Urteil des HessVGH vom 31.08.1989

VGH Kassel: wiedereinsetzung in den vorigen stand, schule, zeugnis, eltern, direktor, gymnasium, leistungsklage, klageart, verwaltungsakt, belastung

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Gericht:
Hessischer
Verwaltungsgerichtshof
6. Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 UE 2262/87
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 1 GG, § 42 Abs 1
VwGO, § 53 Abs 1
SchulVwG HE
Anfechtung einer Einzelnote - Klageart und
Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz
Zur Klageart und zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Verbesserung einer
Einzelnote.
1. Das Begehren auf Abänderung der Note für Betragen im Zeugnis für das 1. Halbjahr
des Schuljahres kann mit der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden; diese Note
ist mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klage besteht dann nicht, wenn der
Schüler die Benotung zwar als ungerecht, aber nicht als sein Persönlichkeitsrecht
verletzende bleibende Belastung empfindet.
Tatbestand
Aufgrund des am 21. Januar 1986 gefaßten Beschlusses der Lehrerkonferenz der
Klasse 6 f erteilte das Gymnasium L.-schule, Frankfurt am Main, dem Kläger unter
dem 31. Januar 1986 ein Zeugnis für das erste Halbjahr des Schuljahres 1985/86.
In Betragen erhielt der Kläger die Note "4". Zur Begründung wurde im Zeugnis
unter "Bemerkungen" ausgeführt, die Betragensnote sei vorrangig auf das
undisziplinierte Verhalten des Klägers während der Pausen zurückzuführen. Mit
einem an die Deutschlehrerin gerichteten Schreiben vom 9. April 1986 vertrat die
Mutter des Klägers die Auffassung, der Kläger habe die Note nicht verdient. Er
habe sich während des Unterrichts nichts zuschulden kommen lassen. Sie - die
Eltern - hätten nie eine Benachrichtigung erhalten. Der Kläger habe auch keinen
Eintrag in das Klassenbuch bekommen. Im Gespräch mit dem Klassenlehrer am
14. Januar 1986 sei über das Betragen des Klägers nichts erwähnt worden, obwohl
die Eltern ausdrücklich danach gefragt hätten. Dies bestätige, daß der Kläger
während der Pausen nichts getan habe, was eine "4" in Betragen rechtfertige. Am
21. Februar 1986 habe die Mutter mit einigen Lehrern gesprochen. Drei Lehrer
hätten nicht gewußt, daß der Kläger in Betragen eine "4" bekommen habe. Unter
dem 29. April 1986 wandle sich der Vater des Klägers an den Direktor der L.-schule
und teilte mit, er habe Widerspruch gegen die Beurteilung erhoben, weil diese
weder von dem Klassenlehrer noch von dem Direktor begründet worden sei. Der
Direktor der L.-schule erwiderte mit Bescheid vom 7. Mai 1986, daß die
Betragensnote ordnungsgemäß mit einstimmigem Abstimmungsvotum zustande
gekommen sei und daß keine Veranlassung bestehe, die Note aufzuheben, da
sich in der Zwischenzeit keine neuen Gesichtspunkte ergeben hätten.
Im Mai 1986 verzog die Familie nach Wiesbaden. Das von der L.-schule am 2. Juni
1986 erteilte Zeugnis bei Schulwechsel und das am 25. Juni 1986 von dem
Gymnasium am M. B. in Wiesbaden erteilte Versetzungszeugnis enthalten keine
Kopfnoten. Das Zeugnis des Gymnasiums am M. B. betreffend das erste Halbjahr
des Schuljahres 1986/87 (Klasse 7 b) vom 30. Januar 1987 weist für Betragen die
Note "2" aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1986, den Eltern des Klägers zugestellt mit
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1986, den Eltern des Klägers zugestellt mit
Postzustellungsurkunde am 19. Juni 1986, wies das Staatliche Schulamt für die
Stadt Frankfurt am Main den Widerspruch zurück.
Mit der am 20. März 1987 erhobenen Klage hat der Kläger die Note "4" im Zeugnis
vom 31. Januar 1986 angefochten und im Hinblick auf die Versäumung der
Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung
haben die Eltern des Klägers vorgetragen, die Fachlehrer, der Klassenlehrer, das
Schulamt und das Kultusministerium hätten keine Antwort auf die Frage gegeben,
warum der Kläger eine "4" in Betragen erhalten habe. Die Versäumung der
Klagefrist beruhe auf einem Verschulden des von ihnen bevollmächtigten
Rechtsanwalts.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt
die ihm im Zeugnis für das erste Schulhalbjahr 1985/86 von der L.-schule in
Frankfurt am Main für Betragen erteilte Note "4" aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit
Gerichtsbescheid vom 7. Juli 1987 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die
Klage sei als Anfechtungsklage unzulässig, weil eine Betragensnote kein
Verwaltungsakt sei. Im übrigen sei die Klage nicht innerhalb der Monatsfrist des §
74 Abs. 1 VwGO erhoben worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne
nicht gewährt werden, weil der Kläger nicht innerhalb von zwei Wochen, nachdem
er von dem Verstreichen der Klagefrist Kenntnis erlangt habe, einen
Wiedereinsetzungsantrag bei Gericht gestellt habe. Auch ein fristgerecht
eingereichter Wiedereinsetzungsantrag wäre abzulehnen gewesen, da sich ein
Kläger das schuldhafte Verhalten seines Bevollmächtigten zurechnen lassen
müsse. Die Klage sei auch als Leistungsklage unzulässig. Es fehle das
Rechtsschutzinteresse, denn es sei nicht ersichtlich, daß die Abänderung der
Betragensnote die weitere schulische Laufbahn des Klägers günstig beeinflussen
könne, da die Note weder in das Zwischenzeugnis der L.-schule noch in das für das
Schuljahr 1985/86 vom Gymnasium am M. B. ausgestellte Abschlußzeugnis
aufgenommen worden sei.
Gegen den am 30. Juli 1987 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7.
August 1987 Berufung eingelegt, zu deren Begründung seine Eltern ihren Vortrag
erster Instanz wiederholen und ergänzend ausführen, vor Ergehen des
Widerspruchsbescheides seien alle Fachlehrer und auch der Klassenlehrer damit
einverstanden gewesen, eine neue Klassenkonferenz anzuberaumen, um die
Betragensnote zu diskutieren und zu verbessern. Der Direktor habe jedoch die
Anberaumung einer neuen Klassenkonferenz verweigert. Es bestünden Zweifel an
der Einstimmigkeit der Klassenkonferenz vom 21. Januar 1986, denn einige Lehrer
hätten nicht gewußt, daß der Kläger eine "4" in Betragen bekommen habe. Kein
Fachlehrer habe diese Note bestätigt oder irgendwie begründet. Die meisten
hätten klar geantwortet, daß der Kläger eine "2" in Betragen verdient habe. Ein
Lehrer habe insofern sogar eine "1" genannt. Eine Lehrerin habe Ende Februar
1986 in Anwesenheit des Klassenlehrers und des Direktors protestiert, weil sie
ihren Notenvorschlag "2" nicht mehr in dem Formular gefunden habe. Nach dem
Erlaß vom 3. November 1975 sei es unzulässig, eine "4" in Betragen zu erteilen,
ohne die Eltern vorher zu informieren. Nach dem Erlaß vom 22. März 1982 seien
die Lehrer verpflichtet, die Erziehungsberechtigten über besondere Auffälligkeiten
des Schülers im Bereich des Arbeits- und Sozialverhaltens zu unterrichten mit
dem Ziel, zu einer Aussprache zu kommen. Der Erlaß vom 22. März 1982 habe
den Erlaß vom 3. November 1975 nicht abgelöst, sondern ergänze diesen. Die
Mutter des Klägers trägt weiter vor, die Betragensnote habe Auswirkungen gehabt.
Der Kläger sei nach dem Umzug der Familie wegen dieser Note nicht in eine in der
Nähe des Hauses der Familie gelegene Schule aufgenommen worden. Sie, die
Mutter, sei aber heute froh, daß der Kläger eine andere Schule besuche, weil die
Familie mit dieser Schule sehr zufrieden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des am 7. Juli 1987 beratenen Gerichtsbescheids des
Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main, des Bescheids der L.-schule vom 7. Mai
1986 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 1986 das Zeugnis für das erste
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1986 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 1986 das Zeugnis für das erste
Halbjahr des Schuljahres 1985/86 hinsichtlich der Betragensnote zu verbessern
und die Bemerkung zu tilgen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, nach § 3 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung über allgemeine
Bestimmungen für die Zeugniserteilung vom 22. Januar 1982 seien Führungsnoten
nur auf Verlangen der Erziehungsberechtigten zu begründen.. Diese
Voraussetzung habe nicht vorgelegen.
Der Senat hat Beweis erhoben über das Betragen des Klägers in der L.-schule
während des ersten Halbjahres des Schuljahres 1985/86 sowie über die
wesentlichen Gesichtspunkte der Beratung betreffend die Betragensnote des
Klägers in der Klassenkonferenz am 21. Januar 1986 durch Vernehmung der Lehrer
bzw. Lehrerinnen H., R., R., E., W., F., H., W., G. und P. als Zeugen. Der Kläger
selbst ist informatorisch gehört worden.
Die Verwaltungsvorgänge des Staatlichen Schulamtes für die Stadt Frankfurt am
Main (ein blauer Heftstreifen) und des Hessischen Kultusministeriums (ein weißer
Heftstreifen) sowie von der Klägerseite eingereichte Unterlagen (geheftet in einer
gelben Klarsichthülle) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird auf die vorgenannten Unterlagen sowie auf den Inhalt
der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß erhoben (§ 124
VwGO), aber unbegründet.
Das Verwaltungsgericht konnte durch Gerichtsbescheid ohne mündliche
Verhandlung entscheiden (Art. 2 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in
der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978, BGBl. I S. 446,
zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985, BGBl. I S. 1274 ) . Es hat die
Beteiligten vor der Entscheidung zu dieser Verfahrensweise ordnungsgemäß
angehört. Die Eltern des Klägers haben sich zwar gegen eine Entscheidung durch
Gerichtsbescheid ausgesprochen. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn § 1 Abs.
1 EntlG verlangt lediglich die vorherige Anhörung der Beteiligten, nicht aber deren
Zustimmung (vgl. auch Kopp, VwGO, 8. Aufl., 1989, Rdnr. 19 zu § 1 EntlG m.w.N.).
Die Klage ist unzulässig.
Sie ist allerdings als allgemeine Leistungsklage statthaft. Diese Klageart kommt
für ein Begehren auf Abänderung der Betragensnote in Betracht (vgl. OVG
Münster, Urteil vom 15. November 1974 - XV A 1335/73 -, OVGE 30, 153 = DÖV
1975, 358; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Januar 1980 - 2 A 81/79 -, DÖV
1980, 614; VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 14. Dezember 1981 - 9 S
1092/80 , DÖV 1982, 164; Löwer, DVBl. 1980, 952 ff., 959; Niehues, a.a.O., Rdnr.
481 m.w.N.), wenn keine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, die für ihre
Anwendungsbereiche andere Klagearten ausschließen (vgl. den Senatsbeschluß
vom 17. Februar 1987 - 6 TP 3336/86 - und Kopp, a.a.O., Rdnr. 9 zu § 42 VwGO),
möglich ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da mit der Anfechtungs- bzw. der
Verpflichtungsklage nur die Aufhebung bzw. der Erlaß eines Verwaltungsaktes
begehrt werden kann (§ 42 Abs. 1 VwGO).
Die Betragensnote im Zeugnis für das erste Halbjahr des Schuljahres 1985/86,
deren Verbesserung der Kläger wünscht, ist aber kein Verwaltungsakt.
Verwaltungsakt kann eine hoheitliche Maßnahme nur sein, wenn sie zur Regelung
eines Einzelfalles getroffen wird und auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen
gerichtet ist (§ 35 Satz 1 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes -
HVwVfG -). Dies gilt auch für Einzelnoten. Ihnen kommt nur Außenwirkung zu, wenn
sie sich beispielsweise auf eine Abschlußnote oder den späteren Werdegang
auswirken oder auswirken sollen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 18. Mai 1982 - 1 WB
148.78 -, BVerwGE 73, 376 f. = ZBR 1983, 168 - insofern nur Leitsätze -; Beschluß
vom 11. Januar 1977 - I WB 32/76 -, ZBR 1978, 72). Auch nach der Rechtsprechung
des Senats greift eine Einzelnote nur dann unmittelbar regelnd in den Rechtskreis
des Schülers oder Prüflings ein, wenn bestimmte Berechtigungen an die Einzelnote
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des Schülers oder Prüflings ein, wenn bestimmte Berechtigungen an die Einzelnote
anknüpfen oder wenn die Note - wie etwa die Deutschnote oder die
Mathematiknote im Abiturzeugnis - geeignet ist, den späteren Berufsweg des
Betreffenden entscheidend zu beeinflussen (Hess. VGH, Urteil vom 26. November
1973 - VI OE 108/73 -, DVBl. 1974, 469; Beschluß vom 17. Februar 1987 - 6 TP
3336/86 -; so auch OVG Berlin, Urteil vom 7. November 1974 - OVG VB 7.73 -,
DVBl. 1975, 731 = DÖV 1975, 570; OVG Münster, Urteil vom 15. November 1974 -
XV- A 1335/73 -, OVGE 30, 153 f . = DÖV 1975, 358; Niehues, Schul- und
Prüfungsrecht, 2. Auflage, 1983, Rdnr. 481; a. A. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
9. Januar 1980 - 2 A 81/79 -, DÖV 1980, 614, wonach die einzelnen Fachnoten in
einem Abgangszeugnis keine Verwaltungsakte sind; offengelassen BayVGH, Urteil
vom 12. März 1984 - Nr. 7 B 83 A.563 -, BayVBl. 1984, 629).
Eine derartige Regelungswirkung hat die hier streitige Betragensnote nicht. Sie ist
lediglich in einem Halbjahreszeugnis enthalten, das später bei der Bewerbung um
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zur Beurteilung des Klägers nicht
herangezogen wird. Auch sonst ist nicht ersichtlich, daß die Betragensnote
Auswirkungen auf ein mögliches späteres Studium oder gar auf einen späteren
Beruf haben könnte. Dies gilt nicht nur für die Betragensnote allein, sondern auch
für die Note in Verbindung mit der Bemerkung, die Betragensnote sei vorrangig
auf das undisziplinierte Verhalten des Klägers während der Pausen
zurückzuführen. Denn auch die Begründung einer nicht den Begriff des
Verwaltungsakts erfüllenden Maßnahme vermag grundsätzlich keine
Regelungswirkung herbeizuführen, es sei denn, durch die Begründung ändert sich
der Charakter der Maßnahme, was hier nicht der Fall ist.
Der Vortrag der Mutter des Klägers, der Kläger sei nach dem Umzug der Familie
wegen der Note "4" in Betragen nicht in eine in der Nähe gelegene Schule
aufgenommen worden, ändert am Fehlen der Regelungswirkung ebenfalls nichts,
denn die Betragensnote war nicht darauf gerichtet, den Übergang auf eine andere
Schule zu verhindern oder zu erschweren. Im übrigen ist es eine durch nichts
bewiesene Vermutung, daß die Betragensnote der Grund dafür war, den Kläger
nicht in das G.-berg-Gymnasium aufzunehmen. Denn nach dem Vortrag der Eltern
des Klägers hat der Direktor dieser Schule seine Ablehnung damit begründet, auf
der Schule sei kein Platz für den Kläger.
Eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage könnte auch nicht in Bezug auf das
gesamte Halbjahreszeugnis erhoben werden, denn das Halbjahreszeugnis erfüllt
den Begriff des Verwaltungsakts ebenfalls nicht.
Die Leistungsklage ist jedoch unzulässig, da dem Kläger das allgemeine
Rechtsschutzbedürfnis, das für jede Klage erforderlich ist (BVerwG, Beschluß vom
25. April 1983 - 7 B 179.82 -, BayVBl. 1983, 477), fehlt. Ein vernünftiger Zweck der
Rechtsverfolgung ist nicht erkennbar (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerwG,
Beschluß vom 25. April 1983, a.a.O., und Beschluß vom 3. Dezember 1979 -
BVerwG 7 B 196.79 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 123, S. 198). Der Senat
hat zunächst das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis in Anlehnung an eine in der
Literatur vertretene Auffassung (Kopp, VwGO, 8. Auflage, Vorb. § 40 , Rdnr. 31)
bejaht, da er das in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Persönlichkeitsrecht des Klägers
durch die Betragensnote in Verbindung mit der Bemerkung im Zeugnis in so
hohem Maß tangiert sah, daß ein vernünftiges Interesse an einer Entscheidung
des Gerichts nicht hätte verneint werden können. Der Senat hatte aufgrund des
Vortrags der Eltern des Klägers, der Kläger sei noch heute tief betroffen und fühle
sich in seiner Ehre verletzt, den Eindruck gewonnen, daß die angegriffene
Betragensnote für ihn immer noch einen schweren Makel bedeute. Nachdem der
Kläger aber in dem letzten Verhandlungstermin auf Nachfrage selbst angegeben
hat, die "4" sei eigentlich nichts Schweres für ihn, man habe ihn niemals auf die "4"
angesprochen, er fühle sich heute in jeder Hinsicht durch sie nicht mehr
benachteiligt, vermag der Senat nicht festzustellen, daß eine derartige Belastung
des Klägers jetzt - noch - besteht. Es ist deutlich geworden, daß er die
angegriffene Betragensnote zwar für ungerecht, aber nicht als sein
Persönlichkeitsrecht verletzende bleibende Belastung empfindet. Insoweit kommt
es darauf an, was er selbst erklärt, nicht auf den Vortrag seiner Eltern. Denn nach
dem Eindruck, den er in der mündlichen Verhandlung auf den Senat gemacht hat,
ist er voll in der Lage zu erkennen und darzustellen, wie weit er betroffen ist. Es
handelt sich bei dem fast 16-jährigen Kläger um einen intelligenten, sachlich
argumentierenden jungen Mann, der die nötige Reife besitzt, um derartige Fragen
zutreffend zu beantworten.
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Darüber hinaus ist auch sonst weder dargetan noch ersichtlich, daß und in welcher
Weise die erstrebte Verbesserung der Betragensnote und das Entfallen des
ebenfalls angegriffenen Begründungssatzes die weitere Ausbildung und das
berufliche Fortkommen des Klägers günstig beeinflussen könnten (vgl. zu den im
Prüfungsrecht an das allgemeine Rechtsschutzinteresse zu stellenden
Anforderungen auch BVerwG, Beschluß vom 24. April 1983, a.a.O., und VGH Bad.-
Württ., Beschluß vom 14. Dezember 1981, a.a.O.. Eine etwaige Wirkung der
angegriffenen Bewertung hat sich nicht auf das Abschlußzeugnis für das Schuljahr
1985/86 ausgewirkt, denn das von der L.-schule am 2. Juni 1986 erteilte Zeugnis
bei Schulwechsel und das am 25. Juni 1986 von dem Gymnasium am M. B. erteilte
Versetzungszeugnis enthalten keine Kopfnoten. Auch in späteren Zeugnissen hat
sich die angegriffene Bewertung nicht in einer negativen Betragensnote oder in
sonstiger Weise niedergeschlagen.
Daß die Note keine Auswirkungen auf das schulische Fortkommen des Klägers hat,
ergibt sich auch daraus, daß er zum Beginn des Schuljahres 1989/90 von der 9. in
die 11. Klasse versetzt wurde, also eine Klasse übersprungen hat. Wenn die Mutter
des Klägers meint, die angegriffene Betragensnote sei ein "Fleck" gewesen, der
das frühere Überspringen einer Klasse verhindert habe, so bedarf dies keiner
weiteren Aufklärung, denn es kommt darauf an, ob zur Zeit der Entscheidung des
Gerichts das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis besteht. Nunmehr hat der Kläger
eine Klasse übersprungen, so daß ein durch die Betragensnote bedingter Nachteil
jetzt jedenfalls ausgeschlossen werden kann.
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis folgt auch nicht daraus, daß der Beklagte
erst während des Berufungsverfahrens im einzelnen begründet hat, warum der
Kläger in Betragen eine "4" erhalten hat. Selbst wenn aufgrund des zeitweisen
Fehlens der Begründung das Rechtsschutzbedürfnis hätte bejaht werden müssen,
ist jedenfalls jetzt die Klage nicht mehr zulässig, denn eine Begründung liegt
nunmehr vor. Ob sie zutrifft, d.h. ob der Kläger wegen seiner Aktivitäten im
Unterricht und häufiger ungerechtfertigter Aufenthalte im Schulgebäude
aufgefallen ist, kann dahinstehen, da die Klage prozessual unzulässig und daher
auf ihre Begründetheit nicht einzugehen ist.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sein
Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO,
708 Nr. 10, 711 ZPO in entsprechender Anwendung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO
liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.