Urteil des HessVGH vom 01.06.1994

VGH Kassel: umwandlung, einstweilige verfügung, privatisierung, mitbestimmungsrecht, dringender fall, systematische auslegung, stadt, auflösung, magistrat, mitwirkungsrecht

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
Fachsenat für
Personalvertretungssachen
(Land)
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
TL 864/94
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
73a PersVG HE, § 81
Abs 1 S 1 PersVG HE, §
81 Abs 2 PersVG HE, §
111 Abs 2 PersVG HE
(Voraussetzungen und Wirkungen einer auf Feststellung
gerichteten einstweiligen Verfügung im
personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren -
vorläufige Feststellungen; Mitbestimmung des
Personalrates bei der Privatisierung - Umwandlung eines
Eigenbetriebes in eine GmbH)
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Feststellung,
daß die beabsichtigte Umwandlung der Stadtwerke H. in eine GmbH der
Mitbestimmung des Antragstellers gemäß § 81 Abs. 1 des Hessischen
Personalvertretungsgesetzes - HPVG - Tatbestand der Privatisierung - unterliegt.
Am 17. Juni 1993 beschloß die Stadtverordnetenversammlung der Stadt H., die
bisher als Eigenbetrieb geführten Stadtwerke H. in eine Kapitalgesellschaft
umzuwandeln sowie den Magistrat zu beauftragen, eine Stellungnahme eines
Wirtschaftsprüfers über Art und Weise sowie über Möglichkeiten der Gründung und
Umwandlung einer solchen Kapitalgesellschaft einzuholen. Mit Schreiben vom 30.
September 1993 wurde dem Antragsteller der Entwurf eines
Personalüberleitungsvertrages ausgehändigt. Mit einem an den Magistrat der
Stadt H. gerichteten Schreiben vom 19. Oktober 1993 reklamierte der
Antragsteller im Hinblick auf die beabsichtigte Umwandlung der Stadtwerke sein
Mitbestimmungsrecht nach § 81 HPVG. Der Bürgermeister der Stadt H., der
zugleich Vorsitzender der Betriebskommission des Eigenbetriebs ist, führte mit
dem Antragsteller daraufhin ein Gespräch über die Umwandlung. Mit Schreiben
vom 22. Oktober 1993 versicherte der Bürgermeister, daß der
Personalüberleitungsvertrag mit dem Antragsteller erarbeitet und einvernehmlich
abgeschlossen werden solle. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1993 machte der
Antragsteller bei dem Magistrat der Stadt H. erneut das Mitbestimmungsrecht
nach § 81 Abs. 1 HPVG geltend. Entsprechend äußerte er sich mit Schreiben vom
05. November 1993 gegenüber der Betriebsleitung der Stadtwerke H. Der
Magistrat holte ein Gutachten des Hessischen Städte- und Gemeindebundes ein,
in dem die Auffassung vertreten wird, der Antragsteller sei im Hinblick auf die
Umwandlung nicht zu beteiligen.
Am 20. Dezember 1993 hat der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht den
Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt. Er ist der Auffassung, ihm stehe ein
Verfügungsanspruch aus § 81 Abs. 1 HPVG zu.
Der Antragsteller hat beantragt,
1. im Eilverfahren, bis zur Entscheidung in der Hauptsache, festzustellen, daß die
beabsichtigte Umgründung/ Privatisierung der Stadtwerke Herborn ab 01.01.1994
der Mitbestimmung durch den Antragsteller nach § 81 Abs. 1 des Hessischen
Personalvertretungsgesetzes unterliegt.
2. im einstweiligen Verfügungsverfahren, bis zur Entscheidung in der Hauptsache,
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2. im einstweiligen Verfügungsverfahren, bis zur Entscheidung in der Hauptsache,
festzustellen, daß der Beteiligte verpflichtet gewesen wäre, vor Beauftragung der
Firma S. - Wirtschafts- und Steuerberatungs GmbH - für die Erstellung eines
Wirtschaftlichkeitsgutachtens die Zustimmung des Antragstellers nach § 81 Abs. 5
des Hessischen Personalvertretungsgesetzes einzuholen.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Antragsteller werde laufend über die Umwandlung
informiert. Ein Verfügungsgrund sei nicht gegeben, denn der Antragsteller habe
nicht glaubhaft gemacht, daß schwere und unzumutbare Nachteile entstünden,
wenn er die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwarten müsse. Der
Antragsteller habe auch einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein
Mitbestimmungsrecht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG sei ausgeschlossen, weil die
Umwandlung des Eigenbetriebes von der Stadtverordnetenversammlung am 02.
Dezember 1993 beschlossen worden sei. Wie durch das Urteil des Hessischen
Staatsgerichtshofs vom 30. April 1986 - P.St. 1023 - (Staatsanzeiger Seite 1089)
bestätigt worden sei, könne eine Beteiligung des Personalrats im Rahmen des § 81
Abs. 1 HPVG nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um eine Maßnahme
handele, die die Dienststelle betreffe und für die sie regelungsbefugt sei. Es sei
jedoch nach § 51 Nr. 12 der Hessischen Gemeindeordnung - HGO - alleinige
Angelegenheit der Stadtverordnetenversammlung, über die Umwandlung zu
entscheiden. Ein Mitbestimmungsrecht sei auch im Hinblick auf den Wortlaut des §
81 Abs. 1 Satz 1 HPVG zu verneinen. Die Vorschrift gehe davon aus, daß nach der
Vergabe oder Privatisierung die Arbeiten und Aufgaben nicht mehr durch die
Beschäftigten der Dienststelle wahrgenommen würden. Hier würden die Arbeiten
und Aufgaben jedoch weiterhin durch die Beschäftigten der Dienststelle
wahrgenommen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluß vom 11.
Februar 1994 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Hinblick auf die
Dringlichkeit und wegen der Überlastung der Fachkammer entscheide diese ohne
mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden allein. Der Antrag sei
zulässig, aber unbegründet. Soweit er sich auf die Feststellung beziehe, der
Beteiligte habe vor einer Beauftragung zur Erstellung eines
Wirtschaftlichkeitsgutachtens die Zustimmung des Antragstellers einholen
müssen, fehle das Eilbedürfnis, da das in Auftrag gegebene Gutachten bereits
erstellt sei und die Maßnahme sich damit erledigt habe. Hinsichtlich der begehrten
Feststellung, die Umwandlung des Eigenbetriebes in eine GmbH unterliege der
Mitbestimmung, bestehe ein Eilbedürfnis. Ein Mitbestimmungsrecht entfalle nicht
deshalb, weil die Umwandlung auf einem Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung beruhe. Den in der Entscheidung des Hessischen
Staatsgerichtshofs geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken insbesondere an
einer Mitbestimmung in wirtschaftlichen und organisatorischen Angelegenheiten
habe der Gesetzgeber Rechnung getragen, denn der Obersten Dienstbehörde
stehe auch nach einer Durchführung des Stufenverfahrens und der Anrufung der
Einigungsstelle das letzte Entscheidungsrecht zu (§ 71 Abs. 4 Satz 2 HPVG). Eine
systematische Auslegung des § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG spreche dafür, daß ein
Mitbestimmungsrecht nur dann gegeben sei, wenn bestimmte Aufgaben der
Dienststelle auf Dritte übertragen würden. Betreffe die Privatisierung nicht nur
bestimmte Tätigkeitsbereiche der Dienststelle, sondern sei wie hier eine
Umwandlung der Dienststelle in eine andere Organisationseinheit mit
privatrechtlicher Gesellschaftsform geplant, greife § 81 Abs. 2 HPVG ein, denn in
einem solchen Fall gehe die Privatisierung mit einer Auflösung der Dienststelle
einher. Die Auflösung unterliege jedoch gemäß § 81 Abs. 2 HPVG lediglich der
Mitwirkung des Personalrats. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Privatisierung von
Aufgaben sei daher vom Gesetzgeber nur dann eingeräumt worden, wenn die
Dienststelle oder wesentliche Teile von ihr von der Privatisierungsmaßnahme
unberührt blieben.
Der Antragsteller hat gegen den am 25. Februar 1994 zugestellten Beschluß am
24. März 1994 Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 24. März 1994,
eingegangen am 25. März 1994 begründet hat.
Er verlangt im Beschwerdeverfahren lediglich die Feststellung, daß die
Umwandlung der Mitbestimmung gemäß § 81 Abs. 1 HPVG unterliegt. Zur
Begründung trägt er vor, da der Beteiligte spätestens im Juni 1994 die
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Begründung trägt er vor, da der Beteiligte spätestens im Juni 1994 die
Umwandlung vornehmen wolle, könne die Klärung der Meinungsverschiedenheit in
einem Hauptsacheverfahren nicht erreicht werden. Er, der Antragsteller, begehre
deshalb den Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Die Umwandlung des
Eigenbetriebes in eine GmbH stelle eine Privatisierung im Sinne des § 81 Abs. 1
Satz 1 HPVG dar. Eine Privatisierung liege nicht nur dann vor, wenn Aufgaben
durch Rechtsgeschäft im Sinne von § 613a BGB auf Private übertragen würden. Mit
"Auflösung der Dienststelle" sei die Betriebsstillegung gemeint. Aber auch dann,
wenn die Voraussetzungen des Mitwirkungsrechts nach § 81 Abs. 2 HPVG erfüllt
wären, wäre hierdurch die Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts nach § 81
Abs. 1 Satz 1 HPVG nicht ausgeschlossen. Dies ergebe sich eindeutig aus § 73a
HPVG. Das Mitbestimmungsrecht scheitere nicht daran, daß die Arbeiten und
Aufgaben des Eigenbetriebs Stadtwerke Herborn nach der Umwandlung weiterhin
durch die Beschäftigten der Dienststelle wahrgenommen würden, denn nach der
Umwandlung seien die Beschäftigten nicht mehr Beschäftigte der Dienststelle,
sondern Beschäftigte der GmbH.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses im Wege der einstweiligen
Verfügung vorläufig festzustellen, daß die beabsichtigte Umwandlung der
Stadtwerke der Mitbestimmung des Antragstellers gemäß § 81 Abs. 1 HPVG
unterliegt.
Der Beteiligte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 14. April 1994 hat der Bevollmächtigte des Beteiligten auf
entsprechende Anfrage des Senatsvorsitzenden mitgeteilt, daß nach einer
Erklärung des Bürgermeisters der Stadt H. vom 14. April 1994 die Umwandlung
der Stadtwerke nicht vor dem 20. Juni 1994 erfolgen werde.
Der Beteiligte trägt vor, mit der Einfügung des § 81 Abs. 1 Satz 1 in das HPVG
könne von dem Gesetzgeber nur der Zweck verfolgt worden sein zu verhindern,
daß Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ihre Arbeitsplätze infolge der
Privatisierung verlören. Ein Mitbestimmungsrecht komme danach nur in solchen
Fällen in Betracht, in denen Arbeiten und Aufgaben künftig von Dritten
wahrgenommen werden sollten, was hier jedoch nicht der Fall sei. Die
Entscheidung darüber, ob der Eigenbetrieb Stadtwerke H. in eine GmbH
umgewandelt werde, obliege allein der Stadtverordnetenversammlung und nicht
der Dienststelle. Nach der Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs vom
30. April 1986 - P.ST. 1023 - (Staatsanzeiger Seite 1089) könne eine Beteiligung
des Personalrats im Rahmen des § 81 Abs. 1 HPVG nur dann in Betracht kommen,
wenn es sich um eine Maßnahme handele, für die die Dienststelle regelungsbefugt
sei. Hier sei die Stadtverordnetenversammlung nach § 51 Nr. 12 HGO
ausschließlich zuständig.
Die Verwaltungsvorgänge des Beteiligten (1 Heft) haben vorgelegen und sind zum
Gegenstand der Anhörung gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird auf ihren Inhalt sowie auf die gewechselten
Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Beschluß des Verwaltungsgerichts
ist schon deshalb zu ändern, weil statt der vollen Besetzung der Fachkammer für
Personalvertretungssachen (Land) nur deren Vorsitzender entschieden hat. § 85
Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes - ArbGG -, der nach § 111 Abs. 3 HPVG
entsprechend anwendbar ist, verweist für das Verfahren auf die Vorschriften des
Achten Buches der Zivilprozeßordnung betreffend die einstweilige Verfügung mit
der Maßgabe, daß die Entscheidungen durch Beschluß der Kammer ergehen. Es
ist daher fraglich, ob die im Achten Buch der Zivilprozeßordnung enthaltene
Regelung in § 944 ZPO, wonach in dringenden Fällen der Vorsitzende allein
entscheidet, anzuwenden ist (die Anwendbarkeit verneinen beispielsweise
Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, Kommentar, 1990, Rdnr. 45
zu § 85 mit weiteren Nachweisen). Selbst dann, wenn § 944 ZPO entsprechend
anwendbar ist, kann sich hier eine Befugnis des Vorsitzenden, allein zu
entscheiden, aus dieser Vorschrift nicht ergeben, weil kein dringender Fall im Sinne
des § 944 ZPO vorgelegen hat. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es verhindert
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des § 944 ZPO vorgelegen hat. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es verhindert
haben, ehrenamtliche Richter zur Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung heranzuziehen (vgl. auch den Beschluß des Senats vom
17. März 1994 - TL 2868/93 - Seiten 9 und 10 des amtlichen Umdrucks). Der
Beteiligte hat bereits auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 10. Januar 1994
vorgetragen, daß die GmbH nach Auskunft des von ihm, dem Beteiligten,
beauftragten Wirtschaftsprüfungsunternehmens keinesfalls vor Juni 1994 bei dem
Amtsgericht eingetragen werden könne. Deshalb hatte das Verwaltungsgericht
genügend Zeit, in voller Kammerbesetzung über den Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung zu entscheiden.
Der auf die vorläufige Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts
gerichtete Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat Erfolg.
Der Zulässigkeit des Antrags auf einstweilige Verfügung steht die durch das
Änderungsgesetz vom 25. Februar 1992 (GVBl. I S. 77) eingeführte Regelung in §
111 Abs. 2 HPVG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können der Personalrat
oder eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft bei groben Verstößen des
Dienststellenleiters gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim
Verwaltungsgericht beantragen, dem Dienststellenleiter zur Sicherung der Rechte
nach diesem Gesetz aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme
einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Die Voraussetzung,
daß der Beteiligte gegen seine Verpflichtungen aus dem Hessischen
Personalvertretungsgesetz grob verstoßen hat, liegt nicht vor. Angesichts der
Argumente, mit denen der Beteiligte das Vorliegen eines Mitbestimmungsrechts
nach § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG - Tatbestand der Privatisierung von Arbeiten oder
Aufgaben - verneint, kann jedenfalls von einem groben Verstoß keine Rede sein.
Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag auf vorläufige Feststellung ist
auch im übrigen zulässig. Ob und unter welchen Voraussetzungen im
personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren einstweilige Verfügungen
ergehen können, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.
Der Senat hat dazu in seinem den Verfahrensbeteiligten bekannten Beschluß vom
27. Februar 1992 - HPV TL 2246/91 - ESVGH 42, 216, entschieden, daß effektiver
Rechtsschutz in dringenden Fällen im Rahmen des - objektiven -
personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens, das nicht der Verfolgung von
Individualansprüchen, sondern unter anderem der Klärung und Feststellung von
Zuständigkeiten und von personalvertretungsrechtlich festgelegten Befugnissen
dient, durch die dazu gesetzlich vorgesehenen einstweiligen Verfügungen (§ 85
Abs. 2 ArbGG) in der Weise zu gewähren ist, daß keine Handlungspflichten verfügt,
sondern vorläufige Feststellungen getroffen werden. An den Erlaß einstweiliger
Verfügungen sind in personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren hohe
Anforderungen zu stellen, wenn zu erwarten ist, daß gewichtige Folgen vorläufiger
Regelungen bei einer entgegengesetzten Entscheidung in der Hauptsache nicht
mehr ausgeglichen werden können, weil beispielsweise Schadensersatzansprüche
nach § 945 ZPO ausgeschlossen sind (vgl. § 85 Abs. 2 ArbGG). Eine einstweilige
Verfügung kann in derartigen Fällen nur ergehen,
- wenn ohne ihren Erlaß schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die
durch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden
könnten,
- wenn sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren erweisen wird,
daß der Anspruch, dessen Sicherung sie dienen soll, besteht,
- wenn andererseits die Regelung keine gewichtigen Folgen hat, die für davon
Betroffene unzumutbar wären und
- wenn nicht ausnahmsweise sonstige überwiegende besonders
gewichtige Gründe entgegenstehen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Ohne den Erlaß der begehrten einstweiligen
Verfügung entstünden dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile
dadurch, daß eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu spät käme und die
außerordentlich bedeutsame Beteiligung des Antragstellers bei der Umwandlung
des Eigenbetriebs in eine GmbH - die Umwandlung wäre von erheblichem Gewicht
für die Beschäftigten - unterbliebe. Die Beteiligung könnte auch nicht mehr
nachgeholt werden, weil die Umwandlung die Auflösung des Personalrats zur Folge
hätte.
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Im Hauptsacheverfahren wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erweisen, daß der
vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Mitbestimmung besteht. Die
Umwandlung des Eigenbetriebes Stadtwerke in eine GmbH fällt unter den in § 81
Abs. 1 Satz 1 HPVG geregelten Mitbestimmungstatbestand der "Privatisierung von
Arbeiten oder Aufgaben, die bisher durch die Beschäftigten der Dienststelle
wahrgenommen werden". Die Versorgungsbereiche Strom, Gas und Wasser sollen
in einer Kapitalgesellschaft (GmbH) zusammengefaßt werden. Voraussetzung der
Privatisierung ist ein Rechtsträgerwechsel bei der Erfüllung der Aufgaben. Die
Erledigung von Arbeiten und Aufgaben wird von der Stadt H., einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts, endgültig auf einen privatrechtlich organisierten
Träger übertragen. Der Begriff der Privatisierung ist auch dann erfüllt, wenn - wie
hier - die Stadt alle Anteile der neuen Gesellschaft hält (vgl. zu allem Hohmann, in
Maneck/Schirrmacher, Hessisches Bedienstetenrecht, 7. Auflage, Ordner 2,
Februar 1994, Rdnr. 65 zu § 81 HPVG; Landerer, PersR 1993, 340 ff., 341, der die
Umwandlung von im öffentlichen Besitz bestehenden Betrieben - z. B.
Regiebetriebe, Eigenbetriebe - in privatrechtliche Rechtsformen - z. B. GmbH,
Aktiengesellschaft - als formale Privatisierung bezeichnet; Spieß/Schirmer,
Personalvertretungsrecht in Hessen, 5. Auflage, 1993, Anmerkung II.e zu § 81
HPVG, wonach eine mitbestimmungspflichtige Privatisierung auch vorliegt, wenn
Aufgaben auf in private Rechtsform gekleidete Betriebe der öffentlichen Hand
übertragen werden).
Der Senat vermag der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen, der
Wortlaut der Vorschrift sei nicht eindeutig, mit dem Gesetzeswortlaut stehe eine
Auslegung im Einklang, die ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur
annehme, wenn bestimmte Aufgaben der Dienststelle auf Dritte übertragen
würden, es scheine bei wörtlicher Auslegung aber auch vertretbar, die
Privatisierung sämtlicher Aufgaben als mitbestimmungspflichtige Maßnahme
anzusehen. Schon die Prämisse, der Wortlaut der Vorschrift sei nicht eindeutig,
trifft nicht zu. Da im Wortlaut des § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG nicht unterschieden
wird zwischen der Privatisierung einzelner bestimmter Aufgaben und der
Privatisierung aller Aufgaben einer Dienststelle, wird vom Wortlaut der Vorschrift
"eindeutig" auch die genannte zweite Variante erfaßt. Eine einschränkende
Auslegung wäre nur dann möglich, wenn die Vorschrift andernfalls gegen
höherrangiges Rechts verstieße oder wenn sich das Erfordernis der
einschränkenden Auslegung aus dem systematischen Regelungszusammenhang
der Vorschrift ergäbe. Beides ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere stünde es
einer Mitbestimmung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG nicht entgegen, wenn
gleichzeitig wegen einer Auflösung der Dienststelle ein Mitwirkungsrecht nach § 81
Abs. 2 HPVG bestünde. Dies ergibt sich aus § 73a Satz 1 HPVG, wonach die in
diesem Gesetz aufgeführten Beteiligungstatbestände selbständig nebeneinander
stehen und unabhängig von einander geltend gemacht werden können. Der
Ausnahmetatbestand des § 73a Sätze 2 und 3 liegt zwar vor, weil der Personalrat
durch die Geltendmachung eines anderen Tatbestandes - hier eines
Mitwirkungstatbestandes - zugleich in organisatorischen und wirtschaftlichen
Angelegenheiten, nämlich bei der Privatisierung, mitbestimmen würde. Dies führt
jedoch nicht von vornherein dazu, daß das Mitbestimmungsrecht hinter das
Mitwirkungsrecht zurücktreten müßte. Vielmehr kann die Oberste Dienstbehörde
im Fall eines Nebeneinanders von Mitbestimmungsrecht und Mitwirkungsrecht den
Beschluß der Einigungsstelle nach § 71 Abs. 4 HPVG aufheben und endgültig
entscheiden, wenn sie sich dem Beschluß der Einigungsstelle nicht anschließt (vgl.
Rothländer, in Maneck/Schirrmacher, Hessisches Bedienstetenrecht, a. a. O.,
Rdnrn. 9 ff., 17 ff. zu § 73a HPVG).
Im übrigen hat das Verwaltungsgericht auf Seite 5 der angefochtenen
Entscheidung zutreffend darauf hingewiesen, daß eine Mitbestimmung des
Antragstellers nach § 81 Abs. 1 Satz 1 HPVG nicht bereits deshalb ausgeschlossen
ist, weil die Umwandlung der Stadtwerke auf einem Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung beruht. Dies folgt zum einen daraus, daß § 81 Abs.
1 Satz 1 HPVG das Mitbestimmungsrecht in den dort genannten Fällen nicht
darauf beschränkt, daß über die jeweilige Maßnahme allein der Dienststellenleiter
entscheiden kann. Auch entfällt ein Mitbestimmungstatbestand nicht, wenn eine
andere Behörde oder ein anderes Organ als der Dienststellenleiter für die
Sachentscheidung zuständig ist (vgl. Hess. VGH, Beschluß vom 11. Juni 1992 -
HPV TL 175/90 - Seite 9 des amtlichen Umdrucks). In derartigen Fällen hat der
Dienststellenleiter, der bei Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestandes die
Mitbestimmungsrechte des Personalrats als dessen Gesprächspartner wahren
muß, die Einwände des Personalrats gegen eine Entscheidung dem für die
muß, die Einwände des Personalrats gegen eine Entscheidung dem für die
Maßnahme zuständigen Organ zur Kenntnis zu geben und umgekehrt den
Personalrat über dessen Vorstellungen zu informieren. Es bleibt damit auch hier
dabei, daß alleiniger "Partner" des Personalrats der Dienststellenleiter ist (vgl.
Hess. VGH, a. a. O., mit weiteren Nachweisen) und daß dadurch, daß die
Stadtverordnetenversammlung für die grundsätzliche Entscheidung über die
Umwandlung zuständig ist, das Mitbestimmungsrecht aus § 81 Abs. 1 Satz 1
HPVG - Tatbestand der Privatisierung - nicht entfällt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.