Urteil des HessVGH vom 01.10.1990

VGH Kassel: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, aufschiebende wirkung, vollziehung, teilvollzug, vorläufiger rechtsschutz, dringlichkeit, bahnübergang, eingriff, verbandsklage

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
2. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 TH 507/90
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 80 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 33
StrG HE
(Teilweiser Sofortvollzug eines
Planfeststellungsbeschlusses für ein Straßenbauvorhaben)
Leitsatz
Ein Planfeststellungsbeschluß für ein Straßenbauvorhaben darf teilweise für sofort
vollziehbar erklärt werden, wenn die Verkehrsanlage nicht nur in räumlich-
gegenständlicher, sondern auch in funktioneller Hinsicht teilbar ist.
Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Herstellung von Teilen der Anlage nicht
nur zu einer bloßen Reduzierung des Vorhabens, sondern im Ergebnis dazu führt, daß
für einen erheblichen Zeitraum ein ganz anderes als das festgestellte Projekt
verwirklicht wird.
Gründe
I. Mit Beschluß vom 7. März 1989 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft und
Technik den Plan für die Südumgehung der Stadtteile Buchschlag und
Sprendlingen der beigeladenen Stadt Dreieich im Zuge der Landesstraße (L) 3262
festgestellt. Die Planfeststellung erfaßt nicht die gesamte Umgehungsstraße,
sondern knüpft in östlicher Richtung an ein Straßenprojekt an, das in einem
Bebauungsplan der Beigeladenen ausgewiesen und lediglich nachrichtlich in die
Planfeststellungsunterlagen aufgenommen worden ist. Ziel der Planung ist es, den
Durchgangsverkehr von den Ortsdurchfahrten Buchschlag und Sprendlingen auf
eine Umgehungsstraße zu verlagern und damit die verkehrsbedingten
Immissionen in diesen Stadtteilen zu reduzieren sowie die Verkehrsverhältnisse zu
verbessern. Daneben soll der Knotenpunkt Bundesstraße (B) 3/L 3262 (alt)
günstiger gestaltet und der höhengleiche Bahnübergang der Strecke Frankfurt am
Main-Darmstadt durch eine Bahnunterführung ersetzt werden.
Gegen den Planfeststellungsbeschluß hat unter anderen der Antragsteller, ein
anerkannter Naturschutzverband, Klage erhoben. Mit Beschluß vom 29. Dezember
1989 hat das Hessische Ministerium für Wirtschaft und Technik die sofortige
Vollziehung eines Teils des Plans angeordnet. Gegenstand der
Teilvollzugsanordnung sind im wesentlichen der Bau des westlichen Abschnitts der
Umgehungsstraße einschließlich der Bahnunterführung und die Herstellung der
Querspange, die den Stadtteil Buchschlag und das westliche Sprendlingen an die
Umgehungsstraße anbinden soll. Die Dringlichkeit dieser Maßnahme stützt die
Planfeststellungsbehörde auf die Befürchtung, daß mit der Aufnahme des S-
Bahnbetriebes und der hierfür erforderlichen Bauarbeiten an der Bahnstrecke
Frankfurt am Main-Darmstadt der höhengleiche Bahnübergang in der Ortslage
Buchschlag völlig überlastet und eine unerträgliche Situation für die
Verkehrsteilnehmer und die Bewohner Buchschlags hervorgerufen werde.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat durch Beschluß vom 14. Februar 1990 die
aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit im wesentlichen folgender
Begründung wiederhergestellt: Die Dringlichkeit der Maßnahme sei nicht erwiesen,
weil der für die Aufnahme des S-Bahnbetriebs erforderliche
Planfeststellungsbeschluß der Deutschen Bundesbahn noch nicht erlassen sei;
außerdem habe der Antragsgegner die Schließzeiten für den Bahnübergang nicht
ordnungsgemäß ermittelt. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des
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ordnungsgemäß ermittelt. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des
Antragsgegners.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Das
Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers im
Ergebnis zu Recht wiederhergestellt.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Beschluß vom 29. Dezember
1989 ist schon unter dem Gesichtspunkt der Teilung rechtlich zu beanstanden; der
hier angeordnete Teilvollzug führt dazu, daß für einen nicht absehbaren Zeitraum
ein völlig anderes als das festgestellte Vorhaben verwirklicht wird. Eine solche
Vollzugsanordnung ist wegen fehlender Teilbarkeit des Plans unzulässig. Das ergibt
sich im einzelnen aus folgenden Erwägungen:
Es bestehen keine grundsätzlichen rechtlichen Bedenken dagegen, daß ein
Planfeststellungsbeschluß nur zum Teil für sofort vollziehbar erklärt wird. Das hat
der Senat wiederholt entschieden (vgl. Beschluß vom 11. Juli 1988, NUR 1989, 263
-insoweit nicht veröffentlicht in NVwZ 1988, 1040-, und zuletzt Beschluß vom 20.
April 1990 - 2 R 3132/89 -). Mit dem Teilvollzug eines Planfeststellungsbeschlusses
kann einem aktuellen und dringenden Verkehrsbedürfnis in Abstufungen - unter
Berücksichtigung der Belange der Umwelt und der Anlieger - Rechnung getragen
werden. Eine Begrenzung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf einzelne
Planabschnitte oder Planteile ist aber nur rechtmäßig, wenn der
Planfeststellungsbeschluß insoweit teilbar ist (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger
Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Aufl., Rdnr. 611; Kopp, VwGO, 8.
Aufl., Rdnr. 51 zu § 80). Diese Voraussetzung ist bei einem Plan für eine
Verkehrsanlage nicht schon dann erfüllt, wenn das Vorhaben in räumlich-
gegenständlicher Hinsicht abschnittsweise verwirklicht werden kann. Vielmehr muß
eine funktionelle Teilbarkeit hinzutreten, die gewährleistet, daß durch den
Teilvollzug nicht die Gesamtkonzeption wesentlich verändert wird. Denn die auf
einen Abschnitt des Vorhabens begrenzte Anordnung der sofortigen Vollziehung
eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO darf keine
dauerhafte Planänderung bewirken, die sonst nur in einem förmlichen
Planänderungs- oder gar in einem neuen Planfeststellungsverfahren vollzogen
werden könnte.
Das Vorbringen des Antragsgegners gibt Veranlassung klarzustellen, daß in
diesem Zusammenhang nicht die Erfolgsaussicht der Verbandsklage im
Hauptsacheverfahren zu prüfen ist. Tatsächlich stellt sich die Frage der
funktionellen Teilbarkeit des Vorhabens im Klageverfahren überhaupt nicht, weil
dem Planfeststellungsbeschluß selbst ein einheitlicher Plan zugrundeliegt. Wenn
aber ein Plan nur teilweise für sofort vollziehbar erklärt wird, stellt die Teilbarkeit
des Verwaltungsaktes eine selbständig zu prüfende
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach
§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dar, wenn auch bei der sachlichen Überprüfung dieser
Frage ähnliche Kriterien maßgeblich sind, wie sie zur abschnittsweisen
Planfeststellung entwickelt worden sind.
Gegen die Teilbarkeit einer Verkehrsanlage bestehen keine Bedenken, wenn z.B.
bei mehrstreifig geplanten Fahrbahnen einzelne Fahrstreifen von dem
Sofortvollzug ausgenommen werden (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 11. Juli
1988 und 20. April 1990, a.a.O.). Neben einer solchen Längsspaltung kann die
sofortige Vollziehung eines Planfeststellungsbeschlusses auch auf einzelne
Abschnitte eines linearen Vorhabens begrenzt werden, wenn und soweit die mit
dem Vorhaben verfolgten Ziele ohne Änderung der Gesamtkonzeption zumindest
teilweise sofort erreicht werden (vgl. Senatsbeschluß vom 21. Juli 1989 - 2 R 768/89
-, UPR 90, 119 -LS-). In diesen Fällen bewirkt der Teilvollzug eine Reduzierung des
Vorhabens ohne Änderung der Gesamtkonzeption; der für sofort vollziehbar
erklärte Planteil stellt sich als "minus" gegenüber dem Gesamtplan dar. In diesem
Rahmen kann der Teilvollzug auch zu unwesentlichen Änderungen des Plans
führen, etwa wenn Schallschutzwände verschoben oder provisorische Anbindungen
geschaffen werden müssen.
Im vorliegenden Verfahren liegen die dargelegten Voraussetzungen für eine
teilweise sofortige Vollziehung nicht vor. Die Anordnung vom 29. Dezember 1989
bewirkt keine bloße Reduzierung des Vorhabens ohne Änderung der
Grundkonzeption, sondern sie führt im Ergebnis dazu, daß ein ganz anderes als
das zugelassene Planvorhaben verwirklicht wird. Bei lediglich räumlich-
gegenständlicher Betrachtung wird zwar nur ein Teil der vorgesehenen
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gegenständlicher Betrachtung wird zwar nur ein Teil der vorgesehenen
Straßenzüge (mit eigener Verkehrsfunktion) verwirklicht, funktionell kommt der
Teilvollzug aber einer Trassenverschiebung gleich; für die Dauer der Maßgeblichkeit
des Sofortvollzugs wird eine andere Planungsalternative realisiert. Denn der
Verkehrsstrom, der im Zuge der L 3262 nach dem festgestellten Plan insgesamt
auf die Südumgehung verlagert werden soll, wird jetzt nur noch um die Ortslage
von Buchschlag geleitet und auf der dafür nicht vorgesehenen Querspange wieder
in den innerörtlichen Bereich auf die derzeitige Trasse der L 3262 zurückgeführt.
Das hat zur Folge, daß wesentliche Ziele der Planfeststellung, nämlich die
Entlastung der Ortsdurchfahrt Sprendlingen und des Knotenpunktes B 3/L 3262
(alt), nicht erreicht werden können. Darüber hinaus besteht - entgegen dem
Beschwerdevorbringen Grund für die Befürchtung, daß in diesen Bereichen nicht
nur die mit dem Planfeststellungsbeschluß angestrebte Entlastung entfallen,
sondern infolge der teilweisen Vollziehung eine zusätzliche Belastung
hervorgerufen wird. Denn die Planfeststellungsbehörde geht selbst davon aus, daß
Verkehrsteilnehmer, die den höhengleichen Bahnübergang in Buchschlag jetzt
großräumig umfahren, nach der Errichtung der neuen Bahnunterführung die L
3262 befahren werden. Ferner sind weder die Querspange noch deren Anbindung
an die L 3262 (alt) für die erwartete Verkehrsbelastung von ca. 11.000 Kfz/24 h
ausgelegt.
Der Antragsgegner kann in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg einwenden,
daß die Straßenzüge, die sofort hergestellt werden sollen, eine selbständige
Verkehrsfunktion erfüllten. Die Funktionsfähigkeit der sofort zu vollziehenden
Planteile (durch Anschluß an das öffentliche Straßennetz) ist zwar eine
grundsätzliche Voraussetzung für die Teilbarkeit der planerischen Entscheidung,
dieser Aspekt trägt aber nicht zu der Klärung der Frage bei, ob durch die teilweise
Vollziehung die mit dem Vorhaben verfolgte Gesamtkonzeption verändert wird.
Ausnahmsweise kann auch eine konzeptionelle Planänderung, die durch einen
Teilvollzug bewirkt wird, als rechtlich unbedenklich angesehen werden, wenn sie nur
vorübergehend - als Provisorium im Zuge der Verwirklichung des Gesamtprojekts -
hingenommen werden muß. Es bedarf hier keiner Entscheidung, unter welchen
Voraussetzungen im einzelnen und vor allem in welchem zeitlichen Rahmen eine
solche Annahme gerechtfertigt ist. Denn im vorliegenden Verfahren ist nicht
absehbar, wann die Südumgehung der Stadtteile Buchschlag und Sprendlingen
insgesamt fertiggestellt werden wird. Der Antragsgegner hat selbst vorgetragen,
daß insoweit die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März
1989 abgewartet werden solle. Es ist aber ungewiß, und zwar unabhängig von den
Erfolgsaussichten der Verbandsklage des Antragstellers, ob und gegebenenfalls
wann dieser Beschluß unanfechtbar werden sollte. Die insoweit anhängigen
Gerichtsverfahren können sich über mehrere Jahre erstrecken, so daß nicht mit
hinreichender Sicherheit beurteilt werden kann, wann mit der Fertigstellung des
gesamten Vorhabens zu rechnen ist. Der jetzt beabsichtigte Teilvollzug des
angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März 1989 kann daher auch
nicht als bloße Übergangslösung angesehen werden.
Dieser Mangel der Vollzugsanordnung führt zur Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers. Eine unter dem
Gesichtspunkt der Teilung fehlerhafte Anordnung der sofortigen Vollziehung
rechtfertigt aber nicht zwangsläufig die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung jedes - insbesondere unter dem Aspekt der Klagebefugnis - zulässigen
Rechtsmittels. Vielmehr muß sich schon aus Gründen des Rechtsschutzinteresses
die fehlerhafte Teilung nachteilig auf die Rechtsposition des jeweiligen
Rechtsmittelführers auswirken. Das ist hier der Fall. Denn die sofortige
Teilvollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses wirkt sich
nachteilig auf Belange des Naturschutzes aus, die der Antragsteller - als
Verbandskläger - im vorliegenden Verfahren vertritt. Eine Verwirklichung des Plans
in dem für sofort vollziehbar erklärten Umfang wäre insbesondere wegen des
südlich von Buchschlag vorgesehenen Waldeinschlags mit einem erheblichen
Eingriff in Natur und Landschaft verbunden. Davon geht die
Planfeststellungsbehörde selbst aus. Sie hält diesen Eingriff zwar im
übergeordneten Allgemeininteresse für gerechtfertigt, bei dieser Abwägung hat sie
den Belangen des Naturschutzes aber alle öffentlichen Interessen
gegenübergestellt, die mit der Südumgehung insgesamt verfolgt werden. Die
Frage hingegen, ob der Eingriff in Natur und Landschaft allein durch die
Verbesserung der Immissions- und Verkehrsverhältnisse im Stadtteil Buchschlag
kompensiert werden kann, ist im Planfeststellungsverfahren überhaupt nicht
aufgeworfen worden. Diese Erwägungen verdeutlichen, daß mit der Anordnung der
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aufgeworfen worden. Diese Erwägungen verdeutlichen, daß mit der Anordnung der
sofortigen Vollziehung lediglich eines Teils des festgestellten Plans erheblich in die
Grundlagen der planerischen Abwägung eingegriffen werden kann.
Demgegenüber kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg einwenden, der
Antragsteller könne sich im Verbandsklageverfahren überhaupt nicht auf den
Mangel einer fehlerhaften Teilung berufen. Denn zum einen geht es hier - wie
dargelegt - nicht um die Erfolgsaussichten der Verbandsklage im
Hauptsacheverfahren, sondern um die Prüfung einer selbständigen
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Vollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO. Zum anderen könnte sich der Antragsteller auch im Hauptsacheverfahren
auf eine fehlende Teilbarkeit des Vorhabens berufen, wenn man unterstellt, eine
entsprechende Aufteilung der Anlage wäre schon im Planfeststellungsverfahren
selbst vorgenommen worden. Denn dann könnte der Antragsteller eine Verletzung
des § 6 Abs. 2 des Hessischen Naturschutzgesetzes vom 19. September 1980
(GVBl. I S. 309) - amtliche Abkürzung: HENatG - rügen. Der Antragsteller kann mit
der Verbandsklage nicht nur geltend machen, das Abwägungsgebot des § 6 Abs. 2
HENatG sei deshalb verletzt, weil die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes
nicht ordnungsgemäß eingestellt worden seien. Er kann sich darüber hinaus auch
darauf berufen, daß die zur Rechtfertigung des Eingriffs angeführten, mit dem
Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen nicht sachgerecht ermittelt und in die
planerische Abwägung einbezogen worden seien (vgl. hierzu im einzelnen
Senatsbeschluß vom 11. Juli 1988, a.a.O.). Deshalb könnte der Antragsteller auch
im Hauptsacheverfahren gegen eine entsprechende Teilung des Vorhabens
einwenden, daß die den Gesamtplan tragenden Gründe infolge der Teilung des
Vorhabens derart reduziert würden, daß der beabsichtigte Eingriff in Natur und
Landschaft nicht mehr gerechtfertigt sei.
Das gilt im übrigen auch für die privaten Belange der Planbetroffenen. Anlieger der
L 3262 in der Ortslage Sprendlingen hatten keine Veranlassung, den
Planfeststellungsbeschluß vom 7. März 1989 anzufechten, durch den sie
ausschließlich begünstigt werden. Durch den beabsichtigten Teilvollzug würde ihre
immissionsschutzrechtliche Situation aber möglicherweise verschlechtert, ohne
daß sie die Vollzugsanordnung innerhalb des Planfeststellungsverfahrens - durch
einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO - angreifen könnten. Ob insoweit
Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche außerhalb des
Planfeststellungsverfahrens - wegen fehlender Präklusion durch den
Planfeststellungsbeschluß - bestehen, bedarf hier keiner Entscheidung. Dem
Beschwerdevorbringen, die Verkehrsverhältnisse im Stadtteil Sprendlingen würden
durch den Teilvollzug nicht gegenüber dem derzeitigen Zustand verändert, steht
entgegen, daß der Antragsgegner im Planfeststellungsbeschluß (vgl. insbesondere
den Erläuterungsbericht) selbst davon ausgeht, daß die L 3262 stärker belastet
werden wird, wenn der höhengleiche Bahnübergang durch eine Über- oder
Unterführung ersetzt wird.
Nach allem kann dahingestellt bleiben, ob - wie das Verwaltungsgericht meint - die
für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche Dringlichkeit des
Vorhabens bereits daran scheitert, daß der bahnrechtliche
Planfeststellungsbeschluß für die Aufnahme des S-Bahnbetriebs auf der Strecke
Frankfurt am Main-Darmstadt im Bereich Buchschlag noch nicht erlassen ist. Die
Straßenbau- und Planfeststellungsbehörden sind bei der Bewältigung ihrer
planerischen Aufgabe nicht nur berechtigt, sondern. verpflichtet, künftigen
Entwicklungen - rechtlicher oder tatsächlicher Art - Rechnung zu tragen, soweit sie
mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden können. Das gilt insbesondere für
ineinandergreifende oder widerstreitende Planungen verschiedener
Planungsträger. Das Gebot der Rücksichtnahme auf externe Planungen,
insbesondere auf die kommunale Bauleitplanung, setzt nicht erst dann ein, wenn
diese Planungen durch eine förmliche Entscheidung abgeschlossen sind, sondern
bereits dann, wenn sie sich hinreichend konkretisiert haben. Ebenso tritt die
plangegebene Vorbelastung, die zum Ausschluß von Abwehr- und
Ergänzungsansprüchen der Plannachbarn führen kann, nicht erst mit der
förmlichen planerischen Entscheidung, sondern bereits mit der hinreichenden
Konkretisierung der Konzeption - in der Regel durch Offenlegung des Planentwurfs -
ein. Nach der Systematik des materiellen Planungsrechts ist es daher nicht
grundsätzlich zu beanstanden, wenn ein straßenrechtlicher
Planfeststellungsbeschluß, der an Veränderungen des Bahnbetriebes anknüpft,
schon vor Erlaß des bahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses für vorläufig
vollziehbar erklärt wird. Insoweit ist lediglich erforderlich, daß sich die Planung der
Bahnanlage hinreichend verfestigt hat.
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Die sonstigen Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Dringlichkeit des Vorhabens
teilt der Senat jedenfalls vom rechtlichen Ansatz her nicht. Schon die derzeitigen
Schließzeiten des höhengleichen Bahnübergangs von ca. 35 Minuten in einer
Spitzenstunde führen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Verkehrsteilnehmer
und der Straßenanlieger im Stadtteil Buchschlag. Werden diese Schließzeiten mit
der Aufnahme des S-Bahnbetriebs noch einmal deutlich erhöht, dürfen die von
dem Antragsgegner befürchteten unerträglichen Verkehrs- und
Immissionsverhältnisse auch dann hinreichend wahrscheinlich zu erwarten sein,
wenn bei der Ermittlung der Schließzeiten - in Relation zu der Gesamtzeit
geringfügige Korrekturen angebracht sein sollten.
Mit diesen Hinweisen wird aber nicht die Entscheidung darüber vorweggenommen,
ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung des gesamten
Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März 1989 im besonderen öffentlichen
Interesse im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt. Das hängt - neben den
bereits angesprochenen Fragen davon ab, ob die für die sofortige Vollziehung des
gesamten Plans sprechenden Gründe nach Gewicht und Dringlichkeit geeignet
sind, die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses vom 7. März 1989
zu rechtfertigen. Im übrigen dürfte eine solche Vollzugsanordnung von vornherein
auch nur in Betracht kommen, wenn - in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht - die
sofortige Verwirklichung des Teils der Südumgehung gewährleistet ist, der durch
Bebauungsplan ausgewiesen ist.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein
Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO Es entspricht billigem
Ermessen, ihm auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
aufzuerlegen, weil diese einen Sachantrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko
beteiligt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 14
Abs. 1 i.V.m. §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 20 Abs. 3 GKG. Der Senat bewertet das
Interesse eines Naturschutzverbandes an der Aufhebung des Plans für eine
beachtliche Verkehrsanlage im Hauptsacheverfahren mit 10.000,00 bis 50.000,00
DM. Hier erscheint nach den Umständen des Falles ein Betrag von 20.000,00 DM
als angemessen, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wegen der
Vorläufigkeit der begehrten Entscheidung zu halbieren ist. Im Interesse einer
einheitlichen Wertfestsetzung hat der Senat von der Möglichkeit des § 25 Abs. 1
Satz 3 GKG Gebrauch gemacht, die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung von
Amts wegen abzuändern.
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 25 Abs. 2 Satz 2
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.