht
entschieden ist.
Am 7. März 1991 legten die Beigeladenen Widerspruch gegen die dem
Antragsteller erteilte Genehmigung mit der Begründung ein, sie würden durch die
Herstellung der streitigen Grundstückszufahrt in ihren Nachbarrechten verletzt.
Diesem Widerspruch half die Antragsgegnerin am 8. April 1991 ab, indem sie den
Bescheid vom 12. Oktober 1989 aus den in der Verfügung vom 18. Februar 1991
dargelegten Gründen aufhob.
Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1991, der am 17. Mai 1991 bei dem
Verwaltungsgericht Darmstadt eingegangen ist, hat der Antragsteller Klage
erhoben und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 a Abs.
3 VwGO nachgesucht. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die
Antragsgegnerin am 22. August 1991 mit näherer Begründung die sofortige
Vollziehung ihres Widerrufsbescheids vom 18. Februar 1991 angeordnet.
Gleichwohl hat der Antragsteller weiterhin ausdrücklich beantragt,
die sofortige Vollziehung der ihm am 12. Oktober 1989 für den Ausbau der
Grundstückszufahrt erteilten Genehmigung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat die von ihr erlassenen Bescheide verteidigt und - ebenso
wie die Beigeladenen - beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Durch am 10. September 1991 beratenen Beschluß hat das Verwaltungsgericht
den Antrag nach § 80 a Abs. 3 VwGO im wesentlichen mit der Begründung
abgelehnt, für ihn fehle (derzeit) das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Der
Drittwiderspruch der Beigeladenen gegen die streitige Genehmigung gehe nämlich
nunmehr ins Leere, nachdem der Widerrufsbescheid vom 18. Februar 1991
gegenüber dem Antragsteller für sofort vollziehbar erklärt worden sei und dieser
die aufschiebende Wirkung seines hiergegen erhobenen Widerspruchs bislang nicht
erreicht habe; damit sei auch kein Raum mehr für eine gerichtliche Anordnung des
Sofortvollzugs nach § 80 a Abs. 3 VwGO.
Gegen diesen am 17. September 1991 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller
am 30. September 1991 Beschwerde eingelegt. Er beantragt nunmehr, unter
Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
1. gegenüber der Sofortvollzugsanordnung der Antragsgegnerin vom 22. August
1991 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Februar 1991
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, 2. gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO die
sofortige Vollziehung der Genehmigung der Antragsgegnerin vom 12. Oktober
1989 zum Ausbau der Zufahrt anzuordnen, 3. hinsichtlich des Antrags zu 1) die
Erweiterung des Antrags im zweiten Rechtszug gemäß § 91 Abs. 1 VwGO als
sachdienlich zuzulassen, hilfsweise, die Sache an das Verwaltungsgericht
Darmstadt zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen beantragen - ebenfalls sinngemäß -
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die Zurückweisung der Beschwerde auch mit den jetzt gestellten Anträgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie
auf den Inhalt der beigezogenen und zum Gegenstand der Beratung gemachten
Verwaltungsvorgänge (sechs Hefte, ein Plan) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das
Verwaltungsgericht hat den im ersten Rechtszug allein gestellten Antrag, gemäß §
80 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 VwGO (in der Fassung der
Bekanntmachung vom 19. März 1991, BGBl. I S. 686) die sofortige Vollziehung der
den Antragsteller begünstigenden Genehmigung anzuordnen, jedenfalls im
Ergebnis zu Recht abgelehnt. Auch die in zweiter Instanz erstmals - zusätzlich -
beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 4 VwGO
kommt nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen
Überprüfung nicht in Betracht. Vielmehr liegt nach derzeitigem Stand der
Erkenntnis die sofortige Vollziehung des (Rücknahme-)Bescheids vom 18. Februar
1991 im - die Interessen des Antragstellers an einer verzögerungsfreien
Ausnutzung der Sondernutzungserlaubnis vom 12. Oktober 1989 überwiegenden -
öffentlichen Interesse und zugleich im ebenfalls überwiegenden privaten Interesse
der Beigeladenen. Hierfür sind im einzelnen die nachstehenden Erwägungen
maßgeblich:
Allerdings erweist sich die mit der Beschwerde vorgenommene, nach den §§ 44
und 91 VwGO zu beurteilende Antragserweiterung als zulässig. Abgesehen davon,
daß ihr die Beigeladenen und die Antragsgegnerin mit Schriftsätzen vom 28. und
29. Oktober 1991 ausdrücklich zugestimmt haben, ist sie auch im Sinne des § 91
Abs. 1 VwGO sachdienlich. Denn der Streitstoff für den erweiterten
Rechtsschutzantrag bleibt im wesentlichen unverändert und die jetzt gewählte
Form der Antragstellung fördert ersichtlich die baldige Beilegung des Streits
zwischen den Beteiligten (vgl. hierzu Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl.
1989, § 91 RZ. 19 m. w. N.).
Der entsprechend der zweitinstanzlichen Antragstellung vorrangig zu behandelnde
Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 27. Februar 1991 gegen
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Februar 1991 wiederherzustellen, ist
jedoch nicht begründet. Dessen durch besonderen Bescheid vom 22. August 1991
angeordnete sofortige Vollziehung ist von der Antragsgegnerin entsprechend der
(formellen) Anforderung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO in ausreichendem Umfang
schriftlich begründet worden. Sie ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die von
der Antragsgegnerin im einzelnen dargelegten Sofortvollzugsgründe liegen
tatsächlich vor; sie ergeben auch nach Auffassung des Senats ein besonderes
Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts,
welches das Interesse des Antragstellers am Fortbestand der ihm erteilten
Genehmigung bis zum endgültigen Abschluß des Hauptsacheverfahrens vor allem
deshalb überwiegt, weil sein Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Erfolg
bleiben wird. Ein gegenüber den entgegenstehenden öffentlichen und privaten
Belangen gewichtigeres Interesse des Antragstellers daran, zumindest bis zum
Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung von der ihm zuteil gewordenen - wie
zu zeigen sein wird: rechtswidrigen - Begünstigung noch Gebrauch machen zu
können, ist nicht zu erkennen; insbesondere benötigt der Antragsteller eine
zusätzliche Zufahrt von der S Straße nicht für die angemessene verkehrsmäßige
Erschließung seines Wohngrundstücks, sondern nach eigenen Angaben lediglich zu
dessen günstigerer wirtschaftlicher Verwertung ohne die seit jeher über die
Parzelle 570/28 verlaufende Zufahrt zum Gr-weg. Dieses spezielle
Verwertungsinteresse ist unter den hier gegebenen Umständen nicht
schutzwürdig, jedenfalls aber muß es hinter das öffentliche Interesse sowie das
private Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung des gegenwärtigen
Erschließungszustands zurücktreten. Hierzu ist im einzelnen auszuführen:
Entgegen der Auffassung des Antragstellers bestehen - jedenfalls bei
summarischer Überprüfung - keine durchgreifenden Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit des von ihm angefochtenen Bescheids. Ungeachtet der von der
Antragsgegnerin verwendeten Terminologie handelt es sich bei dem "Widerruf der
Gestattung einer weiteren Pkw-Auffahrt" vom 18. Februar 1991 um die Rücknahme
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Gestattung einer weiteren Pkw-Auffahrt" vom 18. Februar 1991 um die Rücknahme
eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts, die mangels einer
wegerechtlichen Spezialregelung nach § 48 HVwVfG zu beurteilen ist. Nach Absatz
1 dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er
unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder
für die Vergangenheit zurückgenommen werden; ein begünstigender
Verwaltungsakt darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4
zurückgenommen werden. Von dieser Rücknahmebefugnis hat die
Antragsgegnerin hinsichtlich der dem Antragsteller durch Bescheid vom 12.
Oktober 1989 gewährten Begünstigung ohne derzeit erkennbaren
Ermessensfehler Gebrauch gemacht.
Die "Genehmigung zur Herstellung einer Pkw-Zufahrt zum Grundstück Gweg von
der öffentlichen Verkehrsfläche der S Straße" war entgegen der Ansicht des
Antragstellers ebensowenig Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung wie die
nach Erfüllung gewisser Voraussetzungen am 29. Januar 1990 schließlich erteilte
"Zustimmung" zur Bauausführung durch eine bestimmte Straßenbaufirma. Auch
um eine Zusicherung (- auf deren Rücknahme übrigens gemäß § 38 Abs. 2
HVwVfG die Vorschriften des § 48 HVwVfG entsprechend anzuwenden wären -)
handelte es sich nicht. Vielmehr wurde die zuständige Behörde aufgrund des
Antrags vom 22. September 1989 ersichtlich in der Handlungsform des
Verwaltungsakts nach § 35 HVwVfG tätig; daran ändert sich nichts dadurch, daß
die Antragsgegnerin den Antragsteller im Genehmigungsbescheid vom 12.
Oktober 1989 aufgefordert hatte, durch Leistung seiner Unterschrift sein
Einverständnis mit den dort im einzelnen aufgeführten "Bedingungen" zu erklären.
Der Abschluß eines privat-rechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vertrags ist hierin
nicht zu erblicken. Vielmehr sollte auf diese Weise nur eine baldige Klarstellung
dahin erreicht werden, ob der Antragsteller die der Genehmigung beigefügten
Nebenbestimmungen zu erfüllen bereit sei oder nicht. Die Erteilung der vom
Antragsteller begehrten Genehmigung durch Verwaltungsakt entspricht auch allein
der sich aus den §§ 16, 19 und 20 HStrG hinsichtlich der Schaffung von
Grundstückszufahrten ergebenden materiellen Rechtslage:
Nach bürgerlichem Vertragsrecht richtet sich nämlich gemäß § 20 Abs. 1 HStrG
nur die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an öffentlichen
Straßen, wenn diese den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt; dies ist vor allem
dann der Fall, wenn ein nicht dem (Fußgänger- oder Fahr-) Verkehr dienender
Straßenteil, beispielsweise eine Böschung oder ein Straßengraben, genutzt werden
soll (vgl. Neumeyer, Das Hessische Straßengesetz, Kommentar, Stand: Juni 1991,
§ 20 Erläuterung lb; Kodal/Krämer, Straßenrecht, 4. Aufl. 1985, Kapitel 5 RZ. 19
sowie Kapitel 27 RZ. 1 ff.).
Beeinträchtigt hingegen die begehrte Gebrauchsart - hier die notwendigerweise
mit einem baulichen Eingriff in die Straßensubstanz verbundene Schaffung einer
Zufahrt an Stelle eines vorhandenen Zugangs - den Gemeingebrauch, bedarf sie
nach den neueren Landesstraßengesetzen, die insoweit im wesentlichen dem
Bundesfernstraßengesetz folgen, einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis des
Baulastträgers (vgl. Kodal/Krämer, a. a. O., Kapitel 26 RZ. 8). Eine derartige
"Sondernutzungserlaubnis", die gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 HStrG nur auf Zeit oder
auf Widerruf erteilt werden darf, ist für die Schaffung einer (zweiten) Zufahrt zum
Wohngrundstück des Antragstellers erforderlich.
Zwar sieht § 19 Abs. 1 Satz 2 HStrG lediglich für Zufahrten zu Landesstraßen und
Kreisstraßen außerhalb der geschlossenen Ortslage vor, daß sie nur mit Erlaubnis
der Straßenbaubehörde errichtet oder geändert werden dürfen. Für die Zufahrten
zu Gemeindestraßen innerhalb der geschlossenen Ortslage kann deshalb nur im
Wege des Umkehrschlusses - in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung
und dem Herkommen - gefolgert werden, daß sie zu den Straßennutzungen im
Rahmen des grundsätzlich erlaubnisfreien Gemeingebrauchs rechnen (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1972 - 4 C 112.68 -, DVBl. 1973 S.
496 ff. = DÖV 1973 S. 238 ff.). Dies bedeutet allerdings noch nicht, daß der
Antragsteller aufgrund des an der S Straße bestehenden Gemeingebrauchs oder
des sogenannten Anliegergebrauchs - mithin ohne Sondernutzungserlaubnis - die
streitige Zufahrt über den bislang nur für den Fußgängerverkehr hergerichteten
Teil der öffentlichen Verkehrsfläche zu seinem Wohngrundstück in Anspruch
nehmen kann. Denn für die Anlage und die Benutzung von Zufahrten gelten
rechtliche Besonderheiten, die ihren Grund und ihre Rechtfertigung in der
spezifischen Beziehung zwischen der Zufahrt und der durch sie in Anspruch
genommenen Straße finden (vgl. hierzu und zum folgenden das Urteil des
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genommenen Straße finden (vgl. hierzu und zum folgenden das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1972, a. a. O.). Aus der
Begriffsbestimmung der "Zufahrten" als den für die Benutzung mit Fahrzeugen
bestimmten oder geeigneten Verbindungen von anliegenden Grundstücken oder
von nichtöffentlichen Wegen mit einer Straße (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 HStrG) ergibt
sich nämlich, daß jede Straßenbenutzung durch eine Zufahrt nach der objektiven
Seite hin eine besondere räumliche Beziehung zwischen der Straße und dem
durch die Zufahrt mit ihr verbundenen Grundstück voraussetzt. In subjektiver
Hinsicht folgt aus ihr, daß die Inanspruchnahme der Straße für eine Zufahrt nur
von demjenigen gefordert werden kann, der über ein für den Anschluß an die
Straße in Betracht kommendes Grundstück verfügt. Daher ist auch innerhalb der
geschlossenen Ortslage nicht schlechthin jedermann unter Berufung auf den
Gemeingebrauch berechtigt, eine Zufahrt zu einer Gemeindestraße anzulegen, zu
verändern oder dauernd zu benutzen, sondern nur derjenige, der ihrer bedarf, um
sein der Straße benachbartes Grundstück von dieser Straße aus zu erschließen.
Die durch vorstehende Einschränkungen geprägte Eigenart des durch Zufahrten
verwirklichten Gemeingebrauchs wird durch den Begriff des "Anliegergebrauchs"
umschrieben, der eine zwar erlaubnisfreie, dennoch aber über den schlichten
Gemeingebrauch hinausgehende und eben darum nicht jedermann ohne weiteres
zustehende Straßenbenutzung bezeichnet. Dabei ist kennzeichnend - und zugleich
Voraussetzung - für den Anliegergebrauch, daß das Grundeigentum in besonderer
Weise auf das Vorhandensein und die Benutzung der Straße angewiesen sein muß
(vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1977 - IV C 15.75 -,
BVerwGE 54 S. 1, 3).
Das ist bei dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück des Antragstellers
hinsichtlich der S Straße offenkundig nicht der Fall; denn das Flurstück 570/25
verfügt seit seiner Bebauung vor annähernd 15 Jahren über eine ausreichende
verkehrsmäßige Erschließung, die nach wie vor durch den eigens zu diesem Zweck
auf der Parzelle 570/28 angelegten Privatweg zum Gweg gewährleistet ist; mehr
als einen nur für Fußgänger ausgebauten Zugang zum Wendehammer der S
Straße hat dieses Grundstück - unstreitig - niemals besessen und sollte es nach
dem Inhalt der beigezogenen Baugenehmigungsunterlagen, die insoweit jeden
vernünftigen Zweifel ausschließen, auch zukünftig nicht erhalten. Auf eine für die
Benutzung mit Kraftfahrzeugen geeignete Verbindung zur S Straße ist der
Antragsteller demnach zur angemessenen Nutzung seines Wohngrundstücks in
dem hier maßgebenden straßenrechtlichen Sinn nicht angewiesen. Daß für ihn
eine solche Verbindung vorteilhaft wäre, namentlich im Hinblick auf eine getrennte
wirtschaftliche Verwertung der Parzellen 570/25 und 570/28, ist unter diesen
Umständen nicht rechtserheblich. Dies kann er - ebenso wie der Kläger des vom
Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 15. Dezember 1972 entschiedenen
Streitverfahrens - im übrigen umso weniger mit Erfolg geltend machen, als er sein
Grundstück von vornherein in Kenntnis seiner Lage und seiner ausschließlichen
Befahrbarkeit über den Gr-weg und einen zusätzlich anzulegenden Privatweg
bebaut hat.
Kann der Antragsteller demzufolge ein Zufahrtsrecht nicht auf den
Anliegergebrauch stützen, bedurfte er ungeachtet des Umstandes, daß sein
Grundeigentum auf eine Länge von etwa 2,5 m an den Wendehammer der S
Straße angrenzt, zur Herstellung und dauernden Benutzung der begehrten
Zufahrt einer Sondernutzungserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HStrG, die ihm
durch Bescheid vom 12. Oktober 1989 auch erteilt wurde.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß er dieser Erlaubnis übrigens auch
bedürfte, falls er sich entsprechend der von ihm vertretenen Auffassung auf eine
Rechtsstellung als Anlieger der S Straße berufen könnte. Die Überfahrt des
Anliegers über den Gehweg ist zwar grundsätzlich erlaubnisfrei. Vom
Anliegergebrauch wird jedoch nicht das Recht umfaßt, ohne Rücksicht auf den
Straßenzustand über einen hierfür nicht ausgebauten Gehweg in ein Grundstück
einzufahren (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. März 1968 - 4 C
232.65 -, DÖV 1968 S. 736 f.). Ein Befahren der in Rede stehenden Teilfläche der S
Straße ist auch nach der eigenen Einschätzung des Antragstellers nur nach einer
erheblichen baulichen Veränderung möglich. Insbesondere müßten der vor dem
Grundstück der Beigeladenen verlaufende Gehweg teilweise entfernt und der
bisherige Zugang zum Grundstück des Antragstellers erst für eine Benutzung
durch Kraftfahrzeuge ausgebaut werden. Diese Veränderungen der
Straßensubstanz fallen nicht unter die erlaubnisfreie Benutzung der Straße,
sondern setzen die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis voraus (vgl.
Kodal/Krämer, a. a. O., Kapitel 25 RZ. 43 und 44).
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Die dem Antragsteller daher in der richtigen Form eines Verwaltungsakts erteilte
"Genehmigung zur Herstellung einer Pkw-Auffahrt" stellt sich bei der hier
vorzunehmenden summarischen Überprüfung als rechtswidrige
Sondernutzungserlaubnis dar mit der Folge, daß sie gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1
HVwVfG - freilich unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 -
zurückgenommen werden konnte.
Entsprechend dem von der Antragsgegnerin nunmehr selbst gegebenen Hinweis
leidet die Erlaubnis vom 12. Oktober 1989 bereits deshalb an einem objektiven
Rechtsfehler, weil sie entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz
1 HStrG weder auf Zeit noch auf Widerruf, sondern völlig uneingeschränkt erteilt
wurde. Allein dieser Mangel rechtfertigt allerdings nach Auffassung des Senats
nicht eine Rücknahme, sondern - unter Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - nur die nachträgliche Beifügung einer
entsprechenden Nebenbestimmung. Die von Neumeyer (a. a. O., § 16 Erläuterung
ld, S. 208 unten) sowie Sieder/Zeitler/Kreuzer/Zech (Bayerisches Straßen- und
Wegegesetz, Kommentar, Stand: Mai 1990, Art. 18 RZ. 21 m. w. N.) vertretene
Gegenmeinung legt zugrunde, in einem derartigen Fall sei von vornherein das
Vertrauen des Erlaubnisnehmers auf den Bestand der Sondernutzungserlaubnis
geringer zu bewerten als das öffentliche Interesse daran, daß die Sicherheit und
Leichtigkeit des Verkehrs nicht durch den dauernden Bestand fremder Anlagen
beeinträchtigt werde. Diesem öffentlichen Interesse könnte aber - zumindest in
Fällen der vorliegenden Art - durch das gegenüber einer Rücknahme mildere Mittel
der Nachholung einer Nebenbestimmung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 HStrG noch
ausreichend Rechnung getragen werden.
Auf der anderen Seite kommt dem Umstand, daß keiner der mit der Erteilung der
streitigen Zufahrtsgenehmigung befaßten Amtswalter der Antragsgegnerin das
zwingende Gebot dieser Vorschrift beachtet hat, eine gewisse - durch weitere
Umstände verstärkte - Indizwirkung dafür zu, daß diese sich auch im übrigen
hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen der vom Antragsteller begehrten
Erlaubnis im Unklaren waren.
Allerdings enthalten die Vorschriften des § 16 HStrG unmittelbar keine Aussage
über die sachlichen Voraussetzungen, unter denen eine Sondernutzung allgemein
oder in der besonderen Form einer Zufahrt zu gewähren bzw. zu versagen ist. Die
Erteilung der Erlaubnis liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde;
sie hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 40 HVwVfG). Wenn sich
auch Ermächtigungszweck und Ermessensgrenzen bei der Erteilung einer
Sondernutzungserlaubnis zur Schaffung und dauernden Benutzung einer
Grundstückszufahrt nicht unmittelbar dem Gesetz entnehmen lassen, besagt dies
entgegen der Auffassung des Antragstellers noch nicht, daß eine von der
zuständigen Behörde - aufgrund welcher Erwägungen auch immer - gewährte
Erlaubnis deshalb auch stets als rechtmäßig anzusehen sei. Richtig ist hieran nur,
daß allein das Ergebnis einer Ermessensbetätigung keinen verläßlichen Aufschluß
über Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der getroffenen
Ermessensentscheidung verschafft; insoweit trifft zu, daß auch in einer
Fallgestaltung wie der vorliegenden die Erteilung der Erlaubnis für eine - zweite -
Grundstückszufahrt rechtmäßig sein kann. Dies setzt jedoch voraus, daß sich die
Behörde überhaupt bewußt war, eine abwägende Ermessensentscheidung treffen
zu müssen, sowie daß sie die nach Lage der Dinge abwägungsrelevanten
Umstände fehlerfrei ermittelt und bei ihrer Entscheidung entsprechend dem ihnen
objektiv zukommenden Gewicht berücksichtigt hat (vgl. Kopp,
Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 1986, § 40 RZ. 14 und 15;
Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1983, § 40 RZ.
28, jeweils m. w. N.). Hieran bestehen nach derzeitigem Erkenntnisstand so
erhebliche Zweifel, daß zumindest für das vorläufige Rechtsschutzverfahren von
der Rechtswidrigkeit der dem Antragsteller - unbefristet und unwiderruflich -
erteilten Sondernutzungserlaubnis ausgegangen werden muß.
Diese Zweifel beruhen zunächst darauf, daß die mit der Angelegenheit befaßten
Amtswalter der Antragsgegnerin ursprünglich offenbar nicht erkannt haben, daß es
sich bei der vom Antragsteller begehrten Erlaubnis um mehr als eine
Genehmigung für Straßenbauarbeiten handelte. Sie ergeben sich ferner - verstärkt
- daraus, daß diese Amtswalter ersichtlich in der Annahme gehandelt haben, bei
Erfüllung der straßenbautechnischen Anforderungen durch die auf Kosten des
Antragstellers zu beauftragende Fachfirma seien weitere (rechtliche)
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Antragstellers zu beauftragende Fachfirma seien weitere (rechtliche)
Anforderungen etwa im Hinblick auf Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs oder
hinsichtlich der Belange betroffener Anlieger nicht zu stellen. Nur so ist es nämlich
zu erklären, daß nur mit dem Antragsteller selbst verhandelt, jedoch weder die
Straßenverkehrsbehörde eingeschaltet noch den Beigeladenen als den durch die
begehrte Zufahrt unmittelbar betroffenen Anliegern der Stettiner Straße
Gelegenheit zu einer Äußerung eingeräumt wurde. Dies hätte aber im Sinne eines
rechtlich einwandfreien Entscheidungsfindungsprozesses jedenfalls angesichts der
offenkundig problematischen örtlichen Verhältnisse geschehen müssen. Außer der
Wahrung eines einwandfreien Straßenzustandes sind nämlich regelmäßig die
Belange des Verkehrs Versagungs- oder Einschränkungsgründe (vgl.
Kodal/Krämer, a. a. O., Kapitel 26 RZ. 14); insbesondere ist nach der wiederholt
zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (DVBl. 1973 S. 498 =
DÖV 1973 S. 239) eine Sondernutzungserlaubnis zu versagen, soweit die
Versagung aus Gründen der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs nötig ist.
Diese Voraussetzung wurde vor Erlaß des Bescheids vom 12. Oktober 1989 nicht
geprüft. Weiterhin ist auch das öffentlich-rechtliche Bedürfnis, zeitlich und örtlich
gegenläufige Interessen verschiedener Straßenbenutzer auszugleichen,
Schutzzweck der Erlaubnis für die Sondernutzung und deshalb bei der
Ermessensentscheidung zu berücksichtigen (Kodal/Krämer, a. a. O.); auch dieser
Ausgleichs- und Verteilungsfunktion der Sondernutzungserlaubnis ist hier
ersichtlich nicht Rechnung getragen worden, obwohl sich der Antragsgegnerin die
Notwendigkeit einer auch die Interessen der Beigeladenen einbeziehenden
Abwägungsentscheidung nach der Örtlichkeit geradezu hätte aufdrängen müssen.
Diese Mängel im Abwägungsvorgang führen - ungeachtet des als solchen rechtlich
nicht unbedingt zu beanstandenden Ergebnisses - zur Rechtswidrigkeit des
Genehmigungsbescheides vom 12. Oktober 1989 mit der Folge der
Rücknehmbarkeit unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HVwVfG (vgl.
Neumeyer, a. a. O., S. 207).
Die durch Bescheid vom 18. Februar 1991 gegenüber dem Antragsteller erklärte
Rücknahme scheitert nicht bereits, wie dieser meint, an der gemäß Abs. 4 Satz 1
dieser Vorschrift einzuhaltenden Jahresfrist. Dies träfe hier (nur dann) zu, wenn die
Frist von einem Jahr seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Tatsachen, welche
die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen, bereits ab
Erlaß des zurückzunehmenden Verwaltungsakts liefe. Dies ist indessen
unabhängig davon, ob der Behörde ein zu dessen Rechtswidrigkeit führender
"Tatsachenirrtum" oder aber ein "Rechtsirrtum" unterlaufen ist, nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß des Großen Senats
vom 19. Dezember 1984, BVerwGE 70 S. 356), der der Senat folgt, nicht der Fall.
Der mit der hier anzuwendenden landesrechtlichen Vorschrift wörtlich
übereinstimmende § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG findet danach nämlich auch dann
Anwendung, wenn die Behörde nachträglich erkennt, daß sie den beim Erlaß eines
begünstigenden Verwaltungsakts vollständig bekannten Sachverhalt lediglich
unzureichend berücksichtigt oder unrichtig gewürdigt und deswegen rechtswidrig
entschieden hat. Bei unvollständig oder fehlerhaft ermitteltem Sachverhalt gilt
dies ohnehin. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die Behörde die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die für die
Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt
sind (BVerwGE 70 S. 356, 358 ff., 361 ff.); dabei erlangt die Behörde positive
Erkenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts
rechtfertigen, erst dann, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung
zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst
innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener
Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen
feststellt. Daraus folgt, daß die Jahresfrist nicht schon mit dem Erlaß des
Verwaltungsakts zu laufen beginnt, und zwar selbst dann nicht, wenn eine bewußte
oder gewollte Fehlentscheidung vorliegt, mit der dem Begünstigten ein
rechtswidriger Vorteil zugewendet werden soll (BVerwGE 70 S. 364 f.). Eine andere
Auffassung, wie sie auch der Antragsteller vertritt, würde dazu führen, daß ein
Verwaltungsakt in der Regel nur innerhalb eines Jahres seit seinem Erlaß
zurückgenommen werden dürfte; dies wäre auch nach Auffassung des Senats mit
der Konzeption des § 48 HVwVfG nicht vereinbar.
Hat die Jahresfrist demzufolge nicht bereits mit dem Erlaß des Bescheids vom 12.
Oktober 1989 zu laufen begonnen, kann sie im Zeitpunkt seiner Rücknahme am
18. Februar 1991 nicht abgelaufen gewesen sein; denn an der maßgeblichen
Erkenntnissituation hat sich für die Antragsgegnerin frühestens aufgrund der
Intervention der Beigeladenen vom 16. Januar 1991 eine Änderung ergeben. Erst
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Intervention der Beigeladenen vom 16. Januar 1991 eine Änderung ergeben. Erst
zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber nicht bereits vor dem 18. Februar 1990,
haben die für die rechtliche Überprüfung zuständigen Amtswalter der
Antragsgegnerin Kenntnis von den die Rechtswidrigkeit der dem Antragsteller
erteilten Genehmigung begründenden Umständen erlangt. Dem Ergebnis der
daraufhin veranlaßten rechtlichen Überprüfung hat die Antragsgegnerin sodann
alsbald - etwa innerhalb eines Monats - durch die Rücknahme Rechnung getragen.
Schließlich stehen auch die aus § 48 Abs. 2 und 3 HVwVfG folgenden
Einschränkungen der unter der Geltung des Rechtsstaatsprinzips grundsätzlich
eröffneten Rücknahmemöglichkeit nicht der von der Antragsgegnerin am 18.
Februar 1991 getroffenen Entscheidung entgegen. Das Gesetz unterscheidet
insoweit zwischen Verwaltungsakten, die eine einmalige oder laufende Geldleistung
oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind (Abs. 2) und
sonstigen Verwaltungsakten (Abs. 3). Bei einer rechtswidrigen
Sondernutzungserlaubnis handelt es sich jedenfalls dann, wenn sie entgegen § 16
Abs. 2 Satz 1 HStrG weder auf Zeit noch auf Widerruf erteilt wurde, um einen nicht
unter Abs. 2 fallenden Verwaltungsakt mit der Folge, daß sie - anders als der auf
eine Geld- oder teilbare Sachleistung gerichtete Verwaltungsakt - ohne Abwägung
des Vertrauens des Betroffenen mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme
zurückgenommen werden kann und dieser in der Regel nur einen öffentlich-
rechtlichen Anspruch auf Ausgleich der durch die Rücknahme verursachten
Vermögensnachteile geltend machen kann (vgl. Kopp,
Verwaltungsverfahrensgesetz, § 48 RZ. 83 und 84; Stelkens/Bonk/Leonhardt, a. a.
O., § 48 RZ. 42, 43 ff.). Soweit die Auffassung vertreten wird, die Rücknahme einer
fehlerhaft erteilten Erlaubnis auf Zeit bestimme sich nach § 48 VwVfG und im
Sinne dieser Vorschrift handele es sich bei einer Sondernutzung um die
Gewährung einer (nach Zeiteinheiten) teilbaren Sachleistung gemäß Abs. 2
(Kodal/Krämer, a. a. O., Kapitel 26 RZ. 24), könnte sich der Senat ihr jedenfalls
dann nicht anschließen, wenn damit zugleich gesagt sein sollte, daß eine -
gesetzwidrig - unwiderruflich und unbefristet erteilte Sondernutzungserlaubnis nur
nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 HVwVfG rücknehmbar wäre. Denn zumindest eine
derartige unbefristete Erlaubnis berührt nicht oder nicht vorrangig bloße fiskalische
Interessen, sondern wichtige sonstige öffentliche Interessen und ist deshalb -
ebenso wie andere Erlaubnisse oder Genehmigungen (vgl. hierzu
Stelkens/Bonk/Leonhardt, a. a. O., RZ. 42) - dem Anwendungsbereich des Abs. 3
zuzuordnen.
Gleichwohl sei - lediglich ergänzend - angemerkt, daß die dem Antragsteller
erteilte Genehmigung wohl auch unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2
HVwVfG rücknehmbar wäre. Nach Satz 1 dieser Bestimmung kommt die
Rücknahme nicht in Betracht, soweit der Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem
öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Jedenfalls an der
zuletzt genannten Voraussetzung dürfte es hier fehlen, weil der Antragsteller noch
keine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter
unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Ohne Erfolg wendet
er insoweit ein, er habe (freilich erst am 16. Januar 1991) den Auftrag zur
Ausführung der erforderlichen Straßenbauarbeiten bereits erteilt. Denn dieser
Auftrag ist unstreitig bislang nicht ausgeführt worden; der Antragsteller hat selbst
auch nicht vorgetragen, daß er etwa bereits Zahlungen an den beauftragten
Unternehmer hätte leisten müssen. Unter diesen Umständen ist auf seiten des
Antragstellers ein schutzwürdiges Vertrauen schon im Ansatz nicht zu erkennen.
Deshalb kann offen bleiben, ob der Antragsteller - wie die Antragsgegnerin
sinngemäß ausführt - die Genehmigung vom 12. Oktober 1989 durch Angaben
erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung, nämlich hinsichtlich der baurechtlichen
Verkehrserschließung seines Wohngrundstücks, unrichtig bzw. unvollständig waren
(Satz 3 Nr. 2) oder ob er - als Volljurist - die Rechtswidrigkeit dieser Genehmigung
kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Satz 3 Nr. 3).
Die wiederum nach Ermessensgrundsätzen zu treffende Rücknahmeentscheidung
vom 18. Februar 1991 erweist sich bei gerichtlicher Nachprüfung gemäß § 114
VwGO als fehlerfrei. Die Antragsgegnerin hat nunmehr alle wesentlichen
Gesichtspunkte - einschließlich der Verkehrssicherheit auf dem Wendehammer der
Stettiner Straße und der tatsächlichen nachteiligen Betroffenheit der Beigeladenen
- bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, die sie schon vor Erlaß des den
Antragsteller begünstigenden Bescheids hätte berücksichtigen müssen. Auch im
Ergebnis ist ihre Entscheidung rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit fällt vor
allem ins Gewicht, daß die Anlegung einer (zweiten) Zufahrt zum Grundstück des
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allem ins Gewicht, daß die Anlegung einer (zweiten) Zufahrt zum Grundstück des
Antragstellers, der auf sie nicht im Sinne des straßenrechtlichen
Anliegergebrauchs angewiesen ist, zu einer nicht unerheblichen Gefahrensituation
führen würde, die durch die Art der dem Bebauungsplanentwurf der
Antragsgegnerin weitgehend folgenden Straßenanlage und Bebauung gerade
hatte verhindert werden sollen. Denn bliebe die dem Antragsteller erteilte
Sondernutzungserlaubnis bestehen, würde dies auf Dauer insbesondere dazu
führen, daß Kraftfahrzeugverkehr auf einer bisher dem Fußgängerverkehr
vorbehaltenen Fläche der S Straße stattfinden würde und die Beigeladenen beim
Betreten bzw. Verlassen ihres Grundstücks diesen Verkehr ohne Sicherheitszone
in Form eines Gehwegs kreuzen müßten. Eine derartige Verkehrsführung ist bei
der Bebauung des Geländes aus guten Gründen, nicht zuletzt wegen der
eingeschränkten Sichtverhältnisse, nie in Erwägung gezogen worden; ihre
Verhinderung auch für die Zukunft ist das rechtmäßige Ergebnis einer
verfahrensrechtlich einwandfreien Ermessensbetätigung durch die
Antragsgegnerin.
Nach allem überwiegen unter Berücksichtigung der - geringen - Erfolgsaussichten
des Widerspruchs vom 27. Februar 1991 das öffentliche (Verkehrssicherheits-
)Interesse sowie das private Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung des
bestehenden Zustands, die zusammen ein hinreichendes Sofortvollzugsinteresse
ergeben. Das angesichts langjähriger anderweitiger Verkehrserschließung seines
Grundstücks sachlich kaum nachvollziehbare Interesse des Antragstellers,
jedenfalls bis zu einer endgültigen Entscheidung von der ihm erteilten
Genehmigung Gebrauch machen zu können, wiegt gering, zumal mit erheblichem
Kostenaufwand in die Straßensubstanz eingegriffen werden muß und nicht damit
zu rechnen ist, daß es mit diesen Arbeiten auf Dauer sein Bewenden hat. Soweit
der Antragsteller mit Herstellung und Benutzung der zweiten Grundstückszufahrt
ein erhebliches finanzielles Interesse - im Hinblick auf eine beabsichtigte getrennte
Veräußerung der Parzellen 570/25 und 570/28 - verbindet, ist dieses Interesse
nicht schutzwürdig; denn das insoweit einschlägige Straßenrecht schützt den
Einzelnen nur, soweit dieser für die Erschließung seines Grundstücks einer
angemessenen Zufahrt tatsächlich bedarf (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - II
OG 13/75 -). Dies ist hier aber hinsichtlich der S Straße, wie dargelegt, seit
annähernd fünfzehn Jahren unverändert nicht der Fall.
Zwar gibt es außer der wegerechtlichen auch eine baurechtliche Zulässigkeit von
Zufahrt und Zugang. Insbesondere können in Bebauungsplänen Festsetzungen
über den Anschluß der Grundstücke an die Verkehrsflächen getroffen werden. Ist
umgekehrt bebauungsrechtlich ein Anschluß eines Grundstücks an die Straße
ausgeschlossen, so kann er nicht unter Berufung auf wegerechtliche Zulässigkeit
geschaffen werden (vgl. Kodal/Krämer, a. a. O., Kapitel 28 RZ. 40).
Aus diesen Grundsätzen folgt aber kein Gesichtspunkt, der die nach § 80 Abs. 5
Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers
beeinflussen könnte. Vielmehr ist auch und gerade bei einer baurechtlichen
Würdigung davon auszugehen, daß dessen Wohngrundstück verkehrsmäßig -
abgesehen von einem Zugang - bewußt nicht von der S Straße, sondern
ausschließlich vom Gweg erschlossen wird. Dies läßt sich nicht nur dem der
tatsächlichen Bebauung zugrundeliegenden Entwurf eines Bebauungsplans Nr. 1
der Antragsgegnerin, sondern - eindeutig - vor allem auch den eine Bauvoranfrage
für die jetzige Parzelle 570/25 betreffenden Vorgängen, den - lediglich einen
Zugang zur S Straße vorsehenden - Baugenehmigungsunterlagen selbst sowie
schließlich der räumlichen Anordnung der an das Wohnhaus unmittelbar
anschließenden Garage mit hinreichender Sicherheit entnehmen.
Muß demzufolge der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung
des Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid vom 18. Februar 1991
abgelehnt werden, kann auch der vom Antragsteller im zweiten Rechtszug
außerdem weiterverfolgte Antrag, gemäß § 80 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1
Nr. 1 VwGO die sofortige Vollziehung der ihm erteilten Genehmigung gerichtlich
anzuordnen, nicht zum Erfolg führen. Denn unabhängig von der hier nicht näher zu
vertiefenden Frage eines etwaigen Vorrangs einer dieser beiden
Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der jeweils anderen kommt jedenfalls,
sofern das Gericht einem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht entsprochen
hat, aus denselben Gründen eine Stattgabe nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO
bereits deshalb nicht in Betracht, weil auch insoweit die Vorschriften des § 80 Abs.
5 bis 8 VwGO entsprechend gelten (Satz 2) und sich das Gericht nicht in
Widerspruch zu seiner eigenen Entscheidung setzen kann.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.